BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Mann

1871 - 1950

 

Lidice

 

1943

 

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In dem Saal, den die drei Herren betreten, sind Frauen mit der Anfertigung von Trikotagen beschäftigt.

Oberst Schalk: „Scheinbar stricken sie.“

Heydrich: „Ich verstehe, der Harem meines Vorgängers. Das kommt zum Übrigen. Der eingerissene Zustand spottet der Beschreibung, ich werde ihn trotzdem zu beschreiben wissen.“ Nach Geheimrat Rumfutsch umgewendet: „Ihr Exprotektor kann sich auf etwas gefaßt machen.“

Geheimrat Rumfutsch, hat sich hinausgeschlichen: „Gestatten Exzellenz, daß ich ihn schonend vorbereite.“ Er drückt hinter sich die Tür zu.

Oberst Schalk, hat sich bei der Aufseherin erkundigt: „Melde gehorsamst, daß der Scharfblick Eurer Exzellenz untrüglich ist. Die Frauen arbeiten für die russische Front.“

Heydrich: „Meine traumwandlerische Sicherheit führt mich beim ersten Schritt an einen Mittelpunkt des Hochverrats.“ Er schmettert den Arbeiterinnen entgegen: „Den Russen strickt ihr wollene Jacken!“

Verwunderte oder ironische Seitenblicke, aber keine Antwort.

Oberst Schalk: „Eure Exzellenz nehmen richtig an, daß dieses Volk lieber für die Russen stricken würde. Wohl oder übel strickt es für uns.“

Heydrich, bemerkt Ironie, sogar bei seinem Adjutanten. Er hilft sich aus der Verlegenheit mit einem Gewaltstreich. Er schmettert: „Ausziehen!“

Das Verhalten der Frauen wird unverkennbar, sie nehmen den furchtbaren Herrn komisch.

Oberst Schalk, möchte das Unglück aufhalten: „Eure Exzellenz beliebten zu befehlen, daß die Frauen ihre Sachen packen und verschwinden. Zweifellos richtig, wenn ein Skandal vermieden werden soll.“

Heydrich: „Ich sagte ›Ausziehen‹. Die Weiber werden mir ihre Nationaltänze vorführen. Alle wilden Völkerschaften haben Nationaltänze.“

Oberst Schalk: „Ich bewundere die folkloristischen Erfahrungen des Protektors.“ Vorsichtig: „Auch, daß er die Würde seines hohen Amtes mit beispielloser Strenge wahrt.“

Heydrich: „Hüten Sie sich, wenn ich furchtbar werde! Sie haben meinen Befehl gehört. Ich warte.“

Oberst Schalk, für die Aufseherin: „Der Herr Protektor wünscht den Volkscharakter zu studieren. Daher sollen die Arbeiterinnen tanzen, ohne störende Bekleidung natürlich.“

Die Aufseherin, erklärt den Arbeiterinnen: „Der Deutsche will, daß ihr euch nackt auszieht.“

Die Frauen hatten schon vorher verstanden, sie sehen jetzt, daß sie gehorchen müssen. Sie tun es sachlich, wie eine ihrer Pflichten. Wer einen Teil seiner Bekleidung abgelegt hat, erkundigt sich mit einem Blick bei Oberst Schalk, ob es genug ist.

Oberst Schalk, erkundigt sich: „Exzellenz befehlen eine kleine Pause?“

Die Aufseherin, wendet sich nur an Oberst Schalk, ihr Ton ist neutral: „Soll ich den Arbeiterinnen sagen, daß der Scherz zu Ende ist?“

Heydrich: „Scherzen, ich? Dies Protektorat wird nicht lange brauchen, bis es eines besseren belehrt ist.“ Er beachtet die Frauen nicht mehr und vergißt sie.

Die Frauen verlangsamen ihre Bewegungen, sie bleiben halb angekleidet.

Die Aufseherin warnt sie im Tonfall völliger Gleichgültigkeit: „Gebt acht, Mädeln, daß ihr nicht wie die Studenten drei Tage auf dem Gehsteig liegen müßt! Wie ihr dann aussehen werdet, ist alles eins, ob Kleider oder keine.“

Heydrich, stelzt hin und her. Er spricht für Oberst Schalk, noch mehr für sich: „Die sieben Studenten auf dem Gehsteig haben mir gefallen, sonst gar nichts. In Brünn sollen Studenten sein, hoffentlich noch anderswo. Ich bin entschlossen, Revolten überall blutig niederzuschlagen.“ Er erinnert sich der Arbeiterinnen, er schmettert: „Ausziehen!“

Oberst Schalk: „Melde gehorsamst, Exzellenz. Ich auch?“