Heinrich Lautensack
1881 - 1919
Zwischen Himmel und Erde
1913
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Der zweite Akt
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21. | Am anderen Morgen. Erdmannsdorf. Bei ihm ist keine Ernüchterung eingetreten während der Nacht. Sein Entschluß steht im Gegenteil fester denn je. Wir sehen ihn beim Anziehn ... und wie er eine Browningpistole mit reichlich Patronen einsteckt. |
22. | Der Gutsherr hat die Nacht; da er ja doch nicht schlafen konnte, mit der Revision der von Erdmanmdorf geführten Bücher verbracht. Zimmer von Bild 2. Von Britz ist eben fertig geworden und schlägt nun mit der Faust mehrere Male auf den Tisch. – Wie recht Inge doch hatte mit ihrem Mißtrauen gegen Erdmannsdorf! – Aber er ... er wird's dem Kerl schon zeigen ... |
23. | Die bange Inge. Ebenfalls bei der Morgentoilette. Und man sieht auf ihrem Gesicht noch ihre nächtlichen Träume. Der kleine Bodo kommt am Schluß dazu, der nur an die Drachenschnur denkt ... |
24. | Der Reiter – Olaf – aus der Stadt zurückkommend. Erdmannsdorf erwartet ihn bereits vor dem kleinen netten Hause, darin Olaf wohnt. Stallbursche nimmt ihm das Pferd ab und übergibt ihm – und vergaß es beinah! – Inges Brief. Olaf liest:«Wenn Sie nur das leiseste Gefühl für mich übrig haben – die Angst um Sie erpreßt mir das Geständnis! –, dann fahren Sie – ein liebendes Jfeib bittet Sie, beschwört Sie!! – nicht mit Erdmannsdorf hinauf –»... Kampf: Er muß Inge, der geliebten Frau, gehorchen und darf also nicht hinauf auf den Schornstein. Droht ihm da oben wirklich eine Gefahr? Und ist er der Mann, eine solche zu scheuen? Solche Fragen dürfen weiter gar nicht aufkommen, sondern einfach: Die Liebe fordert! Und der Kampf ist bald ausgekämpft und die Liebe – die Liebe hat gesiegt. Und Olaf sagt dem immer noch lauernden Erdmannsdorf kurzen Bescheid.Da aber zieht der eine gar höhnische Grimasse. Und der Kampf in Olaf beginnt von neuem: – Hier wird seine Mannesehre, das köstlichste, was er Inge – reinerhalten – mitbringen kann, in Zweifel gezogen. Und Inge selber müßte ihn später einen Feigling schimpfen, falls er diese Herausforderung ablehnen würde ... Also: er verwahrt den Brief in seiner Brusttasche und geht mit, so wie er ist und ohne sein Haus betreten zu haben. Und außerdem ist's ja auch seine Pflicht als Ingenieur, da oben hinaufzufahren und alles nachzusehen ... |
25. | Die beiden auf dem Weg zum Schornstein – und zwar an einer Stelle vorüberkommend, die man bereits aus dem ersten Akt kennt! |
26. | Am Fuße des Schornsteins – nahe der Welle, die wieder von den uns bekannten Arbeitern bedient wird. |
27. | Olaf und Erdmannsdorf betreten – ganz nah sichtbar – das kleine Förder-Trittbrett. |
28. | Die Arbeiter beim Hochziehen. |
29. | Die beiden Rivalen, schon etwas erhoben. |
30. | Arbeiter arbeiten mächtig. |
31. | Die Hinauffahrenden nochmals kurz zu sehen – mit den vier Männerfäusten sich in Kragenknopfhöhe festhaltend am Seil. Die Gesichter einander hart zugekehrt. |
32. | Die Arbeiter an der Welle – ganz nah. Inge kommt herzu: «Hat Herr Ingenieur Torstensson meinen Brief nicht erhalten?» fragt sie atemlos. Und dabei ist schon mehr Enttäuschung denn Angst in ihrem Gesicht zu lesen. Die Arbeiter wissen auf die Frage nicht zu antworten. Inge: «Oh gewiß hat er ihn erhalten, aber er schlägt meine Warnung in den Wind. Lacht vielleicht überhaupt über meine Liebeserklärung und reitet am Ende wirklich zu dunklen Zwecken so regelmäßig und immer eine ganze Nacht fortbleibend in die Kreisstadt ...» Aber nein: so schlecht darf sie von ihm nicht denken. Und die Arbeiter werken all die Zeit weiter. |
33. | Nun kommt Herr von Britz dazu und ... und wütet. Und droht, daß er's dem Kerl schon zeigen werde! – |
34. | Die Ankunft der beiden – Olaf und Erdmannsdorf da oben. Sie genießen einen Augenblick oder zwei die schöne Aussicht. Dann besichtigt der Ingenieur fachgemäß die Spitze des Neubaus. – Derweil mimisches Spiel Erdmannsdorfs. |
35. | Unten am Fuße des Schornsteins. Inge, die sich bereits wieder beruhigt hat: «Schließlich hat er doch Mut, mein Geliebter, und wird's mit dem Verwegenen wohl aufnehmen!» Von Hoffnung getragener Blick Inges nach oben. |
36. | Wieder oben auf der Spitze des Schornsteins: Gespräch, das Erdmannsdorf mit Olaf anfängt. Zuspitzung des Dialogs. Und dabei, wie sich Erdmannsdorf näher und nah bis zum Galgen hinspielt. Sodann:« Der Gutsverwalter verlangt., daß der Ingenieur völlig auf Inge verzichte!» Olaf ist's, als hätte er nicht recht gehört. Dann denkt er, daß das ein Scherz sei. Aber Erdmannsdorf wiederholt allen Ernstes seine tolle Forderung. Olaf sagt Nein. Und erlaubt sich zugleich die Bemerkung, wie er – Erdmannsdorf – überhaupt zu solchem Verlangen komme. Erdmannsdorf stellt ein drittes Mal sein Ansinnen.Da ruft und winkt Olaf den Arbeitern zu, daß er hinunterzufahren gedenke. Erdmannsdorf:«.Sie kommen hier nicht eher hinunter., als bis Sie in den Verzicht ein gewilligt haben!» Da lacht Olaf geradeheraus. Und sagt diesem Erdmannsdorf ein für allemal Nein. Da hebt Herr Erdmannsdorf kalten Bluts (wenn auch mit etlicher Muskelanstrengung) den Aufzug aus seinem großen Haken (den er gestern abend bereits nachgesehen) und läßt es alles miteinander, Seile und Rolle, fallen – – Mit einem Schrei des Entsetzens und der Wut zugleich stürzt Olaf auf Erdmannsdorf zu, umschlingt ihn und hebt ihn hoch, als ob er ihn im nächsten Augenblick der hinabgeschmissenen Förderung nachsenden wolle – |
37. | Unten: Das herabstürzende Seil, das Inge übrigens auf ein Haar erschlagen hätte! – |
38. | Tief von unten, vom Standpunkt der vor Entsetzen weit zurückgewichenen Inge, ihres Vaters und der Arbeiter aus gesehen: Die beiden ringenden Männerda hoch oben! |
39. | Wieder oben auf der Spitze des Schornsteins: Die beiden noch ringend. Erdmannsdorf wehrt sich gegen Olaf nur so weit, daß sie nicht alle beide heruntertorkeln. Dann kommt Olaf endlich zur Besinnung und läßt von Erdmannsdorf ab. Und sieht sich als praktischer Mann lieber sogleich um, wie die Rettung am schnellsten und sichersten zu bewerkstelligen sei. (D. h. er will sich von dem Intaktsein der Steigeisen im Schornstein-Innern überzeugen!)Und nun, wie Olaf aus dem Schornstein-Innern wieder auftaucht:«Wir sind verloren!»Wobei übrigens Erdmannsdorf keineswegs versäumt, durch Mimik wie durch Gestik auszudrücken, daß er das ja gewollt habe. Olaf sinkt wie gebrochen auf die Schornsteinbrüstung. |
40. | Am Fuße des Schornsteins, wo sich währenddem noch mehr Fabrikleute angesammelt haben und nachdem man sich vom ersten kopflosen Schrecken erholt: von Britz wettert gegen eine derartige Nachlässigkeit in der Befestigung des Seiles und der Rolle im Haken am Galgen da oben ... die Arbeiter stehen ratlos. Der eben herbeieilende Polier aber, der das ja auch wissen muß, erklärt frei, daß das ganze Mißgeschick nur aus Mut- oder Böswilligkeit entstehen konnte. Und da fährt dann Inge dazwischen und schreit, daß das sicher ein verbrecherischer Anschlag von Seiten des Gutsverwalters sei. Verzweiflungsszene der Frau. |
41. | Die beiden hoch oben auf dem Schornstein:Erdmannsdorf, über die Brüstung hinabsehend und das Zusammenlaufen und das Zusammenberaten derer da unten beobachtend. Mit dem Gesichtsausdruck eines, der vor all denen da unten hier oben hoch als wie geborgen ist! – |
42. | Der Guts- und Fabrikherr, von einem Halbkreis von Arbeitern umgeben: «Wer klettert als Erster die Steigeisen im Innern des Schornsteins hinan? – Freiwillige vor!» Viele treten vor. Zwei, drei werden ausgewählt. |
43. | Im Schornstein. Die Arbeiter kommen bis zu der Stelle, wo sie nicht weiter mehr können und der Erste vor Verlegenheit an seinem Hut rückt. |
44. | Am Fuße des Schornsteins. Bericht der Zurückkommenden: «In vierfünftel Höhe hören die Steigeisen auf! – Von da ab alles ruiniert und entfernt!» Und jetzt erst malt sich der Schrecken groß hier unten. |
45. | – Womöglich aber noch größer der Triumph Erdmannsdorfs hoch in der Höhe. |
46. | Wieder die beiden Männer oben. Erdmannsdorf spricht:« Ein Duell! Eh die da drunten uns zu Hilfe kommen können – ein Duell auf Verhungern und Verdursten! – Aber Sie habend ja nicht anders gewollt, Herr Ingenieur!» In demselben Augenblick faßt Olaf unwillkürlich in die Rocktasche und – er muß sein Gesicht abwenden vor Freude über die Rettung! – findet die Drachenschnur. – [Aber die Schnur selber zeigt man dem p. t. Publikum noch nicht; nur die Hoffnung Olafs auf Befreiung soll einigermaßen deutlich zum Ausdruck kommen.] |