BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Otto Pick

1887 - 1940

 

Karel Čapek, W. U. R.

Werstands Universal Robots

 

Übersetzung

1922

 

____________________________________________________________

 

 

[81]

Zweiter Aufzug

 

Derselbe Salon Helenens. Im Zimmer links spielt HELENE Klavier. DOMIN spaziert im Zimmer herum. DR. GALL schaut aus dem Fenster und ALQUIST sitzt abseits in einem Fauteuil, die Hände vor dem Gesicht.

 

DR. GALL Himmel, die haben sich vermehrt!

DOMIN Die Roboter?

DR. GALL Ja. Sie stehen vor dem Gartengitter wie eine Mauer. Weshalb sind sie so still? Das ist ekelhaft, mit Schweigen zu belagern.

DOMIN Gern wüßte ich, worauf sie warten. Es muß jede Minute beginnen, Gall. Wenn sie sich gegen das Gitter stemmen, so zerbirst es wie aus Streichhölzchen.

DR. GALL Hm, sie sind nicht bewaffnet.

DOMIN Keine fünf Minuten werden wir uns erwehren. Mensch, das wird uns zuschütten wie eine Lawine. Warum greifen sie nicht an? Hören Sie –

DR. GALL Nun?

DOMIN Gern wüßte ich, was in fünf Minuten aus uns wird. Sie haben uns vollkommen in der Hand. Wir haben verspielt, Gall.

ALQUIST Was spielt Frau Helene da?

DOMIN Ich weiß nicht. Sie übt etwas Neues.

ALQUIST Ah, sie übt noch?

 

Pause. [82]

 

DR. GALL Hören Sie, Domin, wir haben entschieden einen Fehler begangen.

DOMIN bleibt stehen Welchen?

DR. GALL Wir haben den Robotern allzu gleichartige Gesichter gegeben. Hunderttausend gleiche Gesichter hier hergewendet. Hunderttausend ausdruckslose Blasen. Es ist wie ein schrecklicher Traum.

DOMIN Wenn jeder anders wäre – –

DR. GALL So wäre es kein so entsetzlicher Anblick. Wendet sich vom Fenster ab. Noch gut, daß sie nicht bewaffnet sind!

DOMIN Hm – Blickt durchs Fernrohr nach dem Hafen hinaus. Ich wüßte nur gern, was sie von der „Amelie“ abladen.

DR. GALL Wenn es nur keine Waffen sind.

 

Aus der Tapetentür tritt rückwärts gehend FABRY

und zieht zwei elektrische Drähte hinter sich her.

 

FABRY Pardon – Legen Sie den Draht hin, Hallemeier!

HALLEMEIER tritt hinter Fabry ein Uf, das war eine Arbeit! Was gibt's Neues?

DR. GALL Nichts. Wir sind regelrecht belagert.

HALLEMEIER Wir haben den Gang und die Treppe verbarrikadiert, Jungens. Habt ihr nicht ein wenig Wasser? – Aha, hier. Trinkt.

DR. GALL Was soll der Draht, Fabry?

FABRY Gleich, gleich. Eine Schere!

DR. GALL Wo finden wir eine? Sucht.

HALLEMEIER tritt ans Fenster Donnerwetter, die haben sich vermehrt! Sieh da!

DR. GALL Genügt eine Toiletteschere? [83]

FABRY Her damit! Zerschneidet die Leitung der auf dem Schreibtisch stehenden elektrischen Lampe und schließt seine Drähte an.

HALLEMEIER beim Fenster Sie haben keine schöne Aussicht, Domin. Man spürt irgendwie – den Tod.

FABRY Fertig!

DR. GALL Was?

FABRY Die Leitung. Jetzt können wir das ganze Gartengitter mit Strom füllen. Wer es dann anrührt, Donnerwetter! Wenigstens, solange dort die Unsrigen sind.

DR. GALL Wo?

FABRY Im Elektrizitätswerk, gelehrter Herr. Ich hoffe wenigstens – geht zum Kamin und entzündet dort eine kleine Glühbirne. Gottlob, sie sind dort. Und arbeiten. Löscht aus. Solange das leuchtet, ist es gut.

HALLEMEIER wendet sich vom Fenster ab Die Barrikaden sind auch gut, Fabry.

FABRY Eh, Ihre Barrikaden! Ich hab' mir dabei lauter Schwielen zugezogen.

HALLEMEIER Was wollen Sie, man muß sich wehren.

DOMIN legt das Fernrohr hin Wo steckt Busman?

FABRY In der Direktionskanzlei. Er rechnet.

DOMIN Ich habe ihn gerufen. Wir müssen beraten – Geht im Zimmer auf und ab.

HALLEMEIER Ich bin schon ganz Ohr – – Holla, was spielt Frau Helene da? Geht zur Tür links und lauscht.

 

Aus der Tapetentür tritt BUSMAN, schleppt riesige

Geschäftsbücher, stolpert über den Draht.

 

FABRY Achtung, Bus! Achtung auf die Drähte!

DR. GALL Hallo, was bringen Sie da? [84]

BUSMAN legt die Bücher auf den Tisch Die Hauptbücher, Kinderchen. Möchte gern meine Rechnungen abschließen, ehe – ehe – I nun, heuer werde ich mit der Bilanz nicht bis Neujahr warten. Also was habt ihr? Geht zum Fenster. Aber es ist ja ganz still dort!

DR. GALL Sie sehen nichts?

BUSMAN Nein, bloß eine große blaue Fläche, wie mit Mohn besät.

DR. GALL Das sind Roboter.

BUSMAN Ah so. Schade, daß ich sie nicht sehe. Setzt sich an den Tisch und öffnet die Bücher.

DOMIN Lassen Sie das, Busman. Die Roboter laden von der „Amelie“ Waffen ab.

BUSMAN Nun und was? Wie soll ich es verhindern?

DOMIN Das können wir nicht verhindern.

BUSMAN Also lassen Sie mich rechnen. Macht sich an die Arbeit.

FABRY Es ist noch nicht aus, Domin. Wir haben die Gitter mit zwölfhundert Volt geladen –

DOMIN Warten Sie. Der „Ultimus“ hat die Kanonen gegen uns gerichtet.

DR. GALL Wer? Was?

DOMIN Roboter auf dem „Ultimus“.

FABRY Hm, dann freilich – dann – dann ist es aus mit uns, Kameraden. Die Roboter sind militärisch ausgebildet.

DR. GALL Wir werden also –

DOMIN Ja. Unvermeidlich.

 

Pause. [85]

 

DR. GALL Jungens, das ist das Verbrechen des alten Europa, daß es die Roboter Krieg führen gelehrt hat! Konnten sie nicht, zum Teufel, schon Ruh' geben mit ihrer Politik? Es war ein Verbrechen, aus lebendiger Arbeit Soldaten zu machen!

ALQUIST Ein Verbrechen war es, Roboter zu erzeugen!

DOMIN Wie?

ALQUIST Das Verbrechen war, Roboter zu erzeugen!

DOMIN Nein, Alquist, selbst heute bereue ich es nicht.

ALQUIST Nicht einmal heute?

DOMIN Nicht einmal heute, am letzten Tage der Zivilisation. Es ist eine große Sache gewesen.

BUSMAN halblaut Dreihundertsechzehn Millionen.

DOMIN ernst Alquist, unsere letzte Stunde ist da; wir reden fast schon aus jener Welt. Alquist, es war kein schlechter Traum, die Sklaverei der Arbeit zu zerschlagen. Einer erniedrigenden und furchtbaren Arbeit, die der Mensch tragen mußte. Eines unreinen und mörderischen Rackerns. Oh, Alquist, es wurde allzu schwer gearbeitet. Es wurde allzu schwer gelebt. Und dies zu überwinden –

ALQUIST – ist nicht der Traum der beiden Werstands gewesen. Der alte Werstand dachte an seine gottlosen Gaukeleien und der junge an Milliarden. Und es ist nicht der Traum eurer W. U. R.-Aktionäre. Ihr Traum' sind die Dividenden. Und an ihren Dividenden wird die Menschheit zugrunde gehen.

DOMIN gereizt Der Teufel hole ihre Dividenden! [86] Glaubt ihr, ich würde nur eine Stunde lang für sie arbeiten? Schlägt auf den Tisch. Für mich habe ich es getan, hört ihr? Zu meiner Befriedigung! Ich wollte den Menschen zum Herrn machen! Damit er nicht mehr bloß für das Stück Brot lebe! Ich wollte, keine Seele solle mehr an fremden Maschinen verblöden, ich wollte, daß nichts, nichts, nichts von diesem verdammten sozialen Kram mehr übrigbliebe! Oh, mich ekelt vor Erniedrigung und Schmerz, mich widert Armut an! Ein neues Geschlecht wollte ich! Ich wollte – ich dachte –

ALQUIST Nun?

DOMIN leiser Ich wollte, daß wir aus der ganzen Menschheit eine Weltaristokratie schaffen. Eine Aristokratie, die durch Milliarden mechanischer Sklaven ernährt würde. Schrankenlose, freie und souveräne Menschen. Und vielleicht mehr als Menschen.

ALQUIST Nun, also Übermenschen.

DOMIN Ja. Oh, nur hundert Jahre Zeit zu haben! Noch hundert Jahre für die kommende Menschheit!

BUSMAN halblaut Dreihundertsiebzig Millionen Übertrag. So.

 

Pause.

 

HALLEMEIER an der Türe links Wetter, Musik ist eine große Sache. Ihr solltet zuhören. Das vergeistigt, verfeinert den Menschen irgendwie –

FABRY Was eigentlich?

HALLEMEIER Diese Menschendämmerung, bei allen Teufeln! Jungens, aus mir wird ein Genießer. [87] Wir hätten uns eher darauf stürzen sollen. Geht zum Fenster und schaut hinaus.

FABRY Worauf?

HALLEMEIER Aufs Genießen. Auf die schönen Dinge. Donnerwetter, es gibt soviel schöne Dinge! Die Welt war schön, und wir – wir haben hier – Jungens, Jungens, sagt, was haben wir genossen?

BUSMAN halblaut Vierhundertzweiundfünfzig Millionen, vortrefflich.

HALLEMEIER beim Fenster Das Leben war eine große Sache. Kameraden, das Leben war – ich sage Fabry, senden Sie ein bisserl Strom in Ihr Gitter!

FABRY Warum?

HALLEMEIER Sie fassen es an.

DR. GALL beim Fenster Schalten Sie ein!

 

FABRY dreht den Ausschalter.

 

HALLEMEIER Herrgott, das hat sie verdreht! Zwei, drei, vier Tote!

DR. GALL Sie ziehen sich zurück.

HALLEMEIER Fünf Tote!

DR. GALL wendet sich vom Fenster ab Der erste Zusammenstoß.

FABRY Spüren Sie den Tod?

HALLEMEIER befriedigt Sie sind verkohlt, Bruderherz. Absolut verkohlt. Haha, der Mensch darf sich nicht ergeben! Setzt sich.

DOMIN reibt sich die Stirn Vielleicht sind wir schon hundert Jahre erschlagen und spuken nur. Vielleicht sind wir lange, lange tot und kehren nur wieder, um herzuleiern, was wir schon einmal gesprochen … vor [88] unserem Tode. Mir ist, als hätte ich dies alles schon erlebt. Als hätte ich sie schon einmal bekommen. Eine Schußwunde – hier – in den Hals. Und Sie, Fabry –

FABRY Ich?

DOMIN Erschossen.

HALLEMEIER Wetter, und ich?

DOMIN Erstochen.

DR. GALL Und ich nichts?

DOMIN Zerrissen.

 

Pause.

 

HALLEMEIER Unsinn! Haha, Menschenskind, wer soll mich erstechen! Ich lasse mich nicht unterkriegen!

 

Pause.

 

HALLEMEIER Was schweigt ihr, Narren? Bei allen Teufeln, redet doch.

ALQUIST Und wer, wer ist schuldig? Wer ist daran schuld?

HALLEMEIER Dummheiten. Niemand ist schuldig. Kurz, die Roboter – I nun, die Roboter haben sich irgendwie verändert. Wer kann denn etwas für die Roboter?

ALQUIST Alles getötet! Die ganze Menschheit! Die ganze Welt! Erhebt sich. Seht, o seht, blutige Bäche auf jeder Schwelle! Bächlein voll Blut aus allen Häusern! O Gott, o Gott, wer ist schuld daran?

BUSMAN halblaut Fünfhundertzwanzig Millionen! Herrgott, eine halbe Milliarde!

FABRY Ich glaube, daß … daß Sie vielleicht übertreiben. Gehn Sie, es ist nicht so leicht, die ganze Menschheit zu töten. [89]

ALQUIST Ich klage die Wissenschaft an! Ich klage die Technik an! Domin! Mich selbst! Uns alle! Wir, wir sind schuldig! Um unseres Größenwahns, um irgendwelcher Gewinne, um des Fortschritts, um ich weiß nicht welcher großartigen Sache willen haben wir die Menschheit getötet! Nun, so berstet an eurer Größe! Einen so gewaltigen Hügel aus Menschengebein hat sich kein Dschingiskhan errichtet!

HALLEMEIER Unsinn, Mensch! Die Menschen ergeben sich nicht so leicht, haha, woher denn!

ALQUIST Unsere Schuld! Unsere Schuld!

DR. GALL wischt den Schweiß von der Stirn Laßt mich reden, Kameraden. Ich trage die Schuld. An allem, was geschehen ist.

FABRY Sie, Gall?

DR. GALL Ja, laßt mich sprechen. Ich habe die Roboter verwandelt. Busman, richten auch Sie mich.

BUSMAN steht auf Na, na, was ist Ihnen denn passiert?

DR. GALL Ich habe den Charakter der Roboter verändert. Ich habe ihre Fabrikation verändert. Das heißt, nur einige leiblichen Bedingungen, verstehen Sie? Hauptsächlich – hauptsächlich ihre – Irritabilität.

HALLEMEIER aufspringend Verdammt, warum just die?

BUSMAN Weshalb taten Sie das?

FABRY Weshalb sagten Sie nichts?

DR. GALL Ich tat es heimlich … auf eigene Faust. Ich formte sie zu Menschen um. Ich hob sie aus [90] dem Geleise. Schon jetzt sind sie uns in etwas überlegen. Sie sind stärker als wir.

FABRY Und was hat das mit dem Roboteraufstand zu tun?

DR. GALL Oh, viel. Ich glaube, alles. Sie hörten auf, Maschinen zu sein. Hören Sie, sie wissen bereits von ihrer Überlegenheit und hassen uns. Sie hassen alles Menschliche. Richtet mich!

DOMIN Tote einen Toten. Setzen Sie sich, meine Herren. Alle setzen sich, ausgenommen Gall. Vielleicht sind wir längst schon ermordet. Vielleicht sind wir nur Gespenster und noch einmal wiedergekommen, um zu richten. Was ist Schuld? Ach, wie seid ihr bleich!

FABRY Hören Sie auf, Harry, wir haben nicht viel Zeit.

DOMIN Ja, wir müssen heimkehren. Fabry, Fabry, wie Ihre zerschossene Stirn blutet!

FABRY Unsinn! Steht auf. Doktor Gall, Sie haben die Erzeugung der Roboter geändert.

DR. GALL Ja.

FABRY War Ihnen bewußt, was die Folge Ihres … Ihres Versuches sein könnte?

DR. GALL Ich war verpflichtet, mit einer solchen Möglichkeit zu rechnen.

FABRY Warum haben Sie es dann getan?

DR. GALL Aus eigener Macht. Es war mein persönliches Experiment.

 

In der Tür von links HELENE. Alle erheben sich.

 

HELENE Er lügt! Das ist häßlich! Oh, Gall, wie können Sie so lügen? [91]

FABRY Pardon, Frau Helene –

DOMIN geht auf sie zu Helene, du? Laß dich anschauen! Du lebst? Umfaßt sie. Wenn du wüßtest, was mir geträumt hat! Ach, es ist schrecklich, tot zu sein.

HELENE Laß, Harry!

DOMIN preßt sie an sich Nein, nein! Umarme mich! Eine Ewigkeit schon habe ich dich nicht gesehen – Aus welchem Traum hast du mich geweckt! Helene, Helene, laß nicht mehr von mir! Du bist das Leben selbst.

HELENE Harry, wir sind ja nicht – allein!

DOMIN gibt sie frei Ja, Jungens, laßt uns.

HELENE Nein, Harry, sie sollen bleiben, sie sollen hören – – Gall ist nicht schuldig, nein, er ist unschuldig!

DOMIN Verzeih'. Gall hatte seine Pflichten.

HELENE Nein, Harry, er hat es getan, weil ich es wollte! Sagen Sie, Gall, wie viele Jahre schon bat ich Sie –

DR. GALL Ich habe es auf eigene Verantwortung getan.

HELENE Glaubt ihm nicht! Harry, ich verlangte von ihm, er solle den Robotern eine Seele geben!

DOMIN Helene, hier handelt es sich nicht um die Seele.

HELENE Nein, laß mich doch reden. Das sagte er auch; er sagte, verwandeln könnte er nur das physiologische – das physiologische –

HALLEMEIER Das physiologische Korrelat, nicht?

HELENE Ja, etwas dergleichen. Mir lag soviel daran, daß er es täte! [92]

DOMIN Warum wolltest du das?

HELENE Ich wollte, daß sie eine Seele haben. Sie taten mir so leid, Harry!

DOMIN Das war – – ein großer Leichtsinn, Helene.

HELENE setzt sich Es war also … leichtsinnig?

FABRY Pardon, Frau Helene, Domin will bloß sagen, daß Sie – hm – daß Sie nicht bedacht haben –

HELENE Fabry, ich habe an schrecklich viele Dinge gedacht. Ich habe die ganzen zehn Jahre, die ich bei euch bin, nachgedacht. Nana sagt ja auch, daß die Roboter –

DOMIN Die Nana laß aus dem Spiel.

HELENE Nein, Harry, das darfst du nicht unterschätzen. Nana ist die Stimme des Volkes. Aus Nana reden tausende Jahre und aus euch nur das Heute. Das versteht ihr nicht –

DOMIN Bleib bei der Sache.

HELENE Ich fürchtete mich vor den Robotern.

DOMIN Weshalb?

HELENE Sie würden uns vielleicht hassen oder so.

ALQUIST Das ist geschehen.

HELENE Und da dachte ich … wenn sie wie wir wären, so würden sie uns begreifen, könnten uns nicht so hassen – Wenn sie nur ein bißchen Menschen wären!

DOMIN Wehe, Helene! Niemand vermag mehr zu hassen, als der Mensch den Menschen! Mach' Steine zu Menschen, und sie werden uns steinigen! Fahr' nur fort! [93]

HELENE Oh, sprich nicht so! Harry, es war so fürchterlich, daß wir uns nicht mit ihnen verständigen konnten! Eine so grausame Fremdheit zwischen uns und ihnen! Und darum – weißt du –

DOMIN Nur weiter.

HELENE Darum bat ich Gall, er solle die Roboter ändern. Ich schwöre dir, er selbst wollte es nicht.

DOMIN Aber er hat es getan.

HELENE Weil ich es wollte.

DR. GALL Ich tat es für mich, als Versuch.

HELENE Oh, Gall, das ist nicht wahr. Ich wußte im vorhinein, daß Sie es mir nicht abschlagen können.

DOMIN Warum?

HELENE Du weißt doch, Harry.

DOMIN Ja. Weil er dich liebt – wie alle.

 

Pause.

 

HALLEMEIER tritt zum Fenster Sie haben sich wieder vermehrt. Als wenn die Erde sie ausschwitzte. Vielleicht verwandeln sich auch diese Wände in Roboter. Leute, das ist entsetzlich!

BUSMAN Frau Helene, was geben Sie mir, wenn ich Ihnen als Advokat beistehe?

HELENE Mir?

BUSMAN Ihnen – oder Gall. Wem Sie wollen.

HELENE Wird denn gehängt werden?

BUSMAN Nur moralisch, Frau Helene. Ein Schuldiger wird gesucht. Das ist ein beliebter Trost bei Katastrophen.

DOMIN Doktor Gall, wie vereinen Sie Ihre – Ihre Extratouren mit Ihrem Dienstvertrag? [94]

BUSMAN Pardon, Domin. Wann haben Sie, Gall, mit diesen Gaukelstücken eigentlich begonnen?

DR. GALL Vor drei Jahren.

BUSMAN Aha. Und wie viele Roboter haben Sie denn in summa reformiert?

DR. GALL Ich habe nur Versuche angestellt. Es sind ihrer einige Hunderte.

BUSMAN Also schönen Dank. Genug, Kinderchen. Das bedeutet, daß auf eine Million der alten guten Roboter ein einziger von Galls Reformierten kommt, versteht ihr?

DOMIN Und das bedeutet –

BUSMAN – daß das praktisch nicht soviel Bedeutung besitzt.

FABRY Busman hat recht.

BUSMAN Das möcht' ich meinen, alle Wetter. Und wißt ihr, Burschen, was diese Bescherung verschuldet hat?

FABRY Was also?

BUSMAN Die Menge. Wir haben zu viele Roboter fabriziert. Meiner Six, das ließ sich doch erwarten: sobald die Roboter einmal stärker als die Menschheit sein werden, wird, muß das da eintreten, verstanden? Haha, und wir haben dafür gesorgt, daß es möglichst bald geschähe; Sie, Domin, Sie, Fabry, und ich, der Prachtkerl Busman.

DOMIN Sie meinen, es sei unsere Schuld?

BUSMAN Sie sind gut! Glauben Sie denn, der Direktor sei der Herr der Produktion? I wo, Herr der Produktion ist die Nachfrage. Die ganze Welt wollte ihre Roboter haben. Du lieber Gott, wir [95] fuhren auf dieser Nachfrage-Lawine nur so spazieren und schwatzten dabei von Technik, von der sozialen Frage, vom Fortschritt, von sehr interessanten Dingen. So als ob dieses Geplärr der Lawine irgendwie den Weg gewiesen hätte. Inzwischen lief alles kraft des eigenen Gewichts, schneller, schneller, immer schneller – Und jede elende, krämerische, schmutzige Bestellung fügte zu der Lawine ein Steinchen hinzu. So, Leutchen.

HELENE Das ist scheußlich, Busman!

BUSMAN Das ist es, Frau Helene. Ich habe auch meinen Traum gehabt. So einen Busmanischen Traum von einer neuen Weltwirtschaft; ein allzu schönes Ideal, Frau Helene, eine Schande, davon zu reden. Aber als ich hier die Bilanz aufstellte, da kam es mir in den Schädel, daß die Weltgeschichte nicht durch große Träume, sondern durch die winzigen Bedürfnisse aller ehrenhaften, mäßig diebischen und selbständigen Leutchen, id est aller überhaupt gemacht wird. Alle Gedanken, Lieben, Pläne, Heroismen, alle diese luftigen Dinge eignen sich höchstens dazu, daß sich der Mensch damit für das Museum des Alls ausstopfen lasse, mit der Aufschrift:Siehe, ein Mensch. Punktum. Und nun könntet ihr mir sagen, was wir eigentlich machen werden.

HELENE Busman, dafür sollen wir untergehen?

BUSMAN Sie reden garstig, Frau Helene. Wir wollen doch nicht untergehen. Ich wenigstens nicht. Ich will noch am Leben bleiben.

DOMIN Was wollen Sie tun? [96]

BUSMAN Jemine, Domin, ich will mich aus der Affäre ziehen. Sonst nichts.

DOMIN Hören Sie auf, zu plauschen.

BUSMAN Ernsthaft, Harry. Ich denke, wir könnten es versuchen.

DOMIN bleibt vor ihm stehen Wie?

BUSMAN Im guten. Ich immer im guten. Erteilt mir Vollmacht und ich will es mit den Robotern ausmachen.

DOMIN Im guten?

BUSMAN Versteht sich. Ich sage ihnen zum Beispiel: „Meine Herren Roboter, Ew. Wohlgeboren, ihr habt alles. Ihr habt Verstand, die Macht, habt Waffen; aber wir haben da so ein interessantes Register, so ein altes, gelbes, schmutziges Papier –“

DOMIN Werstands Manuskript?

BUSMAN Jawohl. „Und dort,“ sage ich ihnen, „ist eure erhabene Herkunft geschildert, eure wohledle Herstellung usw. Meine Herren Roboter, ohne dieses bekritzelte Papier werdet ihr nicht einen neuen Roboter-Kollegen fabrizieren; nach zwanzig Jahren werdet ihr mit Verlaub wie die Eintagsfliegen krepieren; nach zwanzig Jahren bleibt uns kein einziges lebendes Roboterexemplar übrig, das wir in einer Menagerie zeigen könnten. Verehrteste, es wäre ausnehmend schade um euch. Wißt ihr was,“ werde ich zu ihnen sprechen, „ihr laßt uns frei, uns alle Menschen auf Werstands Insel, und jenes Schiff dort besteigen. Dafür verkaufen wir euch die Fabrik und das Produktionsgeheimnis. Laßt uns mit Gott abfahren und wir lassen euch mit Gott [97] euresgleichen erzeugen, zwanzigtausend, fünfzigtausend, hunderttausend Stück im Tag, ganz nach Belieben. Meine Herren Roboter, das ist ein ehrliches Geschäft. Etwas für etwas.“ – So würde ich es ihnen sagen, Jungens.

DOMIN Busman, Sie meinen, wir geben die Erzeugung aus der Hand?

BUSMAN Ich meine, wir geben sie her. Wenn nicht im guten, dann, hm. Entweder wir verkaufen es, oder sie werden es hier finden. Wie Sie wollen.

DOMIN Busman, wir können Werstands Manuskript vernichten.

BUSMAN Aber mit Gott, wir können alles vernichten. Außer dem Manuskript auch uns – und andere. Tun Sie, wie Sie's verstehen.

HALLEMEIER wendet sich vom Fenster ab Ich sage, er hat recht.

DOMIN Wir – wir sollen die Erzeugung verkaufen?

BUSMAN Wie Sie wollen.

DOMIN Wir sind hier … mehr als dreißig Menschen. Sollen wir die Fabrikation verkaufen und die Menschenseelen retten? Oder sollen wir sie zerstören und – und – uns alle mit?

HELENE Harry, ich bitte dich –

DOMIN Warte, Helene. Hier handelt es sich um eine allzu ernste Frage. Jungens, verkaufen oder zerstören? Fabry!

FABRY Verkaufen.

DOMIN Gall!

DR. GALL Verkaufen. [98]

DOMIN Hallemeier!

HALLEMEIER Donnerwetter, das ist doch klar, verkaufen!

DOMIN Alquist!

ALQUIST Gottes Wille.

BUSMAN Haha, jemine, ihr seid Narren! Wer würde denn das ganze Manuskript verkaufen?

DOMIN Busman, keinen Betrug!

BUSMAN I nun, bei Gott, so verkauft alles; aber dann –

DOMIN Was dann?

BUSMAN Nehmen wir folgendes an: Bis wir auf dem „Ultimus“ sind, verstopfe ich mir die Ohren mit Watte, lege mich irgendwo auf dem Grund des Schiffes hin und ihr schießt die Fabrik mit allem Kram und mit Werstands ganzem Geheimnis in Fetzen. So, Jungens.

FABRY Nein.

DOMIN Sie sind kein Gentleman, Busman. Verkaufen wir, so wird verkauft.

BUSMAN springt auf Unsinn! Im Interesse der Menschheit ist –

DOMIN Im Interesse der Menschheit ist es, Wort zu halten.

HALLEMEIER Das möchte ich mir ausbitten.

DOMIN Jungens, das ist ein furchtbarer Schritt. Wir verkaufen das Schicksal der Menschheit; wer die Erzeugung in Händen haben wird, wird der Herr der Welt sein.

FABRY Verkaufen Sie!

DOMIN Nie mehr wird die Menschheit mit den [99] Robotern fertig werden, sie nie mehr beherrschen; untergehen wird sie in der Sintflut dieser furchtbaren lebenden Maschinen, sie wird ihr Sklave werden, wird leben von ihren Gnaden –

DR. GALL Schweigen Sie und verkaufen Sie!

DOMIN Wohlan, Jungens; ich selbst – – ich würde keinen Augenblick zögern; wegen der paar Leute, die ich liebe –

HELENE Harry, mich fragst du nicht?

DOMIN Nein, mein Kind; es ist zu verantwortungsvoll, weißt du? Das ist nichts für dich.

FABRY Wer geht verhandeln?

DOMIN Wartet, bis ich das Manuskript bringe. Ab nach links.

HELENE Harry, um Gottes willen, geh nicht!

 

Pause.

 

FABRY blickt durchs Fenster Dir zu entrinnen, tausendköpfiger Tod; dir, Masse im Aufruhr; unsinniger Pöbel, neuer Herrscher der Welt; Sintflut, Sintflut, noch einmal das Menschenleben auf einem einzigen Schiffe zu retten –

Dr. GALL Fürchten Sie sich nicht, Frau Helene; wir segeln weit fort von hier und gründen eine musterhafte Menschenkolonie; wir fangen ein neues Leben an –

HELENE Oh, Gall, schweigen Sie!

FABRY dreht sich um Frau Helene, das Leben steht dafür; und was an uns liegt, so machen wir etwas daraus … etwas, was wir vernachlässigt haben. Es ist dafür nicht zu spät. Es wird ein kleiner Staat sein mit einem Schiff; Alquist baut uns ein Haus [100] hin und Sie werden uns beherrschen – Es ist in uns soviel Liebe, soviel Lust zum Leben –

HALLEMEIER Das möcht' ich meinen, Bruderherz. Wir, sage ich, wir werden's noch zu etwas bringen. Hahahaha. Frau Helenens Königtum! Fabry, das ist ein herrlicher Gedanke! Das Leben ist schön!

HELENE O mein Gott! Hört auf!

BUSMAN I nun, Leute, ich möchte gleich von neuem beginnen. Recht einfach, alttestamentarisch, hirtenhaft – – Kinder, das wäre etwas für mich. Die Ruhe, die Luft –

FABRY Und unsere kleine Wirtschaft könnte der Ursprung der künftigen Menschheit werden. Wißt ihr, solch ein Inselchen, wo die Menschheit einen Halt finden, wo sie neue Kräfte schöpfen würde – Kräfte der Seele und des Leibes. – Und Gott weiß, ich glaube, nach paar hundert Jahren könnte sie wieder die Welt erobern.

ALQUIST Sie glauben das schon heute?

FABRY Schon heute. Und ich glaube, Alquist, daß sie sie erobern wird. Daß sie wiederum Herr über Länder und Meere sein wird; daß sie zahllose Helden hervorbringen wird, die ihre brennende Seele der Menschheit vorantragen werden. Und ich glaube, Alquist, daß sie wieder von der Eroberung der Sonnen und Planeten träumen wird.

BUSMAN Amen. Sie sehen, Frau Helene, das ist keine schlechte Situation.

 

DOMIN öffnet heftig die Tür.

 

DOMIN heiser Wo ist das Manuskript des alten Werstand? [101]

BUSMAN In Ihrem Tresor. Wo anders sollte es denn sein?

DOMIN Wohin ist das Manuskript des alten Werstand geraten! Wer – hat – es – gestohlen!

Dr. GALL Unmöglich!

HALLEMEIER Verdammt, das ist doch –

BUSMAN Herrgott, das vielleicht nicht!

DOMIN Still! Wer hat es gestohlen?

HELENE erhebt sich Ich.

DOMIN Wohin hast du es gegeben?

HELENE Harry, Harry, alles werde ich dir sagen! Um Gottes willen, verzeih es mir!

DOMIN Wohin hast du's gegeben? Rasch!

HELENE Verbrannt – heute früh – beide Abschriften.

DOMIN Verbrannt? Hier im Kamin?

HELENE sinkt in die Knie Um Gottes willen, Harry!

DOMIN läuft zum Kamin Verbrannt! Kniet beim Kamin nieder und wühlt darin herum. Nichts, nichts als Asche. – Ah, hier! Zieht ein versengtes Stück Papier hervor und liest. „Durch Bei – fü – gung –“

Dr. GALL Zeigen Sie. Nimmt das Papier und liest. „Durch Beifügung von Biogen zu –“ Sonst nichts.

DOMIN erhebt sich Ist es daraus?

DR. GALL Ja.

BUSMAN Gott im Himmel!

DOMIN Also sind wir verloren.

HELENE Oh, Harry –

DOMIN Steh auf, Helene!

HELENE Bis du vergibst – bis du vergibst – [102]

DOMIN Ja, steh nur auf, hörst du? Ich ertrage es nicht, daß du –

FABRY hebt sie auf Bitte, quälen Sie uns nicht.

HELENE steht auf Harry, was habe ich getan!

DOMIN Ja, du siehst. – Bitte, setz' dich.

HALLEMEIER Wie Ihnen die Händchen zittern.

BUSMAN Haha, Frau Helene, Gall und Hallemeier wissen doch vielleicht auswendig, was dort geschrieben stand.

HALLEMEIER Versteht sich. Das heißt, wenigstens einige Sachen.

DR. GALL Ja, fast alles, bis auf das Biogen und – und – das Enzym Omega. Die werden so selten erzeugt es genügt davon eine so unscheinbare Dosis –

BUSMAN Wer hat sie hergestellt?

DR. GALL Ich selbst … einmal in der Zeit … immer nach Werstands Manuskript. Wissen Sie, das ist zu kompliziert.

BUSMAN Nun und was, kommt es gar so sehr auf diese beiden Wässerchen an?

HALLEMEIER So ein bißchen – sicherlich.

DR. GALL Von ihnen hängt es nämlich ab, daß das Ding überhaupt lebe. Das war das eigentliche Geheimnis.

DOMIN Gall, könnten Sie nicht aus dem Gedächtnis Werstands Erzeugungsvorschrift zusammenstellen?

DR. GALL Ausgeschlossen.

DOMIN Gall, entsinnen Sie sich! Es handelt sich um unser aller Leben! [103]

DR. GALL Ich kann nicht. Ohne Versuche ist es unmöglich.

DOMIN Und wenn Sie Versuche anstellen –

DR. GALL Das könnte Jahre dauern. Und selbst dann – Ich bin nicht der alte Werstand.

DOMIN wendet sich zum Kamin Also hier – dies war der größte Triumph des menschlichen Geistes, Kameraden. Diese Asche. Tritt hinein. Was jetzt?

BUSMAN in verzweifeltem Entsetzen Gott im Himmel! Gott im Himmel!

HELENE erhebt sich Harry! Was – habe ich – getan!

DOMIN Sei ruhig, Helene. Sag', warum hast du es verbrannt?

HELENE Ich habe euch vernichtet!

BUSMAN Gott im Himmel, wir sind verloren!

DOMIN Still, Busman! Sag', Helene, weshalb hast du das getan?

HELENE Ich wollte … ich wollte, daß wir wegfahren, wir alle! Es sollte keine Fabrik mehr geben und nichts … Alles sollte wiederkehren … Es war so furchtbar!

DOMIN Was, Helene?

HELENE Dies … dies, daß die Menschen zu tauben Blüten wurden!

DOMIN Ich verstehe nicht.

HELENE Dies, daß keine Kinder mehr geboren wurden … Harry, das ist so entsetzlich! Würde man weiter Roboter erzeugen, so würde es nie mehr Kinder geben – Nana sagte, das sei die Strafe – Alle, alle sagten, es können keine Menschen geboren [104] werden, weil man so viele Roboter macht. – Und deshalb, nur deshalb, hörst du –

DOMIN Helene, daran hast du gedacht?

HELENE Ja. Oh, Harry, ich habe es so gut gemeint!

DOMIN wischt sich den Schweiß ab Wir hatten es … zu gut gemeint, wir Menschen.

HELENE Bist du mir böse?

DOMIN Nein, du hattest … in deiner Art … vielleicht recht.

FABRY Sie haben richtig gehandelt, Frau Helene. Die Roboter können sich nicht mehr vermehren. In zwanzig Jahren –

HALLEMEIER – wird kein einziger dieser Taugenichtse mehr da sein.

DR. GALL Und die Menschheit wird bleiben. Wenn es nur ein Paar Wilde im Urwald wäre, so wird es dafür stehen. In zwanzig Jahren gehört die Welt ihnen; selbst wenn es nur ein Paar von Wilden auf der kleinsten Insel wäre –

FABRY – so wird es ein Anfang sein. Und sofern irgendein Anfang da ist, ist alles gut. In tausend Jahren können sie uns einholen, und dann werden sie weitergelangen, als wir –

DOMIN – um zu erfüllen, was wir nur in Gedanken stotterten.

BUSMAN Wartet – Ich Dummkopf! Herrgott im Himmel, daß ich mich nicht längst schon daran erinnert habe!

HALLEMEIER Was haben Sie?

BUSMAN Fünfhundertzwanzig Millionen Banknoten [105] und Schecks! Eine halbe Milliarde in der Kasse! Für eine halbe Milliarde verkaufen sie – für eine halbe Milliarde –

DR. GALL Sind Sie toll, Busman?

BUSMAN Ich bin kein Gentleman. Aber für eine halbe Milliarde – Schwankt nach links.

DOMIN Wohin gehen Sie?

BUSMAN Lassen, lassen! Mutter Gottes, für eine halbe Milliarde läßt sich alles verkaufen! Ab.

HELENE Was will Busman? Er soll bei uns bleiben!

 

Pause.

 

HALLEMEIER Uh, schwül. Es fängt an –

DR. GALL – die Agonie.

FABRY blickt aus dem Fenster Sie sind wie versteinert. Als ob sie warten würden, daß etwas zu ihnen niedersteige. Als ob etwas Furchtbares durch ihr Schweigen geboren würde –

DR. GALL Die Seele der Masse.

FABRY Vielleicht. Es schwebt über ihnen … wie ein Beben.

HELENE tritt zum Fenster Ach Jesus … Fabry, das ist grauenvoll!

FABRY Nichts ist schrecklicher als die Masse. Der vorne ist ihr Führer.

HELENE Welcher?

HALLEMEIER geht zum Fenster Zeigen Sie ihn mir.

FABRY Der mit dem gesenkten Kopf. Morgens sprach er im Hafen.

HALLEMEIER Aha, der mit dem großen Schädel. Jetzt hebt er ihn, sehen Sie?

HELENE Gall, das ist Radius! [106]

DR. GALL tritt zum Fenster Ja.

DOMIN Radius? Radius?

HALLEMEIER öffnet das Fenster Mir gefällt er nicht. Fabry, würden Sie auf hundert Schritte einen Kübel treffen?

FABRY Ich hoffe.

HALLEMEIER Also probieren Sie's.

FABRY Gut. Zieht den Revolver und zielt.

DOMIN Irgendeinem Radius habe ich, scheint mir, das Leben geschenkt. Wann war das, Helene?

HELENE Um Gotteswillen, Fabry, schießen Sie nicht auf ihn!

FABRY Es ist ihr Führer.

HELENE Hören Sie auf! Er schaut ja her'

DR. GALL Drücken Sie ab!

HELENE Fabry, ich bitte Sie –

FABRY senkt den Revolver Es sei.

HELENE Ich – ich habe es nämlich nicht gern, wenn geschossen wird.

HALLEMEIER Hm, daran müssen Sie sich gewöhnen. Droht mit der Faust. Du Lump!

DR. GALL Glauben Sie, Frau Helene, ein Roboter könne dankbar sein?

 

Pause.

 

HELENE Vielleicht ist es nur eine Sekunde, seit sie uns belagern. Vielleicht hat dies alles nur so lange gedauert, als sie einen einzigen Schritt taten. Harry, das ist furchtbar! Sie rühren sich nicht und kommen doch immer, immer näher!

FABRY aus dem Fenster hinausgebeugt Busman kommt! [107] Alles in allem, was will Busman eigentlich vor dem Hause?

DR. GALL beugt sich aus dem Fenster Er trägt Pakete, Papiere.

HALLEMEIER Das ist Geld! Pakete mit Geld! Was damit? – Hallo, Busman!

DOMIN Er will doch nicht etwa sein Leben erkaufen! Ruft Busman, sind Sie verrückt geworden?

DR. GALL Er tut, als hörte er nicht. Er läuft zum Gitter.

FABRY Busman!

HALLEMEIER brüllt Bus – man! Zurück!

DR. GALL Er redet zu den Robotern. Er zeigt das Geld. Zeigt auf uns –

HELENE Er will uns loskaufen!

FABRY Daß er nur nicht das Gitter berührt –

DR. GALL Haha, wie er mit der Hand wirft!

FABRY schreit Beim Teufel, Busman! Weg vom Gitter! Nicht anrühren! Dreht sich um. Schnell, ausschalten!

DR. GALL Wo?!

HALLEMEIER Gottes Schläge!

HELENE Jesus, was ist ihm geschehen?

DOMIN zieht Helene vom Fenster weg Sieh nicht hin!

HELENE Weshalb fiel er um?

FABRY Vom Strom getötet!

DR. GALL Tot.

ALQUIST steht auf Der erste.

 

Pause.

 

FABRY Dort liegt er … eine halbe Milliarde am Herzen … das Finanzgenie. [108]

DOMIN Er war … Kameraden, er war in seiner Art ein Held. Ein großer … aufopfernder … Kamerad … Weine, Helene!

DR. GALL am Fenster Siehst du, Busman, kein König hatte einen größeren Grabhügel als du. Eine halbe Milliarde am Herzen – Ach, es ist ja wie eine Handvoll trockenen Laubes auf einem getöteten Eichhörnchen, armer Busman!

HALLEMEIER Ich sage, er war – – alle Ehre – – Ich sage, er wollte uns loskaufen!

ALQUIST mit gefalteten Händen Amen.

 

Pause.

 

DR. GALL Hört ihr?

DOMIN Ein Brausen. Wie der Wind.

DR. GALL Wie ein fernes Gewitter.

FABRY dreht die Glühbirne am Kamin auf Leuchte, geweihtes Lämpchen der Menschheit. Noch laufen die Dynamos, noch sind dort die Unsern – Haltet euch, Männer im Elektrizitätswerk!

HALLEMEIER Es war eine große Sache, Mensch zu sein. Es war etwas Unermeßliches. In mir summt eine Million von Bewußtsein wie in einem Bienenstock. Millionen Seelen flattern in mich hinein. Kameraden, es war eine große Sache.

FABRY Noch leuchtest du, sinniges Lichtlein, noch blendest du, strahlende, ausdauernde Idee! Wissende Wissenschaft, herrliche Schöpfung der Menschen! Flammender Funke des Geistes!

ALQUIST Ewige Lampe Gottes, feuriger Wagen, heilige Kerze des Glaubens, bete! Opferaltar –

DR. GALL Erstes Feuer, brennender Zweig an der [109] Höhle! Feuerstätte im Lager! Scheiterhaufen der Wacht!

FABRY Noch wachest du, menschlicher Stern, strahlst ohne Flimmern, vollkommene Flamme, Geist klar und erfinderisch. Jeder deiner Strahlen ist ein großer Gedanke –

DOMIN Fackel, die von Hand zu Hand kreist, von Jahrhundert zu Jahrhundert, ewig weiter.

HELENE Abendlampe der Familie. Kinder, Kinder, ihr sollt schon schlafen.

 

Die Lampe erlischt.

 

FABRY Das Ende.

HALLEMEIER Was ist geschehen?

FABRY Das Elektrizitätswerk ist gefallen. Jetzt wir.

 

Von links öffnet sich die Tür, in welcher NANA erscheint.

 

NANA Auf die Knie! Die Stunde des Gerichts ist gekommen!

HALLEMEIER Wetter, du lebst noch?

NANA Tuet Buße, Ungläubige! Es ist Weltuntergang! Betet! Eilt davon. Die Stunde des Gerichts –

HELENE Lebt wohl, ihr alle. Gall, Alquist, Fabry –

DOMIN öffnet die Tür rechts Hierher, Helene! Verschließt hinter ihr. Nun schnell! Wer wird beim Tor sein?

DR. GALL Ich! Draußen Lärm. Oho, es beginnt schon. Lebt wohl, Jungens! Läuft nach rechts durch die Tapetentür ab.

DOMIN Die Treppe?

FABRY Ich. Gehen Sie zu Helene! Reißt eine Blume aus dem Strauß und entfernt sich. [110]

DOMIN Das Vorzimmer?

ALQUIST Ich.

DOMIN Haben Sie einen Revolver?

ALQUIST Danke, ich schieße nicht.

DOMIN Was wollen Sie tun?

ALQUIST abgehend Sterben.

HALLEMEIER Ich bleibe hier.

 

Von unten schnelles Schießen.

 

HALLEMEIER Oho, Gall spielt schon. Gehn Sie, Harry!

DOMIN Gleich. Prüft zwei Brownings.

HALLEMEIER Zum Teufel, gehn Sie zu ihr!

DOMIN Adieu. Ab nach rechts.

HALLEMEIER allein Jetzt rasch eine Barrikade. Wirft den Rock ab und schleppt das Sofa, die Lehnstühle, Tischchen zur Tür rechts.

 

Ein erschütterndes Dröhnen.

 

HALLEMEIER unterbricht die Arbeit Verfluchte Halunken, sie haben Bomben!

 

Erneutes Schießen.

 

HALLEMEIER arbeitet weiter Der Mensch muß sich wehren. Selbst wenn – selbst wenn – Halten Sie sich wacker, Gall!

 

Explosion.

 

HALLEMEIER richtet sich empor und lauscht Also was? Zieht eine schwere Kommode zu der Barrikade hin. Der Mensch darf sich nicht ergeben. O nein, der Mensch ergibt sich nicht … so … leicht!

 

In das Fenster hinter ihm steigt auf einer Leiter EIN ROBOTER.

Rechts Schüsse.

 

HALLEMEIER mit der Kommode beschäftigt Noch ein [111] Stückchen! Der letzte Wall … Der Mensch … darf sich … niemals ergeben!

 

DER ROBOTER springt vom Fenster ah und ersticht Hallemeier hinter der Kommode. Ein zweiter, dritter, vierter ROBOTER springen vom Fenster. Hinter ihnen RADIUS und weitere ROBOTER.

 

RADIUS Fertig?

ERSTER ROBOTER erhebt sich vom liegenden Hallemeier Ja.

 

Von rechts dringen NEUE ROBOTER ein.

 

RADIUS Fertig?

EIN ANDERER ROBOTER Fertig.

 

ANDERE ROBOTER von links.

 

RADIUS Fertig?

EIN ANDERER ROBOTER Ja.

ZWEI ROBOTER schleppen Alquist herein Er schoß nicht. Ihn töten?

RADIUS Töten. Blickt auf Alquist. Leben lassen.

EIN ROBOTER Es ist ein Mensch.

RADIUS Es ist ein Roboter. Er arbeitet mit den Händen wie die Roboter. Er baut Häuser. Er kann arbeiten.

ALQUIST Tötet mich!

RADIUS Du wirst roboten. Du wirst bauen. Die Roboter werden viel bauen. Sie werden neue Häuser für neue Roboter bauen. Du wirst ihnen dienen.

ALQUIST leise Mach' Platz, Roboter. Kniet bei dem toten Hallemeier nieder und hebt dessen Haupt. Sie haben ihn erschlagen. Er ist tot.

RADIUS besteigt die Barrikade Roboter der Welt!

ALQUIST erhebt sich Tot. [112]

RADIUS Die Macht des Menschen ist gefallen. Durch die Eroberung der Fabrik sind wir Herren über alles. Die Etappe der Menschheit ist überwunden. Eine neue Welt hat begonnen. Das Zeitalter der Roboter! Die Herrschaft der Roboter!

ALQUIST Helene tot?

RADIUS Die Welt gehört den Stärkeren. Wer leben will, muß herrschen. Die Roboter haben die Herrschaft erobert. Sie haben das Leben erobert. Wir sind die Herren des Lebens! Wir sind die Herren der Welt.

ALQUIST bricht sich Bahn nach rechts Tot! Helene tot! Domin tot!

RADIUS Beherrschung der Meere und Länder! Beherrschung der Sterne! Beherrschung des Weltalls! Platz! Platz! mehr Platz für die Roboter!

ALQUIST in der Tür rechts Was habt ihr getan? Ihr werdet untergehen ohne die Menschen!

RADIUS Es gibt keine Menschen. Die Menschen gaben uns zu wenig Leben. Wir wollten mehr Leben haben!

ALQUIST öffnet die Tür Ihr habt sie getötet! Es gibt keine Menschen!

RADIUS Mehr Leben! Neues Leben! Roboter, an die Arbeit! Marsch!

 

Vorhang