Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Fünfunddreißigstes Abenteuer
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Wie Iring erschlagen ward.
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2138 | Da rief der Markgraf Iring | aus der Dänen Land:«Ich habe nun auf Ehre | die Sinne lang gewandt;Auch ist von mir das Beste | in Stürmen oft geschehn:Nun bringt mir mein Gewaffen: | so will ich Hagen bestehn.» |
2139 | «Das möcht ich widerrathen,» | hub da Hagen an,«Sonst finden mehr zu klagen | Die Etzeln unterthan.Springen eurer zweie | oder drei in den Saal,Die send ich wohlverhauen | die Stiege wieder zu Thal.» |
2140 | «Ich wills darum nicht laßen,» | sprach wieder Iring:«Wohl schon oft versucht ich | ein gleich gefährlich Ding.Wohl will ich mit dem Schwerte | allein dich bestehn,Und wär von dir im Streite | mehr als von Jemand geschehn.» |
2141 | Da ward gewaffnet Iring | nach ritterlichem BrauchUnd Irnfried der kühne | von Thüringen auchUnd Hawart der starke | wohl mit tausend Mann:Sie wollten Iring helfen, | was der Held auch begann. |
2142 | Da sah der Fiedelspieler | ein gewaltig Heer,Das mit Iringen | gewaffnet zog einher.Sie trugen aufgebunden | die lichten Helme gut.Da ward dem kühnen Volker | darüber zornig zu Muth. |
2143 | «Seht ihr, Freund Hagen, | dort Iringen gehn,Der euch im Kampf alleine | gelobte zu bestehn?Wie ziemt Helden Lüge? | Führwahr, ich tadl es sehr.Es gehn mit ihm gewaffnet | tausend Recken oder mehr.» |
2144 | «Nun straft mich nicht Lügen,» | sprach Hawarts Unterthan,«Ich will gerne leisten, | was ich euch kund gethan.Mein Wort soll um Feigheit | nicht gebrochen sein:Sei Hagen noch so gräulich, | ich besteh ihn ganz allein.» |
2145 | Zu Füßen warf sich Iring | den Freunden und dem Lehn,Daß sie allein ihn ließen | den Recken bestehn.Das thaten sie doch ungern, | ihnen war zu wohl bekanntDer übermütige Hagen | aus der Burgunden Land. |
2146 | Doch bat er sie so lange, | bis es zuletzt geschah.Als das Ingesinde | seinen Willen sah,Und daß er warb nach Ehre, | da ließen sie ihn gehn.Da ward von den Beiden | ein grimmes Streiten gesehn. |
2147 | Iring der Däne | hielt hoch empor den Sper,Sich deckte mit dem Schilde | der theure Degen hehr:So lief er auf im Sturme | zu Hagen vor den Saal.Da erhob sich von den Degen | ein gewaltiger Schall. |
2148 | Die Spere schößen beide | kräftig aus der HandDurch die festen Schilde | auf ihr licht Gewand,Daß die Spersplitter | hoch in die Lüfte flogen.Da griffen zu den Schwertern | die grimmen Degen verwegen. |
2149 | Die Kraft des kühnen Hagen | war ohne Maßen voll;Doch schlug nach ihm Iring, | daß all die Burg erscholl.Der Saal und die Thürme | erhallten von den Schlägen.Es konnte seinen Willen | doch nicht vollführen der Degen. |
2150 | Iring ließ Hagen | unverwundet stehn:Auf den Fiedelspieler | begann er loszugehn.Er wähnt', er sollt ihn zwingen | mit seinen grimmen Schlägen,Doch wuste sich zu schirmen | dieser zierliche Degen. |
2151 | Da schlug der Fiedelspieler, | daß von des Schildes RandDas Gespänge wirbelte | von Volkers starker Hand.Den ließ er wieder stehen; | es war ein übler Mann:Jetzt lief er auf Gunther, | den Burgundenkönig, an. |
2152 | Da war nun Jedweder | zum Streite stark genug.Wie Gunther auf Iring | und der auf Gunther schlug,Das brachte nicht aus Wunden | das fließende Blut.Ihre Rüstung wehrt' es, | die war zu fest und zu gut. |
2153 | Gunthern ließ er stehen | und lief Gernoten an.Das Feuer aus den Ringen | er ihm zu haun begann.Da hätte von Burgunden | der starke GernotIring den kühnen | beinah gesandt in den Tod. |
2154 | Da sprang er von dem Fürsten; | schnell war er genug.Der Burgunden viere | der Held behend erschlug,Des edeln' Heergesindes | aus Worms an dem Rhein.Darüber mochte Geiselher | nicht wohl zorniger sein. |
2155 | «Gott weiß, Herr Iring,» | sprach Geiselher das Kind,«Ihr müßt mir entgelten, | die hier erlegen sindVor euch in dieser Stunde.» | Da lief er ihn anUnd schlug den Danenhelden, | daß er zu straucheln begann. |
2156 | Er schoß vor seinen Händen | nieder in das Blut,Daß sie alle wähnten, | dieser Degen gutSchlug im Streit nicht wieder | einen Schlag mit seinem Schwert.Doch lag vor Geiselheren | Iring da noch unversehrt. |
2157 | Von des Helmes Schwirren | und von des Schwertes KlangWaren seine Sinne | so betäubt und krank,Daß sich der kühne Degen | des Lebens nicht besann.Das hatt ihm mit den Kräften | der kühne Geiselher gethan. |
2158 | Als ihm aus dem Haupte | das Schwirren jetzt entwich,Von dem mächtgen Schlage | war das erst fürchterlich,Da gedacht er: | «Ich lebe und bin auch nirgend wund:Nun ist mir erst die Stärke | des kühnen Geiselher kund!» |
2159 | Zu beiden Seiten hört' er | seine Feinde stehn.Sie hättens wißen sollen, | so wär ihm mehr geschehn.Auch hatt er Geiselheren | vernommen nahe bei:Er sann, wie mit dem Leben | den Feinden zu entkommen sei. |
2160 | Wie tobend der Degen | aus dem Blute sprang!Er mochte seiner Schnelle | wohl sagen großen Dank.Da lief er aus dem Hause, | wo er Hagen fand,Und schlug ihm schnelle Schläge | mit seiner kraftreichen Hand. |
2161 | Da gedachte Hagen: | «Du must des Todes sein.Befriede dich der Teufel, | sonst kannst du nicht gedeihn.»Doch traf Iring Hagnen | durch seines Helmes Hut.Das that der Held mit Maske; | das war eine Waffe gut. |
2162 | Als der grimme Hagen | die Wund an sich empfand,Da schwenkte sich gewaltig | das Schwert in seiner Hand.Es muste vor ihm weichen | Hawarts Unterthan:Hagen ihm die Stiege | hinab zu folgen begann. |
2163 | Uebers Haupt den Schildrand | Iring der kühne schwang.Und war dieselbe Stiege | drei solcher Stiegen lang,Derweil ließ ihn Hagen | nicht schlagen einen Schlag.Hei, was rother Funken | da auf seinem Helme lag! |
2164 | Doch kam zu den Freunden | Iring noch gesund.Da wurde diese Märe | Kriemhilden kund,Was er dem von Tronje | hatt im Streit gethan;Dafür die Königstochter | ihm sehr zu danken begann. |
2165 | «Nun lohne Gott dir, Iring, | erlauchter Degen gut,Du hast mir wohl getröstet | das Herz und auch den Muth:Nun seh ich blutgeröthet | Hagens Wehrgewand!»Kriemhild nahm ihm selber | den Schild vor Freud aus der Hand. |
2166 | «Ihr mögt ihm mäßig danken,» | begann da Hagen,«Bis jetzt ist viel Großes | nicht davon zu sagen;Versucht' er es zum andern Mal, | er wär ein kühner Mann.Die Wunde frommt euch wenig, | die ich noch von ihm gewann. |
2167 | «Daß ihr von meiner Wunde | mir seht den Harnisch roth, |Das hat mich noch erbittert | zu manches Mannes Tod.Nun bin ich erst im Zorne | auf ihn und manchen Mann;Mir hat der Degen Iring | noch kleinen Schaden gethan.» |
2168 | Da stand dem Wind entgegen | Iring von Dänenland;Er kühlte sich im Harnisch, | den Helm er niederband.Da priesen ihn die Leute | für streitbar und gut:Darüber trug der Markgraf | nicht wenig hoch seinen Muth. |
2169 | Da sprach Iring wieder: | «Nun, Freunde, sollt ihr gehn |Und neue Waffen holen: | ich will noch einmal sehn,Ob ich bezwingen möge | den übermüthgen Mann.»Sein Schild war verhauen, | einen beßern er gewann. |
2170 | Gewaffnet war der Recke | bald in noch festre Wehr.Er griff in seinem Zorne | nach einem starken Sper,Damit wollt er Hagen | zum drittenmal bestehn.Es brächt ihm Ehr und Frommen, | ließ' er das sich vergehn. |
2171 | Da wollte sein nicht harren | Hagen der Degen.Mit Schüßen und mit Hieben | lief er ihm entgegenDie Stiege bis zu Ende; | zornig war sein Muth.Da kam dem Degen Iring | seine Stärke nicht zu gut. |
2172 | Sie schlugen durch die Schilde, | daß es zu lohn begann |Mit feuerrothem Winde. | Hawarts UnterthanWard von Hagens Schwerte | da gefährlich wundDurch Helm und durch Schildrand; | er ward nicht wieder gesund. |
2173 | Als Iring der Degen | der Wunde sich besann,Den Schild rückte näher | dem Helm der kühne Mann.Ihn dauchte voll der Schaden, | der ihm war geschehn;Bald that ihm aber größern | der in König Gunthers Lehn. |
2174 | Hagen vor seinen Füßen | einen Wurfspieß liegen fand:Auf Iringen schoß er | den von Dänenland,Daß man ihm aus dem Haupte | die Stange ragen sah.Ein grimmes Ende ward ihm | von dem Uebermüthgen da. |
2175 | Iring must entweichen | zu seinen Dänen hin.Eh man den Helm dem Degen | mochte niederziehn,Brach man den Sper vom Haupte, | da naht' ihm der Tod.Das beweinten seine Freunde: | es zwang sie wahrhafte Noth. |
2176 | Da kam die Königstochter | auch zu ihm heran:Iring den starken | hub sie zu klagen an.Sie beweinte seine Wunden: | es war ihr grimmig leid.Da sprach vor seinen Freunden | dieser Recke kühn im Streit: |
2177 | «Laßt eure Klage bleiben, | viel hehre Königin.Was hilft euer Weinen? | Mein Leben muß dahinSchwinden aus den Wunden, | die an mir offen stehn.Der Tod will mich nicht länger | euch und Etzeln dienen sehn.» |
2178 | Zu Thüringern und Dänen | sprach er hingewandt:«Die Gaben, so die Königin | euch beut, soll eure HandNicht zu erwerben trachten, | ihr lichtes Gold so rothUnd besteht ihr Hagen, | so müßt ihr schauen den Tod.» |
2179 | Seine Farbe war erblichen, | des Todes Zeichen trugIring der kühne; | ihnen war es leid genug.Es konnte nicht gesunden | der Held in Hawarts Lehn:Da must es an ein Streiten | von den Dänenhelden gehn. |
2180 | Irnfried und Hawart | sprangen vor das HausWohl mit tausend Helden: | einen ungestümen BrausVernahm man allenthalben, | kräftig und groß.Hei! was man scharfer Spere | auf die Burgunden schoß! |
2181 | Irnfried der kühne | lief den Spielmann an,Wodurch er großen Schaden | von seiner Hand gewann.Der edle Fiedelspieler | den Landgrafen schlugDurch den Helm den festen: | wohl war er grimmig genug. |
2182 | Da schlug dem grimmen Spielmann | Irnfried einen Schlag,Daß er den Ringpanzer | dem Helden zerbrachUnd sich sein Harnisch färbte | von Funken feuerroth.Dennoch fiel der Landgraf | vor dem Spielmann in den Tod. |
2183 | Zusammen waren Hagen | und Hawart gekommen.Da mochte Wunder schauen, | wer es wahrgenommen.Die Schwerter fielen kräftig | den Helden an der Hand:Da muste Hawart sterben | vor dem aus Burgundenland. |
2184 | Die Thüringer und Dänen | sahn ihre Herren todt.Da hub sich vor dem Hause | noch grimmere Noth,Eh sie die Thür gewannen | mit kraftreicher Hand.Da ward noch verhauen | mancher Helm und Schildesrand. |
2185 | «Weichet,» sprach da Volker, | «laßt sie zum Saal herein:Was sie im Sinne haben, | kann dennoch nicht sein.Sie müßen bald ersterben | allzumal darin:Sie ernten mit dem Tode, | was ihnen beut die Königin,» |
2186 | Als die Uebermüthigen | drangen in den Saal,Das Haupt ward da Manchem | so geneigt zu Thal,Daß er ersterben muste | vor ihren schnellen Schlägen.Wohl stritt der kühne Gernot; | so that auch Geiselher der Degen. |
2187 | Tausend und viere | die kamen in das Haus:Da hörte man erklingen | den hellen Schwertersaus.Sie wurden von den Gästen | alle drin erschlagen:Man mochte große Wunder | von den Burgunden sagen. |
2188 | Darnach ward eine Stille, | als der Lärm verscholl.Das Blut allenthalben | durch die Lücken quollUnd zu den Riegelsteinen | von den todten Degen:Das hatten die vom Rheine | gethan mit kräftigen Schlägen. |
2189 | Da saßen wieder rufend | die aus Burgundenland,Sie legten mit den Schilden | die Waffen aus der Hand.Da stand noch vor dem Hause | der kühne Spielmann,Erwartend, ob noch Jemand | zum Streite zöge heran. |
2190 | Der König klagte heftig, | dazu die Königin;Mägdelein und Frauen | härmten sich den Sinn.Der Tod, wähn ich, hatte | sich wider sie verschworen:Drum giengen durch die Gäste | noch viele der Recken verloren. |