Heinrich Mann
1871 - 1950
Lidice
1943
|
|
____________________________________________________________
| |
2
Die Ansammlung der Einwohner von Lidice löst sich auf. Die Niedergeschlagenen werden fortgetragen. Kleine Gruppen sprechen erst in einiger Entfernung.Ein Bergarbeiter: Ein sehr gnädiger Herr Protektor ist das.“Ein anderer: Wird's auch lange machen bei uns.“Ein dritter: Ein Unglück, bei uns hält keiner vor.“Ein vierter: Der alte tut es nicht mehr.“Ein fünfter: Wenn es wahr ist, daß er gehen muß.“Der dritte: Wozu sonst der neue?“Der vierte: Du hättest lieber zwei Protektoren.“Der fünfte: Mir werden sie nie zuviel.“Der erste: Einen so gnädigen Herrn Protektor wie diesen haben wir noch keinen gehabt.“Der zweite: Den lassen wir nicht so einfach fort wie den bisherigen.“Der dritte: Du denkst dir wohl, du wirst ihn fangen und einsperren.“Der vierte: Du möchtest am Ende ein Held werden.“Der fünfte: Wie sehen aber die Helden aus, möcht ich wissen.“Der erste: Das weiß niemand heutzutage.“ Er lacht: Vielleicht wie der Pavel, der das Echo macht.“Der zweite: Er macht noch mehr, ich hab's gesehen.“Der dritte: Rede nicht, was man nicht hören soll!“Die Bergarbeiter wenden sich von der Straße nach der Arbeitersiedlung, ihren gleichförmigen Häuschen.Es ist eine Stunde vor dem Mittagessen, alle Schornsteine im Dorfe rauchen, das Wirtshaus und sein Garten sind weit geöffnet. Auf der Straße bewegt sich außer den Gänsen nichts mehr.Im Schatten der verlassenen Tankstelle steht noch immer der Bauer Jaroslav Ondracek bei seinem Sohn Pavel. Der Vater hält Pavel an der einen Hand, seine Braut Lyda hält ihn an der anderen.Lyda, innig: Pavel, bitt dich, so wahr wir uns lieb haben, mit den Deutschen darfst du dir nichts anfangen.“Pavel: Das will ich doch gar nicht. Weil ich ihnen in aller Unschuld einen Blöden mache?“Jaroslav: Die Unschuld haben sie dir geglaubt. Darauf konntest du das Echo wohl lassen, mein gewitztes Söhnchen, mein ausstudierter Pavel.“Pavel: Ausstudiert, nicht aber absolviert. Nachdem die Deutschen unsere Universitäten zusperren, was tu ich mit der verlorenen Zeit.“Lyda: Deswegen mußt du kein Echo machen. Als die Studenten demonstrierten, bliebst du sehr gescheit davon weg und kamst zu uns.“Pavel: Vielleicht bereu ich.“Jaroslav: Was? Daß du nicht auch, wie einige, tot auf dem Gehsteig liegst?“Pavel: Auf dem Gehsteig in Prag liegen sie, hör ich, noch heute.“Lyda, umarmt ihn: Mach kein Echo mehr!“Jaroslav: Und nicht das andere?“Pavel: Welches andere?“Jaroslav, flüstert: Die Fratze.“Pavel: Eine Fratze hätt ich geschnitten?“Lyda: Nein, davon sah ich nichts.“Jaroslav: Aber ich – und war gewiß nicht der einzige.“ Er betritt die Tankstelle und sieht sich darin um.Lyda: Pavel! Sprich, welche Fratze?“Pavel: Ich weiß von keiner.“Lyda: Oh! Pavel, du traust mir nicht.“Pavel: Lyda, mein Bräutchen! Wenn ich dir nicht trauen könnte, wem dann. Mir selbst – nicht mehr ganz, wie es scheint.“Jaroslav, kehrt zurück: Niemand da.“Paval: Suchst du noch, Vater? Den Mann und das Öl, alles haben die Deutschen.“Jaroslav: Sie haben auch Horchposten. In der Tankstelle ist ein Telephon.“Pavel: Zu spät. Der Franticek wird es schon benutzt haben.“Lyda, will Zuversicht dartun: Uns kann er nichts Böses nachsagen.“Pavel: Der lügt auch in den Apparat. Wozu war er der Franticek Eger, ein Deutschböhme.“Lyda: Die meisten Deutschböhmen sind treu und brav.“Jaroslav: Dieser vielleicht auch, ich werde nur nicht klug aus ihm.“Lyda: Ihr behaltet ihn im Dienst.“Jaroslav: Pavel will nicht, daß ich ihn fortschicke.“Pavel: Spione müssen in Reichweite sein.“Lyda: Bei uns auf dem Hof gibt es nichts auszuspionieren.“Pavel, ihr ins Ohr: Außer dem Waffenlager – fast nichts.“Jaroslav: Gehen wir endlich!“Lyda: Das Essen ist auf dem Feuer.“ Sie entfernt sich mit Jaroslav. Pavel bleibt hinter ihnen.Jaroslav: Nehmen wir die Abkürzung über das Bergwerk!“Lyda: Damit das Essen nicht schlecht wird.“Jaroslav: Und der Eger uns keinen Streich spielt. Finden wir ihn noch nicht zu Hause, dann werf ich ihn diesmal wirklich auf die Straße.“ |