BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Schubartgymnasium Aalen

gegründet 1912

 

Aus den Zeiten der Lateinschule

 

Oberstudienrat Herbert Plickert:

Aus der Geschichte unserer Schule

(bis 1914)

 

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Wie Rat und Bürgerschaft

sich ihre Schule wünschten

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Da die Schule in Aalen eine städtische Einrichtung war, hatten Rat und Konsistorium nicht nur das Recht, die Lehrer zu bestellen und Schulordnungen zu erlassen, sondern sie waren dazu sogar verpflichtet, „da das geist- und weltlich oberkeithlich Ambt undter anderm erfordern, Fürkehrung zu thuen, damit die Jugendt fleißig, mit großer Behuethsamkeit und ziemlicher Strenge erzogen ... werdte“.

Nachdem vermutlich bei dem Stadtbrand von 1634 die alte Schulverfassung verloren gegangen war, wurde am 7. August 1696 eine neue erlassen. Sie umfaßt zwei Kapitel; das erste handelt in 21 Paragraphen von den Präzeptoren und Provisoren, dem Lehrverfahren und der Schulzucht:

Die Lehrer werden zu einträchtiger Zusammenarbeit und vorbildlicher Lebensführung, zu Nüchternheit und Mäßigung und Ehrbarkeit ermahnt (1-3).

Der lateinische Präzeptor soll die besten Schüler dazu anhalten, Latein und Arithmetik zu lernen (4).

Der lateinische Präzeptor, der zugleich den Organistendienst zu versehen hat, soll zusammen mit den übrigen Schulbediensteten besonders auf den Gesangsunterricht achten (5-6).

Der Unterricht dauert täglich von 7-10 Uhr und (außer mittwochs und samstags) von 12-3 Uhr; die vorgeschriebene Sitzordnung ist einzuhalten (7-8).

Für das Unterrichtsverfahren wird reichliches Auswendiglernen, besonders aus der Bibel, Rezitieren und Examinieren vorgeschrieben (9).

Die Lehrer sollen die Kinder zu gutem Betragen außerhalb der Schule anhalten (10-14).

Bestimmungen über die Prügelstrafe, vor der die Lehrer nicht zurückschrecken sollen, „da dieselbe von Gott ... verordnet“ (15-16).

„Dieweillen ein Arbeitter seines Lohnes werth unndt Schuelhalten nicht der geringsten Arbeitten eine ist“, soll das Schulgeld gezahlt werden wie bisher; Privatstunden zu geben, wird den Lehrern gestattet (17-19).

Das Schulhaus darf nicht für Zusammenkünfte benutzt werden, da es eine „Offizin Gottes und des Hl. Geistes“ ist; dafür sind die Lehrer verantwortlich (20-21).

Das zweite Kapitel gibt in 17 Paragraphen eine „Allgemeine Satzung die Jugendt betreffend“.

Die Jugend soll in Gottesfurcht leben, regelmäßig zur Kirche gehen und sich während der Predigt gesittet benehmen, zu den Betstunden sollen die Schüler in geschlossenem Zuge von der Schule zur Kirche gehen (1-3).

Sie sollen in ordentlichen Kleidern zum Unterricht und zum Gottesdienst erscheinen und ihren Lehrern Gehorsam, den Bürgermeistern, den Geistlichen und allen älteren und ehrbaren Personen Achtung erweisen (4-6).

Die Schüler dürfen die Schule nicht ohne Erlaubnis verlassen und den Unterricht nicht stören, ihre Hefte und Bücher haben sie sauberzuhalten (7-10).

Sie sollen sich auf dem Schulweg ordentlich aufführen und in der Öffentlichkeit nicht die Lehrer verleumden (11-13).

Beschädigungen des Schulhauses und seiner Einrichtung werden nicht geduldet (14-15).

Fischen, Vogelfangen, Baden, Schneeballwerfen, Schleifen auf dem Eis sind bei Strafe verboten (16).

Die Schulordnung soll von Lehrern und Schülern, Scholarchen und Visitatoren beachtet werden (17).

Diese Ordnung entstand in einer Zeit des Verfalls der Aalener Schule, jedoch ohne ihm steuern zu können. Die beiden Revisionen von 1710 und 1740 fallen zeitlich mit dem Antritt von Kern und Schubart zusammen, und es besteht wohl kein Zweifel, daß diese tüchtigen Lehrer dabei mitgewirkt haben. Bei den Neuerungen zu verweilen, dürfte sich hier erübrigen, da sie nichts Umwälzendes mit sich brachten.

Ein anderes Geschehen wurde für die Aalener Schulen von besonderer Bedeutung. Die Zeit um 1700 brachte nicht nur einen Tiefstand des Erziehungswesens der Reichsstadt; auch die öffentliche Verwaltung lag darnieder. Das führte zu einer starken Opposition der Bürgerschaft gegen den Magistrat. 1736 kam es zu einem förmlichen Vertrag zwischen Rat und Bürgern. Darin wurde bestimmt, daß das Schulwesen regelmäßig beaufsichtigt und nachhaltig gefördert werden sollte, zu welchem Zweck jedes Vierteljahr eine Sitzung der geistlichen Behörde, des Konsistoriums, abgehalten werden sollte. Daran nahmen teil der gesamte Rat, die beiden Geistlichen und der Sprecher der Bür­gerschaft, der Bürgerstättmeister von der Gemeinde. Bei Schulvisita­tionen sollten die 3 Bürgermeister, die 2 Geheimen, die beiden Geist­lichen, der lateinische Präzeptor und der o. a. Bürgerstättmeister je 30 Kreuzer erhalten. Nun war man wieder einen Schritt in der Ordnung des Schulwesens weitergekommen. Nur um 1750, in der zweiten Amtszeit Waldhiers, kann man ein auffälliges Hinausschieben einer Schuldebatte im Konsistorium feststellen. Hätte man wirklich keine Zeit, die Besetzung des Präzeptorats zu erörtern, oder wollte man dem Bürgersohn Jonathan Rieder noch Gelegenheit geben, seine Studien zu vollenden? Eines ist sicher: der Aufschub erfolgte nicht, weil man keine Bewerber um die Schulstelle hatte. An solchen hat es niemals gefehlt.

Jonathan Rieder war es dann, der um 1760 im Auftrage des Rats Vorschläge für die Verbesserung des Schulwesens machte. Leider ist sein Plan nicht erhalten. Aus den wenigen Bemerkungen, die im Ratsprotokoll stehen, kann man schließen, daß er eine neue und umfassendere Schulordnung ausgearbeitet hatte, die die Billigung des Rates fand. Wie weit die neuen Bestimmungen angewandt wurden, ob sie nach Rieders Weggang in Vergessenheit gerieten, das läßt sich nicht mehr feststellen. Wohl aber kann man sagen, daß seit 1736 schlimme Mißstände nicht mehr auftraten. Die Beteiligung der Bürgerschaft am Stadtregiment, die mit jenem Jahre begann, war für die Schule ein Gewinn.