BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Ludwig Uhland

1787 - 1862

 

Gedichte

 

Auswahl

 

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Gedichte 1831 bis 1840

 

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Frühlingstrost

(1833)

 

Was zagst du, Herz, in solchen Tagen,

Wo selbst die Dorne Rosen tragen?

 

 

Mickiéwicz

(1833)

 

An der Weichsel fernem Strande

Tobt ein Kampf mit Donnerschall,

Weithin über deutsche Lande

Rollt er seinen Widerhall.

5

Schwert und Sense, scharfen Klanges,

Dringen her zu unsern Ohren,

Und der Ruf des Schlachtgesanges:

Noch ist Polen nicht verloren!

 

Und wir horchen und wir lauschen,

10

Stille waltet um und um,

Nur die trägen Wellen rauschen,

Und das weite Feld ist stumm;

Nur wie Sterbender Gestöhne,

Lufthauch durch gebrochne Hallen,

15

Hört man dumpfe Trauertöne:

Polen, Polen ist gefallen!

 

Mitten in der stillen Feier

Wird ein Saitengriff getan;

Ha! wie schwillet diese Leier

20

Voller stets und mächt'ger an!

Leben schaffen solche Geister,

Dann wird Totes neu geboren;

Ja! mir bürgt des Liedes Meister:

Noch ist Polen nicht verloren!

 

 

Die Bidassoabrücke

(1834)

 

Auf der Bidassoabrücke

Steht ein Heil'ger, altergrau,

Segnet rechts die span'schen Berge,

Segnet links den fränk'schen Gau.

5

Wohl bedarf's an dieser Stelle

Milden Trostes himmelher,

Wo so mancher von der Heimat

Scheidet ohne Wiederkehr.

 

Auf der Bidassoabrücke

10

Spielt ein zauberhaft Gesicht:

Wo der eine Schatten siehet,

Sieht der andre goldnes Licht;

Wo dem einen Rosen lachen,

Sieht der andre dürren Sand;

15

Jedem ist das Elend finster,

Jedem glänzt sein Vaterland.

 

Friedlich rauscht die Bidassoa

Zu der Herde Glockenklang,

Aber im Gebirge dröhnet

20

Knall auf Knall den Tag entlang;

Und am Abend steigt hernieder

Eine .Schar zum Flußgestad,

Unstet, mit zerrißner Fahne

Blut beträufelt ihren Pfad.

 

25

Auf der Bidassoabrücke

Lehnen sie die Büchsen bei,

Binden sich die frischen Wunden,

Zählen, wer noch übrig sei?

Lange harren sie Vermißter,

30

Doch ihr Häuflein wächset nicht

Einmal wirbelt noch die Trommel,

Und ein alter Kriegsmann spricht:

 

Manuskript zur Bidassoabrücke, Verse 33 ff.

 

 

«Rollt die Fahne denn zusammen,

Die der Freiheit Banner war!

35

Nicht zum erstenmale wandelt

Diesen Grenzweg ihre Schar;

Nicht zum erstenmale sucht sie

Eine Freistatt in der Fern,

Doch sie zieht nicht arm an Ehre

40

Zieht nicht ohne günst'gen Stern.

 

Der von vor'gen Freiheitskämpfen

Mehr als einer Narben führt,

Heute, da wir alle bluten,

Mina! bliebst du unberührt;

45

Ganz und heil ist uns der Retter,

Noch verbürgt ist Spaniens Glück;

Schreiten wir getrost hinüber!

Einst noch kehren wir zurück.»

 

Mina rafft sich auf vom Steine,

50

Müde saß er dort und still,

Blickt noch einmal nach den Bergen,

Wo die Sonne sinken will;

Seine Hand, zur Brust gehalten,

Hemmt nicht mehr des Blutes Lauf,

55

Auf der Bidassoabrücke

Brachen alte Wunden auf.

 

 

Die Geisterkelter

(1834)

 

Zu Weinsberg, der gepriesnen Stadt,

Die von dem Wein den Namen hat,

Wo Lieder klingen, schön und neu,

Und wo die Burg heißt Weibertreu:

5

Bei Weib und Wein und bei Gesang

Wär' Luthern dort die Zeit nicht lang,

Auch fänd' er Herberg' und Gelaß

Für Teufel und für Dintenfaß,

Denn alle Geister wandeln da;

10

Hört! was zu Weinsberg jüngst geschah.

 

Der Wächter, der die Stadt bewacht,

Ging seinen Gang in jener Nacht,

In der ein Jahr zu Grabe geht

Und gleich ein andres aufersteht.

15

Schon warnt die Uhr zur Geisterzeit,

Der Wächter steht zum Ruf bereit:

Da, zwischen Warnen, zwischen Schlag,

Am Scheideweg von Jahr und Tag,

Hört er ein Knarren, ein Gebraus,

20

Genüber öffnet sich das Haus,

Es sinkt die Wand, im hohlen Raum

Erhebt sich stolz ein Kelterbaum,

Und um ihn dreht in vollem Schwung

Sich jauchzend, glühend alt und jung,

25

Und aus den Röhren, purpurhell,

Vollblütig, springt des Mostes Quell;

Ein sausend Mühlrad, tobt der Reihn,

Die Schaufeln treibt der wilde Wein.

Der Wächter weiß nicht, wie er tu',

30

Er kehrt sich ab, den Bergen zu:

Doch ob der dunkeln Stadt herein

Erglänzen die in Mittagsschein,

Des Herbstes goldner Sonnenstaub

Umwebt der Reben üppig Laub,

35

Und aus dem Laube blinkt hervor

Der Winzerinnen bunter Chor;

Den Trägern in den Furchen all

Wächst übers Haupt der Trauben Schwall,

Die Treterknaben sieht man kaum,

40

So spritzt um sie der edle Schaum.

Gelächter und Gesang erschallt,

Die Pritsche klatscht, der Puffer knallt.

Wohl senkt die Sonne jetzt den Lauf,

Doch rauschen Feuergarben auf

45

Und werfen Sterne, groß und licht,

Dem Abendhimmel ins Gesicht.

Da dröhnt der Hammer, dumpf und schwer,

Zwölfmal vom grauen Kirchturm her.

Der Jubel schweigt, der Glanz erlischt,

50

Die Kelter ist hinweggewischt,

Und aus der stillen Kammer nur

Glimmt eines Lämpchens letzte Spur.

Der Wächter aber singet schon

Das neue Jahr im alten Ton,

55

Doch fließet ihm, wie Honigseim,

Zum alten Spruch manch neuer Reim.

Er kündet froh und preiset laut,

Was ihm die Wundernacht vertraut,

Denn wann die Geisterkelter schafft,

60

Ist guter Herbst unzweifelhaft.

 

Da klopft's ihm auf die Schulter sacht,

Es ist kein Geist der Mitternacht;

Ein Zechgesell, der keinen glaubt,

Begrüßt ihn, schüttelnd mit dem Haupt:

65

«Der Most in deiner Kelter war

Vom alten, nicht vom neuen Jahr.»

 

 

Maientau

(1834)

 

Auf den Wald und auf die Wiese,

Mit dem ersten Morgengrau,

Träuft ein Quell vom Paradiese,

Leiser, frischer Maientau;

5

Was den Mai zum Heiligtume

Jeder süßen Wonne schafft,

Schmelz der Blätter, Glanz der Blume,

Würz' und Duft, ist seine Kraft.

 

Wenn den Tau die Muschel trinket,

10

Wird in ihr ein Perlenstrauß;

Wenn er in den Eichstamm sinket,

Werden Honigbienen draus;

Wenn der Vogel auf dem Reise

Kaum damit den Schnabel netzt,

15

Lernet er die helle Weise,

Die den ernsten Wald ergetzt.

 

Mit dem Tau der Maienglocken

Wascht die Jungfrau ihr Gesicht,

Badet sie die goldnen Locken,

20

Und sie glänzt von Himmelslicht;

Selbst ein Auge, rotgeweinet,

Labt sich mit den Tropfen gern,

Bis ihm freundlich niederscheinet,

Taugetränkt, der Morgenstern.

 

25

Sink denn auch auf mich hernieder,

Balsam du für jeden Schmerz!

Netz' auch mir die Augenlider!

Tränke mir mein dürstend Herz!

Gib mir Jugend, Sangeswonne,

30

Himmlischer Gebilde Schau,

Stärke mir den Blick zur Sonne,

Leiser, frischer Maientau!

 

 

Die versunkene Krone

(1834)

 

Da droben auf dem Hügel,

Da steht ein kleines Haus,

Man sieht von seiner Schwelle

Ins schöne Land hinaus;

5

Dort sitzt ein freier Bauer

Am Abend auf der Bank,

Er dengelt seine Sense

Und singt dem Himmel Dank.

 

Da drunten in dem Grunde,

10

Da dämmert längst der Teich,

Es liegt in ihm versunken

Eine Krone, stolz und reich,

Sie läßt zu Nacht wohl spielen

Karfunkel und Saphir;

15

Sie liegt seit grauen Jahren,

Und niemand sucht nach ihr.

 

 

Die Glockenhöhle

(1834)

 

Ich weiß mir eine Grotte,

Gewölbt mit Bergkristalle,

Die ist von einem Gotte

Begabt mit seltnem Halle:

5

Was jemand sprach, was jemand sang,

Das wird in ihr zu Glockenklang.

 

Dort tauschen zwei Beglückte,

Bewegt von gleichem Triebe,

Was längst die Herzen drückte,

10

Das erste Ja der Liebe;

Ein leises Glöcklein stimmt so rein

Zu einem lautern, vollern ein.

 

Dort lassen lust'ge Zecher

Sich auf der Felsbank nieder,

15

Sie schwingen volle Becher

Und singen trunkne Lieder;

Nie klang die Grotte so wie heut

Von Feuerlärm und Sturmgeläut.

 

Zween Mämler, ernst und sinnig,

20

Vereint durch heil'ge Bande,

Sie reden dort so innig

Vom deutschen Vaterlande;

Da tönt die tiefste Kluft entlang

Ein dumpfer Grabesglockenklang.

 

 

Abendwolken

(1834)

 

Wolken seh' ich abendwärts

Ganz in reinste Glut getaucht,

Wolken ganz in Licht zerhaucht,

Die so schwül gedunkelt hatten.

5

Ja! mir sagt mein ahnend Herz:

Einst noch werden, ob auch spät,

Wann die Sonne niedergeht,

Mir verklärt der Seele Schatten.

 

 

Sonnenwende

(1834)

 

Nun die Sonne soll vollenden

Ihre längste, schönste Bahn,

Wie sie zögert, sich zu wenden

Nach dem stillen Ozean!

5

Ihrer Göttin Jugendneige

Fühlt die ahnende Natur,

Und mir dünkt, bedeutsam schweige

Rings die abendliche Flur.

 

Nur die Wachtel, die sonst immer

10

Frühe schmälend weckt den Tag,

Schlägt dem überwachten Schimmer

Jetzt noch einen Weckeschlag;

Und die Lerche steigt im Singen

Hochauf aus dem duft'gen Tal,

15

Einen Blick noch zu erschwingen

In den schon versunknen Strahl.

 

 

Reisen

(1834)

 

Reisen soll ich, Freunde! reisen,

Lüften soll ich mir die Brust?

Aus des Tagwerks engen Gleisen

Lockt ihr mich zu Wanderlust?

5

Und doch hab' ich tiefer eben

In die Heimat mich versenkt,

Fühle mich, ihr hingegeben,

Freier, reicher, als ihr denkt.

 

Nie erschöpf' ich diese Wege,

10

Nie ergründ' ich dieses Tal,

Und die altbetretnen Stege

Rühren neu mich jedesmal;

Öfters, wenn ich selbst mir sage,

Wie der Pfad doch einsam sei,

15

Streifen hier am lichten Tage

Teure Schatten mir vorbei.

 

Wann die Sonne fährt von hinnen,

Kennt mein Herz noch keine Ruh',

Eilt mit ihr von Bergeszinnen

20

Fabelhaften Inseln zu;

Tauchen dann hervor die Sterne,

Drängt es mächtig mich hinan,

Und in immer tiefre Ferne

Zieh' ich helle Götterbahn.

 

25

Alt' und neue Jugendträume,

Zukunft und Vergangenheit,

Uferlose Himmelsräume

Sind mir stündlich hier bereit.

Darum, Freunde! will ich reisen;

30

Weiset Straße mir und Ziel!

In der Heimat stillen Kreisen

Schwärmt das Herz doch allzuviel.

 

 

Die Malve

(1834)

 

Wieder hab' ich dich gesehen,

Blasse Malve! blühst du schon?

Ja! mich traf ein schaurig Wehen,

All mein Frühling welkt davon.

5

Bist du doch des Herbstes Rose,

Der gesunknen Sonne Kind,

Bist die starre, düftelose,

Deren Blüten keine sind.

 

Gerne wollt' ich dich begrüßen,

10

Blühtest du nicht rosenfarb,

Lögst du nicht das Rot der Süßen,

Die noch eben glüht' und starb.

Heuchle nicht des Lenzes Dauer!

Du bedarfst des Scheines nicht;

15

Hast ja schöne, dunkle Trauer,

Hast ja weißes, sanftes Licht.

 

 

Wein und Brot

(1834)

 

Solche Düfte sind mein Leben,

Die verscheuchen all mein Leid:

Blühen auf dem Berg die Reben,

Blüht im Tale das Getreid'.

 

5

Donnern werden bald die Tennen,

Bald die Mühlen rauschend gehn,

Und wenn die sich müde rennen,

Werden sich die Keltern drehn.

 

Gute Wirtin vieler Zecher!

10

So gefällt mir's, flink und frisch;

Kommst du mit dem Wein im Becher,

Liegt das Brot schon auf dem Tisch.

 

 

Das Glück von Edenhall

(1834)

 

Von Edenhall der junge Lord

Läßt schmettern Festtrommetenschall,

Er hebt sich an des Tisches Bord

Und ruft in trunkner Gäste Schwall:

5

«Nun her mit dem Glücke von Edenhall!»

 

Der Schenk vernimmt ungern den Spruch,

Des Hauses ältester Vasall,

Nimmt zögernd aus dem seidnen Tuch

Das hohe Trinkglas von Kristall,

10

Sie nennen's: das Glück von Edenhall.

 

Darauf der Lord: «Dem Glas zum Preis

Schenk Roten ein aus Portugal!»

Mit Händezittern gießt der Greis,

Und purpurn Licht wird überall,

15

Es strahlt aus dem Glücke von Edenhall.

 

Da spricht der Lord und schwingt's dabei:

«Dies Glas von leuchtendem Kristall

Gab meinem Ahn am Quell die Fei,

Drein schrieb sie: 'Kommt dies Glas zu Fall,

20

Fahr wohl dann, o Glück von Edenhall!'

 

Ein Kelchglas ward zum Los mit Fug

Dem freud'gen Stamm von Edenhall;

Wir schlürfen gern in vollem Zug,

Wir läuten gern mit lautem Schall;

25

Stoßt an mit dem Glücke von Edenhall!»

 

Erst klingt es milde, tief und voll,

Gleich dem Gesang der Nachtigall,

Dann wie des Waldstroms laut Geroll',

Zuletzt erdröhnt wie Donnerhall

30

Das herrliche Glück von Edenhall.

 

«Zum Horte nimmt ein kühn Geschlecht

Sich den zerbrechlichen Kristall;

Er dauert länger schon als recht,

Stoßt an! mit diesem kräft'gen Prall

35

Versuch' ich das Glück von Edenhall.»

 

Und als das Trinkglas gellend springt,

Springt das Gewölb' mit jähem Knall,

Und aus dem Riß die Flamme dringt;

Die Gäste sind zerstoben all

40

Mit dem brechenden Glücke von Edenhall.

 

Ein stürmt der Feind, mit Brand und Mord,

Der in der Nacht erstieg den Wall,

Vom Schwerte fällt der junge Lord,

Hält in der Hand noch den Kristall,

45

Das zersprungene Glück von Edenhall.

 

Am Morgen irrt der Schenk allein,

Der Greis, in der zerstörten Hall',

Er sucht des Herrn verbrannt Gebein,

Er sucht im grausen Trümmerfall

50

Die Scherben des Glücks von Edenhall.

 

«Die Steinwand» - spricht er - «springt zu Stück,

Die hohe Säule muß zu Fall,

Glas ist der Erde Stolz und Glück,

In Splitter fällt der Erdenball

55

Einst gleich dem Glücke von Edenhall.»

 

 

Das versunkene Kloster

(1834)

 

Ein Kloster ist versunken

Tief in den wilden See,

Die Nonnen sind ertrunken

Zusamt dem Pater, weh!

5

Der Nixen muntre Scharen,

Sie schwimmen stracks herbei,

Nun einmal zu erfahren,

Was in den Mauern sei.

 

Das plätschert und das rauschet

10

In Kreuzgang und Dorment!

Am Lokutorium lauschet

Der schäkernde Konvent;

Man hört Gesang im Chore

Und lustig Orgelspiel;

15

Das Glöcklein ruft zur Hore,

Wann's ihnen just gefiel.

 

Bei heitrem Vollmondglanze

Lockt sie der grüne Strand

Zu einem Ringeltanze

20

In geistlichem Gewand;

Die weißen Schleier flattern,

Die schwarzen Stolen wehn,

Die Kerzenflämmchen knattern,

Wie sie im Sprung sich drehn.

 

25

Der Kobold dort im Schutte

Der hohlen Felsenwand,

Er nimmt des Paters Kutte,

Die er am Ufer fand;

Die Tänzerinnen schreckend,

30

Kommt er zur Mummerei,

Sie aber tauchen neckend

Hinab in die Abtei.

 

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Sterbeklänge

 

1.

Das Ständchen

(1810)

 

Vertont von:

Norbert Burgmüller (1810-1836), «Ständchen», op. 10 no. 5 (1827-36?)

Robert Kahn (1865-1951), «Ständchen», op. 16 no. 4 (1892)

Johann Karl Gottfried Loewe (1796-1869), «Das Ständchen», op. 9, ii, 4 (1826)

Ludwig Spohr (1784-1859), «Das Ständchen», op. 105 no. 3 (1838)

 

Was wecken aus dem Schlummer mich

Für süße Klänge doch?

O Mutter, sieh! wer mag es sein,

In später Stunde noch?

 

5

«Ich höre nichts, ich sehe nichts,

O schlummre fort so lind!

Man bringt dir keine Ständchen jetzt,

Du armes krankes Kind.»

 

Es ist nicht irdische Musik,

10

Was mich so freudig macht,

mich rufen Engel mit Gesang,

O Mutter, gute Nacht.

 

 

2.

Die Orgel

(1834)

 

«Noch einmal spielt die Orgel mir,

Mein alter Nachbarsmann!

Versucht es, ob ihr frommer Schall

Mein Herz erquicken kann!»

 

5

Die Kranke bat, der Nachbar spielt,

So spielt' er nie vorher,

So rein, so herrlich, nein! erkennt

Sein eigen Spiel nicht mehr.

 

Es ist ein fremder sel'ger Klang,

10

Der seiner Hand entbebt,

Er hält mit Grauen ein, da war

Der Freundin Geist entschwebt.

 

 

3.

Die Drossel

(1834)

 

Vertont von:

Richard Strauss (1864-1949), «Jugendlieder», 1877

 

«Ich will ja nicht in Garten gehn,

Will liegen sommerlang,

Hört' ich die lust'ge Drossel nur,

Die in dem Busche sang.»

 

5

Man fängt dem Kind die Drossel ein,

Im Käfig sitzt sie dort,

Doch singen will sie nicht und hängt

Ihr Köpfchen immerfort.

 

Noch einmal blickt das Kind nach ihr

10

Mit bittendem Gesicht,

Da schlägt die Drossel schön und hell,

Da glänzt sein Aug' und bricht.

 

――――

 

Wintermorgen

(1834)

 

Ein trüber Wintermorgen war's,

Als wollt es gar nicht tagen,

Und eine dumpfe Glocke ward

Im Nebel angeschlagen.

 

5

Und als die dumpfe Glocke bald,

Die einzige, verklungen,

Da ward ein heisres Grabeslied,

Ein einz'ger Vers gesungen.

 

Es war ein armer, alter Mann,

10

Der lang gewankt am Stabe,

Trüb, klanglos, wie sein Lebensweg,

So war sein Weg zum Grabe.

 

Nun höret er in lichten Höhn

Der Engel Chöre singen

15

Und einen schönen, vollen Klang

Durch alle Welten schwingen.