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Anhänge zum ersten Buch.
Anhang 1.
Statistik der Einkommensverhältnisse in Deutschland.
Die letzte zu Gebote stehende Statistik des Deutschen Reiches ist vom Jahre 1895. Nach derselben zählte man damals in Deutschland 51,7 Millionen Einwohner. Darunter waren Erwerbstätige, d. h. einen Beruf Ausübende: 22,1 Millionen, und nicht erwerbende Ehefrauen, Kinder und sonstige Angehörige: 27,5 Millionen. Wenn die Rentner, Pensionäre, Unterstützte, Gefangene mit zusammen: 2,1 Millionen hier außer Rechnung bleiben, so ist das Verhältnis der Erwerbstätigen zu den nicht erwerbenden Angehörigen 22,1 : 27,5 oder fast genau 4 : 5.
Von den Erwerbstätigen sind in der Statistik als Selbständige bezeichnet: 5,9 Millionen, als Angestellte und Arbeiter: 14,6 Millionen und als Dienstboten: 1,6 Millionen. Die Zahl der Abhängigen ist daher: 16,2 Millionen und auf diese entfallen Angehörige: 20,3 Millionen, so daß: 36,5 Millionen Einwohner = 70% der Bevölkerung von Gehalt, Lohn, Salär direkt abhängen, wobei Zivil- und Militärbeamte und freie Berufsarten nicht mitgerechnet sind.
Von der heutigen Einwohnerzahl Deutschlands von ca. 59 Millionen sind demnach ca. 42 Millionen direkt abhängig.
Unter die sogenannten Selbständigen“ ist aber eine große Anzahl von nur scheinbar Selbständigen gerechnet; es gehören vor allem hiezu diejenigen, welche im eigenen Hause oder für eigene Rechnung arbeiten, aber doch nur als Arbeiter oder Angestellte von Großbetrieben gelten können, wie sehr viele Schneider, Konfektionäre, Verfertiger von Spielwaren, Näherinnen, Strickerinnen, Hausweber und überhaupt Hausindustrielle aller Art, dann auch Handelsreisende und Vermittler; ferner gehören hierher gewisse selbständige Gewerbetreibende, welche doch durchaus abhängig sind, z. B. Zugeherinnen, Hausierer, Dienstmänner, Stellmacher, Lootsen, Scherenschleifer, um nur einige zu nennen; endlich befinden sich unter den sogenannten Selbständigen“ der Reichsstatistik solche, welche es tatsächlich sind, von denen aber die Statistik selbst sagt, [72] daß sie nur mühselig existieren“; hierzu gehören in erster Linie die ganz kleinen Landwirte, Krämer, Wirtschaftsbesitzer, kleinste Gewerbetreibende aller Art, deren Lage viel ungünstiger, unsicherer und abhängiger ist, als die der meisten Angestellten und Arbeiter, welche direkt von ihrem Salär abhängen, aber dieses wenigstens sicher beziehen. Man kann diese Kategorie als die indirekt Abhängigen“ bezeichnen.
Eine Zusammenstellung aller hier in Betracht kommenden, aus den ca. 6 Millionen Selbständigen der Reichsstatistik, ergibt, sehr mäßig geschätzt, 21/2 bis 3 Millionen; rechnet man hierzu ihre Angehörigen, so ist auf die heutige Einwohnerzahl umgerechnet, die Gesamtzahl der indirekt Abhängigen 7-8 Millionen, welche zu obigen 42 Millionen direkt Abhängigen“ hinzuzuzählen sind, so daß die Gesamtzahl der Abhängigen“ überhaupt auf rund 50 Millionen, also mehr wie 80% der Bevölkerung, angegeben werden kann.
Sieht man von den Bezeichnungen der offiziellen Statistik ab und nennt, wie das den laufenden Anschauungen und namentlich der Wirklichkeit mehr entspricht, abhängig alle diejenigen, welche nur sehr beschränkte Mittel besitzen und sich ihre Lebensbedürfnisse nur teilweise oder notdürftig beschaffen können, so ist die Zahl der Abhängigen“ in diesem Sinne noch weit größer.
Nach der preußischen Einkommensteuerstatistik pro 1900/01 sind 65,25% der Bevölkerung überhaupt steuerfrei, weil die betreffenden Familienhäupter Einkommen unter 900 Mark jährlich haben oder wegen zu großer Kinderzahl u. dgl., mit einem Wort wegen Armut. Für weitere 31,97% der Bevölkerung sind die Familienhäupter mit Einkommen von 900 bis 3000 Mark zensiert, so daß nur 2,78% der Bevölkerung auf Zensiten mit mehr als 3000 Mark Einkommen entfallen.
Da nach der Statistik auf einen Zensiten durchschnittlich 2,25 Angehörige treffen, so haben über 65% der Bevölkerung Einkommen unter 900 Mark für 3,25 Personen, also höchstens 75 Pfennig pro Person und Tag im Maximum, im Durchschnitt kaum 50 Pfennig; und 32% haben zwischen 900 und 3000 Mark, also höchstens 2,53 Mark pro Tag und Kopf, im Durchschnitt kaum 1,50 Mark.
In diesem Sinne darf man wohl 97% der Bevölkerung als abhängig bezeichnen; gegen ca. 80% in der vorigen Betrachtungsweise; denn so wie in Preußen, wird es ja durchschnittlich auch für das Deutsche Reich sein.
Wenn auch die noch verbleibenden 3% der Bevölkerung näher zergliedert werden, so trifft über die Hälfte, nämlich 1,7%, auf Zensiten mit Einkommen von 3-6000 Mark, also durchschnittlich 4-4500 Mark. Und es bleiben zuletzt nur 1,3% der Bevölkerung, deren Familienhäupter Einkommen über 6000 Mark haben, bei denen man also eine Selbständigkeit und Unabhängigkeit in allen Lagen des Lebens im weiteren Sinne annehmen kann. [73]
Der jährliche Durchschnittsverdienst des deutschen Arbeiters wird nach der Statistik der Berufsgenossenschaften zu 732 Mark angenommen, das entspricht genau 2 Mark pro Tag. In einzelnen Berufen ist der Durchschnittsverdienst geringer, in andern höher, im Bergbau z. B. 1107 Mark im Jahre 1900.
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Die Vermögensverhältnisse in andern Ländern sind denen Deutschlands nicht unähnlich; eine Statistik der Vereinigten Staaten anfangs der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts gibt folgende Einteilung:
Bezeichnung |
Anteil an der Bevölkerung
%
|
Anteil am Nationalvermögen % |
Reiche |
1,4
|
70 |
Mittlere |
8,6
|
12 |
Arme und Ärmste |
90
|
18 |
Die als Ärmste bezeichneten sind gänzlich besitzlos und bilden 50% der Bevölkerung. Heute, anfangs unseres Jahrhunderts, ist der Anteil der Armen am Nationalvermögen wesentlich geringer; infolge der enormen Geldansammlung in einzelnen Händen wird heute ca. 1% der Gesamtbevölkerung im Besitze von 80 bis 85% des nationalen Vermögens sein.
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