BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich Lautensack

1881 - 1919

 

Die Bücherei Maiandros

 

4./5. Buch: Der Mistral

1913

 

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Umzug

(zum 1. April)

 

Rhapsodie

 

1

 

.... da steht nun dies Gerüst – soviel als Planken

eben ein Bette zählt – wackelig aufgeschlagen.

Und um die Lippen, um die Augen, bis

hoch in die Schläfen hat uns schon geschminkt

die Lust. Und in den würgenden Kehlen sitzt's

wie Stückchen Äpfel oder Nüsse....

 

 

2

 

Aber

wo einem Hammerschmied der Bizeps hüpft,

da fühl' ich meinen Arm nur wie sehr arg

zerbleut. – Zerbleut vom eigenhändigen Fügen,

meinst du, des Liebesrechtecks – klaffend wie ein Grab –?

und mehr zerschunden vom Hinunterlassen

noch der Roßhaarmatratze – recht wie einen Sarg –?

– Nicht doch! nicht doch! Vielmehr weil alles Blut

(so kalkulier' ich ung'fähr das Manöver)

zu ander'n, tiefer'n Muskeln, sie zu füllen,

ausrückte, sind die Arme mir so leer

und schmerzen drob....

 

 

3

 

Und da! mit einemmal

– nicht etwa von Ziehleuten angelernt

oder dem Tapezierer abgeguckt –

stemm' ich die beiden Fäuste – prüfend,

nein, nicht so sehr und sonst mich vergewissernd

wie's Tapeziers und Ziehmanns Praktik sein mag –

stemm' ich die beiden Fäuste wollüstig

... einfach wollüstig in dies brünstige Rot,

das wie das Innere von meines Weibes Mund: warm

... warm, seiden ... seiden und dabei nicht feuchter

als meiner Brille angelaufene Gläser – – – –

Und dann? –

Und dann ist's mir noch viel zu wenig, bloß

mit den zween Fäusten in dem Schwellenden

(dem Federnden und der besonderen Appretur!)

hinauf bis zu den Knöcheln dazustehn:

sondern ein Etwas von vor Jahrzehntausenden-

mal-zehn, vor Hunderttausenden von Jahren

macht mich mit Eins (hops! plumps! – wie sang das nur? –

und ich erinner' mich: noch gestern fuhr

ein Staubtuch ähnlich über eine Klaviatur....)

macht mich mit Eins auf allen Vieren gehn –

auf allen Vieren drauf spazieren gehn –

 

 

4

 

.... dabei fortwähr'nd die Ohnmacht in den Armen!

– Denn alles Blut längst stürzt' so nach der Mitte

von meinem Leibe und den Lenden zu,

daß ich unterm Gilet hervor den warmen

Luftstrom aus meinem Schoß

bis in den Geißbart um mein Kinn verspür'....

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Dabei fortwähr'nd die Ohnmacht in den Armen!

 

 

5

 

Metapher: Unser Bett – 'ne Wanderbühne!

Den «Hof» als Publikum. (Der «Hof»: Lakain....)

Repertoire: die eine Pantomime!

(An Kerr: kann auch 'ne Kantomime sein....)

. . . . . .

. . . .

Danach schlürft' ich

ins andere Gemach

dieser unserer neuen

Zweizimmerwohnung

mit Warmwasserheizung

und dito Versorgung

hinüber.

Da hing

an der ungern verlassenen

wunderschönen Tapete

vom restlos ausgepfändeten

(recte: das Abzahlungsgeschäft

hatte die sämtlichen Möbel

fluchend wieder zurückgenommen)

und hierauf exmittierten

Trockenwohner-Ehepaar

ein Zettel!

Nur ein Zettel!

Aber was stand darauf?

 

«Wir haben nichts mehr als nur unsern Ehe-Schein.

D. h. wir dürfen – dürfen! – beieinander sein.

Und dürfen traurig aufeinander ruhn.

Und dürfens weinend miteinander tun.»

Da capo.