Else Lasker-Schüler
1869 - 1945
Theben
1923
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Mein Volk.
Der Fels wird morsch,Dem ich entspringeUnd meine Gotteslieder singe ....Jäh stürz ich vom WegUnd riesele ganz in mirFernab, allein über KlagegesteinDem Meer zu.
Hab mich so abgeströmtVon meines BlutesMostvergorenheit.Und immer, immer noch der WiderhallIn mir,Wenn schauerlich gen OstDas morsche Felsgebein,Mein Volk,Zu Gott schreit!
Joseph wird verkauft.
Die Winde spielten müde mit den Palmen nochSo dunkel war es schon um Mittag in der Wüste,Und Joseph sah den Engel nicht, der ihn vom Himmel grüßteUnd weinte, da er für des Vaters Liebe büßteUnd suchte nach dem Cocos seines schattigen Herzens doch.
Der bunte Brüderschwarm zog wieder nach GottostenUnd er bereute seine schwere Untat schonUnd auf den Sandweg fiel der schnöde Silberlohn.Die fremden Männer aber ketteten des Jakobs SohnBis ihm die Häute drohten mit dem Eisen zu verrosten.
So oft sprach Jakob inbrünstig zu seinem Herrn,Sie trugen gleiche Bärte, Schaum von einer Eselin gemolkenUnd Joseph glaubte jedesmal sein Vater blicke aus den WolkenUnd eilte über heilige Bergeshöhn, ihm nachzufolgenBis er dann ratlos einschlief unter einem Stern.
Die Käufer lauschten dem entrückten Knaben,Des Vaters Andacht atmete aus seinem Haare;Und sie entfesselten die edelblütige WareUnd drängten sich zu tragen, Canaans Prophet in einer Bahre,Wie die bebürdeten Kameele durch den Sand zu traben.
Egypten glänzte feierlich in goldenen MantelfarbenDa dieses Jahr die Ernte auf den Salbtag fiel.Die kleine Karawane, endlich nahte sie dem Ziel.Sie trugen Joseph in das Haus des Potiphars am Nil.An seinem Traume hingen aller Deutung Garben.
Gebet.
Ich suche allerlanden eine Stadt,Die einen Engel vor der Pforte hat.Ich trage seinen großen FlügelGebrochen schwer am SchulterblattUnd in der Stirne seinen Stern als Siegel.
Und wandle immer in die Nacht .....Ich habe Liebe in die Welt gebracht, –Daß blau zu blühen jedes Herz vermag,Und hab ein Leben müde mich gewacht,In Gott gehüllt den dunklen Atemschlag.
O Gott, schließ um mich deinen Mantel fest;Ich weiß, ich bin im Kugelglas der Rest,Und wenn der letzte Mensch die Welt vergießt,Du mich nicht wieder aus der Allmacht läßtUnd sich ein neuer Erdball um mich schließt. |