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Kapitel 6.
Beweis der praktischen Durchführbarkeit des Solidarismus.
Brüder! Ihr habt gesehen, daß der Solidarismus eine sechsfache Aufgabe hat:
1. Die gesicherte und geordnete Produktion der Lebensbedürfnisse seiner Brüder;
2. die gerechte und günstigste Verteilung der Arbeitsprodukte unter seine Brüder nach deren Bedarf;
3. die Befriedigung aller sonstigen berechtigten sozialen Bedürfnisse der Brüder von ihrer Geburt an bis zum Tode und in allen Lebenslagen;
4. die schiedsmännische und kostenlose Selbstentscheidung seiner eigenen Angelegenheiten;
5. die nutzbringende Anlage der Ersparnisse der Brüder;
6. die Aufbringung der finanziellen Mittel für seine Tätigkeit.
Laßt uns untersuchen, ob die Wechselwirkung zwischen Volkskasse und Bienenstock diese Aufgaben praktisch löst.
Die Produktion.
Daß die Produktion in den Bienenstöcken mindestens ebensogut vor sich gehen wird wie etwa in der heute gebräuchlichsten Betriebsform, der Aktiengesellschaft, bedarf keines Beweises; beide sind mit fremdem Kapital errichtet, beide haben außer ihren laufenden Geschäftsspesen dieses Kapital zu amortisieren und zu verzinsen; während aber die Aktiengesellschaft der Arbeit eine gewisse übliche Normalentlohnung anweist und ihre Erträgnisse darüber hinaus an die Aktionäre, also an das Kapital abgibt, weist im Gegenteil der Bienenstock dem Kapital eine gewisse übliche Normalentlohnung an und verteilt die Erträgnisse [27] darüber hinaus als Einkommen an seine Bienen, also an die Arbeitenden selbst.
Dieser Unterschied beider Betriebsarten ist der Grund, weshalb der Bienenstock weit bessere Resultate erzielen muß.
Ihr werdet im Bienenstock nach der Höhe eurer Leistung entlohnt; schon das Normaleinkommen wird nach dieser Leistung, nach dem Verdienste für die Gesamtheit bemessen, und diesem proportional sind alle eure Bezüge: die Ergänzungseinkommen, die Krankenzuschüsse, die Altersanteile, die Bezüge der Hinterbliebenen; bei dieser Aussicht auf höchste Entlohnung für höchste Leistung wird jeder von selbst das Streben haben, das höchste wirklich zu leisten; das Fehlen aller materiellen Sorgen für euch und die eurigen infolge der sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke, gestattet euch, euch ganz dem Drange eurer Talente hinzugeben, eure Fähigkeiten tatsächlich zur Höchstleistung zu entwickeln, euer Können und Wollen freischaffend aufs höchste anzuspannen. Und da ein jeder von euch Mitbesitzer des Erträgnisses ist, wird er dafür sorgen, daß die höchste Leistung mit geringstem Aufwande erfolge; wird nicht von selbst ein jeder auf peinlichste Sparsamkeit des Betriebes, Vermeidung jeder überflüssigen Ausgabe, Schonung der Maschinen und Werkzeuge, sehen, wie wenn sie sein eigen wären; wird nicht ein jeder von euch ein scharfes Auge für alle Vorgänge haben, die das Ergebnis des Betriebs nachteilig oder vorteilhaft beeinflussen können, dem Vorstandsausschuß darüber berichten und auf diese Weise selbst zur guten Verwaltung beitragen; wird nicht ein jeder von euch dafür sorgen, daß keine untüchtigen, unfleißigen, unnützen Bienen aufgenommen werden, und werden nicht allein schon durch diese Auswahl die Mitglieder eures Bienenstocks aus den Besten und Leistungsfähigsten bestehen? Daß also eure Arbeit besser, euer Betrieb billiger wird, ist zweifellos.
Bleibt die Frage der Verwaltung, der Disziplin. Es wurden schon vereinzelte Versuche unternommen, die sämtlichen Mitarbeiter eines Betriebs zu gemeinsamen Besitzern derselben zu machen und die Mitglieder der Verwaltung durch Wahl aus deren Mitte hervorgehen zu lassen; diese Versuche mißglückten häufig, und es wurde daraus der Schluß gezogen, daß diese Methode unmöglich sei. 1)
Im Bienenstock jedoch sind die Verhältnisse andere; der Bienenstock ist nicht Eigentum der in demselben Beschäftigten; diese haben nur die volle Nutznießung des Erträgnisses; Eigentümer ist die Volkskasse, d. h. die Gesamtheit der Brüder, und diese ernennt den Vorstand, genau wie der Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft deren Vorstand ernennt. Dieser von der Wahl unabhängige Vorstand vertritt die Stabilität der Verwaltung und wird darin unterstützt mit Rat und Tat durch den Delegierten der Volkskasse. Dieser Vorstand wird aber unterstützt durch eine Anzahl aus der Wahl hervorgegangener Angehöriger des Bienenstocks, welche durch die Spezialkenntnisse ihrer verschiedenen Beschäftigungszweige eine sachgemäßere, eingehendere Verwaltung verbürgen, als sie je durch den Vorstand allein, ohne diese praktische Unterstützung
[28] möglich wäre; gerade die Heranziehung aller Spezialtalente in die Verwaltung verbürgt ein tiefes, genaues Eingehen auf alle Vorgänge und eine alle Möglichkeiten und Nützlichkeiten erfassende Verwaltung. Eine solche Verwaltung erreicht in bezug auf höchste Leistung und geringsten Aufwand das beste; sie bedeutet an sich allein schon eine sehr wesentliche Herabsetzung der Kosten, da sie die heute üblichen, oft erstaunlich hohen Verwaltungs- und Direktionsausgaben und, hiermit zusammenhängend, eine Menge überflüssiger Spesen beseitigt.
Euer eigenstes Interesse wird euch veranlassen, einerseits nur die Tüchtigsten und Besten zu den Ehrenämtern des Vorstandsausschusses zu ernennen, anderseits aber den Anordnungen eurer selbst gewählten Leiter zu folgen, euch den selbstgemachten Gesetzen zu fügen und euren freiwillig und frei eingegangenen Arbeitsvertrag in Treue zu halten; ihr arbeitet ja nicht im Interesse irgend eines Dritten, sondern für euch selbst.
Die Gegenseitigkeitsorganisation der Bienenstöcke gewährleistet auch unter allen Umständen eine wesentliche Herabsetzung der Generalunkosten, sowohl für die Einkäufe der Materialien als für den Verkauf der Produkte, welche ja von vornherein ihre festen Lieferanten bzw. Abnehmer in den andern Bienenstöcken haben, ohne daß die enormen Spesen, welche heute infolge des Konkurrenzkampfes erforderlich sind, aufzuwenden wären.
Aber, könntet ihr einwenden, hat denn nicht die Verpflichtung der Bienenstöcke, zu Bienenpreisen an die Brüder und Bienenstöcke zu liefern, und die Unmöglichkeit, höhere Preise zu verlangen, geringere Einnahmen im Gefolge, welche unter Umständen den Bestand des Bienenstocks gefährden könnten? Das ist nicht der Fall, denn der wirkliche Produzent erhält auch heute nur Fabrikpreise für seine Waren; er hat von den etwaigen späteren höheren Verkaufspreisen auch heute keinen Nutzen. Daß die Brüder und Bienenstöcke billiger zu ihren Waren kommen, liegt nicht daran, daß der produzierende Bienenstock weniger erhält, sondern lediglich an der direkten Lieferung jedes Bienenstocks an die andern, also an der praktischen, unnütze Kosten ersparenden Warenverteilung. Der Bienenpreis selbst wird, wenigstens in den ersten Zeiten des Solidarismus, sich nur wenig von dem unterscheiden, was heute Fabrikpreis genannt wird.
Das Ergebnis der Bienenstockorganisation für die Produktion ist daher: bessere Arbeit, billigerer Betrieb; bessere, präzisere, mit weniger Unkosten verknüpfte Verwaltung; festere Disziplin, unbedingte Vertragstreue, billigerer Bezug der Materialien, bessere Preise für die Arbeitsprodukte.
Die Warenverteilung.
Ist die Verteilung der Produkte in der durch den Solidarismus vorgeschriebenen Weise praktisch möglich?
Im Bienenstock vereinigen sich täglich zum Zwecke ihrer Arbeit sämtliche Bienen desselben, seien das nun einige Hundert oder einige Tausend; ist es da nicht selbstverständlich, ihnen an diesem Orte oder in dessen Nähe alle Produkte zu bieten, welche sie zu ihrem Lebensunterhalte brauchen; wozu sie oder ihre Angehörigen zwingen, Zeit und Kraft zu [29] vergeuden, um diese Waren irgendwo an zahlreichen entfernten und zerstreuten Orten zu suchen? Viele größere heutige Werke haben dies längst erkannt und Warenhäuser für ihre Angestellten geschaffen; man muß sich nur wundern, daß es nicht schon allgemein geschieht, da das Bedürfnis dazu schon längst tief empfunden wird.
Wie für die Produktion, so ist auch für den Konsum die große Masse der kleinen Leute maßgebend. Der Konsum der Massen, d. h. aller Einkommen unter 3000 Mark, also derer, die wir als direkt und indirekt abhängig bezeichnet haben, ist sechsmal so groß als der der vorhandenen Reichen zusammen; dieser Massenkonsum ist der ausschlaggebende Faktor für eine Volkswirtschaft, also der Konsum derjenigen, welche die eigentliche Arbeit der Produktion vollbringen; es beweist das die an sich beinahe selbstverständliche Tatsache, daß diejenigen, welche produzieren, ihre Produktion größtenteils selbst aufzehren, und daß es allein rationell ist, das Konsumzentrum dahin zu verlegen, wo es gebraucht wird, d. h. in das Produktionszentrum.
Denkt euch in einem Dorfe eine Anzahl Leute beisammen wohnen, wovon der eine Schneider, der andere Schuhmacher, andere Bäcker, Metzger, Landwirte usw. sind, derart, daß alle zusammen ungefähr die wesentlichsten Lebensbedürfnisse herstellen; diese Leute tragen ihre Waren sämtlich erst in die entfernte Stadt, belasten dieselben zu diesem Zweck mit allerlei Spesen, bedienen sich kostspieliger Vermittler, und die Nachbarn gehen ebenfalls in diese Stadt, vergeuden Zeit, Mühe, Kraft und Geld, um schließlich mit einem Gegenstand heimzukommen, den sie mühelos, unbelastet mit all den Kosten beim Nachbarn hätten holen können.
Das ist aber in einem einfachen Bilde genau das, was heute die Volkswirtschaft tut und was die solidaristische Organisation vermeidet; diese stellt dem Produzenten am Orte seiner Arbeit seine Lebensbedürfnisse zur Verfügung; die obligatorische direkte Lieferung des einen Bienenstocks an alle andern gewährleistet den billigsten Preis für den produzierenden Bienenstock. Ihr gebt des Morgens bei der Ankunft im Bienenstock einen Zettel ab mit der Aufzählung der gewünschten Waren und könnt dieselben mittags oder abends vom Verteilungslager mitnehmen ohne Mühe, ohne dem Abwiegen, Abmessen, Verpacken beiwohnen zu müssen. Für diejenigen Waren, welche nicht sofort abgeliefert werden müssen, wie Stoffe, Geräte, Möbel etc, wird nach Musterlager bestellt, die Lieferung dagegen vom produzierenden Bienenstock direkt bewerkstelligt; hier entfällt sogar das Halten des Lagers, so daß noch billigere Preise möglich sind als beim Kauf ab Lager, ohne daß der Produzent dabei Einbuße erleidet.
Glaubt nicht, daß der Betrieb solcher Verteilungslager zu umfangreich, zu umständlich oder nicht durchführbar sei; die Beispiele der heute in allen Ländern existierenden großen Warenhäuser sowohl von Privat-Unternehmern 2) als von größeren Fabriken, als von Offiziers-, Beamten- und Arbeiterkonsumgenossenschaften beweisen das Gegenteil; neu ist die [30] Sache nicht, der Solidarismus folgt hier nur gegebenen Beispielen, aber in einem andern Sinne, im Sinne des Gesamtwohles allein, und in sehr vereinfachter Form. Einfacher ist die Verproviantierung des Tauschlagers, weil sie sich durch die Gegenseitigkeitsverpflichtungen der Bienenstöcke automatisch vollzieht; einfacher ist die Warenausgabe, weil für den größten Teil der Käufer die Notwendigkeit der persönlichen Anwesenheit dabei wegfällt und der Verkehr in den Räumen dadurch verringert wird; besonders einfach wird das Liefern nach Musterlager, welches nur im Solidarismus durchführbar ist, wo die Gegenseitigkeit Bürgschaft dafür gibt, daß die gelieferte Ware genau nach Muster ausfällt; einfacher ist auch der Betrieb der Bienenstocklager, weil jeder Bruder auf Grund seines Brüderscheins die Ware ohne weiteres zum Bienenpreis erhält; er sieht sofort seine Ersparnis, braucht nicht ein Jahr auf deren Rückzahlung zu warten, hat kein Buch zu führen, keine Marken und Scheine aufzubewahren. Mit wunderbarer Selbstverständlichkeit arbeitet das einfache Räderwerk; geringerer Aufwand zur Verteilung der Waren an die Konsumenten ist nicht mehr denkbar!
Die sozialen Einrichtungen.
Es ist der Einwand zu erwarten, daß ein industrielles Unternehmen sich nicht mit all den Nebenbetrieben belasten kann, welche die obligatorischen sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke mit sich bringen, daß keine Verwaltung so verschiedenartige Tätigkeiten wird beherrschen können, daß durch die Nebenbetriebe der Hauptbetrieb leiden wird usw.
Auch hier ist der Solidarismus in der glücklichen Lage, nichts Neues und Ungewohntes zu verlangen, sondern auf geradezu glänzende Vorbilder hinweisen zu können.
Es ist euch ja bekannt, daß in der heutigen Industrie in bezug auf Wohlfahrtseinrichtungen in einzelnen Etablissements Großartiges geleistet ist; allbekannte Beispiele sind die Fabriken von Friedrich Krupp in Essen, die Farbenfabriken vorm. Friedrich Bayer & Ko. in Elberfeld, die Badische Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen etc., in welchen sämtliche Einrichtungen der Bienenstöcke schon vorhanden sind; es bestehen dort Krankenkassen mit einer großen Anzahl ausschließlich in deren Diensten stehenden Ärzten, mit unentgeltlicher Behandlung der Familienmitglieder der Arbeiter; ferner prachtvoll ausgestattete Polikliniken auf den Fabrikgrundstücken, Konsumanstalten mit Rückvergütung von 9% der Einkaufssumme an die Mitglieder, Arbeiterspeiseanstalten, Aufenthalts- und Baderäume, Junggesellenheime, Haushaltungsschulen, Lehrlingswerkstätten, Bibliotheken, Orchester- und Gesangvereine, Beamtenkasinos; ferner Arbeiterwohnungen, Sparkassen mit 5%iger Verzinsung der Einlagen, verschiedene Pensionskassen und Stiftungen, Dienstaltersprämien und Unterstützungsfonds für Fälle der Not. Viele dieser Anstalten werden von den Beamten und Arbeitern selbst verwaltet.
Derartige Werke kann man nach Dutzenden aufzählen; die oben mit Namen angeführten sind beliebig herausgegriffen; in keinem derselben stört die Verwaltung der Wohlfahrtseinrichtungen den Hauptzweck des [31] Betriebes, ja im Gegenteil, bei allen kann man trotz der Ausgaben für dieselben die glänzendste Prosperität nachweisen, die in denselben erzielten Gewinne sind oft erstaunlich hoch; ja, es darf wohl allgemein ausgesprochen werden, daß gerade diejenigen Unternehmungen, welche derartige Wohlfahrtseinrichtungen haben, die größten, reichsten und gewinnbringendsten sind. Das ist nicht etwa ein Zufall, sondern beweist direkt, daß diese Einrichtungen die Prosperität der betreffenden Unternehmungen erhöhen; ja, es erscheint heute beinahe unmöglich, daß ein großindustrielles Werk ohne diese Einrichtungen überhaupt auf die Dauer gedeihen kann; dieselben sind aus der Notwendigkeit heraus entstanden; ohne eigene Wohnungen für Arbeiter, Meister und Beamte ist die Beschaffung des Personals ausgeschlossen, ohne eigene Konsumanstalten die Versorgung desselben einfach nicht möglich, und auch alle andern Einrichtungen haben ihren Ursprung in der Beseitigung von Mißständen, welche die Entwicklung der Werke hemmen, oder den Betrieb unmöglich machen würden.
Also aus eigenem Interesse, aus Notwendigkeit, entstanden die Wohlfahrtseinrichtungen; nur diejenigen Werke, welche sie in vollem Umfange haben, stehen selbständig und unabhängig da und gelangen zu solcher Entwicklung und Größe wie die angeführten Beispiele; die andern, welche sie noch nicht in vollem Umfange besitzen, haben sie wenigstens teilweise oder legen dieselben nach und nach an. Diejenigen Anstalten, welche sie nicht haben, sind die kleineren und weniger blühenden. Es darf als Erfahrungssatz ausgesprochen werden, daß die Größe und Blüte eines Werkes und insbesondere seine Selbständigkeit und Unabhängigkeit direkt mit der Größe und Blüte seiner Wohlfahrtseinrichtungen in Zusammenhang steht. Scheinbare Ausnahmen hiervon machen bloß die Werke in größeren Städten oder deren Nähe, welche ihre Lage für ihre Zwecke ausnützen, dafür aber die Stadt mit materiellen, sittlichen und moralischen Schäden überfluten.
Auch hier verallgemeinert also der Solidarismus nur eine Richtung, welche die Industrie selbst in ihrem eigenen Interesse als notwendig erkannt hat; er macht sich deren Erfahrungen zunutze, indem er die Gesamtheit der Wohlfahrtseinrichtungen zu obligatorischen Zusätzen jedes Bienenstockes macht; indem er das tut, nimmt er ihnen den Charakter des bloßen Wohlwollens, der Wohltat, der Gnade, und macht sie zu einfachen Rechten der arbeitenden Bienen, da sie doch aus dem Erlös ihrer Arbeit bezahlt werden. Deshalb nennt sie der Solidarismus auch soziale Einrichtungen und nicht mehr Wohlfahrtseinrichtungen, weil diesen Worten noch allgemein der Charakter der freiwilligen Gabe, der Wohltat, oft der Gnade anhaftet.
Ein anderer Einwand gegen die sozialen Einrichtungen der Bienenstöcke liegt in deren Kosten; auf diesen Punkt gibt die Besprechung der finanziellen Grundlagen des Solidarismus befriedigende Antwort.
Die schiedsmännische Selbstentscheidung.
Einer der Leitsätze des Solidarismus lautet, daß innerhalb seiner Organisation kein Bruder das Recht hat über einen andern [32] Bruder zu richten, daß unter den Brüdern kein Strafrecht besteht. Die natürliche Folge hiervon ist, daß alle Streitfälle des Solidarismus, d. h. in Angelegenheiten der Volkskasse und der Bienenstöcke, nicht durch Richter und Richterspruch, sondern durch Schiedsmänner und Schiedsspruch und zwar kostenlos zu entscheiden sind, und daß die Anerkennung des Schiedsspruches Pflicht aller Brüder ist.
Ebenso wichtig aber ist die solidaristische Vorschrift, daß jeder Streitfall, welcher Art er auch sei, zuerst dem Vermittlungsversuch unterliegt, und zwar stets durch Personen, welche den Streitenden nahe stehen. Durch das für die Parteien maßgebende Urteil von Standes- und Fachgenossen wird der weitaus größte Teil der Streitfälle überhaupt durch Vermittlung erledigt und nicht bis zum Schiedsspruch gebracht.
Kommt es aber in einzelnen Fällen doch dazu, so urteilen die Schiedsmänner nicht mechanisch nach starren, geschriebenen Buchstabengesetzen, sondern nach der wirklichen lebendigen Sachlage von Angesicht zu Angesicht, von Mensch zu Mensch, und als solche Menschen, die täglich Umgang mit euch haben, die gleiche Arbeit verrichten wie ihr und alle Verhältnisse des Falles miterleben; sie werden durch keine Bezahlung in ihrem Urteil beeinflußt, sondern haben im Gegenteil ein persönliches und materielles Interesse an der Verkürzung und Vereinfachung der Prozedur. Die Schiedsmänner sind Menschen, die sich selbst zur Brüderlichkeit verpflichtet haben und welche stets unter sich einen Vertreter der Gesamtheit, den Delegierten, haben, dessen Aufgabe es ist, nicht mitzuentscheiden, sondern die Schiedsmänner immer wieder an ihr Gelöbnis der Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit zu erinnern und daran, daß der Schiedsspruch nur Recht und Unrecht begründen, aber keine Strafe verfügen, keine erworbenen Rechte entziehen darf. Der Erfolg ist nicht starres Recht, sondern menschliche Gerechtigkeit.
Und was ist die Sanktion dieser Schiedssprüche werdet ihr fragen? Was nützt ein Schiedsspruch, dessen Ausführung nicht gewährleistet ist, da kein Strafrecht die Ausführung desselben sichert?
Nun, wenn einer von euch nach Ablehnung aller Vermittlungsversuche im Schiedsspruche unterliegt und sich demselben nicht fügt, so verletzt er eine seiner Brüderpflichten und tritt damit selbst aus der Gemeinschaft der Brüder aus; die Folge ist, daß er seine Einkäufe nicht mehr in den Lagern der Bienenstöcke machen kann, daß er die sozialen Einrichtungen derselben, Schulen, Krankenhäuser, Ärzte, hygienische Einrichtungen nicht mehr benutzen kann, daß er aus dem Bienenstock austreten muß, da nur Bienen im Bienenstock beschäftigt sein dürfen. Er wird sich sicherlich diese bitteren Konsequenzen seines Tuns überlegen, ehe er zu weit geht, im allgemeinen schon, ehe er es zum Schiedsspruch kommen läßt.
Warum soll eine solche Behandlung der Differenzen und Streitfälle nicht möglich sein? Ist sie nicht einfacher, natürlicher, selbstverständlicher als das Bestrafen nach einer unübersehbaren Zahl dehnbarer Gesetze und starrer Paragraphen? [33]
Heute schon ist überall die Erkenntnis rege, daß hierin Wandel geschaffen werden muß; es lassen sich Beispiele genug anführen, in welchen wenigstens versucht ist, nach ähnlichen Grundsätzen wie im Solidarismus zu urteilen! Heute schon sind in verschiedenen Staaten für gewisse Streitigkeiten Sühneversuche vor Schiedsmännern oder Schiedssprüche durch Friedensrichter vorgeschrieben; im geschäftlichen Leben sind Vergleiche unter Ausschluß der Gerichte ungemein häufig; viele Genossenschaften haben schon ihre schiedsrichterlichen Ausschüsse. Den Einigungsämtern ist die Regelung der Arbeitsverhältnisse, die Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die Entscheidung über Lohnhöhe, Fabrikordnungen etc. übertragen, wobei die Parteien freiwillig diese Entscheidung aufsuchen und die Richter ebenfalls aus Arbeitnehmern und Arbeitgebern bestehen, welche frei gewählt werden; auch die Schiedsgerichte der Unfallversicherung bestehen zu gleichen Teilen aus Mitgliedern der Genossenschaft und Vertretern der versicherten Arbeiter; auch die Gewerbegerichte bestehen aus gewählten Arbeitgebern und Arbeitnehmern und haben ähnliche Aufgaben, darunter die, zuerst einen Vergleich anzustreben. Sind nicht in neuerer Zeit die Schiedssprüche bei Streiks und Lohnkämpfen häufig geworden? Haben wir nicht in den Schöffengerichten und Schwurgerichten das Bestreben, die Starrheit und Unmenschlichkeit des Buchstabengesetzes zu ersetzen oder zu mildern durch rein menschliche Erwägungen?
Um noch höher zu gehen, wurden nicht schon Streitfälle zwischen Einzelstaaten in den Vereinigten Staaten, in der Schweiz, in Deutschland etc. durch Schiedssprüche einer gemeinsamen Instanz beigelegt? Sind nicht schon manche internationale Streitigkeiten auf diesem Wege geschlichtet worden, und ist es nicht das Bestreben unserer Zeit, diese Lösung allgemeiner zu machen? Auch hier verlangt der Solidarismus nichts Neues, Unmögliches; auch hier verdichtet er bloß ein allgemeines Streben, eine Sehnsucht unserer Zeit, indem er große, einheitliche Gesichtspunkte aufstellt und geordnet auf alle einschlägigen Verhältnisse anwendet; damit faßt er das unlösbare Gewirr der Einzelbestrebungen in ein einziges, leicht durchführbares Gesetz für seine Brüder zusammen: die Pflicht der Selbstentscheidung aller Streitfragen, die Kostenlosigkeit aller Schiedssprüche und die Beseitigung aller Strafe.
Und ist es denn nicht auch moralisch, sittlich und menschlich ein hoher Standpunkt, dem, der seine Pflicht verletzt, zu sagen: du willst die Pflicht, welche dir das gemeinsame Leben mit deinen Brüdern auferlegt, nicht erfüllen, gut, so gehe deine eigenen Wege; wir ziehen dich dafür nicht zur Verantwortung, wir strafen dich nicht, wir wollen dich dann aber nicht in unserer Brüdergemeinde haben; dir allein bist du verantwortlich für deine Handlungen; findest du aber eines Tags, daß es für dich besser ist, in unserer Gemeinschaft zu leben, so sei alles vergessen, mit Freuden nehmen wir dich wieder auf, nichts von deinen früher erworbenen Rechten ist verloren, wo du aufgehört hast, kannst du wieder anknüpfen; erfülle die frei übernommenen Pflichten, und du bist wieder unser Bruder wie zuvor. Werden wir auf diesem Wege nicht weiter kommen als durch Strafen, Einsperren, Ausstoßen auf immer aus der Gesellschaft? Glaubt [34] mir, Brüder, in einer solidaristischen Gemeinschaft wird der geborene Verbrechertypus“ bald verschwunden sein, da die Verhältnisse, die ihn dazu machen, beseitigt sind. Im Solidarismus spürt ein jeder an sich selbst, ohne Richter, die Folgen seines Tuns.
Die Anlage der Ersparnisse.
Der Volksvertrag bestimmt, daß die Volkskasse die Gelder und Ersparnisse der Brüder, soweit ihr dieselben anvertraut werden, in einem besonderen Sparkassenfonds verwaltet und denselben den vollen, sich daraus ergebenden Zinsertrag – selbstverständlich abzüglich Verwaltungsspesen – auszahlt.
Warum solltet ihr eure Ersparnisse der Volkskasse nicht anvertrauen, sind dieselben etwa dort weniger sicher oder weniger gut angelegt als bei den gebräuchlichen heutigen öffentlichen Sparkassen, deren wichtigster Typus die städtischen Sparkassen sind?
Die Sparkassen der Volkskasse werden geleitet wie Bienenstöcke, d. h. durch Vorstände, welche direkt von der Volkskasse ernannt werden und denen ein Vorstandsausschuß beigegeben ist, welcher aus allen Kategorien der Angestellten durch diese selbst gewählt wird; Delegierte der Volkskasse haben die Pflicht der Einsicht in alle Geschäftsbetriebe, Bücher und Akten. Dieser an sich schon alle Sicherheit bietende Apparat steht unter der Oberverwaltung des Volksrats, also der besten, erprobtesten, bewährtesten Brüder aus dem ganzen Lande, die durch direkte Wahl von der Gesamtheit der Brüder zu diesen höchsten Ehrenstellen des Solidarismus berufen sind; der Volksrat gibt alljährlich öffentlich genauen Rechenschaftsbericht, welcher seinerseits wieder von einer Regierungskommission geprüft und anerkannt wird. Kann eine Verwaltung überhaupt größere Sicherheiten bieten als diese; werden nicht heute ungeheure Vermögen Instituten anvertraut, welche weder in sich noch durch die Organisation ihrer Verwaltung so weitgehende Gewähr bieten wie die Volkskasse? Warum sollte eine von den Einlegern selbst gegründete und verwaltete große allgemeine einheitliche Sparkasse schlechter oder unsicherer arbeiten als die Hunderte von zerstreuten, unzusammenhängenden Privat-, Post-, Stadt- und anderen Sparkassen? Bietet doch die Bienenstockorganisation an sich die meisten Garantien für die Pflichterfüllung der Bienen, weil jede Pflichtverletzung für diese sofort die Einziehung des Bienenscheins mit Aufhebung aller Bienenrechte zur Folge hat, dagegen die Pflichterfüllung die sichere und vollständige Versorgung der Biene und ihrer Angehörigen in allen Lebenslagen und bis zum Lebensende bedeutet. Wird unter diesen Umständen die Untreue nicht verschwinden oder äußerst selten werden?
Auch ist die Volkskasse durch ihre, das ganze Volk und Land umspannende Organisation, durch ihre direkten Beziehungen zu allen Erwerbszweigen, durch die zahllosen, über das Land verteilten Delegierten und Bienenstöcke, welche ihr sämtlich als Filialen dienen, wie kein anderes Institut in der Lage, die beste, sicherste, fruchtbringendste Anlage der ihr anvertrauten Kapitalien durchzuführen. [35]
Ist nicht heute schon eine große Tendenz bemerkbar, die kleineren Ersparnisse den verschiedensten Genossenschaften anzuvertrauen, wo sie genossenschaftlich durch Vertrauensmänner verwaltet werden und tatsächlich mehr Zinsen bringen als in den öffentlichen Sparkassen; und werden diese Ersparnisse nicht heute schon in gewaltigen Summen, welche in Deutschland jährlich nach Milliarden zählen, in der Form von Kredit mit oder ohne Bürgschaft für die verschiedensten privaten und genossenschaftlichen Unternehmungen angelegt?
Es kann euch also nicht zweifelhaft sein, daß die Geldanlagen der Volkskasse in bezug auf Qualität und Sicherheit keiner der Anlagen nachstehen, denen ihr heute unbeschränkt vertraut. Ebenso sicher aber ist, daß die Anlage bei der Volkskasse euch höhere Erträgnisse abwirft.
Es ist ja kein Geheimnis, daß z. B. die öffentlichen Sparkassen die Erträgnisse ihrer Anlagen nicht voll an die Sparer auszahlen, sondern beträchtliche Teile davon für allgemeine und öffentliche Zwecke ausgeben und daß tatsächlich in Deutschland Hunderte von Millionen auf diese Weise im Laufe der Jahre den Sparern entzogen werden. Der Zinsbetrag, um welchen die Einleger geschmälert werden, beträgt zwischen 3/4 und 1%. 3)
Die Volkskasse dagegen hat die vertragsmäßige Pflicht, das ganze Erträgnis auszuzahlen; sie darf vertragsmäßig nicht einen Pfennig andern Zwecken zuwenden; da sie zudem als große, einheitliche Verwaltung bedeutend sparsamer arbeitet als die Hunderte von Einzelverwaltungen der heutigen Sparkassen, so ist euch in den Sparkassen der Volkskasse eine Mehrverzinsung von mindestens einem Prozent gesichert.
Die Aufbringung der Mittel für den Solidarismus.
Wenn sonach die verschiedenen Aufgaben, die sich der Solidarismus setzt, praktisch durchführbar erscheinen, so bleibt noch die eine wichtigste Frage, die Aufbringung der Mittel zur Erreichung dieser Ziele, zu beleuchten und zwar sowohl für die Volkskasse als für die Bienenstöcke.
Mittel der Volkskasse.
Es unterliegt keinem Zweifel, daß die große Masse der Abhängigen im heutigen Staatsleben in jeder Beziehung maßgebend ist, daß sie in allen Erscheinungen der Volkswirtschaft das ausschlaggebende Element bildet; sie ist der größte Produzent, der größte Konsument, der größte Steuerzahler und der größte Kapitalist. 4)
Wird nun die große Masse, welche auch für den Solidarismus ausschlaggebend ist, sich bewähren? Wird dieselbe bei ihrem an sich schon karg bemessenen Einkommen sich zu dem erforderlichen Opfer auf dem Altar der Gesamtheit verstehen? Was wird von dem einzelnen verlangt und ist damit überhaupt ein Opfer verbunden? [36]
Brüder, ihr wißt selbst nicht, wie reich ihr seid, über welche gewaltigen Mittel ihr verfügt!
Die Gesamtanlage in euren deutschen Sparkassen beträgt gegenwärtig 12 bis 14 Milliarden Mark oder rund 200 bis 230 Mark auf den Kopf der Bevölkerung. 5) Ihr habt vorhin gesehen, daß diese Gelder in dem Sparkassenfonds der Volkskasse mindestens 1%, also pro Kopf der Bevölkerung 2 bis 21/2 Mark Mehrerträgnis bringen würden. Der Brüderbeitrag zur Volkskasse von 1 Pfennig pro Tag und Kopf, oder 3 Mark 65 Pfennige pro Jahr, wird demnach durch die bloße Benutzung der Volkskasse als Sparkasse schon zu 2/3 gedeckt, d. h. die Hunderte von Millionen, welche heute den kleinen Sparern unbemerkt an Zinsen verloren gehen, würden zur Begründung des Solidarismus beinahe ausreichen.
Das ist recht schön, werdet ihr sagen, aber diese Durchschnittsrechnung von ca. 200 Mark Ersparnis pro Kopf stimmt nicht; unter den Brüdern, welche die Volkskasse erhalten sollen, ist vielleicht die Hälfte oder mehr, die überhaupt nichts erspart haben; wo sollen diese ihren Tagespfennig hernehmen?
Der Einwand ist richtig, die Rechnung für den Durchschnitt ist unanfechtbar, sie stimmt aber nicht für jeden einzelnen.
Nun beträgt der jährliche Bier-, Branntwein- und Tabakkonsum in Deutschland pro Kopf 42 Mark; die Ausgabe pro Familie für diese Dinge beträgt 140 bis 200 Mark. 6) Sollte es wirklich nicht möglich sein, hiervon die Volkskassenbeiträge von 12 Mark pro Familie abzusparen? Die Gesamtausgabe des deutschen Volkes für alkoholische Getränke und Tabak beträgt 31/2 Milliarden Mark im Jahre; eure Beiträge zur Volkskasse sollen ca. 200 Millionen Mark betragen, d. i. der 17. Teil dieser Ausgabe; es würde also genügen, jeden 17. Schluck Branntwein, jede 17. Zigarre, jedes 17. Glas Bier nicht zu nehmen, um den Beitrag zur Volkskasse ganz zu decken; für diejenigen, welche ihren Beitrag schon teilweise aus der besseren Verzinsung ihrer Ersparnisse bei der Volkskasse bestreiten, ist nur jedes 50. Glas Bier, jede 50. oder 60. Zigarre zu sparen, um zu dem gleichen Ergebnis zu kommen. Kann man das Opfer nennen? Ist das unmöglich oder nur schwierig? Nicht ein Aufgeben dieser recht überflüssigen und schädlichen aber euch lieb gewordenen Gewohnheiten, sondern nur eine ganz geringe, in Wirklichkeit nicht fühlbare Einschränkung würde schon zu eurer wirtschaftlichen Erlösung genügen!
Bei dem täglichen Beitrag eines Pfennigs pro Kopf wird bei einer Beteiligung von 50 Millionen Brüdern das eingezahlte Kapital der Volkskasse in 30 Jahren ca. 6 Milliarden Mark betragen, welche in derselben Zeit durch Zinsen, Prämien etc. auf mindestens 12 Milliarden Mark anwachsen; mit diesem Stammkapital könnte die Volkskasse Haftung übernehmen für vielleicht 40 Milliarden Mark Bienenstockkapitalien. Mit dem winzigen Beitrag von 1 Pfennig pro Kopf und Tag kann [37] also in einem einzigen Menschenalter schon ein beträchtlicher Teil der Volkswirtschaft des Vaterlandes solidaristisch sein: nach dem ersten Menschenalter aber wächst diese Wirkung enorm schnell. Wenn diese Rechnung nicht unanfechtbar wäre, würde man nicht fassen, daß der Tagespfennig der Enterbten solche gewaltige Wirkungen in so kurzer Zeit haben kann.
Und die Millionen und Abermillionen von Arbeitstagen und Löhnen die alljährlich Hunderttausende von euch den Streikbewegungen opfern! 7) Zwei solcher entgangenen Taglöhne, bei vielen ein einziger, machen so viel aus wie euer ganzer Jahresbeitrag zur Volkskasse, ohne zu sprechen von der Not und dem Leid, dem Hunger und Kummer für eure Weiber, Greise und Kinder und den zahllosen Tränen, welche jeder Ausstand im Gefolge hat. Wäre es nicht besser, auch diese Summen dem einheitlich großen Zweck des Solidarismus zuzuführen, wo sie mit Sicherheit zum Erfolg führen?
Einen Pfennig pro Tag soll jeder von euch sparen! Wenn ihr eine Sparbüchse haltet und jeden Morgen diesen einzelnen Pfennig in dieselbe einlegt, glaubt ihr wirklich, selbst die Wenigstbemittelten unter euch, daß ihr deshalb wirklich etwas entbehren müßtet? Ihr müßt doch selbst euch sagen: Nein, das ist noch erschwinglich, das können wir und wollen wir. Ihr könnt es um so mehr, als euch, allerdings nicht sofort, aber doch in absehbarer Zeit, in einigen Jahren schon, diese Beiträge durch die viel billigeren Bezüge eurer Lebensmittel aus den Tauschlagern der Bienenstöcke ersetzt werden, wenn ihr erst einige Jahre lang durch eure Beiträge die Errichtung der ersten Bienenstöcke ermöglicht habt; so bald dieses geschehen, werden sich dieselben rasch vermehren, und dann ersteht euch für jede 10 Pfennig, die ihr für eure Lebensmittel im Bienenstock ausgebt, wenigstens 1 Pfennig Ersparnis; euer täglicher Pfennig wird euch 10 und 20fach ersetzt. Habt ihr euch erst einmal überzeugt, daß alles das wahr ist, so habt ihr keinen Grund, keine Entschuldigung mehr, an dem großen Menschheitswerke nicht teilzunehmen.
Neben dem Kapital, welches aus euren Brüderbeiträgen entsteht, welches also der Volkskasse gehört und sich, da es nicht angegriffen wird, immer vermehrt und niemals vermindert, habt ihr heute schon die 12 bis 14 Milliarden eurer Sparkasseneinlagen, die nicht der Gesamtheit gehören, sondern euer persönliches Eigentum sind, die aber, der Volkskasse zur Verwaltung übergeben, dieser einen solchen Kredit und ein solches Ansehen schaffen würden, daß durch diese Tatsache allein die deutsche Volkskasse mit einem Schlage gegründet sein kann.
Ihr wißt, daß die Bienenstöcke mit fremden Kapitalien errichtet werden, welche auf Grund von Schuldscheinen aufgenommen werden, und für deren Kapital und Zinsen von der Volkskasse unbedingt gehaftet [38] wird; ihr wißt ferner, daß der Zinsfuß dieser Anleihe, um das Kapital zu dieser neuen Anlageform heranzuziehen, etwa 1% höher ist als üblich.
Wenn nun, wie ihr vorhin gesehen habt, eure Ersparnisse durch bloßes Anlegen bei der Sparkasse der Volkskasse euch 1% mehr Zinsen tragen als in andern öffentlichen Sparkassen, so werden sie euch ein weiteres Prozent mehr einbringen, wenn ihr nicht bloß die gewöhnliche, einfache Spareinlage macht sondern für euer Geld Schuldscheine von Bienenstöcken erwerbt; tut ihr das, so ist durch diese Form des Sparens euer Volkskassenbeitrag mehr wie gedeckt, ohne von euerm Einkommen irgend eine Abgabe zu erheischen. Ihr riskiert dabei nichts, denn die Volkskasse haftet für euer Kapital sowohl als den Zins ein für allemal; dafür, daß für diese Garantie jederzeit Deckung vorhanden ist, bürgt die Verwaltung durch den Volksrat.
Diese Haftung für Kapital und Zins der Bienenstöcke ist im Grunde eine Versicherung auf Gegenseitigkeit gegen das Risiko ungünstiger Geschäfte, d. h. wenn unter den vorhandenen Bienenstöcken der eine oder andere durch irgendwelche Verhältnisse schlechte Abschlüsse macht, so ersetzt die Gesamtheit die Unterbilanz, gerade wie bei Feuerversicherungen, Lebensversicherungen, Versicherungen gegen Hagel- und Wetterschäden u. dgl. Es ist gewiß, daß bei der Vorsicht, mit welcher die Bienenstöcke errichtet werden, der vorherigen genauen Untersuchung der Bedürfnisfrage, des vorher schon gesicherten Absatzes bei der sorgfältigen Auswahl von nur bewährtem Personal, bei der fortwährenden Beaufsichtigung durch die Organe der Volkskasse, bei dem Lebensinteresse, welches jede einzelne Biene am Gedeihen ihres Bienenstockes hat, daß unter diesen Verhältnissen das Risiko ungünstiger Geschäfte ein geringeres ist als heute und als das Risiko durch Naturereignisse und Feuer.
Auch in dieser Hinsicht gibt die nüchterne Zahl ein besseres Bild als allgemeine Betrachtungen und zugleich vollkommene Beruhigung.
Nehmt an, es seien in Bienenstöcken zunächst einmal als Anfang 200 Millionen Mark angelegt und es sei in der Volkskasse ein Stammfonds in gleichem Betrage zur Deckung der Haftung vorhanden; möge nun, um ganz übertriebene, selbst in Zeiten schlimmster Krisis und bei der heutigen wilden Konkurrenz nicht einmal vorhandene, Verhältnisse anzunehmen, hiervon der 20. Teil zugrunde gehen, d. h. ein Ersatz von 10 Millionen Mark erforderlich sein. Wenn die Volkskasse wirklich 50 Millionen Köpfe zählt, so würde zum Ersatz dieses gewaltigen Schadens auf den Kopf eine Summe von 20 Pfennig treffen; nimmt man aber den Schaden in normalerer Höhe an, mit etwa 2 Millionen Mark, d. h., daß jeder hundertste Bienenstock gänzlich zugrunde geht, so würden auf den Kopf 4 Pfennig und auf die Familie 13 Pfennig treffen! Aber selbst dieser geringe Betrag wird nicht vom einzelnen verlangt, da der Schaden von der Volkskasse bezahlt wird, wo er durch die Zinsen des Stammfonds und die Prämien, welche die Bienenstöcke an die Volkskasse für diese Versicherung zahlen, mehrfach gedeckt ist. [39] Die Zinsen des Stammfonds von 200 Millionen Mark, wie er als Beispiel angenommen wurde, zu 4%, betragen 8 Millionen Mark; die Prämien der Bienenstöcke, zu 1% ihres Kapitals, betragen 2 Millionen Mark; es sind also 10 Millionen Mark oder der 20. Teil des in Bienenstöcken angelegten Kapitals zur Erfüllung der Haftung vorhanden, ohne den Stammfonds anzugreifen. Verluste in solcher Höhe sind aber niemals zu verzeichnen; in normalen Verhältnissen und bei der sorgfältigen Verwaltung der Bienenstöcke wird die Prämie allein für den Ersatz der Verluste genügen. Wenn aber im Laufe der Jahrzehnte der Stammfonds eine ansehnliche Höhe erreicht haben und nach Milliarden zählen wird, ist der zu leistende Schadenersatz neben den zur Verfügung stehenden Mitteln verschwindend klein.
Wenn ihr euch also dazu entschließt, einige Jahre lang einen Pfennig pro Tag und Kopf in die Volkskasse zu legen, und derselben eure Ersparnisse zwecks Anlage derselben anzuvertrauen, so ist der Solidarismus gegründet; ja er ist eigentlich schon vorhanden, denn die dazu erforderlichen Mittel liegen tatsächlich in den öffentlichen Sparkassen schon heute bereit. Die Sparkasse der Volkskasse verwirklicht im vollsten Umfange das Ideal, die Summe aller angesammelten kleinen Kapitalien im Wege des absolut gesicherten Kredits den Sparern selbst zur Benutzung zuzuführen, und auf dem Wege der solidaristischen Organisation deren sämtliche Existenzbedürfnisse voll zu befriedigen. Nennt mir den Kapitalisten, den Ring, den Trust 8) auf der ganzen Welt, der über solch gewaltige Mittel verfügt wie ihr! Was euch fehlt sind nicht die Mittel, sondern nur die Einigkeit und der Wille!
Und was wird aus dem Stammkapital der Volkskasse? Unaufhörlich vergrößert durch den Tagespfennig aller Arbeitenden, immer vermehrt, niemals vermindert, wird es im Laufe weniger Menschenalter zu unermeßlicher Höhe anwachsen; es wird bald weit über den Deckungsbedarf für die Bienenstockanleihen hinauswachsen, namentlich dann, wenn die ältern Bienenstöcke ihre Kapitalien zurückbezahlt haben oder ihren eigenen Kredit genießen.
Dann Brüder, kommt die Zeit, wo ihr diesen unermeßlichen Reichtum, den Reichtum der Gesamtheit, auch anderen allgemeinen, gemeinnützigen Zwecken zuwenden werdet; eure Macht wird dann so groß, daß kein Wunsch unerfüllbar, kein Gedankenflug zu hoch für seine Verwirklichung sein wird! Dann werdet ihr eure Städte verschönern, eure Verkehrsmittel verbessern und vermehren, Werke der Kunst, Forschungen der Wissenschaft und große Erfindungen fördern, euch an den großen internationalen völkerverbindenden Aufgaben und Friedenswerken beteiligen. Möget ihr einsehen, daß diese goldene Zeit um so eher kommt, je allgemeiner und regelmäßiger euer Tagespfennig zur Volkskasse wandert. [40]
Mittel der Bienenstöcke.
Kann euer Bienenstock seinen zahlreichen Vertragsverpflichtungen in bezug auf Einkommen der Bienen, Krankheits- und Unfallszuschüsse, Senioren-, Invaliditäts-, Witwen- und Waisenanteile nachkommen, seine sämtlichen obligatorischen, sozialen Einrichtungen in der vorgeschriebenen Weise erhalten und dabei noch nennenswerte Ergänzungseinkommen für euch erzielen?
Die Antwort auf diese Frage erfolgt wiederum am besten durch nüchterne Zahlen aus bestehenden Verhältnissen.
Im Anhang 9 9) sind die finanziellen Abschlüsse einiger Aktiengesellschaften aus den letztverflossenen Jahren zusammengestellt, und zwar jeweils auf zwei Arten: 1. so, wie dieselben tatsächlich erfolgt sind, und 2. so, wie sie nach dem Arbeitsvertrag der Bienenstöcke zu erfolgen haben. Es sind dabei die Einnahmen und alle Arten von Ausgaben in beiden Fällen gleich angenommen; es ist ferner angenommen, daß die Normaleinkommen der Bienen den heutigen Arbeitslöhnen entsprechen; die Verluste für zweifelhafte Schuldner, die Abschreibungen und Rücklagen sind ebenfalls für beide Rechnungsarten in gleicher Höhe eingesetzt. Dagegen sind im Bienenstockkonto weggelassen alle Tantiemen und Gratifikationen, weil diese durch die Ergänzungseinkommen ersetzt werden, ferner die übrigens meist geringfügigen Zuwendungen zu Unterstützungs- und Pensionsfonds verschiedener Art, weil ja der Bienenstock für alle Bedürfnisse von Rechts wegen sorgt und daher Unterstützungen nicht zu leisten hat. Dafür sind im Bienenstockkonto aufgenommen: die Verzinsung und Rückzahlung seines Kapitals, die Prämie an die Volkskasse für deren Haftungen und die Zuwendungen zum Stipendienfonds; diese verschiedenen Ausgabeposten, welche die Aktiengesellschaften nicht haben, da sie ihr Aktienkapital niemals zurückzahlen, machen meist so große Beträge aus, daß das verteilbare Erträgnis beim Bienenstock fast stets bedeutend kleiner ist, als bei der Aktiengesellschaft; trotzdem entfallen für den Anteilfonds der Volkskasse und Ergänzungseinkommen der Bienen beträchtliche Summen, wie die Schlußzusammenstellung in Anhang 9 ausweist.
Die dort gegebenen Beispiele, welche aus sehr verschiedenen Industrien und verschiedenen Jahren, darunter die Krisisjahre 1900 und 1901, genommen sind, ergeben tatsächlich mittlere Ergänzungseinkommen zwischen 10 und 40% des durchschnittlichen Jahreslohnes pro Kopf 10); die bedeutendsten Ergänzungseinkommen haben diejenigen Werke, welche die in Bienenstöcken vorgeschriebenen Wohlfahrtseinrichtungen heute schon in vollem Umfange haben, wie die Farbenfabriken Friedrich Bayer & Ko., die Badische Anilin- und Sodafabrik etc., für diese Werke ist der Vergleich mit den Bienenstöcken auch gerechtfertigt, weil in deren Ausgaben die Kosten für die sämtlichen Wohlfahrtseinrichtungen enthalten sind; für die andern Werke gibt der Vergleich kein Bild, da nicht bekannt ist, ob und wie viel von deren Ausgaben auf Wohlfahrtseinrichtungen trifft. [41]
Selbstverständlich kann man auch genug Beispiele anführen, bei welchen Ergänzungseinkommen sich nicht ergeben, man braucht dazu nur solche Aktiengesellschaften zu wählen, welche mit Verlust arbeiten; aber ebensowenig wie diese im laufenden Geschäftsleben die Norm bilden, ebensowenig können sie euren Bienenstöcken als Beispiele entgegengehalten werden; wie diese Art Betriebe im laufenden Geschäftsleben von selbst ausscheiden, da sie nicht weiter arbeiten können, so wird dies auch im Solidarismus der Fall sein, da dem Volksrate das Recht vorbehalten ist, solche Bienenstöcke, welche mit Verlusten arbeiten, aufzulösen, da sie damit selbst beweisen, daß sie nicht existenzfähig und nicht existenzberechtigt sind. Bis zu dieser Auflösung aber hat die Volkskasse die Haftung für die Verpflichtungen des Bienenstocks, so daß selbst in diesem Falle alle Existenzbedürfnisse der Bienen und ihrer Angehörigen, solange der Bienenstock besteht, voll gesichert sind.
Die obigen Vergleiche zwischen Aktiengesellschaft und Bienenstöcken dürfen indes nicht zu wörtlich genommen werden; das Konto der Aktiengesellschaft zeigt allenfalls das Minimum an, welches ein Bienenstock im ungünstigsten Fall noch erreichen könnte. In Wirklichkeit stellt sich die Rechnung für die Bienenstöcke viel günstiger, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Das Bewußtsein der Biene, das volle Erträgnis ihrer Arbeit auch wirklich selbst zu erhalten, erzeugt größere Leistung mit geringerem Aufwand.
2. Die Mitwirkung der aus den Beamten, Meistern und Arbeitern selbst gewählten Mitglieder des Vorstandsausschusses in der Verwaltung sichert bessere, sparsamere Verwaltung.
3. Die abnorm hohen Gehälter und Tantiemen des höheren Personals und überhaupt die hohen Verwaltungsspesen fallen weg.
4. Da der Bienenstock sein Kapital zurückbezahlt, so werden seine Verpflichtungen in dieser Beziehung im Laufe der Jahre geringer, während die Aktiengesellschaft ihr Kapital immer schuldig bleibt; der Unterschied in den notwendigen Abschreibungen, Rücklagen, Reserven etc. macht sich in den Konten bedeutend bemerkbar zugunsten der Bienenstöcke, namentlich solcher, welche schon länger bestehen.
5. Der wesentlichste Unterschied zugunsten der Bienenstöcke liegt aber in den Gegenseitigkeitsverpflichtungen der Bienenstöcke, welche viel günstigere Einkäufe der Materialien und gesichertere, mit fast keinen Spesen verbundene Verkäufe der ganzen Produktion gestatten; die hierdurch im Bienenstock ersparten Summen sind sehr bedeutend.
6. Infolge der vor der Errichtung des Bienenstocks veranstalteten Erhebungen über die Bedürfnisfrage, die günstigsten Produktionsbedingungen, den gesicherten Absatz, das Personal etc. gelangen überhaupt nur solche Bienenstöcke zur Errichtung, deren Existenzbedingungen nicht nur gesicherte, sondern hervorragend günstige sind. Die natürliche Auswahl, welche die Volkskasse infolge der Zentralisation ihrer Informationen über Nachfrage und Angebot von Waren, ihrer Arbeiterstatistiken etc. zu treffen [42] in der Lage ist, fundiert jeden Bienenstock von vornherein sicherer als jede andere Betriebsform; einen indirekten Beweis hierfür kann man aus der Wirksamkeit der Trusts ableiten.
So wurde z. B. durch den amerikanischen Zuckertrust die Anzahl der Zuckerraffinerien in den Vereinigten Staaten auf 1/3 reduziert und dennoch der ganze Bedarf des Landes gedeckt. 11) Der Wiskytrust reduzierte die Zahl seiner Betriebe von 84 auf 12, also auf 1/7 und deckte damit doch den Bedarf. Während im früheren Zustand Betrieb auf Betrieb verkrachte und auch die bestehenbleibenden der gleichen Gefahr ausgesetzt waren und nur vegetierten, erzielten diese Trusts nachher sehr hohe Gewinne für das zusammengelegte Kapital aller früheren Betriebe.
Diese Beispiele, die beliebig vermehrt werden können, zeigen, mit welch gewaltiger Verschwendung an Kapital und Arbeitskraft in der heutigen Volkswirtschaft gearbeitet wird, und welche erstaunlichen Ersparnisse die solidaristische Organisation an Geld und Kraft herbeigeführt; denn das was die Trusts nachträglich getan haben, die Beseitigung der Überflüssigen, Schwachen, das tut die Volkskasse vorher, indem sie überflüssige, schwach fundierte, minderwertige, nicht existenzfähige Betriebe überhaupt nicht entstehen läßt, sie tut es aber nicht zum Vorteil eines oder weniger einzelner, sondern zum Wohle der Gesamtheit. Das Prinzip der Einschränkung der Produktion nach dem Konsum wird im Solidarismus zur gesunden, einzig richtigen Grundlage der Volkswirtschaft zugunsten der Gesamtwohlfahrt.
Die finanzielle Grundlage des Bienenstocks, selbst wenn man nur die heutigen Betriebsformen zum Vergleich heranzieht, ist demnach eine gesunde; sie wird aber durch die sonstigen Bedingungen der solidaristischen Organisation noch derartig verbessert, daß gegenüber den heutigen Betrieben geradezu erstaunliche finanzielle Resultate zu erwarten sind.
Schlußwort zu diesem Kapitel.
Brüder! Es wurde euch in diesem Kapitel bewiesen, daß der Solidarismus keine Utopie ist; bewiesen nicht durch allgemeine Betrachtungen, auf Grund mehr oder weniger unsicherer Annahmen, sondern durch nüchterne Zahlen, geschöpft mitten heraus aus dem wirklichen Leben, entnommen aus der Praxis des heutigen Wirtschaftslebens. Es wurde bewiesen, daß alle Einrichtungen des Solidarismus einzeln schon bestehen und vorzüglich funktionieren, daß keine derselben neue Anforderungen stellt, neue Gewohnheiten verlangt. Es wurde bewiesen, daß der Solidarismus aufgebaut ist auf den großen Gedanken einer glänzenden Reihe von Menschheitsfreunden, welche zum Teil Märtyrer ihrer Pionierarbeit wurden; daß er fußt auf der Erfahrung früherer Perioden in der Geschichte der menschlichen Wirtschaft, daß er aus diesen Erfahrungen das entnimmt, was in der heutigen Zeit und mit den heutigen Mitteln durchführbar ist, und daß er nur die einzelnen zerstreuten Bestrebungen [43] in eine einzige große Bewegung nach wirtschaftlicher Erlösung unter gemeinsamer Leitung nach einheitlichen Gesichtspunkten vereinigt. Es wurde bewiesen, daß der Geist der Zeit diese Einrichtungen fordert, daß sie nur der Ausdruck vorhandener, tiefempfundener Bedürfnisse sind; es wurde bewiesen, daß nicht nur die finanzielle Grundlage des Solidarismus eine gesunde ist, sondern daß selbst die Mittel zur Begründung desselben schon vorhanden sind; es wurde endlich bewiesen, daß selbst die kleinen Opfer, welche ihr Brüder scheinbar bringen müßt, um die wunderbaren Wirkungen des Solidarismus herbeizuführen, keine wirklichen Opfer sind, sondern 10 und 20fach durch die rein materiellen Vorteile des Solidarismus zurückerstattet werden, und daß zur Verwirklichung des Solidarismus nichts erforderlich ist als ein gemeinsamer Willensakt und eine intelligente Organisation unter selbstloser, mit eiserner Folgerichtigkeit vorgehender Leitung!
Alle die einzelnen Bestrebungen, welche heute die Menschheit erfüllen, sei es in Form von Wohlfahrtseinrichtungen oder Wohltätigkeitsveranstaltungen, von sozialen Gesetzen oder genossenschaftlichen Bestrebungen, alle bezwecken die Milderung der Wirkungen des sozialen Elends; der Solidarismus aber bezweckt und erreicht die Beseitigung der Ursachen des sozialen Elendes und damit des letzteren selbst.
Der Solidarismus erreicht auf natürlichem Wege eure wirtschaftliche Erlösung.
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1) Siehe Anhang 4, Seite 75.
2) Das Warenhaus als Privatunternehmen hat keinen gemeinnützigen Zweck; es ist hier bloß erwähnt um zu beweisen, daß die Technik des Betriebes großer Warenlager etwas durchaus bekanntes, keinerlei Schwierigkeiten bietendes ist.
3) Siehe Anhang 5, Seite 77.
4) Beweis hierfür siehe Anhang 6, Seite 78.
5) Siehe Anhang 5, Seite 77.
6) Siehe Anhang 7, Seite 82.
7) Der Gesamtschaden des großen amerikanischen Kohlenarbeiterstreiks 1902 betrug nach der offiziellen Feststellung durch das Schiedsgericht 396 Millionen Mark, der amerikanische Stahlarbeiterstreik 1901 kostete 100 Millionen Mark, der belgische Generalstreik im Jahre 1902: 3 Millionen Franks täglich.
8) Siehe Anhang 8, Seite 83.
9) Siehe Anhang 9, zwischen Seite 84 und 85.
10) Durchschnittlicher Jahreslohn 700-1000 Mark. Siehe Anhang 1, Seite 71.
11) Siehe Anhang 8, S. 83.
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