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1. Szene
Es wird dunkel im Zuschauerraum und das Orchester spielt die münchener Hymne «Solang der alte Peter». Hierauf hebt sich der Vorhang.
2. Szene
Schauplatz: Gleich hinter dem Dorf der Lippennegerinnen. Links ein Eismann mit türkischem Honig und Luftballons. Rechts ein Haut-den-Lukas – (das ist so ein althergebrachter Kraftmesser, wo du unten mit einem Holzbeil auf einen Bolzen draufhaust, und dann saust ein anderer Bolzen an einer Stange in die Höhe, und wenn dann dieser andere Bolzen die Spitze der Stange erreicht, dann knallt es, und dann wirst du dekoriert, und zwar für jeden Knall mit einem Orden). Es ist bereits spät am Nachmittag und jetzt fliegt gerade der Zeppelin in einer ganz geringen Höhe über die Oktoberfestwiese – in der Ferne Geheul mit allgemeinem Musiktusch und Trommelwirbel.
3. Szene
Rauch
Bravo Zeppelin! Bravo Eckener! Bravo!
Ein Ausrufer
Heil!
Speer
Majestätisch. Hipp hipp hurrah!
Pause.
Ein Liliputaner
Wenn man bedenkt, wie weit es wir Menschen schon gebracht haben –
Er winkt mit seinem Taschentuch. Pause.
Karoline
Jetzt ist er gleich verschwunden, der Zeppelin –
Der Liliputaner
Am Horizont.
Karoline
Ich kann ihn kaum mehr sehen –
Der Liliputaner
Ich seh ihn noch ganz scharf.
Karoline
Jetzt seh ich nichts mehr.
Sie erblickt Kasimir; lächelt.
Du, Kasimir. Jetzt werden wir bald alle fliegen.
Kasimir
Geh so lasse mich doch aus.
Er wendet sich dem Lukas zu und haut ihn vor einem stumm interessierten Publikum – aber erst beim drittenmal knallt es, und dann zahlt der Kasimir und wird mit einem Orden dekoriert.
Karoline
Ich gratuliere.
Kasimir
Zu was denn?
Karoline
Zu deiner Auszeichnung da.
Kasimir
Danke.
Stille.
Karoline
Der Zeppelin, der fliegt jetzt nach Oberammergau, aber dann kommt er wieder zurück und wird einige Schleifen über uns beschreiben.
Kasimir
Das ist mir wurscht! Da fliegen droben zwanzig Wirtschaftskapitäne und herunten verhungern derweil einige Millionen! Ich scheiß dir was auf den Zeppelin, ich kenne diesen Schwindel und hab mich damit auseinandergesetzt – Der Zeppelin, verstehst du mich, das ist ein Luftschiff und wenn einer von uns dieses Luftschiff sieht, dann hat er so ein Gefühl, als tät er auch mitfliegen – derweil haben wir bloß die schiefen Absätz und das Maul können wir uns an das Tischeck hinhaun!
Karoline
Wenn du so traurig bist, dann werd ich auch traurig.
Kasimir
Ich bin kein trauriger Mensch.
Karoline
Doch. Du bist ein Pessimist.
Kasimir
Das schon. Ein jeder intelligente Mensch ist ein Pessimist.
Er läßt sie wieder stehen und haut abermals den Lukas; jetzt knallt es dreimal, er zahlt und bekommt drei Orden; dann nähert er sich wieder Karoline.
Du kannst natürlich leicht lachen. Ich habe es dir doch gleich gesagt, daß ich heut unter gar keinen Umständen auf dein Oktoberfest geh. Gestern abgebaut und morgen stempeln, aber heut sich amüsieren, vielleicht sogar noch mit lachendem Gesicht!
Karoline
Ich habe ja garnicht gelacht.
Kasimir
Natürlich hast du gelacht. Und das darfst du ja auch – du verdienst ja noch was und lebst bei deinen Eltern, die wo pensionsberechtigt sind. Aber ich habe keine Eltern mehr und steh allein in der Welt, ganz und gar allein.
Stille.
Karoline
Vielleicht sind wir zu schwer füreinander –
Kasimir
Wie meinst du das jetzt?
Karoline
Weil du halt ein Pessimist bist und ich neige auch zur Melancholie – Schau, zum Beispiel zuvor – beim Zeppelin–
Kasimir
Geh halt doch dein Maul mit dem Zeppelin!
Karoline
Du sollst mich nicht immer so anschreien, das hab ich mir nicht verdient um dich!
Kasimir
Habe mich gerne!
Ab.
4. Szene
Karoline sieht ihm nach; wendet sich dann langsam dem Eismann zu, kauft sich eine Portion und schleckt daran gedankenvoll. Schürzinger schleckt bereits die zweite Portion.
Karoline
Was schauns mich denn so blöd an?
Schürzinger
Pardon! Ich habe an etwas ganz anderes gedacht.
Karoline
Drum.
Stille.
Schürzinger
Ich habe gerade an den Zeppelin gedacht.
Stille.
Karoline
Der Zeppelin, der fliegt jetzt nach Oberammergau.
Schürzinger
Waren das Fräulein schon einmal in Oberammergau?
Karoline
Schon dreimal.
Schürzinger
Respekt!
Stille.
Karoline
Aber die Oberammergauer sind auch keine Heiligen. Die Menschen sind halt überall schlechte Menschen.
Schürzinger
Das darf man nicht sagen, Fräulein! Die Menschen sind weder gut noch böse. Allerdings werden sie durch unser heutiges wirtschaftliches System gezwungen, egoistischer zu sein, als sie es eigentlich wären, da sie doch schließlich vegetieren müssen. Verstehens mich?
Karoline
Nein.
Schürzinger
Sie werden mich schon gleich verstehen. Nehmen wir an, Sie lieben einen Mann. Und nehmen wir weiter an, dieser Mann wird nun arbeitslos. Dann läßt die Liebe nach, und zwar automatisch.
Karoline
Also das glaub ich nicht!
Schürzinger
Bestimmt!
Karoline
Oh nein! Wenn es dem Manne schlecht geht, dann hängt das wertvolle Weib nur noch intensiver an ihm könnt ich mir schon vorstellen.
Schürzinger
Ich nicht.
Stille.
Karoline
Können Sie handlesen ?
Schürzinger
Nein.
Karoline
Was sind denn der Herr eigentlich von Beruf?
Schürzinger
Raten Sie doch mal.
Karoline
Feinmechaniker?
Schürzinger
Nein. Zuschneider.
Karoline
Also das hätt ich jetzt nicht gedacht!
Schürzinger
Und warum denn nicht?
Karoline
Weil ich die Zuschneider nicht mag. Alle Zuschneider bilden sich gleich soviel ein.
Stille.
Schürzinger
Bei mir ist das eine Ausnahme. Ich hab mich mal mit dem Schicksalsproblem beschäftigt.
Karoline
Essen Sie auch gern Eis?
Schürzinger
Meine einzige Leidenschaft, wie man so zu sagen pflegt.
Karoline
Die einzige?
Schürzinger
Ja.
Karoline
Schad!
Schürzinger
Wieso?
Karoline
Ich meine, da fehlt Ihnen doch dann was.
5. Szene
Kasimir erscheint wieder und winkt Karoline zu sich heran, Karoline folgt ihm.
Kasimir
Wer ist denn das, mit dem du dort sprichst?
Karoline
Ein Bekannter von mir.
Kasimir
Seit wann denn?
Karoline
Schon seit lang. Wir haben uns gerade ausnahmsweise getroffen. Glaubst du mir denn das nicht?
Kasimir
Warum soll ich dir das nicht glauben?
Stille.
Karoline
Was willst du?
Stille.
Kasimir
Wie hast du das zuvor gemeint, daß wir zwei zu schwer füreinander sind?
Karoline schweigt boshaft.
Soll das eventuell heißen, daß wir zwei eventuell nicht zueinander passen?
Karoline
Eventuell.
Kasimir
Also das soll dann eventuell heißen, daß wir uns eventuell trennen sollen – und daß du mit solchen Gedanken spielst?
Karoline
So frag mich doch jetzt nicht!
Kasimir
Und warum nicht, wenn man fragen darf?
Karoline
Weil ich jetzt verärgert bin. Und in einer solchen Stimmung kann ich dir doch nichts Gescheites sagen!
Stille.
Kasimir
So. Hm. Also das wird dann schon so sein. So und nicht anders. Da gibt es keine Ausnahmen. Lächerlich.
Karoline
Was redest du denn da?
Kasimir
Es ist schon so.
Karoline
fixiert ihn:
Wie?
Stille.
Kasimir
Oder ist das vielleicht nicht eigenartig, daß es dir gerade an jenem Tage auffällt, daß wir zwei eventuell nicht zueinander passen – an jenem Tage, an welchem ich abgebaut worden bin?
Stille.
Karoline
Ich versteh dich nicht, Kasimir.
Kasimir
Denk nur nach. Denk nur nach, Fräulein!
Stille.
Karoline
plötzlich:
Oh du undankbarer Mensch! Hab ich nicht immer zu dir gehalten? Weißt es denn nicht, was das für Schwierigkeiten gegeben hat mit meinen Eltern, weil ich keinen Beamten genommen hab und nicht von dir gelassen hab und immer deine Partei ergriffen hab?!
Kasimir
Reg dich nur ab, Fräulein! Überleg es dir lieber, was du mir angetan hast.
Karoline
Und was tust du mir an?
Kasimir
Ich konstatiere eine Wahrheit. So. Und jetzt laß ich dich stehn –
Ab.
6. Szene
Karoline sieht ihm nach; wendet sich dann wieder dem Schürzinger zu; jetzt dämmert es bereits.
Schürzinger
Wer war denn dieser Herr?
Karoline
Mein Bräutigam.
Schürzinger
Sie haben einen Bräutigam?
Karoline
Er hat mich gerade sehr gekränkt. Nämlich gestern ist er abgebaut worden und da hat er jetzt behauptet, ich würde mich von ihm trennen wollen, weil er abgebaut worden ist.
Schürzinger
Das alte Lied.
Karoline
Geh reden wir von etwas anderem!
Stille.
Schürzinger
Er steht dort drüben und beobachtet uns.
Karoline
Ich möcht jetzt mal mit der Achterbahn fahren.
Schürzinger
Das ist ein teurer Spaß.
Karoline
Aber jetzt bin ich auf dem Oktoberfest und ich hab es mir vorgenommen. Geh fahrens halt mit!
Schürzinger
Aber nur einmal.
Karoline
Also das steht bei Ihnen.
Dunkel.
7. Szene
Das Orchester spielt nun die Glühwürmchen-Suite.
8. Szene
Neuer Schauplatz: Neben der Achterbahn, dort wo die Oktoberfestwiese aufhört.
Die Stelle liegt etwas abseits und ist nicht gut beleuchtet. Nämlich es ist bereits Nacht geworden, aber in der Ferne ist alles illuminiert. Karoline und Schürzinger kommen und hören das Sausen der Achterbahn und das selige Kreischen der Fahrgäste.
9. Szene
Karoline
Ja das ist die richtige Achterbahn. Es gibt nämlich noch eine, aber mit der ist man bald fertig. Dort ist die Kasse. Jetzt ist mir etwas gerissen.
Schürzinger
Was?
Karoline
Ich weiß noch nicht was. Geh drehens Ihnen um bitte.
Stille.
Schürzinger
hat sich umgedreht:
Er folgt uns noch immer, Ihr Herr Bräutigam. Jetzt spricht er sogar mit einem Herrn und einer Dame – sie lassen uns nicht aus den Augen.
Karoline
Wo? – Das ist doch jetzt Der Merkl Franz und seine Erna. Ja den kenn ich. Nämlich das ist ein ehemaliger Kollege von meinem Kasimir. Aber der ist auf die schiefe Ebene geraten. Wie oft daß der schon gesessen ist.
Schürzinger
Die Kleinen hängt man und die Großen läßt man laufen.
Karoline
Das schon. Aber Der Merkl Franz prügelt seine Erna, obwohl sie ihm pariert. Und ein schwaches Weib schlagen, das ist doch wohl schon das allerletzte.
Schürzinger
Bestimmt.
Karoline
Der Kasimir ist ja auch sehr jähzornig von Natur aus, aber angerührt hat er mich noch nie.
Schürzinger
Hoffentlich macht er uns hier keinen Skandal.
Karoline
Nein das macht er nie in der Öffentlichkeit. Dazu ist er viel zu beherrscht. Schon von seinem Beruf her.
Schürzinger
Was ist er denn?
Karoline
hat sich nun repariert:
Kraftwagenführer. Chauffeur.
Schürzinger
Jähzornige Leute sind aber meistens gutmütig.
Karoline
Haben Sie Angst?
Schürzinger
Wie kommen Sie darauf?
Stille.
Karoline
Ich möchte jetzt mit der Achterbahn fahren.
Ab mit dem Schürzinger und nun ist einige Zeit kein Mensch zu sehen.
10. Szene
Kasimir kommt langsam mit dem Merkl Franz und dem seiner Erna.
Der Merkl Franz
Parlez-vous française?
Kasimir
Nein.
Der Merkl Franz
Schade.
Kasimir
Wieso?
Der Merkl Franz
Weil sich das deutsch nicht so sagen läßt. Ein Zitat. In puncto Achterbahn und Karoline –
Zu Erna.
Wenn du mir so was antun würdest, ich tät dir ja das Kreuz abschlagen.
Erna
So sei doch nicht so ungerecht.
11. Szene
Karoline kreischt nun droben auf der abwärtssausenden Achterbahn.
Kasimir
starrt empor:
Fahre wohl, Fräulein Karoline! Daß dir nur nichts passiert. Daß du dir nur ja nicht das Genick verrenkst. Das wünscht dir jetzt dein Kasimir.
Der Merkl Franz
Habe nur keine Angst. Wir sind zu zweit.
Kasimir
Ich bin nicht zu zweit! Ich mag nicht zu zweit sein! Ich bin allein.
Stille.
Der Merkl Franz
Ich hätt ja einen plausibleren Vorschlag: laß doch diesen Kavalier überhaupt laufen – er kann doch nichts dafür, daß jetzt die deine mit ihm da droben durch die Weltgeschichte rodelt. Du hast dich doch nur mit ihr auseinanderzusetzen. Wie sie auf der Bildfläche erscheint, zerreiß ihr das Maul.
Kasimir
Das ist eine Ansichtssache.
Der Merkl Franz
Natürlich.
Stille.
Kasimir
Ich bin aber nicht der Ansicht.
Der Merkl Franz
Du bist halt ein naiver Mensch.
Kasimir
Wahrscheinlich.
Stille.
Der Merkl Franz
Was ist das Weib? Kennst den Witz, wo die Tochter mit dem leiblichen Vater und dem Bruder –
Erna
unterbricht ihn:
Du sollst nicht immer so wegwerfend über uns Frauen reden!
Stille.
Der Merkl Franz
Ja wie hätten wir es denn?
Erna
Ich bin doch zu guter Letzt auch eine Frau!
Der Merkl Franz
Also werd mir nur nicht nervös. Da. Halt mal meine Handschuhe. Jetzt möchte er sich nur etwas holen, dort drüben, für das Gemüt –
Ab; in der Ferne ertönt nun ein Waldhorn, und zwar wehmütig.
12. Szene
Erna
Herr Kasimir. Da schauns mal hinauf. Das ist der Große Bär.
Kasimir
Wo?
Erna
Dort. Und das dort ist der Orion. Mit dem Schwert.
Kasimir
Woher wissen Sie denn all das?
Erna
Das hat mir mal mein Herr erklärt, wie ich noch gedient hab – der ist ein Professor gewesen. Wissens, wenns mir schlecht geht, dann denk ich mir immer, was ist ein Mensch neben einem Stern. Und das gibt mir dann wieder einen Halt.
13. Szene
Schürzinger erscheint und das Waldhorn verstummt. Kasimir erkennt ihn. Schürzinger grüßt. Kasimir grüßt auch, und zwar unwillkürlich.
Schürzinger
Ihr Fräulein Braut fahren noch.
Kasimir
fixiert ihn grimmig:
Das freut mich.
14. Szene
Der Merkl Franz erscheint nun auch wieder; er hatte sich drüben zwei Paar Schweinswürstel gekauft und verzehrt nun selbe mit Appetit.
15. Szene
Schürzinger
Ich bin nur einmal mitgefahren. Ihr Fräulein Braut wollte aber noch einmal.
Kasimir
Noch einmal.
Schürzinger
Bestimmt.
Stille.
Kasimir
Bestimmt. Alsdann: Der Herr sind doch ein alter Bekannter von meiner Fräulein Braut?
Schürzinger
Wieso?
Kasimir
Was wieso?
Schürzinger
Nein das muß ein Irrtum sein. Ich kenne Ihr Fräulein Braut erst seit zuvor dort bei dem Eismann – da sind wir so unwillkürlich ins Gespräch gekommen.
Kasimir
Unwillkürlich –
Schürzinger
Absolut.
Kasimir
Das auch noch.
Schürzinger
Warum?
Kasimir
Weil das sehr eigenartig ist. Nämlich mein Fräulein Braut sagte mir zuvor, daß sie Ihnen schon seit langem kennt. Schon seit lang, sagte sie.
Der Merkl Franz
Peinsam.
Stille
Schürzinger
Das tut mir aber leid.
Kasimir
Also stimmt das jetzt oder stimmt das jetzt nicht? Ich möchte nämlich da klar sehen. Von Mann zu Mann.
Stille.
Schürzinger
Nein. Es stimmt nicht.
Kasimir
Ehrenwort?
Schürzinger
Ehrenwort.
Kasimir
Ich danke.
Stille.
Der Merkl Franz
In diesem Sinne kommst du auf keinen grünen Zweig nicht, lieber guter alter Freund. Hau ihm doch eine aufs Maul –
Kasimir
Mische dich bitte da nicht hinein!
Der Merkl Franz
Huste mich nicht so schwach an! Du Nasenbohrer.
Kasimir
Ich bin kein Nasenbohrer!
Der Merkl Franz
Du wirst es ja schon noch erleben, wo du landen wirst mit derartig nachsichtigen Methoden! Ich seh dich ja schon einen Kniefall machen vor dem offiziellen Hausfreund deiner eignen Braut! Küsse nur die Spur ihres Trittes – du wirst ihr auch noch die Schleppe tragen und dich mit einer besonderen Wonne unter ihre Schweißfüße beugen, du Masochist!
Kasimir
Ich bin kein Masochist! Ich bin ein anständiger Mensch!
Stille.
Der Merkl Franz
Das ist der Dank. Man will dir helfen und du wirst anzüglich. Stehen lassen sollte ich dich da wo du stehst!
Erna
Komm Franz!
Der Merkl Franz kneift sie in den Arm.
Au! Au –
Der Merkl Franz
Und wenn du dich noch so sehr windest! Ich bleibe, solange ich Lust dazu habe – in einer solchen Situation darf man seinen Freund nicht allein lassen.
16. Szene
Karoline erscheint.
Stille.
17. Szene
Kasimir
nähert sich langsam Karoline und hält dicht vor ihr:
Ich habe dich zuvor gefragt, wie du das verstanden haben willst, daß wir zwei eventuell nicht mehr zueinander passen. Und du hast gesagt: eventuell. Hast du gesagt.
Karoline
Und du hast gesagt, daß ich dich verlasse, weil du abgebaut worden bist. Das ist eine ganz tiefe Beleidigung. Eine wertvolle Frau hängt höchstens noch mehr an dem Manne, zu dem sie gehört, wenn es diesem Manne schlecht geht.
Kasimir
Bist du eine wertvolle Frau?
Karoline
Das mußt du selber wissen.
Kasimir
Und du hängst jetzt noch mehr an mir?
Karoline schweigt.
Du sollst mir jetzt eine Antwort geben.
Karoline
Ich kann dir darauf keine Antwort geben. Das mußt du fühlen.
Stille.
Kasimir
Warum lügst du?
Karoline
Ich lüge nicht.
Kasimir
Doch. Und zwar ganz ohne Schamgefühl.
Stille.
Karoline
Wann soll denn das gewesen sein?
Kasimir
Zuvor. Da hast du gesagt, daß du diesen Herrn dort schon lange kennst. Seit schon lang, hast du gesagt. Und derweil ist das doch nur so eine Oktoberfestbekanntschaft. Warum hast du mich angelogen?
Stille.
Karoline
Ich war halt sehr verärgert.
Kasimir
Das ist noch kein Grund.
Karoline
Bei einer Frau vielleicht schon.
Kasimir
Nein.
Stille.
Karoline
Eigentlich wollte ich ja nur ein Eis essen – aber dann haben wir über den Zeppelin gesprochen. Du bist doch sonst nicht so kleinlich.
Kasimir
Das kann ich jetzt nicht so einfach überwinden.
Karoline
Ich habe doch nur mit der Achterbahn fahren wollen.
Stille.
Kasimir
Wenn du gesagt hättest: lieber Kasimir, ich möchte gerne mit der Achterbahn fahren, weil ich das so gerne möchte – dann hätte der Kasimir gesagt: fahre zu mit deiner Achterbahn!
Karoline
So stell dich doch nicht so edel hin!
Kasimir
Schleim dich nur ruhig aus. Wer ist denn das eigentlich?
Karoline
Das ist ein gebildeter Mensch. Ein Zuschneider.
Stille.
Kasimir
Du meinst also, daß ein Zuschneider etwas Gebildeteres ist wie ein ehrlicher Chauffeur?
Karoline
Geh verdrehe doch nicht immer die Tatsachen.
Kasimir
Das überlasse ich dir! Ich konstatiere, daß du mich angelogen hast und zwar ganz ohne Grund! So schwing dich doch mit deinem gebildeten Herrn Zuschneider! Das sind freilich die feineren Kavaliere als wie so ein armer Hund, der wo gestern abgebaut worden ist!
Karoline
Und nur weil du abgebaut worden bist, soll ich jetzt vielleicht weinen? Gönnst einem schon gar kein Vergnügen, du Egoist.
Kasimir
Seit wann bin ich denn ein Egoist? Jetzt muß ich aber direkt lachen! Hier dreht es sich doch nicht um deine Achterbahn, sondern um dein unqualifizierbares Benehmen, indem daß du mich angelogen hast!
Schürzinger
Pardon –
Der Merkl Franz
unterbricht ihn:
Jetzt halt aber endlich dein Maul, und schau daß du dich verrollst! Fahr ab sag ich!
Kasimir
Laß ihn laufen, Merkl! Die zwei passen prima zusammen!
Zu Karoline.
Du Zuschneidermensch!
Stille.
Karoline
Was hast du da jetzt gesagt?
Der Merkl Franz
Er hat jetzt da gesagt: Zuschneidermensch. Oder Nutte, wie der Berliner sagt.
Schürzinger
Kommen Sie, Fräulein!
Karoline
Ja. Jetzt komme ich –
Ab mit dem Schürzinger.
18. Szene
Der Merkl Franz
sieht ihnen nach:
Glückliche Reise!
Kasimir
Zu zweit.
Der Merkl Franz
Weiber gibts wie Mist!
Zu Erna.
Wie Mist.
Erna
Sei doch nicht so ordinär. Was hab ich denn dir getan?
Der Merkl Franz
Du bist eben auch nur ein Weib. So und jetzt kauft sich Der Merkl Franz eine Tasse Bier. Von wegen der lieblicheren Gedanken. Kasimir, geh mit!
Kasimir
Nein. Ich geh jetzt nachhaus und leg mich ins Bett.
Ab.
19. Szene
Der Merkl Franz
ruft ihm nach:
Gute Nacht!
Dunkel.
20. Szene
Das Orchester spielt nun die Parade der Zinnsoldaten.
21. Szene
Neuer Schauplatz: Beim Tobogan. Am Ende der Rinne, in welcher die Toboganbesucher am Hintern herunterrutschen. Wenn dabei die zuschau-enden Herren Glück haben, dann können sie den herunterrutschenden Damen unter die Röcke sehen. Auch Rauch und Speer sehen zu.
Links ein Eismann mit türkischem Honig und Luftballons. Rechts eine Hühnerbraterei, die aber wenig frequentiert wird, weil alles viel zu teuer ist. Jetzt rutschen gerade Elli und Maria in der Rinne herunter und man kann ihnen unter die Röcke sehen. Und die Luft ist voll Wiesenmusik.
22. Szene
Rauch zwinkert Elli und Maria zu, die wo sich mit ihren Büstenhaltern beschäftigen, welche sich durch das Herabrutschen verschoben haben.
Elli
Ist das aber ein alter Hirsch.
Maria
Reichlich.
Elli
Ein Saubär ein ganz bremsiger.
Maria
Ich glaub, daß der andere ein Norddeutscher ist.
Elli
Wieso weswegen?
Maria
Das kenn ich am Hut. Und an die Schuh.
Rauch grinst noch immer.
Elli
blickt ihn freundlich an – aber so, daß er es nicht hören kann:
Schnallentreiber dreckiger.
Rauch grüßt geschmeichelt.
Wie zuvor.
Guten Abend, Herr Nachttopf!
Rauch läuft das Wasser im Munde zusammen.
Wie zuvor.
Das tät dir so passen, altes Scheißhaus – Denk lieber ans Sterben als wie an das Gegenteil!
Fröhlich lachend ab mit Maria.
23. Szene
Rauch
Geht los wie Blücher!
Speer
Zwei hübsche Todsünden – was?
Rauch
Trotz Krise und Politik – mein altes Oktoberfest, das bringt mir kein Brüning um. Hab ich übertrieben?
Speer
Gediegen. Sehr gediegen!
Rauch
Da sitzt doch noch der Dienstmann neben dem Geheimrat, der Kaufmann neben dem Gewerbetreibenden, der Minister neben dem Arbeiter – so lob ich mir die Demokratie!
Er tritt mit Speer an die Hühnerbraterei; die beiden Herren fressen nun ein zartes knuspriges Huhn und saufen Kirsch und Wiesenbier.
24. Szene
Karoline
kommt mit dem Schürzinger; sie etwas voraus – dann hält sie plötzlich und er natürlich auch:
Muß denn das sein, daß die Männer so mißtrauisch sind? Wo man schon alles tut, was sie wollen.
Schürzinger
Natürlich muß man sich als Mann immer in der Hand haben. Sie dürfen mich nicht falsch verstehen.
Karoline
Warum?
Schürzinger
Ich meine, weil ich zuvor eine Lanze für Ihren Herrn Bräutigam gebrochen hab. Er ist halt sehr aufgebracht – es ist das doch kein Kinderspiel so plötzlich auf der Straße zu liegen.
Karoline
Das schon. Aber das ist doch noch kein Grund, daß er sagt, daß ich eine Dirne bin. Man muß das immer trennen, die allgemeine Krise und das Private.
Schürzinger
Meiner Meinung nach sind aber diese beiden Komplexe unheilvoll miteinander verknüpft.
Karoline
Geh redens doch nicht immer so geschwollen daher! Ich kauf mir jetzt noch ein Eis.
Sie kauft sich bei dem Eismann Eis und auch der Schürzinger schleckt wieder eine Portion.
25. Szene
Rauch
deutet fressend auf Karoline:
Was das Mädchen dort für einen netten Popo hat –
Speer
Sehr nett.
Rauch
Ein Mädchen ohne Popo ist kein Mädchen.
Speer
Sehr richtig.
26. Szene
Schürzinger
Ich meine ja nur, daß man sich so eine Trennung genau überlegen muß mit allen ihren Konsequenzen.
Karoline
Mit was denn für Konsequenzen? Ich bin doch eine berufstätige Frau.
Schürzinger
Aber ich meine ja doch jetzt das seelische Moment.
Stille.
Karoline
Ich bin nicht so veranlagt, daß ich mich beschimpfen lasse. Ich bin ja sogar blöd, daß ich mich derart mit Haut und Haar an den Herrn Kasimir ausgeliefert habe – Ich hätt doch schon zweimal einen Beamten heiraten können mit Pensionsberechtigung.
Stille.
Schürzinger
Ich möchte es halt nur nicht gerne haben, daß das jetzt so herschaut, als wäre vielleicht ich an dieser Entfremdung zwischen ihm und Ihnen schuld – Ich habe nämlich schon einmal Mann und Frau entzweit. Nie wieder!
Karoline
Sie haben doch vorhin gesagt, daß wenn der Mann arbeitslos wird, daß dann hernach auch die Liebe von seiner Frau zu ihm hin nachläßt – und zwar automatisch.
Schürzinger
Das liegt in unserer Natur. Leider.
Karoline
Wie heißen Sie denn eigentlich mit dem Vornamen?
Schürzinger
Eugen.
Karoline
Sie haben so ausgefallene Augen.
Schürzinger
Das haben mir schon manche gesagt.
Karoline
Bildens Ihnen nur nichts ein!
Stille.
Schürzinger
Gefällt Ihnen Eugen als Vorname?
Karoline
Unter Umständen.
Stille.
Schürzinger
Ich bin ein einsamer Mensch, Fräulein. Sehen Sie, meine Mutter zum Beispiel, die ist seit der Inflation taub und auch nicht mehr ganz richtig im Kopf, weil sie alles verloren hat – so habe ich jetzt keine Seele, mit der ich mich aussprechen kann.
Karoline
Habens denn keine Geschwister?
Schürzinger
Nein. Ich bin der einzige Sohn.
Karoline
Jetzt kann ich aber kein Eis mehr essen.
Ab mit dem Schürzinger.
27. Szene
Speer
Eine merkwürdige Jugend diese heutige Jugend. Wir haben ja seinerzeit auch Sport getrieben, aber so merkwürdig wenig Interesse für die Reize des geistigen Lebens –
Rauch
Eine eigentlich unsinnliche Jugend.
Speer
lächelt:
Es bleibt ihnen zwar manches erspart.
Rauch
Ich hab immer Glück gehabt.
Speer
Ich auch, außer einmal.
Rauch
War sie wenigstens hübsch?
Speer
In der Nacht sind alle Katzen grau.
Rauch
erhebt sein Glas:
Spezielles!
28. Szene
Karoline rutscht nun die Rinne herunter gefolgt von dem Schürzinger und Rauch und Speer können ihr unter die Röcke sehen.
Schürzinger erblickt Rauch, zuckt zusammen und grüßt überaus höflich, sogar gleich zweimal.
29. Szene
Rauch
dankt überrascht; zu Speer:
Wer ist denn das? Jetzt grüßt mich da der Kavalier von dem netten Popo –
30. Szene
Karoline
beschäftigt sich nun auch mit ihrem Büstenhalter:
Wer ist denn das dort?
Schürzinger
Das ist er selbst. Kommerzienrat Rauch. Mein Chef. Sie kennen doch die große Firma – vier Stock hoch und auch noch nach hinten hinaus.
Karoline
Ach ja ja!
Schürzinger
Er hat zwar im Juni eine GmbH aus sich gemacht, aber nur pro forma von wegen der Steuer und so.
31. Szene
Rauch
hatte sich mit Speer besprochen und nähert sich nun bereits etwas angetrunken dem Schürzinger:
Verzeihen Sie der Herr! Woher haben wir das Vergnügen?
Schürzinger
Mein Name ist Schürzinger, Herr Kommerzienrat.
Rauch
Schürzinger?
Schürzinger
Kinderkonfektion. Abteilung Kindermäntel.
Stille.
Rauch
zu Schürzinger:
Das Fräulein Braut?
Karoline
Nein.
Stille.
Rauch
steckt dem Schürzinger eine Zigarre in den Mund:
Sehr angenehm!
Zu Karoline.
Dürfen der Herr Kommerzienrat das Fräulein zu einem Kirsch bitten?
Karoline
Nein danke. Ich kann keinen Kirsch vertragen. Ich möcht gern einen Samos.
Rauch
Also einen Samos!
Er tritt an die Hühnerbraterei.
Einen Samos!
Zu Karoline.
Das ist mein bester Freund aus Erfurt in Thüringen – und ich stamme aus Weiden in der Oberpfalz. Auf Ihr Wohlsein, Fräulein! Und einen Kirsch für den jungen Mann da!
Schürzinger
Verzeihung, Herr Kommerzienrat – aber ich nehme nie Alkohol zu mir.
32. Szene
Kasimir erscheint und beobachtet.
33. Szene
Rauch
Na wieso denn nicht?
Schürzinger
Weil ich ein Antialkoholiker bin, Herr Kommerzienrat.
Speer
Aus Prinzip?
Schürzinger
Wie man so zu sagen pflegt.
Rauch
Also derartige Prinzipien werden hier nicht anerkannt! Wir betrachten selbige als nichtexistent! Mit seinem Oberherrgott wird der junge Mann schon einen Kirsch kippen! Ex, Herr –
Schürzinger
Schürzinger.
Er leert das Glas und schneidet eine Grimasse.
Rauch
Schürzinger! Ich hatte mal einen Erzieher, der hieß auch Schürzinger. War das ein Rhinozeros! Noch einen Samos! Und noch einen Kirsch für den Herrn Antialkoholiker – den haben wir jetzt entjungfert in Sachen Alkohol. Sie vielleicht auch, Fräulein?
Karoline
Oh nein! Ich trink nur nichts Konzentriertes und das gemischte Zeug hab ich schon garnicht gern –
Sie erblickt Kasimir.
34. Szene
Kasimir winkt sie zu sich heran. Karoline folgt nicht.
Kasimir winkt deutlicher.
Karoline leert den Samos, stellt dann das Glas trotzig und umständlich hin und nähert sich langsam Kasimir.
35. Szene
Rauch
Wer ist denn das? Don Quichotte?
Rauch
Das ist der Bräutigam von dem Fräulein.
Speer
Tableau!
Schürzinger
Sie möcht aber nichts mehr von ihm wissen.
Rauch
Schon wieder angenehmer!
36. Szene
Karoline
Was willst du denn schon wieder?
Stille.
Kasimir
Was sind denn das dort für Leute?
Karoline
Lauter alte Bekannte.
Kasimir
Sei nicht boshaft bitte.
Karoline
Ich bin nicht boshaft. Der Dicke dort ist der berühmte Kommerzienrat Rauch, der wo Alleininhaber ist. Und der andere kommt aus Norddeutschland. Ein Landgerichtsdirektor.
Kasimir
Also lauter bessere Menschen. Du kannst mich jetzt nicht mehr aufregen.
Stille.
Karoline
Was willst du noch?
Kasimir
Ich hab dich um Verzeihung bitten wollen von wegen meinem Mißtrauen und daß ich zuvor so grob zu dir war. Nein das war nicht schön von mir. Wirst du mir das verzeihen?
Karoline
Ja.
Kasimir
Ich danke dir. Jetzt geht es mir schon wieder anders –
Er lächelt.
Karoline
Du verkennst deine Lage.
Kasimir
Was für eine Lage?
Stille.
Karoline
Es hat keinen Sinn mehr, Kasimir. Ich hab mir das überlegt und habe mich genau geprüft –
Sie wendet sich der Schnapsbude zu.
Kasimir
Aber das sind doch dort keine Menschen für dich! Die nützen dich doch nur aus zu ihrem Vergnügen!
Karoline
So sei doch nicht so sentimental. Das Leben ist hart und eine Frau, die wo etwas erreichen will, muß einen einflußreichen Mann immer bei seinem Gefühlsleben packen.
Kasimir
Hast du mich auch dort gepackt?
Karoline
Ja.
Stille.
Kasimir
Das ist nicht wahr.
Karoline
Doch.
Stille.
Kasimir
Was willst du denn durch diese Herrschaften dort erreichen?
Karoline
Eine höhere gesellschaftliche Stufe und so.
Kasimir
Das ist aber eine neue Ansicht, die du da hast.
Karoline
Nein, das ist keine neue Ansicht – aber ich habe mich von dir tyrannisieren lassen und habe es dir nachgesagt, daß eine Büroangestellte auch nur eine Proletarierin ist! Aber da drinnen in meiner Seele habe ich immer anders gedacht! Mein Herz und mein Hirn waren ja umnebelt, weil ich dir hörig war! Aber jetzt ist das aus.
Kasimir
Aus?
Karoline
Du sagst es.
Stille.
Kasimir
So. Hm. Also das wird dann schon so sein. Der Kasimir ist halt abgebaut. So und nicht anders. Da gibt es keine Ausnahmen. Lächerlich.
Karoline
Hast du mir noch etwas zu sagen?
Stille.
Kasimir
Lang bin ich herumgeschlichen und hab es mir überlegt, ob ich dich nämlich um Verzeihung bitten soll – aber jetzt tut es mir leid.
Ab.
37. Szene
Karoline sieht ihm nach und wendet sich dann wieder der Schnapsbude zu.
Dunkel.
38. Szene
Das Orchester spielt nun die letzte Rose.
39. Szene
Neuer Schauplatz: Bei den Abnormitäten. Drinnen im Zuschauerraum. Es ist gesteckt voll. Auch Rauch, Speer, Karoline und der Schürzinger sitzen drinnen.
40. Szene
Der Ausrufer
Als fünftes darf ich Ihnen nun vorstellen den Mann mit dem Bulldoggkopf!
Der Mann mit dem Bulldoggkopf betritt die Bühne.
Johann, der Mann mit dem Bulldoggkopf, ist vorgestern sechzehn Jahre alt geworden. Wie Sie sehen, sind seine Unterkieferknochen abnorm stark ausgeprägt, so daß er mit seiner Unterlippe ohne weiteres bequem seine Nase bedecken kann.
Der Mann mit dem Bulldoggkopf tut es.
Johann kann seinen Mund nicht öffnen und wird daher künstlich ernährt. Man könnte ihm zwar durch eine überaus schwierige Operation den Mund öffnen, aber dann hinwiederum könnte er seinen Mund nie schließen. Sie sehen hier, was die Natur für Spiele zu betreiben beliebt und welch seltsame Menschen auf unserer Erde hausen.
Der Mann mit dem Bulldoggkopf verbeugt sich und ab.
41. Szene
Der Ausrufer
Und nun, meine Herrschaften, kommen wir zur sechsten Nummer und damit zum Clou unserer Serie. Juanita, das Gorillamädchen!
Juanita betritt die Bühne.
Juanita wurde in einem kleinen Dorfe bei Zwickau geboren. Wieso es gekommen war, daß sie in Hinsicht auf ihre körperliche Gestaltung nicht wie andere Menschenkinder das Licht der Welt erblickt hatte, das ist ein Rätsel der Wissenschaft. Wie sich die Herrschaften überzeugen können, ist Juanita am ganzen Leibe tierisch behaart und auch die Anordnung der inneren Organe ist wie bei einem Tier –
42. Szene
Surren in der Luft, und zwar immer stärker und stärker; draußen Geheul und allgemeiner Musiktusch.
Rauch
schnellt empor:
Der Zeppelin! Der Zeppelin!
Ohrenbetäubendes Surren, die Zuschauer stürzen in das Freie – und nun beschreibt der Zeppelin einige Schleifen über der Oktoberfestwiese.
43. Szene
Juanita will auch hinaus.
Der Ausrufer
Zurück! Meschugge?
Juanita
Aber der Zeppelin –
Der Ausrufer
Aber ausgeschlossen! Unmöglich! Zurück!
44. Szene
Der Mann mit dem Bulldoggkopf erscheint mit den übrigen Abnormitäten, der dicken Dame, dem Riesen, dem jungen Mädchen mit Bart, dem Kamelmenschen und den zusammengewachsenen Zwillingen.
Der Ausrufer
Ja wer hat euch denn gerufen?! Was nehmt ich [*ihr?] euch denn da heraus?!
Die dicke Dame
Aber der Zeppelin –
45. Szene
Der Liliputaner
erscheint auf der Bühne mit einer Hundepeitsche:
Heinrich! Was gibts denn da?
Der Ausrufer
Direktor! Die Krüppel sind wahnsinnig geworden! Sie möchten den Zeppelin sehen!
Der Liliputaner
scharf:
Sonst noch was fällig?!
Stille.
Auf die Plätze! Aber schleunigst bitte! Was braucht ihr einen Zeppelin zu sehen – wenn man euch draußen sieht, sind wir pleite! Das ist ja Bolschewismus!
Juanita
Also beschimpfen laß ich mich nicht!
Sie weint.
Der Mann mit dem Bulldoggkopf röchelt, wankt und faßt sich ans Herz.
Die dicke Dame
Johann! Johann –
Der Liliputaner
Raus mit euch! Marsch marsch!
Die dicke Dame
stützt den Mann mit dem Bulldoggkopf:
Der arme Johann – er hat doch so ein schwaches Herz –
Sie zieht sich zurück mit den übrigen Abnormitäten, nur Juanita bleibt zurück.
46. Szene
Der Liliputaner
plötzlich sanft:
Also nur nicht weinen, kleine Juanita – hier hast du Bonbons – schöne Pralinen –
Juanita
Sie sollen mich nicht immer beschimpfen, Herr Direktor – das ist doch wirklich schon unchristlich.
Der Liliputaner
Nichts für ungut. Da –
Er übergibt ihr die Pralinen und ab.
47. Szene
Juanita verzehrt apathisch die Pralinen – inzwischen erscheinen Karoline und der Schürzinger wieder im Zuschauerraum und setzen sich in die hinterste Bankreihe.
48. Szene
Karoline
Er sieht schön aus, der Zeppelin – auch in der Nacht, so beleuchtet. Aber wir fliegen ja nicht mit.
Schürzinger
Bestimmt.
Karoline
Sie schaun mich so komisch an.
Schürzinger
Sie mich auch.
Stille
Karoline
Ich glaub, ich habe schon einen kleinen sitzen. Und Sie haben noch nie einen Alkohol getrunken?
Schürzinger
Noch nie.
Karoline
Und auch sonst sind der Herr so zurückhaltend?
Schürzinger
Das wieder weniger eigentlich.
Karoline gibt ihm plötzlich einen kurzen Kuß.
Stille.
Jetzt kenn ich mich nicht mehr aus. Ist das jetzt der Alkohol oder – es geht nämlich etwas vor in mir, was ich nicht kontrollieren kann. Wenn man zum Beispiel Geld hätte –
Karoline
unterbricht ihn:
Geh sei doch nicht so fad!
Stille.
Schürzinger
Sind wir jetzt per du?
Karoline
Für diesen heutigen Abend
Schürzinger
Und für sonst?
Karoline
Vielleicht!
Stille.
49. Szene
Rauch erscheint nun auch wieder im Zuschauerraum – er erblickt Karoline und Schürzinger, hält knapp beim Eingang und lauscht.
Karoline
Du heißt Eugen?
Schürzinger
Ja.
Karoline
Und ich heiße Karoline. Warum lachst du jetzt?
Schürzinger
Weil ich mich freu.
Rauch
Und ich heiße Konrad.
Schürzinger zuckt zusammen und Karoline ebenfalls.
Stille.
Schürzinger erhebt sich. Grinst und droht neckisch mit dem Zeigefinger.
Nanana, böses Karolinchen – wer sitzt denn da drinnen, während draußen der Zeppelin fliegt?
Karoline
Oh den Zeppelin, den kenne ich schon auswendig!
Rauch
fixiert Schürzinger; verärgert:
Ich gratuliere.
Schürzinger verbeugt sich unangenehm berührt.
Grimmig.
Nur so weiter! Lassen Sie sich nur nicht stören in Ihrer angeregten Unterhaltung –
Schürzinger
Herr Kommerzienrat! Angeregt ist anders, wie man so zu sagen pflegt –
Er lächelt höflich und setzt sich wieder.
Rauch
Anders?
50. Szene
Speer
ist Rauch gefolgt:
Ein widerlicher Bursche!
Rauch
Ein Zyniker.
Speer
Schmiert sich da an Karolinchen an, während wir dem Zepp folgen.
Rauch
Es wird sich da bald ausgeschmiert haben.
51. Szene
Das Orchester intoniert nun piano den Radetzkymarsch und die Zuschauer betreten nun wieder den Zuschauerraum, weil der Zeppelin bereits unterwegs nach Friedrichshafen ist. Als alles wieder sitzt, bricht das Orchester ab, und zwar mitten im Takt.
52. Szene
Karoline
Wie willst du das verstanden haben, daß du nicht angeregt bist?
Schürzinger
Aber das war doch nur eine momentane Taktik.
Karoline
Ich höre dich schon gehen. Du bist also ein berechnender Mensch. Auch in der Liebe?
Schürzinger
Nein das ist ein krasses Mißverständnis, was du da nämlich jetzt denkst.
Karoline
Ich denke ja garnichts, ich sage es ja nur.
53. Szene
Der Ausrufer
schlägt auf den Gong:
Meine Damen und Herren! Wir waren dort stehen geblieben, daß Juanita auf dem ganzen Leibe tierisch behaart und daß auch die Anordnung ihrer inneren Organe wie bei einem Tiere ist. Trotzdem hat Juanita aber eine äußerst rege Phantasie. So spricht sie perfekt englisch und französisch und das hat sie sich mit zähem Fleiß selbst beigebracht. Und nun wird sich Juanita erlauben, den Herrschaften eine Probe ihrer prächtigen Naturstimme zu geben! Darf ich bitten –
Auf einem ausgeleierten Piano ertönt die Barcarole aus Hoffmanns Erzählungen.
54. Szene
Juanita
singt – und während sie singt, legt Schürzinger seinen Arm um Karolinens Taille und auch ihre Waden respektive Schienbeine berühren sich:
Schöne Nacht, du Liebesnacht,
Oh stille mein Verlangen!
Süßer als der Tag uns lacht
Die schöne Liebesnacht.
Flüchtig weicht die Zeit unwiederbringlich unserer Liebe!
Fern von diesem lauschigen Ort entweicht die flüchtige Zeit.
Zephire, lind und sacht,
Die uns kosend umfangen,
Zephire haben sacht
Sanfte Küsse gebracht –
Ach.
Schöne Nacht, du Liebesnacht,
Oh stille mein Verlangen.
Süßer als der Tag uns lacht
Die schöne Liebesnacht –
Ach.
55. Szene
Schon während der letzten Strophen fiel der Vorhang. Nun hat Juanita ihr Lied beendet und der Liliputaner geht vor dem Vorhang von rechts nach links über die Bühne. Er hält eine Tafel in den Händen und auf dieser Tafel steht: «Pause».
56. Szene
Pause.
57. Szene
Und wieder wird es dunkel im Zuschauerraum und das Orchester spielt den bayerischen Defiliermarsch von Scherzer. Hierauf hebt sich wieder der Vorhang.
58. Szene
Schauplatz: Beim Wagnerbräu.
Mit der festlichen Blechmusikkapelle. Der Merkt Franz ist aufgeräumt und seine Erna mehr bescheiden, während Kasimir melancholisch daneben hockt.
59. Szene
Alles
außer Kasimir, singt zur Blechmusik:
Solang der alte Peter
Am Petersbergerl steht
Solang die grüne Isar
Durchs Münchnerstadterl fließt
Solang am Platzl drunten
Noch steht das Hofbräuhaus
Solang stirbt die Gemütlichkeit
Zu München nimmer aus
Solang stirbt die Gemütlichkeit
Zu München nimmer aus!
Ein Prosit, ein Prosit der Gemütlichkeit!
Eins, zwei, drei – gsuffa!
60. Szene
Der Merkl Franz
Prost Kasimir! Sauf damit du etwas wirst!
Kasimir
Was soll ich denn schon werden? Vielleicht gar ein Kommerzienrat!
Der Merkl Franz
So gründ doch eine neue Partei! Und werd Finanzminister!
Kasimir
Wer den Schaden hat, hat auch den Spott.
Der Merkl Franz
Wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen.
Stille.
Kasimir
Jetzt bin ich ein Kraftwagenführer und habe den Führerschein A drei und den Führerschein B drei.
Der Merkl Franz
Sei nur froh, daß du deine Braut nicht mehr hast, diese arrogante Person!
Kasimir
Das Fräulein sind halt eine Büroangestellte.
Der Merkl Franz
Das ist noch kein Entschuldigungsgrund.
Kasimir
Überhaupt sind alle Weiber minderwertige Subjekte – Anwesende natürlich ausgenommen. Sie verkaufen ihre Seele und verraten in diesem speziellen Falle mich wegen einer Achterbahn.
Erna
Wenn ich ein Mann wär, dann tät ich keine Frau anrühren. Ich vertrag schon den Geruch nicht von einer Frau. Besonders im Winter.
61. Szene
Alles
außer Kasimir, singt nun wieder zur Blechmusik:
Ich schieß den Hirsch im wilden Forst
Im dunklen Wald das Reh
Den Adler auf der Klippe Horst
Die Ente auf dem See.
Kein Ort der Schutz gewähren kann
Wenn meine Büchse knallt –
Und dennoch hab ich harter Mann
die Liebe schon gespürt.
Plötzlich Stille.
62. Szene
Kasimir
Und dennoch hab ich harter Mann die Liebe schon gespürt – und die ist ein Himmelslicht und macht deine Hütte zu einem Goldpalast – und sie höret nimmer auf, solang du nämlich nicht arbeitslos wirst. Was sind denn das schon überhaupt für Ideale von wegen dem seelischen Ineinanderhineinfließen zweier Menschen? Adam und Eva! Ich scheiß dir was auf den Kontakt – da hab ich jetzt noch ein Kapital von rund vier Mark, aber heut sauf ich mich an und dann häng ich mich auf – und morgen werden die Leut sagen: Es hat einmal einen armen Kasimir gegeben –
Der Merkl Franz
Einen Dreck werden die Leut sagen! Da sterben ja täglich Tausende – und sind schon vergessen, bevor daß sie sterben! Vielleicht, daß wenn du ein politischer Toter wärst, nachher tätst noch mit einem Pomp begraben werden, aber schon morgen vergessen – vergessen!
Kasimir
Ja man ist ziemlich allein.
Der Merkl Franz
Prost Arschloch!
63. Szene
Alles
außer Kasimir, singt nun abermals zur Blechmusik:
Trink, trink, Brüderlein trink
Lasse die Sorgen zuhaus
Deinen Kummer und deinen Schmerz
Dann ist das Leben ein Scherz
Deinen Kummer und deinen Schmerz
Dann ist das Leben ein Scherz.
Plötzlich Stille.
64. Szene
Kasimir
erhebt sich:
So. Jetzt werd ich aber elementar. Eigentlich sollt ich jetzt zur Karoline nachhause gehen und ihr alle Kleider aus ihrem Kleiderschrank herausreißen und zerreißen, bis die Fetzen fliegen! Jetzt werd ich aber ganz ekelhaft!
Wankend ab.
65. Szene
Erna
Wo geht denn der da hin?
Der Merkl Franz
Wenn er nicht hineinfallt, kommt er wieder heraus.
Erna
Ich hab nämlich direkt Angst –
Der Merkl Franz
Der tut sich doch nichts an.
Erna
Aber ich glaub es nicht, daß der eine robuste Natur ist. Der ist mehr empfindsam.
Der Merkl Franz
Du hast ja eine scharfe Beobachtungsgabe.
Stille.
Erna
Du Franz – laß ihn doch laufen bitte.
Der Merkl Franz
Wen?
Erna
Den Kasimir.
Der Merkl Franz
Wieso laufen lassen?
Erna
Der paßt doch nicht zu uns, das hab ich jetzt direkt im Gefühl. Beeinflusse ihn nicht bitte.
Der Merkl Franz
Und warum nicht?
Erna
Weil das ist ja auch nichts, was wir da treiben.
Der Merkl Franz
Seit wann denn?
Stille.
Erna
Geh so tu doch deine Finger aus meinem Bier!
Der Merkl Franz
Du hast eine scharfe Beobachtungsgabe.
Erna
So tu doch die Finger da raus –
Der Merkl Franz
Nein. Das kühlt mich so angenehm. Mein heißes Blut.
Erna reißt plötzlich seine Hand aus ihrem Bierkrug. Der Merkl Franz grinst perplex.
66. Szene
Alles
außer Erna und dem Merkl Franz, singt nun wieder zur Blechmusik; Rauch, Speer, Karoline und Schürzinger gehen vorüber, mit dem Maßkrug in der Hand, Papiermützen auf dem Kopf und Scherzartikel in der Hand – auch sie singen natürlich mit:
Trink, trink, Brüderlein trink
Lasse die Sorgen zuhaus
Deinen Kummer und deinen Schmerz
Dann ist das Leben ein Scherz!
Deinen Kummer und deinen Schmerz
Dann ist das Leben ein Scherz!
Plötzlich Stille.
67. Szene
Kasimir
erscheint mit Elli und Maria – er hält beide umarmt:
Darf ich bekannt machen! Wir drei Hübschen haben uns gerade soeben vor der Toilette kennengelernt! Merkl, kannst du mir das Phänomen erklären, warum daß die Damenwelt immer zu zweit verschwindet?
Maria
Pfui!
Der Merkl Franz
Hier gibt es kein Pfui, Fräulein!
Kasimir
Wir sind alles nur Menschen! Besonders heute!
Er setzt sich und läßt Elli auf seinem Schoß Platz nehmen.
Elli
zum Merkl Franz:
Stimmt das jetzt, daß dieser Herr einen Kompressor besitzt.
Der Merkl Franz
Natürlich hat der einen Kompressor! Und was für einen!
Maria
zu Elli:
Geh so lasse dich doch nicht so anschwindeln! Der und ein Kompressor!
Kasimir
zu Maria:
Wenn der Kasimir sagt, daß er einen Kompressor hat, dann hat er aber auch einen Kompressor – merk dir das, du Mißgeburt!
Elli
zu Maria:
So sei doch auch schon still.
Kasimir
streichelt Elli:
Du bist ein anständiges Wesen, du gefällst mir jetzt. Du hast so schöne weiche Haare und einen glatten Teint.
Elli
Ich möcht gern was zum trinken.
Kasimir
Da! Sauf!
Elli
Da ist ja kein Tropfen mehr drinnen.
Kasimir
Bier her!
Kellnerin geht gerade vorbei und stellt ihm eine Maß hin:
Gleich zahlen bitte!
Kasimir
kramt in seinen Taschen:
Zahlen bitte, zahlen bitte – ja Herrgottsackelzement, hab ich denn jetzt da schon das ganze Geld weg –
Kellnerin nimmt die Maß wieder mit.
Elli erhebt sich.
Maria
Und so etwas möchte einen Kompressor haben? Ich hab es dir ja gleich gesagt, daß so etwas im besten Falle ein Fahrrad hat. Auf Abzahlung.
Kasimir
zu Elli:
Komm, geh her –
Elli
winkt:
Grüß dich Gott, Herr Kompressor –
Ab mit Maria.
68. Szene
Kasimir
Zahlen bitte – oh du mein armer Kasimir! Ohne Geld bist halt der letzte Hund!
Der Merkl Franz
Kasimir, der Philosoph.
Kasimir
Wenn man nur wüßt, was daß man für eine Partei wählen soll –
Der Merkl Franz
Kasimir, der Politiker.
Kasimir
Leck mich doch du am Arsch, Herr Merkl!
Stille.
Der Merkl Franz
Schau mich an.
Kasimir schaut ihn an.
Es gibt überhaupt keine politische Partei, bei der ich noch nicht dabei war, höchstens Splitter. Aber überall markieren die anständigen Leut den blöden Hund! In einer derartigen Weltsituation muß man es eben derartig machen, wie zum Beispiel ein gewisser Merkl Franz.
Kasimir
Wie?
Der Merkl Franz
Einfach.
Stille.
Zum Beispiel habe ich mich in letzter Zeit spezialisiert – auf einen gewissen Paragraphen.
Kasimir
Also mit Paragraphen soll man sich nicht einlassen.
Der Merkl Franz
Du Rindvieh.
Er hält dem Kasimir Zehnmarkscheine unter die Nase.
Stille.
Kasimir
Nein. So private Aktionen haben wenig Sinn.
Erna
Dort drüben sitzt die Karoline.
Kasimir
erhebt sich:
Wo?
Stille.
Der Merkl Franz
Sie hat dich erblickt.
Kasimir
Aber sie geht nicht her.
Stille.
69. Szene
Kasimir
hält nun eine Rede an die ferne Karoline:
Fräulein Karoline. Du mußt keineswegs hergehen, weil es halt jetzt ganz aus ist mit unseren Beziehungen, auch mit den menschlichen. Du kannst ja auch nichts dafür, dafür kann ja nur meine Arbeitslosigkeit etwas und das ist nur logisch, du Schlampen du elendiger! Aber wenn ich jetzt dem Merkl Franz folgen täte, dann wärest aber nur du daran schuld – weil ich jetzt innerlich leer bin. Du hast in mir drinnen gewohnt und bist aber seit heute ausgezogen aus mir – und jetzt stehe ich da wie das Rohr im Winde und kann mich nirgends anhalten –
Er setzt sich.
70. Szene
Stille.
Der Merkl Franz
Also?
Kasimir
Leergebrannt ist die Stätte.
Der Merkl Franz
Kasimir. Zum letztenmal: wem nicht zu raten ist, dem ist nicht zu helfen.
Kasimir
Das weiß ich jetzt noch nicht.
Der Merkl Franz
streckt ihm seine Hand hin:
Das liegt in deiner Hand –
Kasimir
stiert abwesend vor sich hin:
Ich weiß das jetzt noch nicht.
Erna
So lasse ihn doch, wenn er nicht mag.
Stille.
Der Merkl Franz fixiert Erna grimmig – plötzlich schüttet er ihr sein Bier in das Gesicht.
Erna schnellt empor.
Der Merkl Franz
drückt sie auf ihren Platz zurück:
Da bleibst! Sonst tritt ich dir in das Gesicht!
71. Szene
Alles
außer Kasimir, Erna und dem Merkl Franz, singt:
Und blühn einmal die Rosen
Ist der Winter vorbei
Nur der Mensch hat alleinig
Einen einzigen Mai
Und die Vöglein die ziehen
Und fliegen wieder her
Nur der Mensch bald er fortgeht
Nachher kommt er nicht mehr.
Dunkel.
72. Szene
Nun spielt das Orchester die Petersburger Schlittenfahrt.
73. Szene
Neuer Schauplatz: Im Hippodrom.
Rauch, Speer, Karoline und Schürzinger betreten es.
74. Szene
Rauch
zu Karoline:
Na wie wärs mit einem kühnen Ritt? Wir sind doch hier im Hippodrom!
Karoline
Fein! Aber nur keinen Damensattel – von wegen dem festeren Halt.
Rauch
Schneidig!
Speer
Das Fräulein denkt kavalleristisch.
Karoline
Wenn ich einmal reit, möcht ich aber gleich zweimal reiten –
Rauch
Auch dreimal!
Karoline
Fein!
Ab in die Manege.
75. Szene
Speer
ruft ihr nach:
Auch viermal!
Rauch
Auch ixmal!
Er setzt sich mit Speer an ein Tischchen auf der Estrade und läßt Flaschenwein auffahren. Schürzinger bleibt aber drunten stehen und stiert Karoline ständig nach; jetzt wird ein altes lahmes Pferd mit einem Damensattel, in dem ein zehnjähriges kurzsichtiges Mädchen sitzt, an der Estrade vorbei in die Manege geführt – gleich darauf ertönt Musik, die wo dann immer wieder mitten im Takt abbricht, wenn nämlich einige Runden vorbei sind und man neu bezahlen muß; auch Peitschengeknalle ist zu vernehmen; Schürzinger stellt sich auf einen Stuhl, um besser zusehen zu können; auch Rauch und Speer sehen natürlich zu.
76. Szene
Rauch
Wacker! Prima!
Speer
Eine Amazone!
Rauch
Ein Talent! Da wackelt der Balkon! Radfahrende Mädchen erinnern von hinten an schwimmende Enten.
Speer
wendet sich wieder dem Flaschenwein zu:
Mensch Rauch! Wie lange habe ich keinen Gaul mehr unter mir gehabt!
Rauch
Tatsächlich?
Speer
1912 – da konnt ich mir noch zwei Pferde halten. Aber heute? Ein armer Richter. Wo sind die Zeiten! Das waren zwei Araber. Stuten. Rosalinde und Yvonne.
Rauch
hat sich nun auch wieder dem Flaschenwein zugewandt:
Du hast doch auch spät geheiratet?
Speer
Immer noch früh genug.
Rauch
Das sowieso.
Er erhebt sein Glas.
Spezielles!
Stille.
Ich hab mein Weib nach Arosa und überallhin – der Junge ist ja kerngesund.
Speer
Wann macht er denn seinen Doktor?
Rauch
Nächstes Semester. Wir werden alt.
Stille.
Speer
Ich bin schon zweimal Großpapa. Es bleibt immer etwas von einem zurück. Ein Körnchen.
77. Szene
Karoline erscheint nun wieder und möchte an dem Schürzinger vorbei, der noch immer auf dem Stuhle steht.
Schürzinger
gedämpft:
Halt! In deinem Interesse.
Karoline
Auweh.
Schürzinger
Wieso auweh?
Karoline
Weil wenn ein Mann so anfangt, dann hat er Hintergedanken.
Schürzinger
steigt langsam vom Stuhl herab und tritt dicht an Karoline heran:
Ich habe keine Hintergedanken. Ich bin jetzt nämlich wieder etwas nüchterner geworden. Bitte trinke keinen Alkohol mehr.
Karoline
Nein. Heut trink ich was ich will.
Schürzinger
Du kannst es dir nicht ausmalen in deiner Phantasie, was die beiden Herrschaften dort über dich reden.
Karoline
Was reden sie denn über mich?
Schürzinger
Sie möchten dich betrunken machen.
Karoline
Oh ich vertrag viel.
Stille.
Schürzinger
Und dann sagt er es ganz offen heraus, der Herr Kommerzienrat.
Karoline
Was?
Schürzinger
Daß er dich haben möchte. Erotisch. Noch heute Nacht.
Stille.
Karoline
So. Also haben möchte er mich –
Schürzinger
Er sagt es vor mir, als wäre ich ein Nichts. So etwas ist doch keine Gesellschaft für dich. Das ist doch unter deiner Würde. Komm, empfehlen wir uns jetzt auf französisch –
Karoline
Wohin?
Stille.
Schürzinger
Wir können auch noch einen Tee trinken. Vielleicht bei mir.
Stille.
Karoline
Du bist auch nur ein Egoist. Akkurat der Herr Kasimir.
Schürzinger
Jetzt sprichst du spanisch.
Karoline
Jawohl, Herr Kasimir.
Schürzinger
Ich heiße Eugen.
Karoline
Und ich heiße Karoline.
Stille.
Schürzinger
Ich bin nämlich ein schüchterner Mensch. Und zuvor bei den Abnormitäten, da habe ich über eine gemeinsame Zukunft geträumt. Aber das war eben nur eine momentane Laune von einem gewissen Fräulein Karoline.
Karoline
Jawohl, Herr Eugen.
Schürzinger
Oft verschwendet man seine Gefühle –
Karoline
Menschen ohne Gefühl haben es viel leichter im Leben.
Sie läßt ihn stehen und wendet sich der Estrade zu; Schürzinger setzt sich nun auf den Stuhl.
78. Szene
Rauch
Ich gratuliere!
Speer
Sie sind talentiert. Das sage ich Ihnen als alter Ulan.
Karoline
Ich dachte, der Herr wär ein Richter.
Speer
Haben Sie schon mal einen Richter gesehen, der kein Offizier war? Ich nicht!
Rauch
Es gibt schon einige –
Speer
Juden!
Karoline
Also nur keine Politik bitte!
Speer
Das ist doch keine Politik!
Rauch
Ein politisch Lied ein garstig Lied –
Er prostet mit Karoline.
Auf unseren nächsten Ritt!
Karoline
Ich möchte ja sehr gerne noch reiten. Die dreimal waren so schnell herum.
Rauch
Also noch einmal dreimal!
Speer
erhebt sein Glas:
Rosalinde und Yvonne! Wo seid ihr jetzt? Ich grüße euch im Geiste! Was ist ein Kabriolet neben einem Gaul!
Karoline
Oh ein Kabriolet ist schon auch etwas Feudales!
Speer
wehmütig:
Aber man hat doch nichts Organisches unter sich –
Rauch
leise:
Darf ich Ihnen eröffnen, daß ich ein feudales Kabriolet besitze. Ich hoffe, Sie fahren mit.
Stille.
Karoline
Wohin?
Rauch
Nach Altötting.
Karoline
Nach Altötting ja –
Ab wieder in die Manege – an dem Schürzinger vorbei, der nun einen seiner Mitesser in seinem Taschenspiegel aufmerksam betrachtet.
79. Szene
Rauch ist nun bereits ziemlich betrunken – selig dirigiert er vor sich hin, als wäre er der Kapellmeister der Hippodrommusik; die spielt gerade einen Walzer.
Speer
ist noch betrunkener:
Altötting? Wo liegt denn Altötting?
Rauch
singt nach den Walzerklängen:
In meinem Kämmerlein – eins zwei drei – in meinem Bettelein – eins zwei drei –
Er summt.
Speer
boshaft:
Und dein Herr Angestellter dort?
Die Musik bricht ab mitten im Takt.
Rauch schlägt mit der Hand auf den Tisch und fixiert Speer gehässig.
Jetzt spielt die Musik wieder, und zwar ein Marschlied.
Rauch
singt grimmig mit und fixiert den Speer noch immer dabei:
Ja wir sind Zigeuner
Wandern durch die Welt
Haben fesche Weiber
Die verdienens Geld
Dort auf jener Wiese
Hab ich sie gefragt
Ob sie mich mal ließe
«Ja» hat sie gelacht!
Die Musik bricht wieder plötzlich ab.
Speer
noch boshafter:
Und Ihr Herr Angestellter dort?
Rauch
brüllt ihn an:
Nur kein Neid!
Er erhebt sich und torkelt zu dem Schürzinger.
80. Szene
Rauch
Herr –
Schürzinger
ist aufgestanden:
Schürzinger.
Rauch
Stimmt. Auffallend!
Er steckt ihm abermals eine Zigarre in den Mund.
Noch eine Zigarre – ein gelungener Abend.
Schürzinger
Sehr gelungen, Herr Kommerzienrat.
Rauch
Apropos gelungen: Kennen Sie die historische Anekdote von Ludwig dem Fünfzehnten, König von Frankreich – Hören Sie her: Ludwig der Fünfzehnte ging eines Abends mit seinem Leutnant und dessen Braut in das Hippodrom. Und da hat sich jener Leutnant sehr bald verabschiedet, weil er sich überaus geehrt gefühlt hat, daß sein Monarch sich für seine Braut so irgendwie interessiert – Geehrt hat er sich gefühlt! Geehrt!
Stille.
Schürzinger
Ja diese Anekdote ist mir nicht unbekannt. Jener Leutnant wurde dann bald Oberleutnant –
Rauch
So? Das ist mir neu.
Stille.
Schürzinger
Darf ich mich empfehlen, Herr Kommerzienrat –
Ab.
81. Szene
Speer
nähert sich Rauch; er ist nun total betrunken:
Herr Kommerzienrat. Sie sind wohl wahnsinnig geworden, daß Sie mich so anbrüllen – Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben! Speer! Landgerichtsdirektor!
Rauch
Freut mich!
Speer
Sie mich auch!
Stille.
Rauch
Lieber Werner, mir scheint, du bist besoffen.
Speer
Ist das dein Ernst, Konrad?
Rauch
Absolut.
Stille.
Speer
Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Das Gericht erklärt sich für nicht befangen. Keine Bewährungsfrist. Versagung mildernder Umstände. Keine Bewährungsfrist!
Rauch
boshaft:
Gibts denn in Erfurt keine Mädchen?
Speer
Kaum.
Rauch
grinst:
Ja was machen denn da die Erfurter?
Speer fixiert ihn grimmig – plötzlich versetzt er ihm einen gewaltigen Stoß und tritt sogar nach ihm, erwischt ihn aber nicht.
Stille.
Soll eine vierzigjährige Freundschaft so zerbrechen?
Speer
Im Namen des Königs –
Er hebt die Hand zum Schwur.
Bei dem Augenlichte meiner Enkelkinder schwör ich es dir, jetzt sind wir zwei getrennt – von Tisch und Bett!
Er torkelt ab.
82. Szene
Rauch
sieht ihm nach:
Traurig, aber wahr – auch ein Reptil. Ein eifersüchtiges Reptil. Aber der Konrad Rauch, der stammt aus einem alten markigen Bauerngeschlecht und solche Paragraphen sind für ihn Papier! Trotz seiner zweiundsechzig Jahr! Au –
Er windet sich plötzlich und setzt sich auf Schürzingers Stuhl.
Was war denn jetzt das? – Hoffentlich werd ich heut Nacht nicht wieder schwindlig – der Joseph hat ja einen Blutsturz gehabt – Achtung, Achtung, Konrad Rauch! Achtung!
83. Szene
Karoline erscheint und sieht sich um.
Stille.
Karoline
Wo ist denn der Herr Schürzinger?
Rauch
Er läßt sich bestens empfehlen.
Stille.
Karoline
Und der Herr Ulanenoffizier ist auch fort?
Rauch
Wir sind allein.
Stille.
Karoline
Fahren wir wirklich nach Altötting?
Rauch
Jetzt.
Er versucht aufzustehen, muß sich aber gleich wieder setzen, und zwar schmerzverzerrt.
Was verdienen Sie monatlich?
Stille.
Karoline
Fünfundfünfzig Mark.
Rauch
Schön.
Karoline
Ich bin auch froh, daß ich das habe.
Rauch
In der heutigen Zeit.
Karoline
Nur hat man so gar keinen Zukunftsblick. Höchstens, daß ich mich verdreifache. Aber dann bin ich schon grau.
Rauch
Zukunft ist eine Beziehungsfrage –
jetzt erhebt er sich
– und Kommerzienrat Konrad Rauch ist eine Beziehung. Auf nach Altötting!
Musiktusch. Dunkel.
84. Szene
Nun spielt das Orchester das Mailüfterl.
85. Szene
Neuer Schauplatz: Auf dem Parkplatz für die Privatautos hinter der Oktoberfestwiese. Im Vordergrund eine Bank.
Der Merkl Franz taucht auf mit seiner Erna und Kasimir.
86. Szene
Der Merkl Franz
Alsdann hier hätten wir es. Es treibt sich da nämlich nur der bewußte eine Parkwächter herum – und der steht meistens dort drüben, weil man von dort die schönere Aussicht auf die Festwiese hat. Erna! Jetzt werd aber endlich munter!
Erna
Ich bin noch naß von dem Bier.
Der Merkl Franz
Das war doch nur halb so tragisch gemeint.
Erna
Tut es dir leid?
Stille.
Der Merkl Franz
Nein.
In der Ferne ertönt ein Pfiff. Die drei Leut lauschen.
Kriminaler?
Erna
Gib nur acht, Franz!
Der Merkl Franz
Apriori habt ihr das hier zu tun – wenn sich was Unrechts rühren sollte. Heut parken ja da allerhand hochkapitalistische Limousinen. Lauter Steuerhinterzieher –
Er verschwindet zwischen den Limousinen.
87. Szene
Kasimir
wie zu sich:
Auf Wiedersehen!
88. Szene
Erna
Der Merkl hat doch eine komische Natur. Zuerst bringt er einen um und dann tut es ihm leid.
Kasimir
Es ist halt kein durchschnittlicher Mensch.
Erna
Weil er sehr intelligent ist. Der drückt so ein Autotürerl auf und ein Fensterscheiberl ein – da hörst aber keinen Laut.
Kasimir
Es bleibt einem ja nichts anderes übrig.
Erna
Das schon vielleicht.
Stille.
Kasimir
Vorgestern, da hätt ich dem noch das Kreuz abgeschlagen und die Gurgel hergedruckt, der es sich herausgenommen hätte, sich etwas aus meinem Kabriolet herauszuholen – und heute ist das umgekehrt. So ändert man sich mit dem Leben.
Erna
Heute seh ich so schlecht. Ich bin noch geblendet durch das Licht.
Kasimir
Ich weniger.
Stille.
Erna
Oft male ich mir eine Revolution aus – dann seh ich die Armen durch das Siegestor ziehen und die Reichen im Zeiserlwagen, weil sie alle miteinander gleich soviel lügen über die armen Leut – Sehens, bei so einer Revolution, da tät ich gerne mit der Fahne in der Hand sterben.
Kasimir
Ich nicht.
Erna
Meinen Bruder, den haben sie in einer Kiesgrube erschossen – Wissens seinerzeit nachdem damals der Krieg aus war – 1919.
Kasimir
Das ist auch nichts.
Erna
Aber mein Bruder hat sich doch aufgeopfert.
Kasimir
Das wird ihm halt mehr Vergnügen gemacht haben, daß er sich aufgeopfert hat.
Erna
Geh redens doch nicht so saudumm daher! Da hat ja noch selbst Der Merkl Franz eine Achtung vor meinem toten Bruder!
Stille.
Kasimir
Dann bin ich halt schlechter als wie Der Merkl Franz.
Erna
Weil Sie halt auch sehr verbittert sind.
Kasimir
Ich glaub es aber nicht, daß ich gut bin.
Erna
Aber die Menschen wären doch garnicht schlecht, wenn es ihnen nicht schlecht gehen tät. Es ist das eine himmelschreiende Lüge, daß der Mensch schlecht ist.
89. Szene
Der Merkl Franz
kommt mit seiner Aktentasche zwischen den Limousinen hervor und nähert sich drohend Erna:
Was soll da jetzt eine himmelschreiende Lüge sein?
Erna
Daß der Mensch schlecht ist.
Der Merkl Franz
Achso.
Stille.
Erna
Es gibt überhaupt keine direkt schlechten Menschen.
Der Merkl Franz
Daß ich nicht lache.
Kasimir
Der Mensch ist halt ein Produkt seiner Umgebung.
Der Merkl Franz
Da. Eine Aktentasche –
Er holt aus ihr ein Buch heraus und entziffert den Titel.
«Der erotische Komplex» – und ein Kuvert: Herrn Kommerzienrat Konrad Rauch – Ich meine, daß wir diese Bibliothek dem Herrn Kommerzienrat wieder zurückschenken könnten –
Zu Erna.
Oder hast du vielleicht Interesse an diesem erotischen Komplex?
Erna
Nein.
Der Merkl Franz
Drum.
Kasimir
Ich auch nein.
Der Merkl Franz
Brav. Sehr brav – Aber ihr müßt doch da so hin und her zum Scheine – das fällt doch auf, wenn ihr da so festgewurzelt herumsteht –
Er verschwindet wieder zwischen den Limousinen.
90. Szene
Erna
Also kommens hin und her –
Kasimir
Verzeihen Sie mir bitte.
Erna
Was denn?
Kasimir
Nämlich das habe ich mir jetzt überlegt. Ja das war pfeilgerade pietätlos von mir – diese Anspielung zuvor mit Ihrem toten Bruder.
Stille.
Erna
Das hab ich gewußt von Ihnen, Herr Kasimir.
Ab mit ihm.
91. Szene
Nun spielt das Orchester den Militärmarsch 1822 von Schubert und es ist eine Zeit lang kein Mensch zu sehen; dann kommt Speer mit Elli und Maria; er ist wieder etwas nüchterner geworden, aber noch immer betrunken; das Orchester bricht mitten im Takt ab.
92. Szene
Maria
Nein das sind hier nur Privatautos, die Mietautos stehen dort vorne ganz bei der Sanitätsstation.
Elli bleibt plötzlich zurück.
Speer
Na was hat sie denn, das blonde Gift –
Maria
Ich weiß nicht, was die hat. Das hat sie nämlich oft, daß sie plötzlich so streikt –
Sie ruft.
Elli!
Elli gibt keine Antwort.
Elli! So komme doch her!
Elli rührt sich nicht.
Speer
Im Namen des Volkes!
Maria
Ich werd sie schon holen –
Sie nähert sich Elli.
93. Szene
Maria
zu Elli:
So sei doch nicht so damisch!
Elli
Nein. Ich tue da nicht mit.
Speer lauscht, hört aber nichts.
Maria
Das habe ich gern – zuerst bist frech und herausfordernd zu den Herren der Schöpfung, aber dann ziehst du den Schwanz ein! So sei doch nicht so feig. Wir kriegen ja zehn Mark. Du fünf und ich fünf. Denk doch auch ein bißchen an deine Zahlungsbefehle.
Stille.
Elli
Aber der alte Sauhund ist doch ganz pervers.
Maria
Geh das ist doch nur Munderotik!
Speer
senil:
Elli! Elli! Ellile – Ellile –
Maria
Komm, sei friedlich –
Sie führt Elli zu Speer und ab.
94. Szene
Nun ist wieder eine Zeit lang kein Mensch zu sehen und das Orchester fährt fort mit dem Militärmarsch 1822 von Schubert; dann kommt Rauch mit Karoline; sie halten vor seinem feudalen Kabriolet und er sucht den Schlüssel; und das Orchester bricht wieder mitten im Takt ab.
95. Szene
Karoline
Das ist doch da ein Austro-Daimler?
Rauch
Erraten! Bravo!
Karoline
Mein ehemaliger Bräutigam hat auch einen Austro-Daimler gefahren. Er war nämlich ein Chauffeur. Ein komischer Mensch. Zum Beispiel vor drei Monaten da wollten wir zwei eine Spritztour machen hinaus in das Grüne – und da hat er einen Riesenkrach mit einem Kutscher bekommen, weil der seinen Gaul geprügelt hat. Denkens, wegen einem Gaul! Und dabei ist er selbst doch ein Chauffeur. Man muß das schon zu würdigen wissen.
Rauch
hatte endlich seinen Schlüssel gefunden und öffnet nun die Wagentüre:
Darf man bitten, Gnädigste –
96. Szene
Kasimir kommt mit Erna wieder vorbei; er erblickt Karoline – sie erkennen und fixieren sich.
97. Szene
Karoline
läßt Rauch stehen und hält dicht vor Kasimir:
Lebe wohl, Kasimir.
Kasimir
Lebe wohl.
Karoline
Ja. Und viel Glück.
Kasimir
Prost.
Stille.
Karoline
Ich fahre jetzt nach Altötting.
Kasimir
Mahlzeit.
Stille.
Das ist ein schönes Kabriolet dort. Akkurat so ein ähnliches bin ich auch einmal gefahren. Noch vorgestern.
Rauch
Darf man bitten, Gnädigste!
Karoline läßt Kasimir langsam stehen und steigt mit Rauch ein – und bald ist kein Kabriolet mehr zu sehen.
98. Szene
Kasimir
sieht dem verschwundenen Kabriolet nach; er imitiert Rauch:
Darf man bitten, Gnädigste –
Dunkel.
99. Szene
Und wieder setzt das Orchester mit dem Militärmarsch 1822 von Schubert ein und spielt ihn zu Ende.
100. Szene
Neuer Schauplatz: Vor der Sanitätsstation auf der Oktoberfestwiese.
Ein Sanitäter bemüht sich um Rauch, der auf einer Bank vor der Sanitätsbaracke sitzt und umständlich zwei Pillen mit Wasser schluckt. Karoline ist auch dabei. Und die Luft ist noch immer voll Wiesenmusik.
101. Szene
Karoline
beobachtet Rauch:
Geht es Ihnen schon besser?
Rauch gibt keine Antwort, sondern legt sich rücklings auf die Bank.
Der Sanitäter
Es geht ihm noch nicht besser, Fräulein.
Stille.
Karoline
Eigentlich haben wir ja nur nach Altötting fahren wollen, aber dann ist es ihm plötzlich schlecht geworden, dem Herrn Kommerzienrat – der Speichel ist ihm aus dem Munde heraus und wenn ich nicht im letzten Moment gebremst hätte, dann wären wir jetzt vielleicht schon hinüber.
Der Sanitäter
Alsdann verdankt er Ihnen sein Leben.
Karoline
Wahrscheinlich.
Der Sanitäter
Logischerweise. Indem daß Sie gebremst haben.
Karoline
Ja ich kenne mich aus mit der Fahrerei, weil mein ehemaliger Bräutigam ein Chauffeur gewesen ist.
102. Szene
Nun intoniert das Orchester piano den Walzer «Bist du's lachendes Glück?» und aus der Sanitätsbaracke treten Oktoberfestbesucher mit verbundenen Köpfen und Gliedmaßen, benommen und humpelnd – auch der Liliputaner und der Ausrufer befinden sich unter ihnen. Alle verziehen sich nach Hause und dann bricht das Orchester den Walzer wieder ab, und zwar mitten im Takt.
103. Szene
Karoline
leise:
Herr Sanitäter. Was ist denn passiert? Eine Katastrophe?
Der Sanitäter
Warum?
Karoline
Ist denn die Achterbahn eingestürzt?
Der Sanitäter
Weit gefehlt! Nur eine allgemeine Rauferei hat stattgefunden.
Karoline
Wegen was?
Der Sanitäter
Wegen nichts.
Stille.
Karoline
Wegen nichts. Die Menschen sind halt wilde Tiere.
Der Sanitäter
Sie werden sie nicht ändern.
Karoline
Trotzdem.
Stille.
Der Sanitäter
Angeblich hat da so ein alter Casanova mit zwei Fräuleins in ein Mietauto einsteigen wollen und dabei ist er von einigen Halbwüchsigen belästigt worden. Angeblich soll der eine Halbwüchsige seinen Schuh ausgezogen haben und selben dem alten Casanova unter die Nase gehalten haben, damit daß der daran riechen soll – aber der hat halt nicht riechen wollen und da soll ihm ein anderer Halbwüchsiger einen Schlag in das Antlitz versetzt haben. Das Resultat war halt, daß in Null Komma Null hundert Personen gerauft haben, keiner hat mehr gewußt, was los ist, aber ein jeder hat nur um sich geschlagen. Die Leut sind halt alle nervös und vertragen nichts mehr.
104. Szene
Der Arzt
erscheint in der Türe der Sanitätsbaracke:
Sind die Tragbahren noch nicht da?
Der Sanitäter
Noch nicht, Herr Doktor.
Der Arzt
Also wir haben sechs Gehirnerschütterungen, einen Kieferbruch, vier Armbrüche, davon einer kompliziert, und das andere sind Fleischwunden. Ein schöner Saustall sowas! Deutsche gegen Deutsche!
Ab.
105. Szene
Karoline
Kieferbruch – oh das muß weh tun.
Der Sanitäter
Heutzutag ist das halb so schlimm in Anbetracht unserer Errungenschaften.
Karoline
Aber gezeichnet bist du für dein ganzes Leben, als hätte man dir ein Ohr abgeschnitten. Besonders als Frau.
Der Sanitäter
Das ist aber keine Frau, dem sie da den Kiefer zerschlagen haben, sondern das ist akkurat besagter alter Casanova.
Karoline
Dann ist es schon gut.
Der Sanitäter
Es ist das sogar ein hoher Justizmann. Aus Norddeutschland. Ein gewisser Speer.
Rauch
hatte gehorcht und brüllt nun:
Was?!
Er erhebt sich.
Speer? Casanova? Justiz!?
Er faßt sich an das Herz.
Stille.
Karoline
Regens Ihnen nur nicht auf, Herr Kommerzienrat –
Rauch
fährt sie an:
Was stehens denn da noch herum, Fräulein? Leben Sie wohl! Habe die Ehre! Adieu!
Stille.
Kieferbruch. Armer alter Kamerad – Diese Sauweiber. Nicht mit der Feuerzange. Dreckiges Pack. Ausrotten. Ausrotten – alle!
Karoline
Das habe ich mir nicht verdient um Sie, Herr Kommerzienrat –
Rauch
Verdient? Das auch noch?
Stille.
Karoline
Ich habe Ihnen das Leben gerettet.
Rauch
Das Leben?
Stille.
Grinst.
Tät Ihnen so passen –
Stille.
Adieu.
Zum Sanitäter.
Wo liegt er denn, der Herr Landgerichtsdirektor? Noch da drinnen?
Der Sanitäter
Zu Befehl, Herr Kommerzienrat!
106. Szene
Rauch nähert sich langsam der Sanitätsbaracke – da erscheinen Elli und Maria in der Türe, und zwar Maria mit dem Arm in der Schlinge und Elli mit dick verbundenem Auge. Maria erkennt Rauch und fixiert ihn – auch Rauch erkennt sie und hält momentan.
107. Szene
Maria
grinst:
Ah, der Herr Nachttopf – Schau Elli, schau –
Elli
hebt den Kopf und versucht zu schauen:
Au mein Auge!
Stille.
Rauch richtet seine Krawatte und geht an Elli und Maria vorbei in die Sanitätsbaracke.
Karoline
kreischt plötzlich:
Auf Wiedersehen, Herr Nachttopf!
Dunkel.
108. Szene
Nun spielt das Orchester den Walzer «Bist du's lachendes Glück?»
109. Szene
Neuer Schauplatz: Wieder auf dem Parkplatz, aber an einer anderen Stelle, dort wo die Fahnen der Ausstellung schon sichtbar werden.
Kasimir und Erna gehen noch immer auf und ab – plötzlich hält Kasimir. Und Erna auch.
110. Szene
Kasimir
Wo steckt denn Der Merkl?
Erna
Der wird schon irgendwo stecken.
Stille.
Kasimir
Und wo das Fräulein Karoline jetzt steckt, das ist mir wurscht.
Erna
Nein das wäre keine Frau für Sie. Ich habe mir dafür einen Blick erworben.
Kasimir
So ein Weib ist ein Auto, bei dem nichts richtig funktioniert – immer gehört es repariert. Das Benzin ist das Blut und der Magnet das Herz – und wenn der Funke zu schwach ist, entsteht eine Fehlzündung – und wenn zuviel Öl drin ist, dann raucht er und stinkt er –
Erna
Was Sie für eine Phantasie haben. Das haben nämlich nur wenige Männer. Zum Beispiel Der Merkl hat keine. Überhaupt haben Sie schon sehr recht, wenn Sie das sagen, daß Der Merkl mich ungerecht behandelt – Nein! Das laß ich mir auch nicht weiter bieten –
Sie schreit plötzlich unterdrückt auf.
Jesus Maria Josef! Merkl! Franz! Jesus Maria –
Sie hält sich selbst den Mund zu und wimmert.
Kasimir
Was ist denn los?
Erna
Dort – sie haben ihn. Franz! Sehens die beiden Kriminaler – Verzeih mir das, Franz! – Nein, ich schimpfe nicht, ich schimpfe nicht –
Stille.
Kasimir
An allem ist nur dieses Luder schuld. Diese Schnallen. Dieses Fräulein Karoline!
Erna
Er wehrt sich garnicht – geht einfach mit –
Sie setzt sich auf die Bank.
Den seh ich nimmer.
Kasimir
Geh den werdens doch nicht gleich hinrichten!
Erna
Das kommt auf dasselbe hinaus. Weil er doch schon oft vorbestraft ist – da hauns ihm jetzt fünf Jahr Zuchthaus hinauf wie nichts – und dann kommt er nicht mehr heraus, weil er sich ja während seiner Vorstrafen schon längst eine Tuberkulose geholt hat – Der kommt nicht mehr heraus!
Stille.
Kasimir
Sind Sie auch vorbestraft?
Erna
Ja.
Kasimir setzt sich neben Erna.
Stille.
Was glauben Sie, wie alt daß ich bin?
Kasimir
Fünfundzwanzig.
Erna
Zwanzig.
Kasimir
Wir sind halt heutzutag alle älter als wie wir sind.
Stille. Dort kommt jetzt Der Merkl.
Erna
zuckt zusammen:
Wo?
Stille.
111. Szene
Der Merkl Franz geht nun mit einem Kriminaler vorbei, an dessen Handgelenk er gefesselt ist – er wirft noch einen letzten Blick auf Erna.
112. Szene
Stille.
Erna
Der arme Franz. Der arme Mensch –
Kasimir
So ist das Leben.
Erna
Kaum fängt man an, schon ist es vorbei.
Stille.
Kasimir
Ich habe es immer gesagt, daß so kriminelle Aktionen keinen Sinn haben – Mir scheint, ich werde mir den armen Merkl Franz als warnendes Beispiel vor Augen halten.
Erna
Lieber stempeln.
Kasimir
Lieber hungern.
Erna
Ja.
Stille.
Ich hab es ja dem armen Franz gesagt, daß er Sie in Ruhe lassen soll, weil ich das gleich im Gefühl gehabt habe, daß Sie anders sind – darum hat er mir ja auch das Bier in das Gesicht geschüttet.
Kasimir
Darum?
Erna
Ja. Wegen Ihnen.
Kasimir
Das ist mir neu. Daß Sie da wegen mir – Verdiene ich denn das überhaupt?
Erna
Das weiß ich nicht.
Stille.
Kasimir
Ist das jetzt der Große Bär dort droben?
Erna
Ja. Und das dort ist der Orion.
Kasimir
Mit dem Schwert.
Erna
lächelt leise:
Wie Sie sich das gemerkt haben –
Stille.
Kasimir
starrt noch immer in den Himmel:
Die Welt ist halt unvollkommen.
Erna
Man könnt sie schon etwas vollkommener machen.
Kasimir
Sind Sie denn auch gesund? Ich meine jetzt, ob Sie nicht auch etwa die Tuberkulose haben von diesem armen Menschen?
Erna
Nein. Soweit bin ich ganz gesund.
Stille.
Kasimir
Ich glaub, wir sind zwei verwandte Naturen.
Erna
Mir ist es auch, als täten wir uns schon lange kennen.
Stille.
Kasimir
Wie hat er denn geheißen, Ihr toter Bruder?
Erna
Ludwig. Ludwig Reitmeier.
Stille.
Kasimir
Ich war mal Chauffeur, bei einem gewissen Reitmeier. Der hat ein Wollwarengeschäft gehabt. En gros.
Er legt seinen Arm um ihre Schultern.
Erna
legt ihren Kopf an seine Brust:
Dort kommt jetzt die Karoline.
113. Szene
Karoline
kommt und sieht sich suchend um – erblickt Kasimir und Erna, nähert sich langsam und hält dicht vor der Bank:
Guten Abend, Kasimir.
Stille.
So schau doch nicht so ironisch.
Kasimir
Das kann jede sagen.
Stille.
Karoline
Du hast schon recht.
Kasimir
Wieso hernach?
Karoline
Eigentlich hab ich ja nur ein Eis essen wollen – aber dann ist der Zeppelin vorbeigeflogen und ich bin mit der Achterbahn gefahren. Und dann hast du gesagt, daß ich dich automatisch verlasse, weil du arbeitslos bist. Automatisch, hast du gesagt.
Kasimir
Jawohl, Fräulein.
Stille.
Karoline
Ich habe es mir halt eingebildet, daß ich mir einen rosigeren Blick in die Zukunft erringen könnte – und einige Momente habe ich mit allerhand Gedanken gespielt. Aber ich müßt so tief unter mich hinunter, damit ich höher hinauf kann. Zum Beispiel habe ich dem Herrn Kommerzienrat das Leben gerettet, aber er hat nichts davon wissen wollen.
Kasimir
Jawohl, Fräulein.
Stille.
Karoline
Du hast gesagt, daß der Herr Kommerzienrat mich nur zu seinem Vergnügen benützen möchte und daß ich zu dir gehöre – und da hast du schon sehr recht gehabt.
Kasimir
Das ist mir jetzt wurscht! Jetzt bin ich darüber hinaus, Fräulein! Was tot ist, ist tot und es gibt keine Gespenster, besonders zwischen den Geschlechtern nicht!
Stille.
Karoline gibt ihm plötzlich einen Kuß.
Zurück! Brrr! Pfui Teufel!
Er spuckt aus.
Brrr!
Erna
Ich versteh das garnicht, wie man als Frau so wenig Feingefühl haben kann.
Karoline
zu Kasimir:
Ist das die neue Karoline?
Kasimir
Das geht dich einen Dreck was an, Fräulein!
Karoline
Und den Merkl Franz betrügen, ist das vielleicht ein Feingefühl?!
Erna
Der Merkl Franz ist tot, Fräulein.
Stille.
Karoline
Tot?
Sie lacht – verstummt aber plötzlich; gehässig zu Erna.
Und das soll ich dir glauben, du Zuchthäuslerin?
Kasimir
Geh halts Maul und fahr ab.
Erna
zu Kasimir:
So lasse sie doch. Sie weiß ja nicht, was sie tut.
Stille.
114. Szene
Karoline
vor sich hin:
Man hat halt oft so eine Sehnsucht in sich – aber dann kehrt man zurück mit gebrochenen Flügeln und das Leben geht weiter, als war man nie dabei gewesen –
115. Szene
Schürzinger
erscheint, und zwar aufgeräumt – mit einem Luftballon an einer Schnur aus seinem Knopfloch; er erblickt Karoline:
Ja wen sehen denn meine entzündeten Augen? Das ist aber schon direkt Schicksal, daß wir uns wiedertreffen. Karoline! Übermorgen wird der Leutnant Eugen Schürzinger ein Oberleutnant Eugen Schürzinger sein – und zwar in der Armee Seiner Majestät Ludwigs des Fünfzehnten – und das verdanke ich dir.
Karoline
Aber das muß ein Irrtum sein.
Schürzinger
Lächerlich!
Stille.
Karoline
Eugen. Ich habe dich vor den Kopf gestoßen und das soll man nicht, weil man alles zurückgezahlt bekommt –
Schürzinger
Du brauchst einen Menschen, Karoline –
Karoline
Es ist immer der gleiche Dreck.
Schürzinger
Pst! Es geht immer besser und besser.
Karoline
Wer sagt das?
Schürzinger
Coué.
Stille.
Also los. Es geht besser –
Karoline
sagt es ihm tonlos nach:
Es geht besser –
Schürzinger
Es geht immer besser, immer besser –
Karoline
Es geht immer besser, besser – immer besser –
Schürzinger umarmt sie und gibt ihr einen langen Kuß. Karoline wehrt sich nicht.
Schürzinger
Du brauchst wirklich einen Menschen.
Karoline
lächelt:
Es geht immer besser –
Schürzinger
Komm –
Ab mit ihr.
116. Szene
Kasimir
Träume sind Schäume.
Erna
Solange wir uns nicht aufhängen, werden wir nicht verhungern.
Stille.
Kasimir
Du Erna –
Erna
Was?
Kasimir
Nichts.
Stille.
117. Szene
Erna
singt leise – und auch Kasimir singt allmählich mit:
Und blühen einmal die Rosen
Wird das Herz nicht mehr trüb
Denn die Rosenzeit ist ja
Die Zeit für die Lieb
Jedes Jahr kommt der Frühling
Ist der Winter vorbei
Nur der Mensch hat alleinig
Einen einzigen Mai.
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