B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Peter Altenberg
1859 - 1919
     
   


W i e   i c h   e s   s e h e

1 8 9 6 / 1 9 0 4

______________________________________________


R e v o l u t i o n ä r
(Studien-Reihe)

 
Gesellschaft

     Die gelblich-weisse fette aufgedunsene Langweile kroch umher auf dem dunkelrothen weichen Teppich des Salons - - -.
     Dann kroch sie auf den Schooss des jungen wunderschönen Haustöchterchens und küsste sie breit auf den Mund - - -.
     Da begann das Haustöchterchen zu gähnen -.
     Aber Niemand merkte es.
     Die junge Frau im braunen seidenen Moirékleide sass neben einem dicken jungen gemüthlichen Schweine.
     Sie dachte: «Wieso machen 4 Säcke Kohlen 3 Gulden aus?! Dieser Kerl hat sich das Trinkgeld mit eingerechnet heute Vormittag - - -!?»
     Das gemüthliche Schwein grunzte.
     Aber weil es reich war und aus guter Familie, sagte man später: «Dieser T. ist fein, so zurückhaltend, bescheiden - - - er hat so gute Manieren.»
     Die junge Frau, der die Rechnung nicht stimmte, sagte mit einem Lächeln wie «l'homme qui rit»: «Sie, Herr T., Ihr Fräulein Schwester ist so lieb - -.»
     «L'homme qui rit» lachte nämlich gar nicht - - im Gegentheil! Aber er sah so aus, weil man ihm die Nerven durchschnitten hatte. So lächeln Gesellschaft- Menschen.
     «Oh» grunzte das gemüthliche Schwein.
     Es wollte sagen: «Zu gütig, Gnädige - - -.»
     «Ja, Ihre Schwester hat etwas so Liebes - -» sagte die Dame und starrte auf das Muster der weissen Stores, wie wenn sie es dort ablesen würde. «Was sind das eigentlich für Blumen?!» dachte sie.
     Die Schwester, welche «etwas so Liebes» hatte, sass da und dachte: «Wird Er kommen - - -?!»
     Aber er kam nicht.
     So Etwas hatte man noch nie gesehen! Sie hatte nur ein paar Augen und alles Andere war Plunder -. Aber noch nie hat man laut jammernde Augen gesehen - -. Diese Augen jammerten laut: «Warum kommt Er nicht - -?!»
     Plötzlich kroch die gelblich-weisse, fette, aufgedunsene Langweile an ihr empor, setzte sich auf ihren Schooss und küsste sie breit auf den Mund.
     Da begann sie zu gähnen.
     Aber Niemand merkte es. Sie gähnte direkt mit den Augen, eigentlich mit dem Herzen.
     Der junge Lieutenant dachte: «Heute ist Fiakerball! Wenn diese Gisela - - -. Ich gehe nach dem Souper weg. Ich kann um 11 Uhr dort sein; Gisela - - -.»
     Die Langweile zwängte ihre dicke Faust in seinen Mund und sperrte ihn auf.
     Das merkten aber Alle - - -.
     Beim Souper sagte der Haussohn: «Diese Gabriele P. habe ich benannt «Letzte Bacchantin des Wienerwaldes»! Alles jauchzt in ihr! Dieses Leben, diese herrliche Bewegung - - -! Jawohl!»
     Die Damen fanden diese Bemerkung ziemlich taktlos - -. «Wie kommt Gabriele hierher, bitte?!»
     Alle hassten den Haussohn - -.
     «Weil er immer originell sein will - - -!», dachte Fräulein Dasy.
     Die fette aufgedunsene Langweile kroch dem Haussohn auf den Schooss.
     Dieser aber gähnte nicht, nicht einmal innerlich!
     Er nahm sich die besten Stücke aus der Schüssel, zwei weisse Bruststücke vom Kapaun und schüttete Natursaft darüber wie einen Platzregen. Das amüsirte ihn.
     Er dachte: «Was für eine Torte wird kommen?! Sie ist doch die «letzte Bacchantin des Wienerwaldes» -! Und Ihr seid die Gesitteten!? Hollahó!»
     Nach dem Souper sagte das Haustöchterchen: «Herr v. S., spielen Sie - - -!»
     v. S. spielte das Intermezzo aus den «Rantzau», wirklich
wunderbar - - -.
     Die Schwester des Schweines sass in einem Fauteuil und trank die süssen Töne - -.
     Der Lieutenant sagte: «Kann man danach tanzen - - -?!»
     Die Hausfrau fand, dass es sehr animirt sei und sans gêne.
     Die Herren rauchten und lagen in Fauteuils - -.
     Die Langweile kroch hinaus zu dem goldblonden Stubenmädchen, welches im Speizezimmer den Tisch abdeckte - - -.
     Da kam der Entdecker der «letzten Bacchantin des Wienerwaldes» und küsste die Goldblonde auf den Mund - - -.
     Da kroch die gelblich-weisse, fette, aufgedunsene Langweile, schon ziemlich piquirt, weiter, in das Vorzimmer, wo alle Mäntel und Spitzentücher hingen und diese begannen sich tüchtig zu langweilen, obzwar sie nach Eau de Cologne und Essbouquet dufteten. Aber auf die Dauer ist auch das Duften reizlos, besonders wenn Niemand sagt: «hapzi - - -!»
     Und dann kroch die Langweile weiter in das finstere Stiegenhaus und hinaus auf die schwarze Strasse und schleppte sich auf den Fiakerball - - -.
     Dort kroch sie dem Fräulein Giesela, die auf den Lieutenant wartete, auf den Schooss und küsste sie breit auf den Mund - - -.
     Diese begann zu gähnen und sperrte ihr Mäulchen weit auf - - -.
     Aber Niemand merkte es - - -.
     Denn Alle tanzten den «Gestrampften» und waren ganz toll!
     Der Lieutenant kam nicht.
     Er machte dem Haustöchterchen den Hof, bei den Klängen der «Rantzau» und war ganz weg - -!
     Am nächsten Tage sagte das Haustöchterchen: «Es war doch sehr gemüthlich - -!»
     «Nach dem Souper!» sagte der Haussohn und dachte an goldblonde Haare und an Anderes - -.
 

Sonntag
(Der Revolutionär «en famille.»)

     Im Vorzimmer stehen die sechs geerbten Stühle, die damals Speisezimmerstühle waren und eigentlich zu Nussholz passten. Nun, man konnte ja später die grossen gelben Kästen in Nussholz färben, eine schöne Harmonie herstellen.
     Überrascht mich damit zu Weihnachten - - -,» sagte die Hausfrau.
     Auf dem Tischchen lag eine gestickte rothe Decke in Wolle und darauf stand eine Lampe ganz aus Kristallglas, sogar der Fuss, das Gestelle waren aus Glas.
     Die Sachen waren nicht neu, aber gut conservirt, ein schönes frisches Greisenalter.
     Im Zimmer beim Herrn brannte es fest im Ofen. Es duftete nach Teppich und Holz.
     «Oh die Hitze - - -», sagt immer der Hausherr, wenn er nach Hause kommt, knüpft das Gilet auf, dann das Leibchen mit den goldenen Knöpfen, bekommt Congestionen - - -.
     «No, no - -», sagt die Hausfrau, «wenn man von draussen kommt, natürlich - - -.»
     «Ja - -», sagt der Hausherr, «bitte, ich komme von draussen» und versucht den Ofen kalt zu machen, indem er an dem Thürchen kleine Manipulationen vornimmt und mit dem Ofenbesteck ziemlich klappert.
     «Ein unruhiger Geist - -», sagt die Hausfrau.
     Dieses Gespräch war sehr oft, eigentlich war es immer, besonders Sonntags und die Kinder hatten die Empfindung von - - nun, sie hätten gerne gesagt: «Um das dreht es sich?? Der «neue Hauch» geht an Euch vorüber - -». Obzwar es gar nicht herpasste. Aber wenn man das Gefühl hat?! Jedesfalls war das Ganze gutmüthig patriarchalisch, so wie wenn man sagt: «Das sind unsere Sorgen, nicht wahr, nichts Bedeutendes, GottseiDank - - -?!»
     Jetzt aber sass der blasse Sohn bei diesem Ofen, wärmte sich und erwartete die Eltern.
     Er hatte die Empfindung «Sonntag Vormittag» und «ein geordnetes Hauswesen» und «oh gewiss Jülienne-Suppe».
     Endlich kamen die Eltern, Beide ausgepumpt vom Stiegensteigen und den Pelzröcken.
     Wo waren die Herrschaften?! Bei der Tochter natürlich. Von der Tochter zu der Tochter, zu der Tochter, von der Tochter - - ein Lebenslauf!
     «Man wird über den Kleinen sprechen - -», dachte der Sohn, «Gott wie fad, ich liebe nur kleine Mädchen, die haben Gracie, riechen gut und man kann sie auf die Haare küssen - - -.»
     Er wusste, dass er etwas Facheuses sagen würde, die Stimmung stören würde, die Nervenschlüssel drehen, bis das Instrument auf ges, des, as, es, wäre - - -.
     «Grosseltern sind Schablone - -», dachte er, «überhaupt Alles - - -.»
     Natürlich kam Jülienne-Suppe.
     «Die Suppe ist wie Feuer - -», sagte der Vater, «Alles ist heiss bei Euch - -.»
     Als ob er nicht «Euch» wäre! Solche Ausdrücke sollen eine Kluft bezeichnen, das verwischte alte Bild eines Kampfes, der nie war und der nie sein wird, ein Protest gegen - - -. Nun man sagt ja Nichts. Gebt Ruhe.
     «Lass' die Suppe auskühlen - -» sagte die Mutter, «oh wie fein ist sie, geh' Alterl, sei nicht so- - -.»
     «Brillat-Savarin sagt - - -.»
     «Wir wissen schon, was Brillat-Savarin sagt, aber iss' Deine
Suppe - - -.»
     «Brillat-Savarin - - -», dachte der Sohn, «nun, wenigstens ist es korrekt ausgesprochen - - -.»
     Meistens kommt: «Wisst Ihr, was der berühmte - - - sagt?!» Aber diesen Namen kennt die Welt nicht. Und übrigens war Niemand neugierig, was der Berühmte sagte, jedesfalls etwas Irritirendes, Etwas aus anderen Gesichtspunkten.
     Die Mutter nahm diese Citate aus der «Revue» wie eine schlechte Gewohnheit, zum Beispiel wie das Hinaufschnupfen oder Ärgeres - - -. Der Sohn dachte darüber: «Matte Flügelschläge eines alten Vogels, lasse es sein - - -. Bist Du denn Graf Mirabeau?!»
     «Die Suppe ist wie sie ist - -» dachte die Mutter, «sie kostet genug und die frühere Generation war auch gesund. Ich sehe nicht die Resultate. Ihr geht jedes Jahr zum Zahnarzt - -. Suppe muss heiss
sein - -.»
     Es kam Filet mit verschiedenen Gemüsen, eine gewölbte weisse rauhe Fläche, Blumenkohl, etwas zerpatschtes Graugrünes, kleine spitzige röthliche weiche Zäpfchen und Erdäpfel gerippt mit der Maschine und goldgelb gebraten. Das Ganze sah aus wie ein Blumenbeet.
     «Wer hat das heutige Feuilleton gelesen - -!?», sagt der Vater, «das ist plastisch, so wie wenn man dort wäre - -, so solltest Du schreiben, Albert--!»
     «Ja, es ist ein Schmarren - -», sagte der Sohn, welcher ziemlich enttäuscht war, dass nicht über den Enkel gesprochen wurde. Wo sollte er seine üble Laune anbringen, bitte?!
     Denn die Eltern thaten ihm nur leid, er liess sie gerne in ihrem warmen Dunste, Lebensdunste.
     Die waren ja schon auf dem Wege - -. «Euer Glück ist die Ruhe», fühlte er.
     Aber mit den Anderen, dieser «trägen schlappen Jugend», wollte er anbinden, wollte kämpfen, beleidigen - - -. «Ihr Verharrenden, ihr Stagnirenden, ihr Sumpfschildkröten - - -!»
     Überhaupt, er brauchte ein Feld, eine Tribüne, wie Danton, Marat, Robespierre - - -.
     «Ihr wollt Mieder tragen, eure Milz, eure Leber zerdrücken?! Fort auf die Guillotine! Ihr wollt das Glück, heute, wo hunderte Millionen Menschen - -?!
     Fort auf die Guillotine! Ihr wollt Ruhe, Frieden?! Fort auf die Guillotine!»
     Er wusste, dass die Unruhe, diese «innere Unruhe» die Quelle alles Fortschrittes sei, des «Sich-Bedenkens», der «Einkehr», der «Umwandlung» und er fand überall nur das schamlose Bedürfniss nach Ruhe, Ruhe, Ruhe - - -! Die Eltern wollten Ruhe, die Gatten wollten Ruhe, die Ehefrauen, die Töchter, sogar die Bräute und die Bräutigame - -. Alle strömen in diesen Gift-Sumpf Ruhe - - -.
     Herrgott, aber war denn das die Ruhe, die heilige, die auf den Gipfeln?!
     Betäubung war es, Lethargie, Morphin - - -!
     So ist das Familienleben - -. Ist es draussen anders?! Alles Morphium, die Liebe, der Alkohol, der Patriotismus - - -. Also was denn?! Ja, was denn - - -!? Nun, die Kunst, die Natur, das Leben des Diogenes, des Chr. - - -! Bewegungen der Seele, des Geistes, die die Kräfte in neue Verbindungen brächten, die trägen Stoffe wegschwemmten, einen kleinen Wirbel, Strudel erzeugten. Kurz, er dachte: «Zum Teufel, Mensch sein heisst sich bewegen, sich von sich wegbewegen, irgendwohin, nach vorwärts, nach aufwärts!»
     «Bei Uns ist es gemüthlich, Bruder - - -» sagte das sanfte Schwesterchen, «Du solltest - - -.»
     Er sah sie an - - -.
     «Du verachtest Uns - - -» sagte die Schwester, «wozu - - -?!»
     «Oh - -», sagte er, «aber bitte, macht nächsten Sonntag nicht Jülienne-Suppe - - -!?»
     «Nicht - - -?!», sagte die Schwester, «was denn - - -?!»
     «Nun, macht Karfiolsuppe - - -!»
     «Eine «falsche Suppe», am Sonntag- - -?!»
     «Ja, einmal eine falsche - - -», sagte Robespierre und verliess triumphirend die Tribüne.
     «Ich werde es mit Mama besprechen - - -» dachte die sanfte Schwester.
 

Der Besuch
(Der Revolutionär besucht einen «Jour».)

     Im Vorzimmer brannte die weisse Ampel, hoch aufgedreht. An den Messinghaken hingen einige Kleidungsstücke.
     Der junge Mann berührte sanft einen langen grauen Damenmantel.
     Dann trat er ein.
     Auf dem rostfarbigen seidenen Sopha sass die junge Frau des Hauses.
     Sie hatte eine japanische Frisur mit drei goldenen Kugeln, schöne schmale Augenbrauen und feine weisse Hände. Sie trug ein ganz weites schwarzes Seidenkleid mit einer breiten offenen Halskrause aus weitem schimmerndem Tüll.
     Hinter ihr, an der Wand, standen auf einem breiten hellbraunen matten Brett aus edlem Holze sechs dicke bauchige Glaskrüge mit eingeschmolzenen dunkelrothen und hellgrauen Flecken und incrustirten goldenen Blättern und Blüthen.
     Die junge Frau sass wie unter einem Dache, wie in einer Veranda.
     Auf einem niedrigen Fauteuil aus grasgrünem Peluche sass eine junge Dame in einem gestreiften Sammtkleide in der Farbe von Kastanienpürée.
     Sie hatte braune wellige Haare und einen Teint wie einmal angerauchter Meerschaum.
     «Ich habe gewusst, dass Sie es sind!» sagte die Hausfrau.
     «O, ich auch - -!» sagte das junge Mädchen.
     Er ging ruhig zum Samovar und betrachtete die «Ginger-breads», welche auf der silbernen Tasse aneinander gereiht waren wie die Schmetterlingsschuppen unter dem Mikroskope - - dachziegelartig.
     In einem weiten japanischen Strohkorbe lagen Marons glaçés, feucht glänzend, in kleinen Badewannen aus weissem geripptem Papier.
     Die junge Hausfrau erhob sich und bereitete eine Tasse hellgoldenen Thee.
     Der junge Mann betrachtete ihre wunderschönen Hände, welche die zartesten Bewegungen ausführten.
     Sie gab Zucker und Rum in den Thee. Sie kannte wahrscheinlich seinen Geschmack.
     Dann setzte sie sich wieder in die Veranda mit den graurothgoldenen Glaskrügen.
     Das junge Mädchen stand auf und brachte die silberne flache Tasse und den geflochtenen Bambuskorb.
     Der junge Mann trank langsam den Thee, ass Gingerbreads und fünfzehn Marons glaçés.
     Die Damen lächelten.
     Er sagte: «Ein heller goldgelber Thee, meine Damen, mit feinem Rum, ist das anregendste Getränk von der Welt. Es führt uns Wärme in seiner goldenen Flüssigkeit zu und übt einen sanften Reiz auf unsere Geschmacksnerven aus, der sich über den Gesammtorganismus verbreitet wie ein süsser Dunst. Es ist wie ein inneres, warmes, parfümirtes Bad. Es erhöht die Energie des Lebens ganz einfach.
     Gingerbreads sind die Fürsten der englischen Cakes. Spröde wie Glas, enthalten sie die Seele der Staude «Zingiber», eines ziemlich anregenden Gewächses.
     Dann sagte er: «Marons glaçés sind eine leicht verdauliche und ausserordentlich nahrhafte Speise - -. Im Verlaufe ihrer weiteren Umwandlung erzeugt sie direkt Geist.»
     Die Damen lächelten.
     «Ja, wir müssen immer trachten, meine Gnädige, die im Leben verloren gehenden Kräfte auf geschickte, ja raffinirte Weise, rasch und leicht wieder zu ersetzen, den Haushalt im Gleichgewichte zu erhalten, zu vergrössern! So wachsen Wir ins Unendliche und werden unsterblich - - -!»
     Wie macht man Marons glaçés?» fragte das schöne Mädchen «Ich weiss nicht», sagte die Hausfrau, «man kauft sie bei Demel.»
     Der Herr sagte: «Sie scheinen in Wasserdunst gekocht zu sein - - -. Zu allen diesen schönen, guten und gesunden Dingen kommen noch zwei ideale Hände und ein gestreiftes Sammtkleid mit seinen Lichtern und seinen matten Ruheflächen. Tausend starke Kräfte strömen uns da in's Auge und baden das Gehirn rein von allem Schweren, Störenden.»
     Die junge Hausfrau errötete.
     Das junge Mädchen blieb matt wie angerauchter Meerschaum.
     Der junge Mann betrachtete diesen «Jour» als eine Anstalt für Diätetik und Hygieine. Das heisst, Alles überhaupt verwandelte sich bei ihm in Dinge, welche in der Lage wären, die Spannkräfte des edlen Organismus «Mann» zu erhöhen.
     Thee, Ginger, Kastanien, Frauenhände - - -!
     «Wir müssen wachsen - - -», dachte er, «sogar bei der Jause - - -.»
     Die Damen bekamen dafür ihrerseits das wohlthuende Bild einer schönen, complicirten, feinen, gut geheizten und geölten Maschine, die man dann nur mit irgend einem Treibriemen in Verbindung zu bringen brauchte, um eine hohe intensive und ausserordentliche Thätigkeit und Leistung auf irgend einem Gebiete menschlicher Bewegung zu erzeugen.
     Die feine geheizte und geölte Maschine begann zu rauchen.
     Es war der Dampf von ägyptischen Cigaretten.
     Auch das Fräulein rauchte. Es sah aus, wie wenn ein grosser feingeschnittener Meerschaumkopf sich selbst braun anrauchen
würde - - -.
     In dem warmen Zimmer lag der Duft von Thee, Rum und Cigarettendampf.
     Der junge Mann setzte sich auf das kleine Sopha neben die junge Hausfrau und sah auf ihre feinen weissen Hände.
     Die junge Frau verbarg sie in den seidenen Falten ihres Kleides und beugte sich schüchtern ein wenig vor.
     «Kennen Sie A. Tschechow?», sagte er. «Der ist ausserordentlich, ein Genie! Ich habe ein Bändchen für Sie mitgebracht, Fräulein - - -.»
     «Lesen Sie uns vor!» sagte die angebräunte Meeresschaumprinzessin.
     Er las «la mort du matelot» und «les ennemis» -.
     Was ging es ihn an, dass es sehr traurig war und vielleicht nicht herpasste?!
     Aber Alle waren begeistert.
     «Sie lesen wie Coquelin» sagte das junge Mädchen.
     Der junge Mann sagte: «Begeisterung und Deklamation sind Mittel, unseren Stoffwechsel zu beschleunigen, also unser Menschenthum zu steigern. Man verjüngt sich dabei. Es ist wie ein Turnen von innen.»
     Die weissen Hände der jungen Frau lagen auf dem Schoosse von schwarzer Seide ausgebreitet. Sie vergass, sie zu verbergen - - -.
     Der junge Mann sagte: «Mein A. Tschechow! Mit Wenigem Viel sagen, das ist es! Die weiseste Ökonomie bei tiefster Fülle, das ist auch beim Künstler Alles - - wie beim Menschen. Auch der Mensch ist ein Künstler, sollte es sein - - ein «Lebens-Künstler»! Die Japaner malen einen Blüthenzweig und es ist der ganze Frühling. Bei Uns malen sie den ganzen Frühling und es ist kaum ein Blüthenzweig. Weise Ökonomie ist Alles! Und dann, sehen Sie - - - die feinste Empfänglichkeit haben für Formen, Farben, Düfte, ist schön. Dieses dem Anderen so beibringen, dass er es ebenso spüre, ist eine Kunst.
     Aber dieselbe Empfänglichkeit haben, denselben zarten Sinn für die Formen und Farben der Seele, des Geistes - - ist mehr! Die wahre Kunst beginnt erst mit der Darstellung geistiger, seelischer Ereignisse. Das Leben muss durch einen Geist, durch eine Seele hindurchgehen und da sich mit Geist und Seele durchtränken wie ein Badeschwamm. Dann kommt es heraus, grösser, voller, lebendiger! Das ist Kunst!»
     Die feine Maschine hatte einen Treibriemen bekommen. Sie arbeitete präcise und mit Schwung.
     Die junge Frau war blass geworden. Sie verstand nicht Alles, sie wusste nur, dass es Etwas sei, was ihren Horizont überflog und sich nach vorwärts und oben weit ausdehnte, wie das Licht, die Luft - - -.
     Wie sollte sie sich dazu stellen?! Das machte sie nervös. Sie blickte ernst auf ihre weissen wunderschönen Hände herab - - -.
     Aber die Meeresschaumprinzessin war rosig geworden. Sie flog mit. Sie empfand die Wahrheit. Sie dachte: «Das ist es! Kunst ist Etwas, was das Leben lebendiger macht! Denn was wäre es sonst, wenn es, aus Lebendigem entsprungen, nicht lebendiger wäre als dieses?!»
     Sie ahnte einen Zusammenhang zwischen Kunst und Liebe - - -. «Man wird lebendiger - -», fühlte sie.
     Es war acht Uhr geworden.
     Der junge Mann empfahl sich. Er küsste die weissen Hände und die in teint ambré.
     Draussen im Vorzimmer berührte er wieder sanft den grauen Damenmantel, der an dem Messinghaken hing.
     Die Thüre in's Stiegenhaus schnappte in's Schloss zurück.
     Die Damen d'rin aber lächelten - - -.
     Sie fühlten vielleicht, dass ihre latenten Spannkräfte erhöht waren, ihr Stoffwechsel beschleunigt war - - -.
     Ja, sie waren ganz rosig und guter Dinge - -!
 

Im Garten
(Der Revolutionär docirt Religions-Philosophie.)

     Eine einfache niedere breite Bank aus schimmerndem politirtem Granit, unter einer gelbgrünen Linde. Ein Herr und ein Fräulein sitzen darauf.
     «Was sind Sie - - -?!» sagte die junge bleiche Dame mit den hellbraunen Haaren, «Sind Sie gläubig oder ungläubig?!»
     «Das mit der Religion ist ganz einfach -» sagte der Herr.
     «Einfach?!»
     «Ja, ich bin Theist und Atheist zugleich.»
     «Das ist doch nicht einfach» sagte sie; «glauben Sie an Gott?!»
     «Ja. Die Summe aller Kräfte, aus welchen und durch welche das Lebendige entstanden ist, ist Gott. Folglich hat Gott das Leben erschaffen. Er ist der Vater, der Allmächtige!
     Die Summe der nothwendigen Wirkungen dieser Kräfte bis an's Ende der Welt lag schon in Gott, weil die Kräfte ihr Entwicklungs-Gesetz bereits in sich tragen.
     Was kommen muss, liegt in Gott als Vorausbestimmung! Er ist Allwissend! Er weiss, wie es gewesen ist, Er weiss, wie es werden wird, denn Er ist das Gewesene und das Werdende selbst!
     Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff wissen die Rose!
     Die letzte, die höchste Äusserung wirkender Kräfte, ihr organisches Endresultat, ist der Mensch «Jesus Christus». Daher ist Christus «Gottes Sohn», der «wahre Sohn Gottes»! Der Sohn aller Kräfte, durch welche Er wurde!
     Wir Anderen aber sind Entwicklungs-Zwischenglieder.
     Was die wirkenden Kräfte auf dem unendlichen Wege der Organisirung zum Lebendigen überhaupt leisten konnten an physischer, geistiger, seelischer Vollkommenheit, stellt sich dar in diesem einzigen Organismus «J. Chr.»! Er ist das Endresultat organischer Bewegung der Materie!
     Diese in einer einzigen Organisation anticipirte Endentwicklung sich organisirender Materie bringt gleichsam diese Welt rastlos wirkender Kräfte zu ihrer eigenen Erlösung, zu ihrer Ur-Ruhe. Der Weg ist vollendet, der Sohn kehrt zum Vater zurück!»
     Es entstand eine Pause. Der Abendwind sang in den Lindenblättern.
     «Religion ist nicht Glaube, mein Fräulein, Religion ist Auslegung!!»
     «Das ist nicht einfach» sagte sie.
     Er stand auf, ging vor ihr auf und ab.
     «Religion ist nicht Etwas, was in die Menschen von aussen, von oben hereindringt. Das ist Heidenthum. Es ist Etwas, was aus dem Organismus «Menschheit», von innen, aus der Tiefe, herausdringt. Das ist Christenthum. Es ist die organische Blüthe des Menschheits-Gemüthes, des Menschheits-Geistes selbst. Die Menschheit gebärt, in anticipirender Genialität, aus sich heraus ihr eigenes, in ihr liegendes Ideal. Sie liebt es wie sich selbst. Sie sehnt sich nach ihm wie nach sich selbst. Sie sehnt sich nach Jesus Christus, dem Menschen, der da kommen wird! Es ist die Sehnsucht des Keimes nach seiner Blüthe, nach seiner Ganzheit, seinem Werden! Er sehnt sich nach seinem Weg! Die griechischen Götter waren nichts Anderes als die zu ihrer möglichen Endentwicklung gesteigerten «griechischen Menschen». So ist Christus der zu seiner möglichen End-Entwicklung gesteigerte «christliche Mensch.» Es sind die eigenen, aus dem Innersten, dem Entwicklungs-Mysterium, herausgeborenen Ideale, die wir von uns loslösen und in die Natur hinausstellen, in den riesigen weltumspannenden Saphir, so weit von uns, damit wir Zeit haben, zu ihnen emporzuwachsen. Unsere Liebe zu Jesus Christus, unsere Sehnsucht, ist die Liebe zu uns selbst, zu unserem wahren, reinen, Leidenschaft-erlösten, wirklichen Wesen. Wir sehnen uns nach uns! Da ist es! Die «Identität-Werdung» mit dem eigenen «Ideal-Zustande» ist die Wiederauferstehung, die Wiederauferstehung Christi, dieses anticipirten Endresultates sich organisirender Materie, in der ganzen Menschheit! Wer dieses Ideal J. Chr. als Vorausentwicklung seines eigenen Wesens, als sein «anticipirtes Sein», empfindet, denkt, erkennt, ist «christlicher Organismus»! Wer sich als Fertigen, Endgiltigen, Entwicklungs-Endprodukt, als Unbeweglichen, Beständigen, Definitiven, fühlt, weiss, erkennt, ist Heide!!
     Wer sich als Vorläufigen, Unbeständigen, sich Wegbewegenden, sich von sich selbst Wegbewegenden, fühlt, weiss, erkennt, ist Christ!!
     Das Reich, das da kommen wird! Die Wiedergeburt!!
     Wehe den Verharrenden!!
     In Geburts-Wehen ringt die Menschheit nach Auferstehung vom Thier-Menschen zum Christus-Menschen. Das ist ihre heilige Bewegung!
     Wer sich bewusst wird des Gottes im dämmernden Inneren - - - der tagt! In seinem Lichte tagt er! Er bedarf nicht mehr des aus dem Inneren der Menschheit in die Sterne versetzten Ideales! Glaube ist Auslegung geworden! Er tagt - - - in seinem eigenen Lichte tagt er!!»
     «Ah - -», sagte das Fräulein, «Sie Mann!»
     Sie war wie erdrückt, demüthig. Aber plötzlich erschauerte sie.
     Sie stand auf. Sie sagte hoheitsvoll: «Ihr seid der Gegensatz der Natur und müsst es wieder werden! Daher müsst Ihr denken, Euch durch-denken! Wir sind es! Wir brauchen nicht zu denken.»
     So stolz war sie. Sie wuchs zu Ihm empor und über Ihn - - -.
     Er aber sah durch die seidenen Hüllen hindurch ihren idealen Leib, dieses künstlerische Abbild der «Welt-Vollkommenheit».
     «Ihr seid es!», fühlte er.
     Der Abend lag über dem Garten und die Lindenblüthen
dufteten - - -.
 

Der Grieche
(Der Revolutionär fliegt aus dem Leben heraus.)

     Griechenland! Diese schwere dumpfe Sinnlichkeit, ganz gasförmig gelöst in ästhetischem Empfinden! Die Materie überwunden durch das, was sie ausstrahlt - Schönheit! In Bewegung befreit! In Gracie verzaubert!
     Er sass in einem Parke. Um ihn herum, auf den Wegen, in den Alleen, schwer-fällige Organisationen - - - Menschen!
     Ein weisses Battistkleid fliegt heran - -. Aschblonde, lange, offene, seidene Haare. Schlanke zarte Beine in schwarzen Strümpfen. Sie ist dreizehn Jahre alt. Man sieht oberhalb des Knie's die weissen Unterhöschen. Sie fliegt über den Weg mit ihrem Reifen. Alles federt. Olympische Spiele - - -!
     Er starrt ihr nach. Sie wendet und fliegt vorbei.
     «Ah, schön - - -!», haucht er. «Du bist ein Mensch», fühlt er, «Du bewegst Dich.»
     Sie kehrt langsam, in Curven, zurück. Der Reifen tanzt - - - tanzt.
     «Ah, Dich, nackt, ganz nackt, auf einer duftenden sammtenen Wiese im Abendschatten Reifen schlagen sehen und fliegen - - - fliegen! Und dann stehst Du da und wirfst in runder Bewegung die blonden Haare nach rückwärts und wir trinken mit den Augen, diesem Liebesorgane der Künstlerseele, deinen schlanken weissen Leib - - - in Schönheits-Liebe!»
     Er sagte: «Fräulein, der Reifen ist ein edles Instrument - - -.»
     «Wieso?!» sagte das Kind-Jungfrau, «ein gebogenes Holz - - -. Es geht ganz leicht.»
     Er sah sie an, wie man eine Edeltanne im Hochwald anschaut, das herrliche Schweben des Hühnergeiers auf einem Punkt über dem abendlichen Walde, einen Schwan auf einem See und ein Künstlerantlitz, wenn der Gedanke auf ihm liegt. Er sah sie an, wie man das Freie, Edle, Natürliche anschaut - - in Schönheits-Liebe!
     Sie flog um die grosse Wiese herum und blieb in seiner Nähe.
     Sie wurde müde. Sie stand da, die Holde, leise auf ihren Reifen gestützt - - - und blickte ihn an.
     Diana - - -!
     Er sagte: «Sie werden sich verkühlen. Sie sind ganz nass. Sie werden bleich vom Laufen.»
     «Ich bin immer blass» sagte sie.
     «Und doch scheint Bewegung Ihre Natur zu sein».
     «Ich liebe die Bewegung» sagte sie.
     Sie setzte sich auf die Bank neben ihn.
     Er hatte die Empfindung: «Du bist ein Werdendes.» Er war in Schönheits-Liebe versunken -.
     Mit den Augen trank er die Schönheit dieses Menschen und berauschte sich.
     Ihr Kleid duftete nach dem heissen kindlichen Leibe. Die Haare dufteten - - -.
     Der süsse Athem schwamm ihm entgegen - -. In den Linden dufteten die gelblichgrünen Blüthen. Zwei Athem der Natur!
     Sie sass regungslos - - -.
     Er zog sie an sich und küsste sie auf die Stirne.
     Sie sass regungslos.
     Dann stand sie auf und sagte: «Adieu. Kommen Sie morgen wieder?!»
     Und Griechenland entschwand in den nebelgrauen Wiesen - - -.
     Er blickte ihr nach: «Dich, Dich, nackt, ganz nackt, auf einer duftenden Wiese im Abendschatten Reifen schlagen sehen und fliegen - - fliegen, und, wenn Du müde bist, neben Dir zu sitzen, am Waldessaum, im Abendschatten und den Duft der feuchten Walderde und der Wiese und deines Leibes einzuathmen und die Schönheit der Welt in sich einzusaugen und in diesen Schönheitskräften, die durch tausend Strahlen in's Auge, durch tausend Atome in's Gehirn dringen, zu wachsen, und voll, übervoll zu werden und diese concentrirten latenten Spannkräfte in Reichthum zu empfinden und diesen Reichthum in Liebe, in Gedanken umzuwandeln und diese in Bewegung umgesetzten Kräfte neue Kraft zeugen zu lassen - - unerschöpfliche, das ist «ein Lebendiger» sein! Das!!
     Aber Wir - - Wir leben nicht!!»
 

Die Primitive
(Der Revolutionär benimmt sich ungewöhnlich.)

     Nacht-Café, 4 Uhr.
     An einem Tisch sitzen sieben «Vacirende» und erwarten den Morgen, den goldenen rosigen Morgen, wie die Touristen am Schafberg, am Rigi.
     Aber hier ist wahrlich keine Bergesluft.
     Der «Vacirende», das ist die aus dem Geleise gehobene Maschine «Mensch». Sie beginnt zu stolpern, rast dahin, dorthin, thut unnütze Sachen, giebt Kraft aus, wofür, überschlägt sich und bleibt liegen, wie der Trunkene im Gassenkothe.
     Diese Leute sitzen da, geben Geld aus, reden und reden und bringen Alles mit grosser Wichtigkeit vor und sind ganz betrunken.
     Und gleich tragen sie Wetten an und erhitzen sich.
     An einem anderen Tische sitzen die Fiaker. Die haben Alle eine stille, in sich gekehrte Rohheit. Selten, nie bricht das Gewitter los. Alles ist wie zusammengeschnürt. Ich glaube, es geht Alles an den Pferden aus. «Du Canaille - -!» Ein Fusstritt in den Bauch. Die Canaille sitzt aber drin, im Lokal - - oder anderswo. Das arme Thier ist nur der Repräsentant. Alle Leidenschaften fliessen in diesen Kanal «Pferd».
     Ein junges Mädchen mit einem wunderschönen bleichen Gesicht, lehnt an dem Tisch, an welchem ein junger bleicher Mann sitzt.
     «Was haben Sie?!» sagte der junge Mann und berührte leise ihre schöne weisse Hand.
     «Ich fürchte mich», sagte das Mädchen.
     «Was will der dort von Ihnen?!»
     «Nichts - -! Ich glaube, er wird mich prügeln, wenn ich auf die Strasse komme. Ich traue mich nicht nach Hause. Ich brauche Keinen, der mich liebt -. Ich brauche Geld, schöne Kleider. Aber er wird mich prügeln - - -.»
     «Kommen Sie mit mir» sagte der junge Mann und erhob sich.
     Er hatte eine tiefe Sympathie für Die, die das wahre aufrichtige Wort des Inneren verkünden, und sei es brutal, wie die Natur selbst.
     «Ich brauche Keinen, der mich liebt - - ich brauche Geld, schöne Kleider.» Das entzückte ihn. Er liebte Diese, für die die Sprache Identität mit dem Gesammtorganismus war, ja, der tönend gewordene Gesammtorganismus selbst, nicht ein Instrument, wie die Flöte, die Klarinette, auf dem man beliebig spielen konnte, so oder so. Und dann legt man es weg. Man ist kein Flötist mehr. Niemand sieht es Dir an, was Du bist. Du wischst die Lippen ab und fertig. Ein Musiker bist Du - - kein Mensch! Der kann seine Musik nicht los werden, sich die Lippen abwischen - - -. Immer müssen sie sein Menschenthum singen, wenn auch ganz leise, dass kaum Einer es hört. Ist es brutal - - singe brutal!
     Aber diese Cultivirten spielen, was Du willst.
     Zuerst sei dein Wort Wahrheit! Daraus kann Schönheit erblühen - - kann.
     So dachte er das. Ihm genügte die Basis «Wahrheit».
     «So bin ich», sagte sie und das entzückte ihn.
     Er dachte dann: «Es ist die Erde in der Kreideperiode. Was weiter?!»
     So wurde er ihr Ritter, ihr Beschützer.
     Sie hängte sich in ihn ein, schmiegte sich an ihn, aus Furcht vor «Petrucchio». «Ich brauche Keinen, der mich liebt» murmelte sie.
     Es war fünf Uhr Morgens.
     Soll ich den Morgen in den Strassen beschreiben?!
     Diese arme schäbige Menschen-Frühwelt, die die süsse Bettwärme an die kalte Morgenluft abgiebt, für 30 Kreuzer, für 40, für 60?!
     Aus den Bäckerläden strömt Dir ein wunderbarer Duft entgegen.
     Was kann man da noch sagen?! Man ist nicht sehr fröhlich gestimmt.
     Es ist ein Gegensatz mit Denen, welche die Sonne erwarten können, wenn sie weisses Licht, laue Strahlen in die Strassen schüttet - - -.
     Er führte das junge Mädchen zu sich nach Hause.
     Sein Zimmerchen war klein, aber es hatte eine «Individualität». Erstens duftete es immer sehr stark nach Quittenäpfeln, welche in einer Ecke in einem Holzkübel lagen. Zweitens war es rein wie eine holländische Stube und die Fenster hatten wunderschöne breite Stores, à jour gestickt, wie alte gelbliche Brüsseler Spitzen. Drittens hing über dem Bett ein wundervoller Stich von E.v. Gebhardt's «Heiligem Abendmahl». Über den Kopf des Judas in der halbgeöffneten Thüre war eine dicke goldene Münze geklebt, mit dem wundervoll gravirten Kopfe Spinoza's.
     «Dieser tilgt die Schmach Jenes. Er deckt ihn mit seinem puren Golde, wetzt die Scharte aus.»
     Das war der Sinn.
     Der junge Mann nahm duftendes Kienholz und legte in dem breiten hellgrünen Ofen die Späne auf. Dann zündete er an und legte lose gutes hartes Holz darauf.
     Bald verbreitete sich laue Wärme und dann wurde es heiss, gemüthlich.
     Das junge Mädchen sass splitternackt in der Ecke beim Ofen.
     Der junge Mann sass an seinem Tische, ihr gegenüber und schrieb in ein Heft: «De pudore. Schamgefühl! Vielleicht ist es die Empfindung der Kluft zwischen dem, was Wir physisch sein sollten, könnten, und dem, was Wir noch sind. Wir trauern um unser eigenes Ich, das im Drang des Lebens verkrüppelt. Diese Trauer heisst «Schamgefühl». Sieh' nicht her, Mensch, wie ich bin! Wir schämen Uns alles dessen, was unser Ich zerstört, die Entfaltung gehemmt hat. Es ist die Sehnsucht, dass wir noch nicht die «Letzten», die «Gott-Gleichen»
sind - - -.
     Was verbirgst Du aber, wenn Du dein eigenes Ideal geworden bist, wenn Du in «That gewordener Idee» erstrahlst?!
     Dann bist Du im Paradies wie einst und zeigst Dich nackt!
     Das «Schöne» tödtet die «Scham»!
     Es ist vielleicht ein Gefühl, das in Uns gelegt ist, damit wir es überwinden durch unsere Vollkommenheit.
     Wenn Du das bist, was Du sein sollst, lasse die Hüllen fallen, Siegreicher!»
     «Was schreiben Sie da?!» sagte das junge Mädchen.
     Er las es ihr vor, erklärte es. «Es kommt von Ihnen» sagte er, «ich habe es nur abgeschrieben.»
     Sie sagte: «Sehen Sie, ich liebe meinen Leib, ich betrachte ihn als etwas Heiliges. Ich habe sehr viel Sorge und Rücksicht für dieses Gebilde. Zum Beispiel braucht es einen langen selbstendenden Schlaf, einfache, leicht verdauliche Nahrung und tausend andere Dinge. Wenn ich erwache, liegt mein Zimmer schon in einem guten warmen Dunst von Holzfeuer. In der Mitte des Zimmers steht eine grosse Wanne mit kaltem Quellwasser. Lustig springe ich aus dem Bette in das Wasser und liege da fünf Minuten. Dann zurück in's Bett. Ah, da dunste ich - - tausend Leben strömen in mir! Dann stehe ich auf. Das macht mir sehr viel Freude - - -. Später esse ich eine Hühnerbouillon mit drei eingesprudelten Eidottern, dann ein Seefischlein, dann Roquefort. Ich trinke nur Wasser, rauche nicht. «Sie sind der Typus einer Egoistin», sagte einmal ein Herr zu mir. Aber wem mache ich denn Vergnügen, mir oder jenen, die dann denken: «Wenn Du das bist, was Du sein sollst, lasse die Hüllen fallen, Siegreiche!»?!»
     Sie stand lächelnd da in ihrer Pracht - -!
     Er küsste sie auf den Mund.
     «Sie haben Geist» sagte er. Aber es war sein eigener.
     Er sagte: «Sie haben einen Athem wie der Duft von gekochten, noch warmen, geschälten, süssen Mandeln.
     Er dachte; «Dieser Athem ist die Consequenz des Gesammtorganismus. Um dieses Athem's willen liebe ich Dich. Er ist ein Gotteszeichen, ein wahrer Gotteshauch: «So rein kann Alles an Uns werden!»»
     Es überkam ihn die «göttliche Frohheit» über das Vollkommene. Es ist wie das Aufjauchzen des Wanderers auf dem sonnigen Berggipfel - - - höher geht es nicht! Daher die Ruhe, der Friede, das Glück! Der erfüllte Wunsch Gottes - - es giebt nichts Heiligeres! Und dieser Wunsch bezieht sich auch auf jenen «schweren Träger der Seele». Er werde schön! Man achtet ein schönes Gebilde, sucht ihm die Ewigkeit zu geben - - - aber das Unvollkommene, mag es verwüstet werden, entehrt! Was liegt daran?!
     Dieser ideale Leib, dieser urreine Athem, lösten das schäbige Gefühl der Leidenschaft, des Triebes, in die grosse Empfindung der erlösten Welt auf.
     So gingen sie schlafen wie Bruder und Schwester.
     Als sie erwachte, sass er vor ihr. Es war drei Uhr Nachmittag. Sie war ganz rosig.
     Das Zimmer lag in einem warmen Dunst von duftendem, knisterndem Fichtenholz.
     In der Mitte stand eine glänzende Wanne mit kaltem Quellwasser.
     Auf dem weiss gedeckten Tische lag in einer flachen Schüssel ein hellgrauer Branzin. In einem Glasschüsselchen flimmerte Aspik, wie Weintopas - -.
     Auf einem silbernen Tellerchen lag ein weissgrünes Stück Roquefort.
     «Oh» sagte die Langschläferin erstaunt, «Sie sind gut!»
     Sie badete fünf Minuten. Dann dampfte dieser blühende ideale Leib im Bett.
     Dann setzte sie sich nackt an den Tisch und speiste.
     Er bediente sie, wie der Leibjäger den König.
     Zum erstenmale empfand diese «Primitive» einen Mann als einen Menschen - - -. Ihm war das heilig, was ihr heilig war - - - - ihr schöner Leib. Sie empfand eine Art von Berechtigung auf seine Pflege. Es war wie ein Hauch von Griechentum - - -. Zwischen dem, wie er es verstand und wie sie, war ein Zusammenhang. Es war nicht eine Komödie, die einer vor dem andern spielte. Es war Freiheit, Verständigung. Darum emfand sie für ihn! Ja, er war durch diese complicirte Auslegung des Primitiven in ihr fast ein Erzieher. Er gab dem «schönen Unbewussten» eine philosophische Basis, eine psychologische Auslegung. Er «erkannte» das Primitive! Es hiess: «Was macht es?! Gottes Schönheit hast Du!»
     Wir können die Menschen nicht nach unserem Sinne formen, sondern nur nach ihrem. Ihr Ideal liegt in ihnen verborgen, nicht in Uns!
     Man könnte fast sagen: Erziehen heisst «organischem Wachsthum lauschen.»
     Aber diese Anderen wollen biegen, knicken, beschneiden, zerdrehen, brechen, zerstören - -! Wen zerstören sie denn?! Sich selbst! Und dann jammern sie um ihre «gemordeten Ideale».
     Beim Abschied sagte das junge Mädchen: «Schenken Sie mir diese goldene Münze auf dem Bilde - - -».
     Das war Geldgier und Neugier zugleich. Sie wollte wissen, was dahinter war.
     Er nahm das Bild aus dem Rahmen und löste die Münze ab. Da erblickte sie den Kopf des Judas.
     «Auch ein Zerstörer - - -!» sagte sie.
     «Wieso auch?! Es ist immer derselbe. Der liegt in Uns und der «Andere» auch. Das verstehen Sie aber nicht. Immer ist Einer in Uns, der den «Ideal-Menschen» in Uns verräth, verkauft, tödtet - - -!»
     Sie nahm die Münze mit dem Kopte Spinoza's.
     «Adieu» sagte sie und küsste ihn auf den Mund.
     Er fühlte wieder diesen Athem, der nach heissen, geschälten, süssen Mandeln duftete.
     «Adieu» sagte er.
     Und dann hing er das Bild zurück an die Wand über sein Bett.
     Da sassen wieder die todtraurigen Edlen mit ihrem todmüde gehetzten Edelsten, dieser Blüthe der ganzen Menschheit. Und Judas stand bleich in der halbgeöffneten Thüre, durch welche dämmerndes Frühlicht schimmerte. Der Morgen brach an - - -.
     Es war aber nicht der Morgen, der anbrach - - es war die Nacht, die hereinbrach!
 

Dialog

     Er und Sie sitzen auf der Bank in einer Linden-Allee.
     Sie: Möchten Sie mich küssen?!
     Er: Ja, Fräulein - - -.
     Sie: Auf die Hand - -?!
     Er: Nein, Fräulein.
     Sie: Auf den Mund - -?!
     Er: Nein, Fräulein.
     Sie: Oh, Sie sind unanständig - -!
     Er: Ich meinte «auf den Saum Ihres Kleides!»
     Sie erbleicht - - -.
 

Eine Scene zwischen einem Vater
und einem unvorsichtigen jungen Manne

     «Herr - - -», sagte der Vater des jungen Fräulein zu dem jungen Manne, «verzeihen Sie, Sie beginnen zu weinen über ein Buch, welches Sie da im Café lesen. Und gestern sollen Sie im Restaurant meine Tochter beleidigt haben, die Sie gar nicht kennen?!»
     «Ich sass an einem entfernten Tische. Ihre Tochter sass mit dem Rücken gegen mich, Herr -.»
     «Sie sollen eigenthümliche Blicke gerichtet haben. Ich sehe Sie weinen über ein Buch. Welches ist es?!»
     «Beatrice Harraden, Schiffe - - -.»
     «Vor allen Leuten weinen Sie?! Sie sind kein alter Mann. Geht es schlecht aus?!»
     «Jawohl. Es ist das Leben!»
     «So - -?! Ich werde es vielleicht kaufen. Die Abende sind so lang am Lande. Ihre Rekommandation bedeutet nicht viel. Warum haben Sie meine Tochter beleidigt?!»
     «Ihre Tochter sass mit dem Rücken gegen mich -.»
     «Sie sollen sie dennoch controllirt haben - -. Wie heisst das Buch?!»
     «Schiffe, von Beatrice Harraden - - -.»
     «Ist es denn so traurig?!»
     «Ja. Bernhardine stirbt unter einem Lasten-Waggon.»
     «Es ist ein brutaler Schluss. Meine Frau erzählte mir, Edith hätte auf ihre Veranlassung Platz wechseln müssen. Es war sehr peinlich natürlich. Ich kümmere mich nicht um diese Sachen. Aber da ich mit Ihnen bekannt bin - - -.»
     «Ich fühle mich schuldig» sagte der junge Mann.
     «Sie haben wegen Bernhardine geweint. War sie jung?!»
     «Natürlich.»
     «Warum legte sie sich unter einen Lasten-Waggon?! Es ist kein amüsanter Platz.»
     «Sie hatte nichts mehr zu thun. Zum Schluss hatte sie Bücher abgestaubt in der Bibliothek ihres alten Onkels. Endlich waren alle Bücher abgestaubt, Alles in Ordnung. Da begab sie sich unter den Lasten-Waggon.»
     «Meine Tochter Edith, welche neben ihrem Bräutigam sass, das heisst neben dem jungen Dr. von S., musste aufstehen und Platz wechseln. Das war sehr unangenehm. Meine Frau erzählte es mir. Ich hätte Sie nie interpellirt, selbstverständlich, wenn ich nicht gesehen hätte, dass Sie über Bernhardine weinen.»
     «Bernhardine ist eine Königin!»
     «Was kostet dieses Buch?!»
     «Broschiert 50 Pfennige.»
     «Sie fühlen sich schuldig?!»
     «Ja. Ich betrachtete unaufhörlich die Gestalt Ihrer Tochter, ihre Bewegungen, die Art ihres Sitzens. Die Herrschaften tranken Bordeaux, dann Champagner.»
     «Aber Edith sass mit dem Rücken gegen Sie?!»
     «Immerhin. Ich beobachtete ihre Bewegungen. Ich controllirte sie.»
     «Warum thaten Sie es?!»
     «Ich dachte: «Wann wird das «reale Leben» hereinbrechen?! Hier herrscht noch Gracie und Beweglichkeit. Die habe ich physiologisch bestimmt als «Sinnen-Beherrscher». Das riesige Leben liegt noch allein in den braunen Augen, in den feinen Händen Edith's. Wann wird es sich hinabbegeben, sinken, schwerfällig werden?! Die Feinde «Wein und Liebe» rücken heran!»
     «Was erwarteten Sie?!»
     «Wann wirst Du mit den Knieen deinen Herrn berühren?!» dachte ich.
     «Fand es statt?»
     «Nein. Mein physiologisches Prinzip siegte! Es siegt immer. Ich reichte ihr den Lorbeer. Da stand Ihre Frau auf und warnte das Fräulein. Sie sagte ziemlich laut: «Setze Dich nach rechts, Edith, ja, bitte -.»» «Das war sehr peinlich.»
     «Ihre Frau hielt mich für einen Fripon.»
     «Und Edith?!»
     «Das Fräulein wandte sich um nach mir und ich verneigte mich tief vor ihr mit meinen beiden Augen. Sie verstand mich nicht und setzte sich traurig nach rechts und schwieg. Aber ich rief ihr mit meinen Augen zu: «Evviva!»»
     «Es wäre fast zu einer Katastrophe gekommen. Der Bräutigam, der Herr Dr. von S. - - - -. Machen Sie doch Ihre physiologischen Studien wo anders - - -.»
     «Ihre Tochter hat gesiegt - - -! Ich reichte ihr den Lorbeer - - -.»
     «Starb Bernhardine gleich, als sie unter dem Lastenwaggon lag?!»
     «Nein, sie wurde in's Hospital gebracht. Bevor sie starb, liess sie dem «unangenehmen Menschen» sagen, er solle in den Curort gehen für Lungenkranke, Ihr zuliebe - - -. Das war auch eine Siegerin. Eine Sich-selbst-Besiegerin!»
     «War ihre Aufgabe damit vollendet?!»
     «Ja; damit war sie vollendet. Sie konnte sich unter den Lasten-Waggon begeben.»
     «Leihen Sie mir das Buch.»
     «Bitte - - -.»
     «Sie waren unvorsichtig. Es war ein öffentliches Lokal. Ich mische mich nicht in diese Sachen. Meine Frau sagte mir, dass Sie Edith controllirt hätten.»
     «Ja, ich hatte die Contrôle-Augen des Schöpfers, der herabsieht, ob in den Menschenseelen dunkle Flecken sind oder ob sie erstrahlen!?»
     «Sie sind überspannt. Ich werde Ihnen das Buch jedesfalls morgen zurückbringen. Vielleicht gebe ich es Edith zu lesen - - -.»
     «Bitte - - -.»
     «Ich werde zu ihr sagen: «Was hältst Du von Bernhardine?! Der «unverschämte Mensch» hat über sie geweint - - -.»»
 

Adagio
(Der Revolutionär geht ganz einfach spazieren.)

     Sie lebt in stiller Zurückgezogenheit bei ihrer Schwester, Frau Fabriksdirektor S., in der riesigen gelben Spinnfabrik in dem Flussthale. Tausend Spinnräder stürmen um sich selbst herum und unten übereilt sich der Fluss und stürzt sich über ein Wehr herunter und wird ganz weiss.
     Dort wohnt die junge Dame.
     Ein Dichter würde sie vielleicht approximativ in seiner überspannten Weise so beschreiben: «Tiefes Leben, das die Materie fast durchleuchtend macht, eine Vereinigung von Melancholie und Jugend, von Ergebung und poetischer Hoffnung. Das Auge sagt: «Wann kommt Es?!» und «Schlafe ich?!» Aber auf der klassischen Stirne steht das Wort geschrieben: «Friede».
     Gewöhnliche Sterbliche würden hingegen von ihr sagen: «Wirklich ein feines eigenthümliches Geschöpf -.»
     November-Nachmittag. Der Herr ging spazieren, den See entlang, den Fluss hinab.
     Wie schön, wie rührend ist das Adieu-sagen der Natur!
     Einige Sträucher sagen: «ich will nicht», andere beugen das Haupt und weinen Schnee herab. Aus den weissen Teppichen, welche über die Wiesen gebreitet sind, ragen die Gräser wie grüne Stacheln heraus, welche den Schnee durchbohren wollen. Die Birken erbleichen vor Kälte und zittern, wenn die Krähen sich auf ihnen niederlassen. Im Walde an der Berglehne sind alle Braun und Roth und Gelb der Welt. Eine junge Buche ist sogar chokoladefarbig und ein alter Ahorn hat die Farbe und den matten Glanz von englischen dog-skin-Handschuhen. Die weissen Nebel liegen über dem See wie ein Meer, ziehen sich langsam in die Länge, leuchten in der Herbstsonne und wehen und wallen - - -. Man kann von ihnen sagen wie vom Meere: «Sie sind immer gleich und immer anders.»
     Manchesmal stürmen sie daher und manchesmal ist Friede. Ruhig schwimmen sie dann hin und her, hängen sich an die Spitzen der Fichten an und wiegen sich - - -.
     Der Herr ging den Fluss abwärts.
     Auf den Wiesen lagen eingeweichte graugrüne und braungrüne Blätter, welche der Schnee abgeschlagen hatte. Eigentlich hatte er sich in dicken Häufchen auf sie gelegt und sie herabgedrückt. Unten aber bekam er sie ganz in seine Gewalt.
     Er sog sich in sie hinein und zerknitterte sie wie feuchtes Seidenpapier.
     Weisse Nebel schwammen den Fluss herauf. Zwei kleine schwarze Vögel schossen in dem kalten weissen Dampfe hin und her. Sie schrieen vor Liebe und begatteten sich im Fluge. Es waren Wasser-Amseln.
     Der Herr stand da und gab der Natur seine stumme Liebe, welche sie schweigend annahm. Da traf er die junge Dame, welche in die Fabrik ging.
     Zwischen den kleinen schwarzen Vögeln, welche vor Liebe schrieen und der Natur, welche schweigend die Liebe des Herrn hinnahm, liegt ein Drittes, eine Art idealer Vereinigung Beider.
     Die junge Dame fühlte: «Erwache ich?!»
     Der Herr lehnte am Fluss-Geländer und blickte ihr nach, bis sie in der riesigen gelben Fabrik verschwunden war, in welcher tausend Spinnräder um sich selbst herum stürmten.
     Er dachte: «Wirklich ein feines eigenthümliches Geschöpf - - -.»
     Er stand bei der riesigen gelben Fabrik, in welcher tausend Spinnräder um sich selbst herum stürmten und wo der Fluss sich übereilte und über ein Wehr hinunter stürzte und ganz weiss wurde.
     Er stand da und gab der Natur seine stumme Liebe, welche sie brausend annahm.
     Das Fräulein in der Fabrik dachte: «Wie diese Spinnräder heute schön singen - - -!»
 

Ein letzter Brief
(An den Revolutionär.)

     Mein Freund!
     Vertrau'n, Vertrau'n, wer giebt es mir?! Der Mensch?! Das Wort?! Der Blick?! Die That?! Mein Wunsch und meine Sehnsucht?! Das, was in Dir ist oder was in mir?! Wenn es nicht ist, wie machst Du, dass es sei?!
     Ihre Briefe, Ihre Liebe, mein Freund, sind fast zu schön, um wahr, wirklich zu sein.
     Wie in himmlischer Glorie strahlt Alles!
     Ich habe die Empfindung: «Deine menschliche Verehrung ist die nachgeborene bleiche Tochter rosiger künstlerischer Begeisterung!» Aus Höhen kam es, fühl' ich, ja, aus Höhen! Aus deinen Höhen, Albert, nicht aus meinen!
     Aber die künstlerische Begeisterung hat andere, hat höhere Zwecke als den Menschen mit seinen Unzulänglichkeiten, ja, sie hasst ihn, wenn er sie hemmt und stört, sie liebt ihn nur, wenn er sie fördert! Und so erlebt dieser ein Leid, das ihm die gütige Natur im voraus, warnend, als Misstrau'n in die Seele senkte. So kommt's zum Leben, davon lebt es, Herr!
     Glauben Sie mir, Albertus, die Welt, deren Sonne Sie mich nennen, die Welt, in die Sie sich träumend eingesponnen, ist Ihnen theurer als der Mensch, der diese ihre schöne Welt erweckte. Wehe der Armen, die ihre «Sonnen-Mission» anders erfasste und sich in kindlich heldenhafter Kühnheit eine andere je zutraute! Für Künstlermenschen muss das Weib aus dämmerigen Fernen ihren milden geheimnissvollen Schein verbreiten. Petrarka's Laura, Tasso's Lenore, Diotima, Vittoria Colonna, sie standen fern und darum ewig nah!
     Was im wirklichen Leben die Erfüllung, das ist im künstlerischen der Tod!
     Je ferner Du ihm bleibst, desto tiefer erfüllst Du seine Seele, desto näher bist Du ihm. Und nahst Du Dich, so rückst Du in die Ferne!
     Sei wie der Lerchensang, der den Frühling in's Land ruft - - - - -
     Wenn Alles blüht, mag er verstummen, sterben - - -!
     An seinem Frühlings-Saftstrom mögen Wir Antheil haben - - -. Des Sommers reife Frucht zeugt Er allein!
     Wir aber wollen leben, leben, und nach den Frühlingstürmen unseren Sommerfrieden haben!
     Und wieder nicht. So schön zu sterben ist vielleicht ein Leben! Vielleicht ist's menschlicher, dass unser Seelen-Tod sein künstlerisches Leben, als dass sein Künstler-Tod für Uns das Leben sei.
     Und doch - - - Wir wollen leben, leben, denn das Leben liegt in Uns.
     Ah, Künstlermensch, Vampyr, such' deine Opfer unter Jenen, die Nichts mehr zu gewinnen, Nichts zu verlieren haben!
     Und dennoch wieder, was sind Wir jenen Anderen?! Mich
schaudert - - -.
     Wir können nicht hinauf mehr, noch zurück. Erbarmen!
     Doch wie zusammenkommen?! Wie vertrau'n?!
     Sie wollen einen Traum - - - und Wir ein Leben. Wenn Ihr erwacht, so habt Ihr nur geträumt. Ein neuer Traum beginnt ein neues Leben!
     Wenn Wir erwachen, haben Wir gelebt! Dann kommt das
Sterben - - -.
     Wir aber wollen leben, leben, leben, da doch das Leben in Uns liegt und träumt vom Wachen!
     Und unser Leben ist ein Jahr. Ein Frühling nur, auf den ein Sommer folgt und dann die Frucht, in Lebens- Lust gezeugt, in Lebens-Müh' gezogen, und dann Winter.
     So sind Wir arm. Ihr aber, Ihr seid reich! Ein Frühling folgt dem ander'n, reifem Sommer folgt ein todter Herbst, doch lass' es nur, gleich kommt ein anderer wieder, der lebendigen bringt. Und immer kann es wieder Winter in Euch werden und immer Frühling. So lebt Ihr hin - - -. Da können Wir nicht mit und müssen sterben - - -.
     Ruhe thut Noth und Sammlung - - -.
     Wo führt mein Weg?! Wer weist mir meine Bahn?! Wer zeigt mir meinen Stern?! Wer meine Erde?!
     Der nur das Leben träumt, kann mir nicht Leben geben - - -. Und der es lebt, der nimmt mir meinen Traum!
     In Uns allein ist Traum und Leben Eines!
     Doch euer Zwiespalt löst die Einheit Uns! Wohin verirr' ich mich?! Albertus - - -! Oh, Albertus!
- - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Sei wie der Lerchensang, der den Frühling in's Land ruft - - - - -.
     Wenn Alles blüht, mag er verstummen, sterben - - -.

     Wir aber wollen leben, leben!!
     Marthe-Marie

 
Der Revolutionär dichtet

     Der Revolutionär schrieb einmal sieben ganz kleine Sachen auf, welche den Titel hatten «Wachsthum», «Le coeur», «Genie und homme médiocre», «Fidélité», «Nacht-Café», «Wahrheit», «De amore».
     Hier sind sie:

Wachsthum

     Es giebt drei Dinge, welche Uns in die Lage bringen, über uns selbst hinaus wachsen zu können: die Einsamkeit, die grossen Bücher, das heisst der gedruckte Geist, die gedruckten Herzen grosser Menschen; und die Natur.
     Die Menschen, welche sich von diesen Dingen beeinflussen lassen und gleichsam unter diesen drei Sonnen wachsen, nennt man «Sonderlinge», «Schwärmer», «Unbrauchbare».
     Die Anderen, die, welche nicht wachsen, nicht einmal unter der einen Sonne, welche Allen zur Verfügung steht, nennt man «die thätigen Weltbürger».
     Sie stehen ganz einfach nicht unter dem verderblichen Einflusse der drei Sonnen: Einsamkeit, Buch und Natur!

Le coeur

     Valle di Raccolana, via Tarvis-Chiusaforte.
     Gerölle, Gerölle, Gerölle - - -.
     Der Kohl wächst nur mit Aussenblättern. Die Natur wahrt vor Allem mühselig die Form! Dazu hat selbst das Gerölle Kraft!
     Das Herz kann sich nicht bilden - - - im Kohle des Valle di Raccolana, via Tarvis-Chiusaforte!

Genie und «homme médiocre»

     Professor M. zu dem jungen Pasteur: «Ich muss leider constatiren, mein lieber Pasteur, dass, nach den streng logischen Forschungen, welche ich diesem Gegenstande wenn auch resultatlos gewidmet habe, Sie nur auf dem Wege einer durch Nichts begründeten vorgefassten Meinung zu diesem allerdings richtigen und überraschenden Resultate gelangt sein können!
     Ich bedaure Sie, Herr Pasteur, trotz Ihrer sonst glänzenden
Vorzüge - - -.
     Sie mögen ein Philosoph sein, ein Dichter - - ein Mann der Wissenschaft sind Sie nicht!!»

Fidelité

     Treue! Mann, sei treu! Dem eigenen Wachsen, dem eigenen Werden und der Weltenschönheit!
     Sei treulos dem Stillstand deines Geistes, deiner Seele und Allem, was müd und hässlich wird!
     Weib, sei treu! Deiner Sonnen-Mission, zu wärmen, zu leuchten!

     Armselige Göttinnen, an deren verwaisten Altären monsieur le mari seine zweifelhafte Andacht verrichtet! Nur Dichter können beten, das Haupt neigen und weinen - -.

     Gehört die Almwiese dem Hias'l, der sie bewirthschaftet?!
     Sie gehört dem Wanderer, der sie empfindet!

     Ihr Comfortable-Rosse der Liebe, mit den Scheuledern vor der Seele, damit sie auf der breiten Landstrasse des Lebens forttrotte - - - le!
     Comfortable-Rosse der Liebe, wie leicht findet Ihr euren Weg, während der edle Trakehner «Künstler- Seele» in die pfadlose Ebene hinaussprengt!

Nacht-Café

     Warum lächelt Cäcilia, wenn sie mich grüsst -?!
     Warum lächelt Bertha, wenn sie mich grüsst -?!
     Aber warum liegt dein süsses Antlitz in dunkler Ruhe, wenn Du mich grüsst, Camilla - - -?!
     Gesunken - - gesunken!
     Rasch ist ein Gott in Mensch-Werdung gestorben -
     Langsam ersteht in Gott-Werdung der Mensch!
     Langsam - - langsam.
     Wohin blickst Du, Camilla, Du Aschblonde, Du Zarte - -?!
     Senkst Du deinen Blick, den müden, dunklen, in die weissen Tage deiner Kindheit, damals, als Du im Garten unter den Obstbäumen Blumensamen eingrubst und deine Blumen dein Glück, deine Liebe waren -?!
     Da standest Du, Du mit deiner zarten Gestalt, mit deinen feinen weissen Händchen und Füsschen, mit deinem Antlitz, das Gott geweiht zu haben schien zur Reinheit, da standest Du zwischen deinen Blumen, in deinem stummen kindlichen Glück - - -.
     Und wie Du so dastand'st, zwischen deinen Rosen, deinen Nelken, in deinem stummen kindlichen Glück, da begann ein Engel droben im Himmel bitterlich zu weinen.
     Und Gott, der ewig milde Vater sagte: «Engel, warum weinst du?!»
     Und der Engel zeigte hinab.
     Da sah Gott einen grossen, grossen Garten voll von Obstbäumen. Unter jedem Baume wuchs eine Blume.
     Und ein kleines Mädchen, mit einer zarten Gestalt, mit feinen weissen Händchen und Füsschen, mit einem Antlitz, das geweiht schien zur Reinheit, ging von einer Blume zur anderen und berührte leise die Blüthen, die Blätter - - in ihrem stummen kindlichen Glück.
     Sie stand da, in dem grossen Garten, schön und einsam, und ihr kleines Herz war voll von Rosen und Nelken.
     In der Ferne aber lag das Leben, das schwere dunkle Leben - - -.
     Da wusste Gott, warum der Engel so bitterlich weinte - - -.

Wahrheit

     Einer nach dem Andern von den jungen Männern fiel ab von der Stolzen, welche ihr Selbstbewusstsein knickte und sie demüthigte.
     Nur Einer blieb, in Betrachtung ganz versunken.
     «Kann man Sie mit Nichts verletzen, Sie Hündischer?!»
     Er schwieg, in Betrachtung ganz versunken -.
     «Kann man Sie mit Nichts beleidigen, Sie Hündischer?!»
     «Es gäbe ein Mittel, ein einziges!»»- - -?!»
     «Kaufen Sie in einer Droguerie eine Flasche Schwefelsäure und überschütten Sie damit Ihr Antlitz und Ihre Hände.»
     Sie erröthete.
     «Ist das die Liebe?!» dachte sie.
     Nein, die Liebe war es nicht.
     Denn die Liebe ist eine kleine verlogene Sache, adaptirt für die Frauen, welche über die Schönheit hinaus in Seelen-Versorgung kommen wollen.
     Das aber war eine grosse wahrhaftige Sache. Die Schönheits-Liebe!
     Es war die Wahrheit selbst, kalt, gross, leuchtend, tyrannisch!!

De amore.
(Ich liebe Dich. - Ich hasse Dich. - Ich liebe Dich.)

Ich liebe Dich

     Ich liebe Dich. Ich liebe deine hellblauen seidenen Socken. Ich liebe deine zarten weissen Battistkleidchen. Ich liebe deine seidenen Gürtel mit den langen wunderbaren Schleifen. Ich liebe Dich.
     Ich liebe deine drei von Dir geliebten Puppen, Mildred, Baby und Dorothy, welche Du an dein Herz drückst und zu welchen Du sagst: «Ihr macht mir viel Kummer, meine Lieben, wisst Ihr das?! Immer gleich verdrückt und schiefe Hüte - - -!»
     Ich liebe Dich. Ich liebe den Duft deines Zimmers, deines Kleiderschrankes, deines Bettes. So duften die Rinden der Bäume im Vorfrühling, wenn noch kein Laub ist und alle Kraft im Baume drinnen liegt. Ich liebe Dich.
     Ich liebe Dich, wenn Du gestraft wirst und Du eine Thräne wirst, wie Daphne ein Baum.
     Die Grossen weinen. Aber die Kleinen werden Thränen.
     Ich liebe Dich. Noch lehnst Du lächelnd an dem Thor des Lebens. Ich liebe Dich.
     Weltenweisheit hast Du - - - da Du noch nichts weisst.
     Pallas Athene Du! Unbeirrten Auges thronst Du auf dem weissen Throne deiner Kindlichkeiten! Ich liebe Dich.
     Ah, melde mir die Nacht, in der die grausame verzerrungsfreudige Natur zum Weib Dich macht!
     Dann will ich Abschied nehmen - - - von meiner Liebe.

Ich hasse Dich

     Ich hasse Dich, Geliebte! Ich hasse deine schönen seidenen Blousen, die deines Athmens Wellenschlag mir weisen und meiner Sinne «griechisches Lächeln» zum Ernste des Barbaren zwingen. Ich hasse Dich.
     Ich hasse deiner Worte Willkürherrschaft, die mich erbleichen und erröthen machen, krank und gesund, blöde und weise. Ich hasse Dich.
     Ich hasse deine Schönheit. Deine Schönheit hass' ich, die mir Ersatz für Weltenschönheit wird und so mit Blindheit schlägt mein Weltenauge.
     Ich hasse deiner Stimme holden Klang, der mir Beethoven's Symphonieen leer macht und so mein Ohr betrügt um Welten-Klänge! Ich hasse Dich!
     Ich hasse Dich, die meine Weltenkräfte, die zersplittern und verkommen wollen, allzu sorglich ins Dienstesbette drängt.
     Vorsorgliche! Gescheite! Ich hasse Dich.
     Ich hasse Dich, «fixe Idee meiner Seele»!
     Ich hasse Dich, wenn Du mir sagst: «Komm' wieder», ich hasse Dich, wenn Du mir sagst: «O bleib'». Denn ich, ich komme wieder und ich bleibe. Beschränktheit meiner Schrankenlosigkeiten! Ich hasse Dich!
     Ich hasse deine Tugenden, die mich rühren, ich hasse deine Fehler, die mich nie verletzen.
     Ich hasse dein Erröthen, das mich selig und dein Erbleichen, welches mich besorgt macht. Ich hasse Dich, dass ich auf diesem geliebten Antlitz die Runen schwerer Stunden ängstlich lese.
     Die grenzenlosen Kräfte meiner Seele vermählen sich dem All nicht, sie treiben Ehebruch mit deinem Herzen, o Geliebte!
     So hass' ich Alles, was ich an Dir liebe. Ich hasse Dich! Weltendummheit hast Du! Denn Du fühlst in mir des Weltenganzen einfachen Vertreter, das Weltgebilde, das Du nicht begreifst, in einem Weltextracte, den Du fassen kannst.
     Ich aber bin es nicht. Ich kann es werden. Doch nicht bei Dir und nicht durch Dich, Geliebte! Nur durch die Weltenschönheit kann ich's werden, die mit dem Kreidewald und Farrenwald begann und weiterzieht bis zu den letzten Stunden.
     Durch Weltenschönheit kann ich's werden, die ihrer Kräfte endelose Ströme durch meine heiligen Augen in mich ergösse, und ich, ich tränke sie und machte sie zu Blut, zu Geist!
     Doch deine Ströme, o geliebteste Geliebte, machen mich nur zum Herren des Alltages, der zeugt und stirbt.
     Ich hasse Dich! Indem Du mich von meinem Weltenwege ablenkst, zeigst Du den kargen Weg mir, der vielleicht mir ziemt. Und weist mit deines Leibes griechischer Schönheit den kleinen Kreislauf, der dem Schwächeren frommt! Wer Ruhe sucht im Weibe, ist kein Wanderer!!
     Und doch! Geliebte Reichmacherin, die Du mir die Welt verarmst!
     Siehe! Des fremden Kindes Lächeln muss mir theurer bleiben als meines eigenen Lachen!
     Weib, verstehst Du das?!!
     Denn meine väterliche Liebe reicht gerade aus für alle Kinder, die da sind und die da kommen werden, wenn sie nur schön sind und der Frühling sind.
     Tausendfach armselig, tausendfacher Un-Mann, wer da fühlt, dass er, um seines Herzens Vaterliebe anzubringen, sich erst ein Wesen schaffen muss dazu!!
     Du aber bleibst, Geliebte und Gequälte, die heilige Jungfrau-Mutter! Und sonst nichts.
     Geliebte Lügnerin, die Du mich leitest zu Höhen, um mich zu deinen Höhen nur herab-zuleiten! Ver- Führerin! Ich hasse Dich.
     Ah, melde mir den Tag, da ich Dich nicht mehr liebe - - - - dann will ich Abschied nehmen - - von meinem Hasse!!

Ich liebe Dich

     Sie: «Wie werden Blätter gelb?!»
     Er: «Das grüne Chlorophyll des Blattes verwandelt sich in Gelbstoff, Xantophyll, unter dem Einflusse der Kälte.»
     Sie: «Wie werden Blätter roth?!»
     Er: «Das grüne Chlorophyll des Blattes verwandelt sich in Rothstoff, Erythrophyll, unter dem Einflusse der Kälte.»
     Sie: «Und schwarz?!»
     Er: «Das ist das Sterben des Blattes. Wenn es nicht mehr Kraft hat, Farben umzuwandeln, wird es schwarz.»
     Sie: «Und Blätter werden Erde?!»
     Er: «Ja. Der Schnee zermürbt sie, präparirt sie vor.»
     Sie: «Lehre mich Botanik. Aber nicht wie in der Jugend, wie viele Staubgefässe jede Blume hat, wie sie lateinisch heisst, wo man sie findet. Lehre mich das Tiefe, wie sie wird und stirbt und niemals aufbegehrt und wieder wird und stirbt und wieder stirbt und dann doch auflebt - - -.»
     Er: «Anatomie, Physiologie der Pflanzen?!»
     Sie: «Ja, das.»
     Er: «So komm'. Es ist zu kalt zum Sitzen im Freien. Und wir sind in Jahren - - -. Wir brennen Holz im Ofen und ich lehre Dich, wie junge Stämme ihren Ring ansetzen. Vor Allem, weisst Du, wenn im ersten Frühjahr - - -.»
     Und sie ging schweigend, lauschend neben ihm.
 

Keim einer Tragödie
(Der Revolutionär macht in Idylle.)

     Als Er sie kennen lernte, war sie wie die Apfelblüthen. Ganz so. Aber sie wusste es nicht.
     Und Er sagte zu ihr: «Sie sind wie die Apfelblüthen - - -.»
     Abends sagte sie zu ihrer Mama: «Er sagte zu mir, ich sei wie die Apfelblüthen - - -.»
     Die Mutter passirte wie im Fluge ihr ganzes Leben und sagte ruhig: «Reibe deine Hände mit Glycerin ein. Wirklich wie wenn Du am Felde arbeiten würdest - - -.»
     Eines Tages sagte Er: «Kann man tausend Jahre so wegwischen?! Die Rasse liegt in den Händen - - -. Franz Liszt, Rubinstein, die
Menter - - -.»
     «Oh - -» sagte die Mutter der Apfelblüthe, «gerade Diese?! Natürlich, wenn man täglich zehn Stunden übt - - -!?»
     Die Apfelblüthe kochte draussen eine Crême d'oranges für Ihn, schonte nicht ihre Hände.
     «Nein, nach dem Kochbuche?! Keineswegs. Da verlasse ich mich ganz auf mein Genie. Nicht, Marie?!»
     «Ja, Fräulein, aber zweieinhalb Dotter - - -.»
     Das Fräulein fühlte: «Mein lyrisches Gedicht ist es an Ihn, welches ich verfertige!»
     Er sagte eines Tages zu ihr: «Ihr Herz ist durchsichtig, wie ein Kristall. Ich sehe, wie es arbeitet.
     Es treibt wie eine Pumpe Güte und Milde in Ihren Gesammtorganismus. Sie - - -.»
     Beim Souper aber sagte Er: «Messer und Gabel halten?! Nein, das ist Sache des Genie's. Ich habe ein Negermädchen gekannt, welches sein ganzes Leben lang mit den Fingern gegessen hatte und dennoch alle englischen Prinzessinnen übertraf. Die Grazie - - -.»
     Die Mutter sagte verlegen: «Crême d'oranges und Crême
d'oranges - - - wird es Ihnen nicht fade?!»
     «Nein - -» erwiderte Er und sah das junge Herz von Kristall, wie es gleich einer Pumpe Güte und Milde in den Gesammtorganismus trieb.
     Und Er sagte leise zu ihr: «Liebste, Süsseste - -.»
     Die Mutter sass da und passirte wie im Fluge ihr ganzes Leben - - -. Und dann dachte sie an die englischen Prinzessinnen am Hofe der Königin, vor welchen die Lords das Knie beugten und welche Messer und Gabel hielten wie Sarasate seine Geige und welche Finger hatten wie Spinneweben und Mondesschimmer - - -.
     Alle schwiegen.
     Er blickte auf den gelben Hügel aus Obers, Eidotter und Orangensaft, welcher gleichsam in Liebe erstanden war!
     Das Mädchen aber fühlte: «Womit beschäftigt Ihr Euch?! Wie alte fade Philosophen seid Ihr. Sokrates oder was weiss ich. Wie wenn Ihr irgendwohin versinken würdet. Ganz verlegen seid Ihr. Wie wenn man stolperte. Dennoch hat Er zu mir gesagt: «Berg-Kristall». Berg-Kristall! Wie Quellwasser ist es, zur dritten Potenz erhoben. H2O zur dritten ist Berg-Kristall! So bin ich, ich, ich. Denn Er hat es mir gesungen - - -!»
     Abends sagte die Mutter: «Du, reibe doch deine Hände mit Glycerin ein. Wirklich wie wenn Du am Felde arbeiten würdest - - -.»

     Eines Tages sagte Er: «Die Meisten sind nur für Augenblicke das, was Gott in Dieselben hineinlegte. Wie der Auerhahn am frischen März Morgen auf dem Fichten-Aste! In diesen heiligen Momenten ihres sonst heidnischen Lebens sehen sie und spüren sie nichts mehr. Wie Poeten, die gänzlich verzückt sind! Wie der Auerhahn am frischen März-Morgen auf dem Fichten-Aste! Immer lebt Dieser in düsterer Waldung und äst und äst. Aber eines Morgens wird das Vieh zum Dichter. Auf dem Fichten-Aste bäumt er und singt. Das Auer-Mädchen lockt er, bethört es. Denn er bedarf ihrer! Herrliche Strophen singt er von Liebe in die frische Morgendämmerung hinein, mit prachtvoll gesträubtem Gefieder. Und sieht nichts und hört nichts und ist ganz Liebe. Aber nach diesem März- Morgen verstummt er. Weiter lebt er in düsterer Waldung und äst und äst. Wir aber sind keine Auerhähne mit gesträubtem Gefieder. Wen brauchen Wir zu bethören?! Nicht für Minuten werden wir zu inneren Dichtern. Wir sind es! Ein Leben lang! Keine Räusche machen Uns blind und taub. Durch-Schauende, Fern-Hörende bleiben Wir. Wir leben in schrecklicher und tyrannischer Ruhe. Wir berauschen Uns nicht an Uns. Nüchterne Berauschte sind Wir!! Nichts macht Uns zu wahnsinnigen Sängern. Denn Wir sind selbst ewig die «Mensch gewordenen» Symphonieen Beethoven's? Wer kann Uns singen, wer verstummen machen?! Uns Welt-Gesänge?! Ihr?!
     Kron-Wächter der Ideale sind wir. Vehm-Richter der Unzulänglichkeiten. Unsere Seele guillotinirt und setzt auf Throne! Ha ha ha ha - - - keine März-Morgen haben Wir auf dem Fichten-Aste!»
     Die Mutter sagte verlegen: «Wie schön Sie sprechen! Wie schwungvoll - -!» Wie wenn sie es oratorisch nähme und nicht nach seinen Abgründen. Dann verstummte sie, wie ein alter trauriger und unbehilflicher Vogel. Sie passirte wie im Fluge ihr ganzes Leben - -. Sie wagte es nicht, zu ihrer Tochter hinzusehen mit ihren schweren rothen Händen ohne Anmut.
     Siehe! Diese aber sass da wie gefeit!! Wie Sebastianus Sanctus! Die Pfeile verbogen sich an ihrem festen Herzen, brachen die Spitze und fielen ihr zu Füssen, wie Spielzeug-Pfeile aus Papier-maché!
     Und der Herr sagte wieder sanft zu ihr: «Liebste, Süsseste - - -» und wusste nichts mehr von ihren schweren rothen Händen und wusste es dennoch!
 

Bei dem Photographen
(Man erfährt den Namen des Revolutionärs.)

     Sonntag Vormittag. Sie gingen zusammen zum Photographen. Sie machten lange feine Schritte. Er trug einen Cylinder, the Elite, finest quality, Manchester, sie Rohseide mit goldener Seide bestickt und ein gelbes Hütchen mit goldenen Seiden-Pommerln.
     Andere Leute machen Landparthieen, stürzen zu den Tramway's, die lieblich klingeln, oder steigen elastisch, schwingen sich gleichsam, in lackriechende Fiaker und fahren hinaus «diniren». Draussen haben die Laubbäume hellgrüne Knöpfchen und die Luft ist balsamisch, gereinigt, wie die Haut nach einem Bade.
     Diese Beiden aber gingen mit langen feinen Schritten zum Photographen.
     Es war wunderschön, ausserordentlich gemüthlich, so auf den schattigen Trottoiren hinzuschreiten.
     «Die Stadt hat auch ihre Poesie - - -» dachte sie gleichsam zur Entschuldigung.
     Da kam Albert Königsberg, furchtbar légère angezogen, grau in grau.
     «Der hält Nichts von Uns - - -» dachten die Beiden, «aber bequem geht er angezogen. Das hat er von seiner Freiheit. Er ist ein Aggressiver, wozu?! «Heda, was seid Ihr - - -?!» heisst es immer bei ihm.
     Das steht sogar auf seiner grauen Krawatte geschrieben. Wie ist sie geschlungen?! à la Königsberg! «Guten Morgen, Königsberg!»
     «Wir gehen zum Photographen - - -» sagte die Dame, «kommen Sie mit!»
     Eigentlich genirten sie sich jetzt, zum Photographen zu gehen. Es war nicht mehr diese leichte dumme Freude. Sie hätten lieber gesagt: «Wir fahren auf's Land, in die Natur - - -.»
     «Sie machen lange feine Schritte, Fräulein - -» sagte Königsberg, «Sie sind wie ausgeturnt, die Beine schreiten aus, der Oberkörper bleibt ruhig, vornehm. Ihr schreitet ein festgefügtes Duo.»
     «Wie mild Du heute bist - - -» sagte der junge Bräutigam und war misstrauisch wie ein Apache- Häuptling.
     Der eine Part des Duo kaufte bei einem Weibe dunkle Rosen und gab sie dem Prim-Part.
     Er hatte drei Empfindungen: «Zwei Kronen in dieser warmen Jahreszeit für Rosen?!» und «Es macht Dir Vergnügen» und «Was hält Königsberg eigentlich davon?! Bin ich der «Poesie» zugänglich oder ist es verächtlich?!»
     Königsberg dachte: «Sie hat elastische Beine, diese junge Braut - - -.»
     Beim Photographen roch es nach «Photographen». Die Tapeten waren japanisch und Alles war wie bei einem genialen Tapezirer.
     «Wir gehören doch zur Kunst, doch und doch -» schrieen diese überladenen Räume. Sie mussten eben ein Übriges thun und vor künstlerischem Geschmacke strotzen.
     Das Duo stieg langsam die schmale Holztreppe hinauf in's Allerheiligste mit den Glaswänden und den blauen Vorhängen.
     Königsberg sass unten in einem Prachtfauteuil und hielt die Rosen der Braut auf seinem Schoosse.
     «Die Stengel sind warm von ihrer Hand - -» fühlte er.
     «Da stehen sie oben» dachte er, «und der Charlatan richtet sie zur Liebes-Pose her, légère und doch zärtlich - - -.»
     Die Butzenscheibenfenster standen offen und in dem kleinen Gartenhofe sprang ein blondes verwachsenes Mädchen über eine Springschnur, die zwischen einem Baume und einem Sessel befestigt war. In dieser Bewegung war ihr Glück. - - -.
     Königsberg begann zu träumen - - -.
     «Ich würde den Kopf der Braut bis knapp zum Hals photographiren lassen - - -.» Und dann dachte er sich etwas sehr Excentrisches aus - - -.
     Endlich kamen die Beiden herunter.
     Er war wie nach einem lateinischen Pensum, exhaustus.
     Er dachte: «Wenn es Ihr Vergnügen macht -.»
     «Ich habe mich im Profile aufnehmen lassen» sagte sie, «ich will wenigstens auf den Bildern hübsch sein - - -.»
     Sie sagte das ganz frei, so wie ihr Gang war -.
     «Königsberg, welcher von diesen Köpfen entspricht Ihrem Ideale?!» sagte sie.
     Der Bräutigam dachte: «He, ich habe eine gebildete Braut - - -.»
     Königsberg nahm ein Bild von dem Tische.
     «Das ist ja ein Kind von zwölf Jahren - - -» sagte sie.
     «Ja - -» sagte er einfach. «Ist das nicht ein Mensch?! Vielleicht nur dieses.»
     Sie betrachtete das Bild und legte es weg.
     Dann nahm sie es wieder - -: «Ein Kind - -. Aber schön ist es.»
     «Gehen wir - -» sagte der Bräutigam, «hier ist keine Ausstellung - -.»
     «Meine Rosen - -» sagte sie.
     Sie lagen auf dem Fauteuil.
     «Er hält Nichts von Uns - - -» dachte der Apachehäuptling, «ist es ein gesunder Umgang?!»
     Sie gingen wieder auf den schattigen Trottoirs. Vor den Caféhäusern standen dunkle Oleanderbäume und in der Ferne klingelten die Tramway's.
     Beim Abschied sagte Königsberg: «bitte, grüssen Sie Ihre liebe Schwester von mir - - -.»
     Sie nickte.
     «Richte den Gruss nicht aus - - -» sagte der Bräutigam, als sie allein waren.
     «Königsberg lässt Dich herzlich grüssen - - -» sagte sie zu ihrer bleichen Schwester und küsste sie zärtlich.
 

Sommer-Nachmittag
(Der Revolutionär weckt schlummernde Welten.)

     Königsberg lag in der rothen Veranda, rauchte Cigarrettes des Prinzesses.
     Es roch nach Rosen und Gras.
     «Alles ist hier müde» fühlte er, «in diesem feinen Landhaus. Die junge Hausfrau ist wie erschöpft. Nur die goldenen Haare sagen: «Wir bezauberten, belebten - - -!» Der Hausherr ist geduldig, müde. Wie ein Arbeiter ist er, der tausend Fuss unter der Erde Kohlen schleppt. Der Garten sogar ist müde, nicht fertig geworden, Rosen blühen neben Petersilie, dann kommen feine Pflanzen in Töpfen aufgereiht, dann dunkle Büsche von Spiréen, dann Feld, dann hellrosa Beete mit unbekannten Blumen, dann eine Bank mit Aussicht auf die Hügel. Das bleiche Stubenmädchen schleicht herum, schaukelt stundenlang die Kleine in der Hängematte. Das wunderschöne Kindermädchen liebkost den riesigen Kettenhund, der Alle beisst. Ich glaube, er möchte sie besitzen, kränkt sich, dass sie keine Hündin ist. Eine müde Welt, Keiner hat sich ausgelebt -.»
     Königsberg schläft ein im Dufte von Rosen und Gras.
     Das Stubenmädchen und das Kindermädchen sitzen in der unterirdischen Küche.
     «Der Herr Königsberg ist ein komischer Mensch» sagt das Stubenmädchen, «wie ein Schauspieler! Möchtest Du bei ihm in der Veranda liegen?!»
     Das wunderschöne Kindermädchen sagt: «halte das Maul.»
     Das Stubenmädchen: «Schläft er?!»
     «Er wird rauchen. Er hat zu mir gesagt: «Der Hund ist in Sie verliebt, Tonietta.» Dann hat er von einer Schimpansin Maja gesprochen, welche seine Hand geküsst hat im Thiergarten. «Dieses Thier hat eine liebevolle Geberde gehabt» sagte er, «diese edlen Geschöpfe sterben meistens an Schwindsucht.»
     «Wie muss er unserer Frau vorkommen?!» sagte das Stubenmädchen.
     «Oh, warum?!» sagte das Kindermädchen, «Aber unserem Herrn?!»
     Nach zwei Stunden erwachte Königsberg. «Ich habe Wiesen eingeathmet» fühlte er.
     Besuch sass im weissen Gartenzelte. Eine edle Dame mit einem französischen Strohhut mit lila Georginen, und ihr fünfzehnjähriges Töchterchen.
     Königsberg begleitete das Fräulein durch den Garten, zeigte die Schönheiten.
     «Es ist wie zwei Gärten, eines Kunstgärtners und eines Handelsgärtners» sagte das Fräulein, «und dann ist es wie gar kein Garten, offen - - -.»
     «Es ist wie die Welt - - -» sagte er.
     Sie kamen auf das Feld und in das Spiréen-Gebüsch mit den schmalen Kieswegen. Ihr Kleid rauschte. Dann kamen sie zu der Bank mit der Aussicht auf die Hügel. Ganz abgeschlossen waren sie.
     Sie errötete, ihr edles Blut strömte an die Oberfläche des reinen süssen Leibes - - -.
     «Ein komischer Garten» sagte sie, «wie verwildert, wie ein Roman.»
     Tausend Leben strömten in Ihm. Er sah diese süsse zarte geschlossene Seele und beugte gleichsam das Knie vor ihr.
     Später sagte ihre Mama: «Ein komischer Mensch ist Herr Königsberg, wie ein Schauspieler. Moquirt er sich?!»
     Das junge Mädchen fühlte: «Er hat das Knie vor mir gebeugt - - -! Ein komischer Garten ist es - -. Herr Königsberg, küsse meine geschlossenen Augenlider - -!»
     Das Kindermädchen ging Abends zu dem Kettenhunde, welcher sich ganz ausstreckte und sich das weiche Fell streicheln liess.
     «Er liebt mich wirklich - -» dachte sie.
     Sie lächelte über sich selbst. «Herr Königsberg liebt die Maja» dachte sie.
     Die unbekannten hellrosa Blumen dufteten, über dem Felde lag weisser Erd-Hauch.
     Die junge Hausfrau sass mit ihrem Gatten auf der Bank mit der Aussicht auf die Hügel.
     Die Dame sagte: «Vielleicht wäre Er eine Parthie für die Kleine?!»
     «Bringe sie um! Was hat sie verbrochen?!» sagte der Gatte.
     Die Dame: «Königsberg - - - man denkt wie die Schiffersfrau: «Es giebt noch andere Welten - -.» Er liebt fast diese Schimpansin Maja, immer spricht er von ihr, es muss ein edles Thier sein, ihr Kuss ist Ihm die «mysteriöse Welten-Freundschaft». Er sagte: «Eine kommt von den Philippinischen Inseln, küsst mir die Hand - - -!»»
     Der Gatte bückte sich zusammen wie ein Arbeiter, der tausend Fuss unter der Erde Kohlen schleppt.
     «Er ist ungesund» sagte er, «übertrieben, er wird verkommen - - -.»
     Die unbekannten hellrosa Blumen dufteten - -.
     Die Dame blickte nach den Hügeln - - -.
 

Sommer-Abend

     Sommer-Abend. Die riesige Wald-Wiese war wie graugrüner Sammt, hie und da lila changeant von Luzerner Klee. Die Rinden der Föhren wurden weissbräunlich. Dann wurden sie grau, verlöschten. Der Wachtelkönig machte: «wra wra wra wra - - -!» Er führte das Musikstück ungemein fein, emsig und präcise aus. Er kam aus Afrika, stand mitten in der Waldwiese und sang. Der Saturn glänzte über den Föhren.
     Zwei Herren und ein Mädchen standen da, sahen die milde schweigende Welt.
     «Heute Früh hat uns Polizei niedergeritten - -» sagte das Mädchen, welches die «Genossin Ch.» war.
     «Und ich habe in der Veranda gelesen: «Die Entwicklung des Templerordens - - - - -» sagte der junge Gelehrte und lächelte über sich selbst.
     «Und ich habe Lisabeta einen Stiefel nachgeschmissen - - -» sagte Königsberg.
     Stille.
     Die Herren und das Mädchen standen da, sahen die milde schweigende Welt.
     «Warum thaten Sie es - -?!» sagte die Genossin Charlotte zu Königsberg.
     «So - -» sagte er, «hat sie denn Gracie?!»
     Charlotte erbleichte, fühlte das Frauenschicksal -.
     Der Wind wehte. Die Hügel in der Ferne sagten: «Hinter uns geht es noch weiter - - - - -.» Die Föhren sandten Coniferen - Sprit, die Wiese hauchte Thymian-Athem.
     «Wir sollten die Welten-Schönheit repräsentiren» sagte Charlotte; «was das Alles ist, sollten wir Frauen sein, Mensch gewordener Abend-Frieden! Ist es eine Phrase?! Bitte, sagen Sie es mir.»
     Die Herren schwiegen.
     Der Gelehrte deklamirte: «Nacht ist schon hereingesunken - - -, reiht sich heilig Stern an Stern - - - - -.»
     Charlotte sagte leise: «Goethe - -.»
     Königsberg stand neben ihr, berührte ihre feine weisse Hand, dieses bewegliche leuchtende Gebilde der Seele, des Geistes - - -.
     Da fühlte er wirklich: «the representative beauty of the world - - -!»
     Charlotte erbebte. Sie fühlte: «Was sind Wir, die wir dem Manne die «Welten-Schönheit» repräsentiren sollten, wie das Clavier das philharmonische Orchester, die Welt «Musik»?!»
     Sie sagte: «Was sind Sie eigentlich, Herr K.?! Niemand kennt sich aus in Ihnen.»
     K.: «Ich bin ein Sucher, ein Nicht-Finder, ein Ruhe-Störer, ein Bewegung-Bringer
     Charlotte: «Wir sind zu müde für Sie, Herr Albert K., zu arm. Wir erbleichen in Ihrer Gesellschaft, werden bedenklich, halten Einkehr, wozu?! Wie die «Ideale träumende» Natur sind Sie! Etwas Unerbittliches!»
     Der Gelehrte: «Jawohl, er brauchte eine Reiche, eine Königin! Eine königliche Seele! Ihre Seele besitze die Welt, indem sie sie empfindet!»
     Der Nachtwind wehte und brachte Fichtengeruch.
     «Gehen Wir» sagte Charlotte, «es wird kalt und finster - - -.»
 

Der Revolutionär hat sich eingesponnen

     Kannst Du Dir vorstellen, mein Freund, dass ein Botaniker, mit dem «unheiligen organischen Hunger» in seinen Nerven, fähig sei, ein Gericht von Erbsen oder Blumenkohl auf sein Wesentliches zu prüfen?!
     Und Ihr, Un-Gelehrte, mit eurem «unheiligen organischen Hunger» in den Nerven, unterfangt Euch, dieses zarteste Gebilde «Weib» zu diagnosticiren?!
     Elende! Von eurem Hunger aus!

     Es giebt nur eine Unanständigkeit des Nackten - - das Nackte unanständig zu finden!

     Sein eigenes Leben nicht ernster nehmen als ein Stück von Shakespeare! Aber auch nicht minder ernst! Sich von dem Leben in Besitz nehmen lassen wie im Theater. Das Theater des Lebens. Der ideale Zuschauer seiner selbst zu sein! Ganz drin sein und dennoch aus den facheusen Complicationen herauskommen können in die frische Nachtluft; erlebt haben, was man nicht erlebt hat, nicht erlebt haben, was man erlebt hat!
     So reinigst Du Dich von Dir selber!!
     Und die «Tragödien deiner selbst» bringen Dir das Lächeln - - der Weisheit! Die tragischen Schwächungen: Essen, wenn man nicht hungrig ist. Trinken, wenn man nicht durstig ist. Sich bewegen, wenn man Ruhe - bedürftig ist. Sich begatten, wenn man Liebe - los ist.
     In Weisheit führt uns die Natur! Wenn wir hungern, zum Brode. Wenn wir dürsten, zum Wasser. Wenn wir müde sind, zum Schlafe. Wenn wir Liebe - voll sind, zum Weibe.

     Lieben wollen ist das Bedürfnis latenter überschüssiger Kräfte unseres Organismus, in andere Organisationen auszuströmen. Geliebt werden wollen hingegen das Bedürfnis mangelnder latenter Kräfte, sich durch andere einströmende zu ergänzen.
     Gott liebt und Gottes Sohn! Und die Mutter und die Sonne lieben! Ihre überschüssigen latenten Liebes - Kräfte strömen aus in die Welt, in die Menschen. Ihr Herz ist vollblütig. Man muss es schröpfen, ihm Kraft entziehen, um es gesund zu erhalten.
     Aber diese anderen Herzen sind blutarm. Sie bedürfen eines Franzensbad's. Fremder Kräfte, fremder Seelen bedürfen sie, um functioniren zu können. Dieses Franzensbad «Sie liebt mich»! Wie plärrende Babies nach Milch und Ruhe sind diese Herzen. Der Andere muss einlullen. Dieser Zummel «sie liebt mich»! Kindliches Männer-Geschlecht! Wann wirst Du mannbar werden?! Wann wirst Du wie die Sonne unerschöpfliche Kräfte einer Erde geben, die nichts zurück giebt?! Einer Undankbaren?! Ihr Blühen ist ihr Dank! Drückt die Sonne, unbekümmert um der Erde Undank, sie nicht durch jeden Wärmestrahl und Lichtstrahl liebevoll an sich und hilft ihr wachsen?! Feiert sie nicht ewige Hochzeitstage, indem sie dieser Erde Nacht in Tag verwandelt?!
     Ihr aber, Dunkle, Kalte, armselige Nehmer, Tausch-Händler der Seele, Glück-Hausirer!?
     Gott liebt und Gottes Sohn!! Die Mütter lieben und die Sonne liebt!!
     Ihr aber wünscht geliebt zu werden!

     Schlaf! Heiliger Reorganisator der in der Tages-Schlacht verlorenen Streitkräfte! Unter deiner heiligen Führung giebt es keine Niederlagen!

     Der Mann legt die Frauen-Seele auf das Prokrustes-Bett seiner Bedürfnisse.

     Alles verzeih' ich dem Mann - - nur nicht das vergebliche Ringen! Schweigend verhülle dein Haupt, Cäsar des Lebens, wenn Brutus, das Schicksal, tödtlich gegen Dich stösst! Vergebliches Ringen geziemet dem Weibe, der Sklavin des Lebens! Noch, im Abgrunde schwebend, krümmt sie die Finger zum Griff!! Das Unvermögen, sich mit einem anderen Weibe zu vereinigen als jenem, welches man mit der Seele liebt, ist - - göttliche Potenz!

     Der Mann hat eine Liebe - - die Welt!
     Die Frau hat eine Welt - - die Liebe!

     Der vorsichtige feige Lebens-Mensch versetzt seine Ideale vermittelst der Religionen in die Sterne, in den Himmel, um sich das Vergebliche eines Versuches, denselben nahe zu kommen, zu beweisen.
     Der unbedenkliche und kühne Künstler-Mensch versetzt sie in seine eigene Brust, um ihnen nicht entrinnen zu können!

     Die Frau ist die vom Schöpfer in die Welt gesetzte göttliche Wunsch-Maid Brünnhilde, der «Weib gewordene» Wunsch Gottes selbst: Mann, werde Gott- gleich! Werde All-gütig, All-weise und All-mächtig, deines eigenen All's mächtig, über Dich selbst die Macht habend!
     Aber diese Anderen fordern: Mann, sei Thier!
     Teufelinen!

     Mann, Herr des Lebens! Wann wirst Du Dich endlich entschliessen, Dich mit dem geliebten Weibe in einen anderen Contact zu setzen, als den, welchen Du mit dem Hunde, dem Pawiane und dem Schweine gemeinsam zu haben die Ehre und das Vergnügen hast?!!

     Der Künstler-Mensch verlangt von seinem Weibe nur eine einzige Treue - - - dass sie ihm die Rasse nicht verschandele!
     Schönheit, Vervollkommnungen träumt er. Das ist seine Liebe!
     Aber diese Anderen wollen - - - sich fortpflanzen. Ha ha ha ha - - auch eine Art, Vervollkommnungen zu träumen!

     Ich will ein König sein, der bettelt bei einer Königin, nicht ein Bettler, der König ist bei einer Bettlerin!!

     Die Eifersucht ist keine Leidenschaft. Es ist eine Furcht! Die tiefste Furcht, die ewige des Lebens, die unentrinnbare organische Furcht, Etwas zu verlieren, ohne das man nicht mehr lebendig sein kann - - seine Lunge, sein Rückenmark, sein Gehirn, das Herz des Anderen, welches unseres geworden ist und welches unseren Blutkreislauf erhält und schützt wie das eigene. Wie wenn dieses stille stünde, ist der Verlust des anderen. Die Eifersucht ist keine Leidenschaft! Die Eifersucht ist eine Furcht, die ewige organische unentrinnbare, innerlich sterben zu müssen! Eine Todesfurcht! Indem der Dichter das «Reich, das da kommen wird» in sich trägt und das «Reich, das da ist» erlebt, befindet er sich in Frieden mit jenen neuen Ansprüchen der Seele, welche die alten Herzen der Anderen in Unruhe versetzen und zerstören. Denn die Unruhe ist die Wirkung des «Ungewissen». Der Dichter aber weiss in sich, was kommen wird!! In Ruhe wartet er und singt indessen und verkündet!

     Es giebt drei Idealisten: Gott, die Mütter, die Dichter!
     Sie suchen das Ideale nicht im Vollkommenen - - - sie finden es im Unvollkommenen.

     Ökonomie:
     «Du sollst erst essen, bis Du hungrig bist und schon aufhören, ehe Du satt bist» ist ein tieferes göttlicheres Gesetz als «Es soll Dich nicht gelüsten nach - -» und Anderes. Denn Jenes macht Diese entbehrlich. In ihm liegt die Kraft, die Ruhe, die Weisheit, die Wahrheit und das Glück!!
     Im Ausdrucke des Antlitzes steht es mit einfachen klaren Linien geschrieben: «Hier herrscht das teuflische Überflüssige» oder: «Hier regiert die göttliche Nothwendigkeit»! Mehr Dampf in einer Locomotive erzeugen als nöthig ist für ihre höchste Bewegung, ist die That eines wahnsinnig gewordenen Maschinenführers.
     So ist der Mensch!
     Es rast dahin den Weg des Lebens und wird zu Brei zermalmt auf seiner Strecke!

     Auch die Kreuzigung hat eine Erlösungs-Wollust.
     Das Weib, das an seiner Liebe stirbt, empfindet dieselbe Wollust, die sie im Hochzeitsbette gehabt hätte. Sie folgt den letzten Befehlen ihres Herzens! Wollust ist die «Dankbarkeit des Nervensystems» für die Befolgung seiner gerechten Ansprüche. Die «Erfüllung des Gesetzes» empfindet der Mensch als Wollust. Der letzte Seufzer todgeweihter Liebe hat die Musik des ersten im Hochzeitsbette!! Die Seele hat Erlösung gefunden. Beide vergehen in gleicher Weise in Liebe, die Glücklichste der Sterblichen und die Unglückseligste! Ohne Wollust aber lebt und stirbt, wer das Gesetz seiner Seele missachtet, contrecarrirt!

     Mode-Journal:
     Dein Gewand sei die Erweiterung und Fortsetzung deines Wesens über die Epidermis hinaus. Die letzte Hülle deiner Seele, die Dich enthüllt! Faltenreiches weites Gewand ist das Symbol deiner Vergeistigung, deiner Immaterialisirung! Der Körper verschwindet und es bleibt weite reiche fliessende Bewegung. Weiche seidene Stoffe in tausend Plissés sind daher die wahre «englische Mode». Je mehr Bewegung ein Gewand Dir gestattet, desto göttlicher ist es. Das schönste Gewand wären Flügel!

     Die Frauenseele ist bescheiden: Sie sucht Jesus Christus und Napoleon, Diogenes und Hölderlin vereint in einem Wesen! Diese einzige Wahrheit des noch Lüge- losen und Concessions-freien Herzens nennen die Hunde: Backfisch-Träume!

     Der Schlaf ist der heilige Versuch der Natur, die Tages-Wunden zum Verheilen zu bringen. Den Schlaf vorzeitig unterbrechen, heisst, heilige Verbände vernarbender Wunden wegreissen!
     Man fragte eine Mutter: «Wie erziehen Sie Ihr Töchterchen?!»
     Ich lasse sie schlafen - -» antwortete diese Beste, Weiseste.
     Ich würde ein Gesetz erlassen, ein einziges: Jeder hat ein Recht auf den ungestörten, von selbst endenden Schlaf!
     Dieses Gesetz machte alle anderen entbehrlich. Es enthält den Frieden, die Gesundheit und das Glück!
     Schlaf! Immer komme ich wieder auf Dich zurück. Denn Du bist das physische Evangelium der Nerven! Die Frau stellt in ihrer «schönen Form» das dar, was der Künstler-Mensch in seinem «schönen Geiste» zum Ausdruck bringt. Die Genialität ihres Leibes ist gleich der Genialität seines Geistes. Ihr Leib ist sein «Materie gewordener» Geist. Sein Geist ist ihr entmaterialisirter Leib. Was er «denkt», «ist» sie!

     Die überschüssigen Kräfte seiner Seele los werden können in Räuschen, in Extasen! Das ist die Hygieine der Herzen, welche - - an überschüssigen Kräften leiden.
     Aber die zarte Frauenseele hat nur Träume. Träume sind keine Extasen. Träume sind keine Räusche. Es sind die - - Träume von Räuschen! Sie kann ihre überschüssigen Kräfte nicht los werden. Sie hat keine Hygieine. Sie bleibt überladen, krank. Die Hunde aber sagen: «Hystherisches Frauenzimmer!» Das ist ihre Rache für die Extasen, die sie nicht bereiten - - -!

     Wenn ich denke, rede ich - - - wenn ich liebe, begehre ich.
     Sonst bleibe ich ewig stumm!
     Das ist Menschenthum!!
     Menschenthum ist: schweigen, wenn Geist und Seele nicht sprechen! Es ist tönender, in's Wort, in Begattung sich aussprechender, sich offenbarender, sich erlösender Geist! Das Wort, das ich spreche, der Kuss, den ich gebe, sind die heiligen Geburten des Geistigen in mir zu «lebendigem Leben», zu «physischer That»!

     Dichter, Denker, Künstler, Prophet - - - giebt es ein Besseres?! Ja!
     Ein Hecht sein im Karpfen-Teiche!!
     Bewegung bringen Bewegungslosen!!
     Verstehen sie denn die «Stimmen von oben»??!
     Aber wenn der Hecht schnappt, verstehen sie - - sich zu emotioniren!
     Schnappe, Hecht!

     Treue ist das «Gesetz der Trägheit» der Seele.
     Ah, treue Seelen, wie treulos seid Ihr - - eurem Werden!

     Die Frau ist ihre Sehnsucht!
     Das, was sie nicht geworden ist, ist sie!
     Dieses zweite geheimnisvolle Leben der Frau will zum Leben kommen, geboren werden, sein!
     Indem sie eine Tochter gebärt, gebärt sie ihre «Sehnsucht» zu einem «lebendigen Organismus» aus, und kann zur Ruhe kommen ihrer drängenden Kräfte. Die Frau ist ein Halb-Wesen. Sie und ihr Töchterchen zusammen sind erst Eines! In dieser will sie erst sich selbst erleben, die nie lebte!
     Heilige Zwei-Einigkeit!! Der «Sehnsucht seiende» Mensch und seine «Mensch gewordene» Sehnsucht! Wehe Dir, tochterlose Frau! Wo wirst Du dieses ungebor'ne Leben «Sehnsucht» anbringen, dass es zur Welt komme?!

     Eine junge Dame sagte einmal: «Niemand versteht A.K. - - - denn jeder Satz ist schon der 8. Satz.
     Die vorhergehenden 7 Sätze überlässt Er uns! So eine Achtung hat Er vor unserem Herzen, unserem Geiste. Wie mit «Mündigen des Lebens» verkehrt Er mit uns. Wie ein Kapellmeister der Hof-Oper mit seiner Künstlerschaar. Bescheiden sitzen sie an ihren Pulten, blicken vertrauensvoll hin und verstehen seine Intentionen.
     Aber mit Euch müsste Er reden wie mit Schul-Babies: a, a, a, a, b, b, b, b.
     Sehet! Wenn man mir am Claviere die 7 Noten anschlägt: a, f, e, gis, a, ais, h, so spüre ich das ganze Liebes-Leid Isolden's!»

     A rebours:
     Décadence?! Geburts-Wehen künftiger Entwicklungen. Auch die Frau wird geschwächt durch Schwangerschaften! Gesunde Krankheit einer kranken Gesundheit, Reconvalescenzen vom Thier-Stadium.

     Glückliche Liebe?! Eine, die das Unglück hat, dass ihr der «heilige Weg» durch ein Ziel abgeschnitten werde.
     Unglückliche Liebe?! Eine, die das Glück hat des «ewig Wandernden zur Sonne».
     Auch Bewegung ist ein Rasten - - vom Rasten!

     Auch die Dissonanz hat ihre Idee! Ihre Idee ist die Sehnsucht nach Erlösung in der Consonanz. Consonanz?! Eine Dissonanz, die ihre Idee verloren hat.

     Keuschheit?!
     Organe, welche bisher Selbstherrscher, Caracalla's waren, in die heiligen und ausschliesslichen Dienste des Kaisers «Seele» zwingen!! Sie zu heiligen Vollstreckern kaiserlicher Befehle erhöhen!!

     Christenthum?! Heidenthum?! Einen einzigen Menschen gab es bis heute.
     In Keuschheit wurde Er geboren! Daher bekam Er nur Reines mit. Und konnte Liebe geben ohne Gegendienste!! Und um Liebe sterben, weil die «blöde Leidenschaft des Lebens» Ihn nicht zeugte und sich nicht in seine Nerven grub!
     Wandle seine Bahnen!

     Dante Alighieri stand in einem Lorbeer-Walde 16 Jahre und wartete auf Beatrice - - -.
     Diese Anderen aber warten einen Tag - - und gehen dann doch in die «Kleine Blutgasse; nicht läuten, klopfen»!

     Ende des Cyclus «Revolutionär».