BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Hans Beimler

1895 - 1936

 

Im Mörderlager Dachau

 

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„Das Messer hast du nicht zum Brotschneiden bekommen“.

 

Nachmittags gegen zwei Uhr machte der Kommandant, natürlich in Begleitung des Mörders Steinbrenner, wieder „Visite“. Während Steinbrenner in die Zelle kam, blieb der Kommandant vor der Zellentür stehen, beide Arme in die Hüften und die rechte Schulter gegen den Türrahmen gestützt. In der linken Hand hielt er eine nach rückwärts gerichtete Hundepeitsche. Dann fing er an, das zu wiederholen, was er mir schon öfter mit anderen Worten gesagt hatte: „Na, Beimler, wie lange gedenkst du denn die Menschheit mit deinem Dasein zu belästigen? Ich habe dir schon einmal gesagt, daß du dir darüber klar sein mußt, daß du in der heutigen Gesellschaft, im national­sozialistischen Deutschland, ein überflüssiges Subjekt bist. Lange sehe ich jetzt nicht mehr zu.“ Dann stieß er mit den Fingern gegen das auf der kleinen Bank liegende Tafelmesser und sagte: „Das Messer hast du nicht etwa zum Brotschneiden bekommen, das gehört zu etwas anderem.“ Darauf erwiderte ich ihm: „Herr Kommandant! Ich bin seit 14 Jahren Mitglied der Kommunistischen Partei und habe um mein und der Arbeiterklasse Leben gekämpft und bin auch jetzt nicht gewillt, freiwillig auf mein Leben zu verzichten. Wenn Sie der Meinung sind, daß ich überflüssig geworden bin, dann geben Sie den Befehl, daß ich erschossen werde – dann wird es gemacht werden. Ob sich dann an der weiteren Entwicklung etwas ändern wird, ist eine andere Frage.“

Er stellte sich dann vor mich und sagte: „Schau nur her, frech wird das Schwein auch noch! Dich erschießen? Nein, du Sau bist keine Kugel wert; dich lassen wir daherin verhungern.“

Worauf ich ihm erwiderte: „Herr Kommandant! Ich bin jetzt schon vier Wochen in Haft und bin schon zu dreiviertel verhungert, dann werde ich das andere Viertel auch noch überstehen.“

Diese meine Antworten gingen dem Mörder Steinbrenner sehr stark auf die Nerven, und ich konnte es ihm aus der Fratze lesen, daß er mich am liebsten gleich erwürgt hätte. So sprang er auf mich zu und stieß mich wieder mit der Faust gegen die Brust, an die Mauer. Als ich bei diesem Stoß, der mich ungemein schmerzte, „Au“ rief, sagte der Kommandant: „Ei schau, schreien tut er auch noch!“ Und er wandte sich lächelnd zu Steinbrenner mit den Worten: „Schreien nützt nicht viel, bei uns geht's ganz lautlos und schnell.“