BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Lautensack

1881 - 1919

 

Vorwort zu den

«Altbayrischen Bilderbogen»

 

1917

 

Textgrundlage:

Heinrich Lautensack, Das verstörte Fest,

Gesammelte Werke.

Herausgegeben von Wilhelm Lukas Kristl.

München: Carl-Hanser-Verlag 1966

 

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[Vorwort zu den «Altbayrischen Bilderbogen»]

 

Ein Programm, ein ausgesprochenes, gehört zu Anfang eines Buches. Ich beginne ohne alles Eigenlob, mit Rezensionen aus den verschiedensten Lagern der deutschen Presse von ... vor Jahren. Denn dann schwieg nicht etwa der Quell meiner Produktion; aber ich kämpfte vergebens gegen die blindwütige Zensur, die eine Aufführung meines «Hahnenkampfes» einzig und allein in Wien ermöglichte, obgleich dieses Sturm- und Drangstück mit meiner «Pfarrhauskomödie» an Berliner und sonstigen deutschen Bühnen angenommen war. Ich befand mich – und das war das übelste – aber in den Händen eines Verlegers, der einfach sein Unternehmen ohne Geld gegründet hatte; war auf den Verdienst eines ehemaligen Henkersknechts der Elf Scharfrichter in immer übleren und stinkigen Kabaretts bis zutiefst hinab zu dem Bordell der X. Muse in M. angewiesen, wo ich im Abschaum der Menschheit waten mußte. Und als der Krieg ausbrach, den ich in völlig verzweifelter Verfassung schließlich auf mich allein auch ausschließlich gemünzt sah, da hatte dieses Verlegerpüppchen den grandiosen Mut, seinen in seiner Wohnung befindlichen Verlag einfach abzuschließen; und wo ich selber als Landsturmmann drei Jahre lang hinkam und zu meiner qualvollsten Beschämung fast überall eine kleine Gemeinde um mich entdeckte, da war's die nämliche tristeste Verlegenheit: mein Verleger hatte seine Bude derart hermetisch zugeschlossen, auch so wenig Ahnung von einem Kommissionär in Leipzig, daß nicht ein Exemplar meiner Produktion in irgend einer Buchhandlung zu haben war: seit nunmehr drei Jahren.

Diese Vorrede soll ein gerechter Akt der Selbstverteidigung sein. Ich benütze außer Rezensionen und privaten rühmendsten Anerkennungen, wodurch ich mich ebenfalls nur wehren will, einen Protestartikel, den ich irgendeinmal gegen das Berliner Tageblatt schrieb, und der noch heute mein ganzes katholisches Bekenntnis enthält. Und wer, nachdem sich nunmehr der größte deutsche Verleger sowie die berühmteste Bühnenvertriebsanstalt zusammengetan haben, um mich in rührendster und nie in meinem Leben genug zu dankender Weise aus meiner Höllenqual, die ich als frommer und ekstatischer Christ wie ein zweiter Hiob ertrug, sich für mein gesamtes Oeuvre interessiert, wird bald erfahren, daß noch kein deutscher Dramatiker, abgesehen von meiner Lyrik, die mich gleichermaßen im Schlafzimmer wie in der Kirche und im Pfarrhause und in der Mönchszelle überwältigte, so fanatisch von dichterischer Erkenntnis in einer schnurgeraden Aufwärtslinie gepeitscht worden ist, wie es der ungläubige und vielmals unglaubhafte Apostel Carl Sternheim (bei seinen Bemühungen, die deutsche Sprache, die aus der Bibel stammt und die ich außerdem meinem Landsmann Neidhardt von Reuenthal verdanke, zu schänden) gerne von sich allein behaupten möchte.

«Medusa», mein erster Einakter, stammt mythisch wie gaunerisch «aus den Papieren eines Mönchs». «Hahnenkampf» ist aus dem nämlichen geliebten schönen Landkreise erzkatholischer Richtung. In der darauffolgenden «Pfarrhauskomödie» (Carmen Sacerdotale) bewegte mich das Schicksal des jungen geistlichen Herrn nicht minder wie das kanonische Alter der sog. «Pfarrerkathl». Professor Carl Jentzsch schrieb mir, eine solche intime Orts- und Menschenkenntnis hätte er einem Laien nie zugetraut, und ein literarisch angehauchter Franziskanermönch kanzelte mich teuflisch herunter. Jarno läßt mir soeben schreiben, daß das Mönchs- und Klosterleben wie in meinem (darauf folgenden) «Gelübde» niemals so empfunden worden wäre. Ich habe das schwindelnde Gefühl, eine Jacobsleiter hinaufzuschauen, und krönte nun soeben mein bisheriges Werk mit einer neuen Beweinung des schmerzhaftesten und tödlichsten Leidens unseres Herrn und Heiland Jesu Christi, einer Kreuzweg-Kantate, «Via Crucis», die, unter Subskription, da ich für meine Mysterie, für meine nonnenhafte, fürchten muß, weil ich zugleich darin den endgültigen Sieg des Katholizismus über alle Welt verkünde, in der Hofkunstbuchhandlung mit dem Albrecht Dürerschen Kreuzweg erscheint in einer unerhörten Luxusausgabe, zugleich aber für den ärmeren Christenmenschen ohne die letzte Steigerung, im zweiten Teil meiner gesammelten Gedichte im Kurt Wolff-Verlag.

Und hier in den «Holzkirchnern» [späterer Buchtitel: Altbayrische Bilderbogen], die mit dem Kreuz kommen, gebe ich meine erste Prosa heraus, das ganze katholische Kirchenjahr umspannend, und die Neidhart von Reuenthalschen Kulturschilderungen meiner engeren und engsten Heimat, aus der wundervollsten, ehemals fürstbischöflichen Passauer Stadt, der an Kunstschätzen reichsten und von den Römern abstammenden Siedlung, die außer Dr. Alfred Kerr und Dr. Fritz Engel schier noch keiner bewundert hat, und der außerdem nur noch Maximilian mit einer nachgedruckten Schilderung des Aeneas Sylvius, Mönch, Kaiserlicher Sekretär und dann Papst, ein wahrhaftes Denkmal setzte.

Meinem Stilgefühl entsprechend, wage ich diese Blätter Prosadichtungen zu nennen.