Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Achtunddreißigstes Abenteuer
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Wie Dietrichens Recken alle erschlagen wurden.
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2349 | Der Jammer allenthalben | zu solchem Maße schwoll,Daß von der Wehklage | Pallas und Thurm erscholl.Da vernahm es auch ein Berner, | Dietrichs Unterthan:Der schweren Botschaft willen | wie eilends kam er heran! |
2350 | Da sprach er zu dem Fürsten: | «Hört mich, Herr Dieterich,Was ich noch je erlebte, | so herzensjämmerlichHört ich noch niemals klagen, | als ich jetzt vernahm.Ich glaube, daß der König | nun selber zu der Hochzeit kam, |
2351 | «Wie wären sonst die Leute | all in solcher Noth?Der König oder Kriemhild | Eins ward dem TodVon den kühnen Gästen | in ihrem Zorn gesellt.Es weint übermäßig | mancher auserwählte Held.» |
2352 | Da sprach der Vogt von Berne: «Ihr Getreun in meinem Lehn,Seid nicht allzu eilig: | was hier auch ist geschehnVon den Heimathlosen, | sie zwang dazu die Noth:Nun laßt sie des genießen, | daß ich ihnen Frieden bot.» |
2353 | Da sprach der kühne Wolfhart: | «Ich will zum Saale gehn,Der Märe nachzufragen, | was da sei geschehn,Und will euch dann berichten, | viel lieber Herre mein,Wenn ich es dort erkunde, | wie die Sache möge sein.» |
2354 | Da sprach der edle Dietrich: | «Wenn man sich Zorns versiehtUnd ungestümes Fragen | zur Unzeit dann geschieht,Das betrübt den Recken | allzuleicht den Muth:Drum will ich nicht, Wolfhart, | daß ihr die Frage da thut.» |
2355 | Da bat er Helfrichen | hin zu gehn geschwind,Ob er erkundgen möge | bei Etzels IngesindOder bei den Gästen, | was da wär geschehn.Da wurde nie bei Leuten | so großer Jammer gesehn. |
2356 | Der Bote kam und fragte: | «Was ist hier geschehn?»Da ward ihm zum Bescheide: | «Nun must uns auch zergehnDer Trost, der uns geblieben | noch war in Heunenland:Hier liegt erschlagen Rüdiger | von der Burgunden Hand. |
2357 | «Nicht Einer ist entkommen, | der mit ihm gieng hinein.»Das konnte Helfrichen | nimmer leider sein.Wohl mocht er seine Märe | noch nie so ungern sagen:Er kam zu Dietrichen | zurück mit Weinen und Klagen. |
2358 | «Was bringt ihr uns für Kunde?» | sprach da Dieterich,«Wie weint ihr so heftig, | Degen Helferich?»Da sprach der edle Recke: | «Wohl hab ich Grund zu klagen.Den guten Rüdger haben | die Burgunden erschlagen.» |
2359 | Da sprach der Held von Berne: | «Das wolle nimmer Gott. |Eine starke Rache wär es | und des Teufels Spott.Wie hätt an ihnen Rüdiger | verdient solchen Sold?Ich weiß wohl die Kunde, | er ist den Fremdlingen hold.» |
2360 | Da sprach der kühne Wolfhart: | «Und wär es geschehn,So sollt es ihnen Allen | an Leib und Leben gehn.Wenn wirs ertragen wollten, | es brächt uns Spott und Schand,Uns bot so große Dienste | des guten Rüdiger Hand.» |
2361 | Der Vogt von Amelungen | erfragt' es gern noch mehr.In ein Fenster setzt' er sich, | ihm war das Herz so schwer.Da hieß er Hildebranden | zu den Gästen gehn,Bei ihnen zu erforschen, | was da wäre geschehn. |
2362 | Der sturmkühne Recke, | Meister Hildebrand,Weder Schild noch Waffen | trug er an der Hand.Er wollt in seinen Züchten | zu den Gästen gehn;Von seiner Schwester Kinde | must er sich gescholten sehn. |
2363 | Da sprach der grimme Wolfhart: | «Geht ihr dahin so bloß,So kommt ihr ungescholten | nimmer wieder los:So müst ihr dann mit Schanden | thun die Wiederfahrt;Geht ihr dahin in Waffen, so weiß ich, daß es Mancher spart.» |
2364 | Da rüstete der Alte | sich nach des Jungen Rath.Eh Hildbrand es gewahrte, | standen in ihrem StaatDie Recken Dietrichs alle, | die Schwerter in der Hand.Leid war das dem Helden, | er hätt es gern noch abgewandt. |
2365 | Er frag, wohin sie wollten. | «Wir wollen mit euch hin; |Ob von Tronje Hagen | wohl dann noch ist so kühn,Mit Spott zu euch zu reden, | wie ihm zu thun gefällt?»Als er die Rede hörte, | erlaubt' es ihnen der Held. |
2366 | Da sah der kühne Volker | wohlgewaffnet gehnDie Recken von Berne | in Dietrichens Lehn,Die Schwerter umgegürtet, | die Schilde vor der Hand:Er sagt' es seinen Herren | aus der Burgunden Land. |
2367 | Da sprach der Fiedelspieler: | «Dorten seh ich nahnRecht in Feindesweise | Die Dietrich unterthan,Gewaffnet unter Helmen: | sie wollen uns bestehn.Nun wird es an das Ueble | mit uns Fremdlingen gehn.» |
2368 | Es währte nicht lange, | so kam auch Hildebrand:Da setzt' er vor die Füße | seinen SchildesrandUnd begann zu fragen | Die Gunthern unterthan:«O weh, ihr guten Degen, | was hatt euch Rüdiger gethan? |
2369 | «Mich hat mein Herr Dietrich | her zu euch gesandt,Ob erschlagen liege, Helden, | von eurer HandDieser edle Markgraf, | wie man uns gab Bescheid?Wir könnten nicht verwinden | also schweres Herzeleid.» |
2370 | Da sprach der grimme Hagen: | «Die Mär ist ungelogen,Wie gern ichs euch gönnte, | wärt ihr damit betrogen,Rüdigern zu Liebe: | so lebt' er uns noch,Den nie genug beweinen | mögen Fraun und Mannen doch.» |
2371 | Als sie das recht vernahmen, | Rüdiger sei todt,Da beklagten ihn die Recken, | wie ihre Treu gebot.Dietrichens Mannen | sah man die Thränen gehnUebern Bart zum Kinne: | viel Leid war ihnen geschehn. |
2372 | Siegstab der Herzog | von Bern sprach zuhand:«O weh, wie all die Güte | hier gar ein Ende fand,Die uns Rüdiger hier schuf | nach unsers Leides Tagen:Der Trost der Heimathlosen | liegt von euch Degen erschlagen.» |
2373 | Da sprach von Amelungen | der Degen Wolfwein:«Und wenn ich vor mir liegen | hier säh, den Vater mein,Mir würde nimmer leider | als um Rüdgers Tod.O weh, wer soll nun trösten | die Markgräfin in ihrer Noth?» |
2374 | Do sprach im Zornmuthe | der kühne Wolfhart:«Wer leitet nun die Recken | auf mancher Heerfahrt,Wie von dem Markgrafen | so oft geschehen ist?O weh, viel edler Rüdiger, | daß du uns so verloren bist!» |
2375 | Wolfbrand und Helferich | und auch HelmnotMit allen ihren Freunden | beweinten seinen Tod.Nicht mehr fragen mochte | vor Seufzen Hildebrand:So thut denn, ihr Degen, | warum mein Herr uns gesandt. |
2376 | «Gebt uns den todten | Rüdiger aus dem Saal,An dem all unsre Freude | erlitt den Jammerfall.Laßt uns ihm so vergelten, | was er an uns gethanHat mit großer Treue | und an manchem fremden Mann. |
2377 | «Wir sind hier auch Vertriebene | wie Rüdiger der Degen.Wie laßt ihr uns warten? | Laßt uns ihn aus den WegenTragen und im Tode | lohnen noch dem Mann:Wir hätten es wohl billig | bei seinem Leben gethan.» |
2378 | Da sprach der König Gunther: | «Nie war ein Dienst so gut,Als den ein Freund dem Freunde | nach dem Tode thut.Das nenn ich stäte Treue, | wenn man das leisten kann:Ihr lohnt ihm nach Verdienste, | er hat euch Liebes gethan.» |
2379 | «Wie lange solln wir flehen?» | sprach Wolfart der Held.«Da unser Trost der beste | liegt von euch gefällt,Und wir ihn nun leider | nicht länger mögen haben,Laßt uns ihn hinnen tragen, | daß wir den Recken begraben.» |
2380 | Zur Antwort gab ihm Volker: | «Man bringt ihn euch nicht her,Holt ihn aus dem Hause, | wo der Degen hehrMit tiefen Herzenswunden | gefallen ist ins Blut:So sind es volle Dienste, | die ihr hier Rüdigern thut.» |
2381 | Da sprach der kühne Wolfhart: | «Gott weiß, Herr Fiedelmann,Ihr müßt uns nicht noch reizen; | ihr habt uns Leid gethan.Dürft ichs vor meinem Herren, | so kämt ihr drum in Noth;Doch müßen wir es laßen, | weil er den Streit uns verbot.» |
2382 | Da sprach der Fiedelspieler: | «Der fürchtet sich zu viel,Der, was man ihm verbietet, | Alles laßen will:Das kann ich nimmer heißen | rechten Heldenmuth.»Die Rede dauchte Hagnen | von seinem Heergesellen gut. |
2383 | «Wollt ihr den Spott nicht laßen,» | fiel ihm Wolfhart ein,«Ich verstimm euch so die Saiten, | daß ihr noch am Rhein,Wenn je ihr heimreitet, | habt davon zu sagen.Euer Ueberheben | mag ich mit Ehren nicht ertragen.» |
2384 | Da sprach der Fiedelspieler: | «Wenn ihr den Saiten meinDie guten Töne raubtet, | eures Helmes ScheinMüste trübe werden | dabei von meiner Hand,Wie ich halt auch reite | in der Burgunden Land.» |
2385 | Da wollt er zu ihm springen | doch blieb nicht frei die Bahn.Hildebrand sein Oheim | hielt ihn mit Kräften an.«Ich seh, du willst wüthen | in deinem dummen Zorn;Nun hätten wir auf immer | meines Herren Huld verlorn.» |
2386 | «Laßt los den Leuen, Meister, | er hat so grimmigen Muth;Doch kommt er mir zu nahe,» | sprach Volker der Degen gut,«Hätt er mit seinen Händen | die ganze Welt erlagen,Ich schlag ihn, daß er nimmermehr | ein Widerwort weiß zu sagen.» |
2387 | Darob ergrimmte heftig | den Bernern der Muth.Den Schild ruckte Wolfhart, | ein schneller Recke gut,Gleich einem wilden Leuen | lief er auf ihn an.Die Schar seiner Freunde | ihm rasch zu folgen begann. |
2388 | Mit weiten Sprüngen setzt' er | bis vor des Saales Wand;Doch ereilt' ihn vor der Stiege | der alte Hildebrand:Er wollt ihn vor ihm selber | nicht laßen in den Streit.Zu ihrem Willen fanden | sie gern die Gäste bereit. |
2389 | Da sprang hin zu Hagen | Meister Hildebrand:Man hörte Waffen klingen | an der Helden Hand.Sie waren sehr im Zorne, | das zeigte sich geschwind:Von der Beiden Schwertern | gieng der feuerrothe Wind. |
2390 | Da wurden sie geschieden | in des Streites Noth:Das thaten die von Berne, | wie Kraft und Muth gebot.Als sich von Hagen wandte | Meister Hildebrand,Da kam der starke Wolfhart | auf den kühnen Volker gerannt. |
2391 | Auf den Helm dem Fiedler | schlug er solchen Schwang,Daß des Schwertes Schärfe | durch die Spangen drang.Das vergalt mit Ungestüm | der kühne Fiedelmann:Da schlug er Wolfharten, | daß er zu sprühen begann. |
2392 | Feuers aus den Panzern | hieben sie genug;Grimmen Haß Jedweder | zu dem Andern trug.Da schied sie von Berne | der Degen Wolfwein;Wär er kein Held gewesen, | so konnte das nimmer sein. |
2393 | Gunther der kühne | mit williger HandEmpfieng die hehren Helden | aus Amelungenland.Geiselher der junge | die lichten Helme gutMacht' er in dem Sturme | Manchem naß und roth von Blut. |
2394 | Dankwart, Hagens Bruder, | war ein grimmer Mann:Was er zuvor im Streite | Herrliches gethanAn König Etzels Recken, | das schien nun gar ein Wind:Nun erst begann zu toben | des kühnen Aldrians Kind. |
2395 | Ritschart und Gerbart, | Helfrich und WichartIn manchen Stürmen hatten | die selten sich gespart:Das ließen sie wohl schauen | die in Gunthers Lehn.Da sah man Wolfbranden | in dem Sturme herrlich gehn. |
2396 | Da focht, als ob er wüthe, | der alte Hildebrand.Viel gute Recken musten | vor Wolfhartens HandAuf den Tod getroffen | sinken in das Blut:So rächten Rüdgers Wunden | diese Recken kühn und gut. |
2397 | Da focht der Herzog Siegstab, | wie ihm der Zorn gebot. |Hei! was harter Helme | brach in des Sturmes NothAn seinen Feinden | Dietrichens Schwestersohn!Er konnt in dem Sturme | nicht gewaltiger drohn. |
2398 | Volker der Starke, | als er das ersah,Wie Siegstab der kühne | aus Panzerringen daBäche Blutes holte, | das schuf dem Biedern Zorn:Er sprang ihm hin entgegen: | da hatte hier bald verlorn |
2399 | Von dem Fiedelspieler | das Leben Siegstab:Volker ihm seiner Künste | so vollen Anteil gab,Er fiel von seinem Schwerte | nieder in den Tod.Der alte Hilbrand rächte das, | wie ihm sein Eifer gebot. |
2400 | «O weh des lieben Herren,» | sprach Meister Hildebrand, |«Der uns hier erschlagen | liegt von Volkers Hand!Nun soll der Fiedelspieler | auch länger nicht gedeihn.»Hildebrand der kühne | wie könnt er grimmiger sein. |
2401 | Da schlug er so auf Volker, | daß von des Helmes BandDie Splitter allwärts stoben | bis zu des Saales Wand,Vom Helm und auch vom Schilde | dem kühnen Spielmann;Davon der starke Volker | nun auch sein Ende gewann. |
2402 | Da drangen zu dem Streite | Die in Dietrichs Lehn:Sie schlugen, daß die Splitter | sich wirbelnd musten drehnUnd man der Schwerter Enden | in die Höhe fliegen sah.Sie holten aus den Helmen | heiße Blutbäche da. |
2403 | Nun sah von Tronje Hagen | Volker den Degen todt:Das war ihm bei der Hochzeit | die allergröste Noth,Die er gewonnen hatte | an Freund und Unterthan!O weh, wie grimmig Hagen | den Freund zu rächen begann! |
2404 | «Nun soll es nicht genießen | der alte Hildebrand:Mein Gehilfe liegt erschlagen | von des Helden Hand,Der beste Heergeselle, | den ich je gewann.»Den Schild rückt' er höher, | so gieng er hauend hindann. |
2405 | Helferich der starke | Dankwarten schlug:Gunthern und Geiselhern | war es leid genug,Als sie ihn fallen sahen | in der starken Noth;Doch hatten seine Hände | wohl vergolten seinen Tod. |
2406 | So viel aus manchen Landen | hier Volks versammelt war, |Viel Fürsten kraftgerüstet | gegen die kleine Schar,Wären die Christenleute | nicht wider sie gewesen,Durch ihre Tugend mochten sie | vor allen Heiden wohl genesen. |
2407 | Derweil schuf sich Wolfhart | hin und wieder Bahn,Alles niederhauend, | was Gunthern unterthan.Er machte nun zum dritten Mal | die Runde durch den Saal:Da fiel von seinen Händen | gar mancher Recke zu Thal. |
2408 | Da rief der starke Geiselher | Wolfharten an:«O weh, daß ich so grimmen | Feind je gewann!Kühner Ritter edel, | nun wende dich hieher!Ich will es helfen enden, | nicht länger trag ich es mehr.» |
2409 | Zu Geiselheren wandte | sich Wolfhart in den Streit.Da schlugen sich die Recken | manche Wunde weit.Mit solchem Ungestüme | er zu dem König drang,Daß unter seinen Füßen | übers Haupt das Blut ihm sprang. |
2410 | Mit schnellen grimmen Schlägen | der schönen Ute KindEmpfieng da Wolfharten, | den Helden hochgesinnt.Wie stark auch war der Degen, | wie sollt er hier gedeihn?Es konnte nimmer kühner | ein so junger König sein. |
2411 | Da schlug er Wolfharten | durch einen Harnisch gut,Daß ihm aus der Wunde | niederschoß das Blut:Zum Tode war verwundet | Dietrichens Unterthan.Wohl must er sein ein Recke, | der solche Werke gethan. |
2412 | Als der kühne Wolfhart | die Wund an sich empfand,Den Schild ließ er fallen: | höher in der HandHob er ein starkes Waffen, | das war wohl scharf genug:Durch Helm und Panzerringe | der Degen Geiselhern schlug. |
2413 | Den grimmen Tod einander | hatten sie angethan.Da lebt' auch Niemand weiter, | der Dietrich unterthan.Hildebrand der alte | Wolfharten fallen sah:Gewiss vor seinem Tode | solch Leid ihm nimmer geschah. |
2414 | Erstorben waren Alle | Die in Gunthers LehnUnd Die in Dietrichens. | Hilbranden sah man gehn,Wo Wolfhart war gefallen | nieder in das Blut.Er umschloß mit Armen | den Degen bieder und gut. |
2415 | Er wollt ihn aus dem Hause | tragen mit sich fort;Er war zu schwer doch, laßen | must ihn der Alte dort.Da blickt' aus dem Blute | der todwunde Mann:Er sah wohl, sein Oheim | hülfe gern ihm hindann. |
2416 | Da sprach der Todwunde: | «Viel lieber Oheim mein,Mir kann zu dieser Stunde | eure Hülfe nicht gedeihn.Nun hütet euch vor Hagen, | fürwahr, ich rath euch gut:Der tragt in seinem Herzen | einen grimmigen Muth. |
2417 | «Und wollen meine Freunde | im Tode mich beklagen,Den nächsten und den besten | sollt ihr von mir sagen,Daß sie nicht um mich weinen, | das thu nimmer Noth:Von eines Königs Händen | fand ich hier herrlichen Tod. |
2418 | «Ich hab auch so vergolten | mein Sterben hier im Saal, |Das schafft noch den Frauen | der guten Ritter Qual.Wills Jemand von euch wißen, | so mögt ihr kühnlich sagen:Von meiner Hand alleine | liegen hundert wohl erschlagen. |
2419 | Da gedacht auch Hagen | an den Fiedelmann,Dem der alte Hildebrand | das Leben abgewann:Da sprach er zu dem Kühnen: | «Ihr entgeltet nun mein Leid.Ihr habt uns hier benommen | manchen Recken kühn im Streit.» |
2420 | Er schlug auf Hildebranden | daß man wohl vernahmBalmungen dröhnen, | den Siegfrieden nahmHagen der kühne, | als er den Helden schlug.Da wehrte sich ser Alte: | er war auch streitbar genug. |
2421 | Wolfhartens Oheim | ein breites Waffen schwangAuf Hagen von Tronje, | das scharf den Stahl durchdrang:Doch konnt er nicht verwunden | Gunthers Unterthan.Da schlug ihm Hagen wieder | durch einen Harnisch wohlgetan. |
2422 | Als da Meister Hildebrand | die Wunde recht empfand,Besorgt' er größern Schaden | noch von Hagens Hand.Den Schild warf auf den Rücken | Dietrichs Unterthan:Mit der starken Wunde | der Held vor Hagen entrann. |
2423 | Da lebt' auch von allen | den Degen Niemand mehrAls Gunther und Hagen, | die beiden Recken hehr.Mit Blut gieng beronnen | der alte Hildebrand:Er brachte leide Märe, | da er Dietrichen fand. |
2424 | Schwer bekümmert sitzen | sah er da den Mann:Noch größern Leides Kunde | nun der Fürst gewann.Als er Hildebranden | im Panzer sah so roth,Da fragt' er nach der Ursach, | wie ihm die Sorge gebot. |
2425 | «Nun sagt mir, Meister Hildebrand, | wie seid ihr so naßVon dem Lebensblute? | oder wer that euch das?Ihr habt wohl mit den Gästen | gestritten in dem Saal?Ihr ließt es billig bleiben, | wie ich so dringend befahl.» |
2426 | Da sagt' er seinem Herren: | «Hagen that es mir:Der schlug mir in dem Saale | diese Wunde hier,Als ich von dem Recken | zu wenden mich begann.Kaum daß ich mit dem Leben | noch dem Teufel entrann.» |
2427 | Da sprach der von Berne: | «Gar recht ist euch geschehen,Da ihr mich Freundschaft hörtet | den Recken zugestehnUnd doch den Frieden brachet, | den ich ihnen bot:Wär mirs nicht ewig Schande, | ihr solltets büßen mit dem Tod.» |
2428 | «Nun zürnt mir, Herr Dietrich, | darob nicht allzusehr: |An mir und meinen Freunden | ist der Schade gar zu schwer.Wir wollten Rüdger gerne | tragen aus dem Saal:Das wollten uns nicht gönnen | die, welchen Gunther befahl.» |
2429 | «O weh mir dieses Leides! | Ist Rüdiger doch todt?Das muß mir sein ein Jammer | vor all meiner Noth.Gotelind die edle | ist meiner Base Kind:O weh der armen Waisen, | die dort zu Bechlaren sind!» |
2430 | Herzeleid und Kummer | schuf ihm sein Tod:Er hub an zu weinen: | den Helden zwang die Noth.«O weh der treuen Hülfe, | die mir an ihm erlag,König Etzels Degen, | den ich nie verschmerzen mag. |
2431 | «Könnt ihr mir, Meister Hildebrand, | rechte Kunde sagen,Wie der Recke heiße, | der ihn hat erschlagen?»Er sprach «Das that mit Kräften | der starke Gernot;Von Rüdigers Händen | fand auch der König den Tod.» |
2432 | Er sprach zu Hilbranden: | «So sagt den Meinen an,Daß sie alsbald sich waffnen, | so geh ich selbst hinan.Und befehlt, daß sie mir bringen | mein lichtes Streitgewand:Ich selber will nun fragen | die Helden aus Burgundenland.» |
2433 | Da sprach Meister Hildebrand: | «Wer soll mit euch gehn?Die euch am Leben blieben, | die seht ihr vor euch stehn:Das bin ich ganz alleine; | die Andern die sind todt.»Da erschrak er dieser Märe, | es schuf ihm wahrhafte Noth, |
2434 | Daß er auf Erden nimmer | noch solches Leid gewann.Er sprach: «Und sind erstorben | all Die mir unterthan,So hat mein Gott vergeßen, | ich, armer Dietrich!Ich herrscht' ein mächtger König | einst hehr und gewaltiglich.» |
2435 | Wieder sprach da Dietrich: | «Wie könnt es nur geschehn,Daß sie all erstarben, | die Helden ausersehn,Vor den Streitmüden, | die doch gelitten Noth?Mein Unglück schufs alleine, | sonst verschonte sie der Tod! |
2436 | »Wenn dann mein Unheil wollte, | es sollte sich begeben,So sprecht, blieb von den Gästen | Einer noch am Leben?«Da sprach Meister Hildebrand: | «Das weiß Gott, Niemand mehrAls Hagen ganz alleine | und Gunther der König hehr.» |
2437 | «O weh, lieber Wolfhart, | und hab ich dich verloren,So mag mich bald gereuen, | daß ich je ward geboren.Siegstab und Wolfwein | und auch Wolfbrand:Wer soll mir denn helfen | in der Amelungen Land? |
2438 | «Helferich der kühne, | und ist mir der erschlagen,Gerbart und Wichard, | wann hör ich auf zu klagen?Das ist aller Freuden | mir der letzte Tag.O weh, daß vor Leide | Niemand doch ersterben mag!» |