Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Dreiunddreißigstes Abenteuer
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Wie Dankwart die Märe seinen Herren brachte.
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2055 | Als der kühne Dankwart | unter die Thüre tratUnd Etzels Ingesinde | zurückzuweichen bat,Mit Blut war beronnen | all sein Gewand;Eine scharfe Waffe | trug er bloß an seiner Hand. |
2056 | Gerade in der Stunde, | als Dankwart trat zur Thür,Trug man Ortlieben | im Saale für und fürVon einem Tisch zum andern | den Fürsten wohlgeboren:Durch seine schlimme Botschaft | gieng das Kindlein verloren. |
2057 | Hellauf rief da Dankwart | einem Degen zu:«Ihr sitzt, Bruder Hagen, | hier zu lang in Ruh.Euch und Gott vom Himmel | klag ich unsre Noth:Ritter und Knechte | sind in der Herberge todt.» |
2058 | Der rief ihn hin entgegen: | «Wer hat das gethan?»«Das that der Degen Blödel | und Die ihm unterthan.Auch hat ers schwer entgolten, | das will ich euch sagen:Mit diesen Händen hab ich | ihm sein Haupt abgeschlagen.» |
2059 | «Das ist ein kleiner Schade,» | sprach Hagen unverzagt, |«Wenn man solche Märe | von einem Degen sagt,Daß er von Heldenhänden | zu Tode sei geschlagen:Den sollen desto minder | die schönen Frauen beklagen. |
2060 | «Nun sagt mir, lieber Bruder, | wie seid ihr so roth?Ich glaube gar, ihr leidet | von Wunden große Noth.Ist der wo hier im Lande, | von dem das ist geschehn?Der üble Teufel helf ihm denn: | sonst muß es ihm ans Leben gehn.» |
2061 | «Ihr seht mich unverwundet: | mein Kleid ist naß von Blut.Das floß nur aus Wunden | andrer Degen gut,Deren ich so Manchen | heute hab erschlagen,Wenn ichs beschwören sollte, | ich wüste nicht die Zahl zu sagen.» |
2062 | Da sprach er: «Bruder Dankwart, | so hütet uns die Thür |Und laßt von den Heunen | nicht Einen Mann herfür.So red ich mit den Recken, | wie uns zwingt die Noth:Unser Ingesinde | liegt ohne Schuld von ihnen todt.» |
2063 | «Soll ich Kämmrer werden?» | sprach der kühne Mann,«Bei so reichen Königen steht | mir das Amt wohl an:Der Stiege will ich hüten | nach allen Ehren mein.»Kriemhildens Recken | konnte das nicht leider sein. |
2064 | «Nun nimmt mich doch Wunder,» | sprach wieder Hagen,«Was sich die Heunen | hier in die Ohren sagen:Sie möchten sein entbehren, | der dort die Thür bewachtUnd der die Hofmären | den Burgunden hat gebracht. |
2065 | «Ich hörte schon lange | von Kriemhilden sagen,Daß sie nicht ungerochen | ihr Herzleid wolle tragen.Nun trinken wir die Minne | und zahlen Etzels Wein:Der junge Vogt der Heunen | muß hier der allererste sein.» |
2066 | Ortlieb das Kind erschlug da | Hagen der Degen gut,Daß vom Schwerte nieder | zur Hand ihm floß das BlutUnd das Haupt herabsprang | der Köngin in den Schoß.Da hob sich unter Degen | ein Morden grimmig und groß. |
2067 | Darauf dem Hofmeister | der des Kindes pflag,Mit beiden Händen schlug | er einen schnellen Schlag,Daß vor des Tisches Füße | das Haupt ihm niederflog:Es war ein jämmerlicher Lohn, | den er dem Hofmeister wog. |
2068 | Er sah vor Etzels Tische | einen Spielmann:Hagen in seinem Zorne | lief zu ihm heran.Er schlug ihm auf der Geigen | herab die rechte Hand.«Das habe für die Botschaft | in der Burgunden Land.» |
2069 | «Ach meine Hand,» sprach Werbel, | Etzels Spielmann:«Herr Hagen von Tronje, | was hatt ich euch gethan?Ich kam in großer Treue | in eurer Herren Land:Wie kläng ich nun die Töne, | da ich verlor meine Hand?» |
2070 | Hagen fragte wenig, | und geigt' er nimmermehr.Da kühlt' er in dem Hause | die grimme Mordlust sehrAn König Etzels Recken, | deren er viel erschlug:Er bracht in dem Saale | zu Tod der Recken genug. |
2071 | Volker sein Geselle | von dem Tische sprang,Daß laut der Fiedelbogen | ihm an der Hand erklang.Ungefüge siedelte | Gunthers Fiedelmann:Hei! was er sich zu Feinden | der kühnen Heunen gewann! |
2072 | Auch sprangen von den Tischen | die drei Könge hehr.Sie wolltens gerne schlichten, | eh Schadens würde mehr.Doch strebten ihre Kräfte | umsonst dawider an,Da Volker mit Hagen | so sehr zu wüten begann. |
2073 | Nun sah der Vogt vom Rheine, | er scheide nicht den Streit:Da schlug der König selber | manche Wunde weitDurch die lichten Panzer | den argen Feinden sein.Der Held war behende, | das zeigte hier der Augenschein. |
2074 | Da kam auch zu dem Streite | der starke Gernot:Wohl schlug er den Heunen | manchen Helden todtMit dem scharfen Schwerte, | das Rüdeger ihm gab:Damit bracht er Manche | von Etzels Recken ins Grab. |
2075 | Der jüngste Sohn Frau Utens | auch zu dem Streite sprang:Sein Gewaffen herrlich | durch die Helme drangKönig Etzels Recken | aus der Heunen Land;Da that viel große Wunder | des kühnen Geiselher Hand. |
2076 | Wie tapfer alle waren, | die Könge wie ihr Lehn,Jedennoch sah man Volkern | voran all Andern stehnBei den starken Feinden; | er war ein Degen gut:Er förderte mit Wunden | Manchen nieder in das Blut. |
2077 | Auch wehrten sich gewaltig | Die in Etzels Lehn.Die Gäste sah man hauend | auf und nieder gehnMit den lichten Schwertern | durch des Königs Saal.Allenthalben hörte man | von Wehruf größlichen Schall. |
2078 | Da wollten die da draußen | zu ihren Freunden drin:Sie fanden an der Thüre | gar wenig Gewinn;Da wollten die da drinnen | gerne vor den Saal:Dankwart ließ keinen | die Stieg empor noch zu Thal. |
2079 | So hob sich vor den Thüren | ein ungestümer DrangUnd von den Schwerthieben | auf Helme lauter Klang.Da kam der kühne Dankwart | in eine große Noth:Das berieth sein Bruder, | wie ihm die Treue gebot. |
2080 | Da rief mit lauter Stimme | Hagen Volkern an:«Seht ihr dort, Geselle, | vor manchem HeunenmannMeinen Bruder stehen | unter starken Schlägen?Schützt mir, Freund, den Bruder, | eh wir verlieren den Degen.» |
2081 | Der Spielmann entgegnete: | «Das soll alsbald geschehn.»Dann begann er fiedelnd | durch den Saal zu gehn:Ein hartes Schwert ihm öfters | an der Hand erklang.Vom Rhein die Recken sagten | dafür ihm größlichen Dank. |
2082 | Volker der kühne | zu Dankwarten sprach:«Ihr habt erlitten heute | großes Ungemach.Mich bat euer Bruder, | ich sollt euch helfen gehn;Wollt ihr nun draußen bleiben, | so will ich innerhalben stehn.» |
2083 | Dankwart der schnelle | stand außerhalb der Thür:So wehrt' er von der Stiege, | wer immer trat dafür.Man hörte Waffen hallen | den Helden an der Hand;So that auch innerhalben | Volker von Burgundenland. |
2084 | Da rief der kühne Fiedelmann | über die Menge laut:«Das Haus ist wohl verschlossen, | ihr, Freund Hagen, schautVerschränkt ist so völlig | König Etzels Thür,Von zweier Helden Händen | gehn ihr wohl tausend Riegel für.» |
2085 | Als von Tronje Hagen | die Thüre sah in Hut,Den Schild warf zurücke | der schnelle Degen gut:Nun begann er erst zu rächen | seiner Freunde Leid.Seines Zornes must entgelten | mancher Ritter kühn im Streit. |
2086 | Als der Vogt von Berne | das Wunder recht ersah,Wie der starke Hagen | die Helme brach allda,Der Fürst der Amelungen | sprang auf eine Bank.Er sprach: «Hier schenkt Hagen | den allebittersten Trank.» |
2087 | Der Wirth war sehr in Sorgen, | sein Weib in gleicher Noth.Was schlug man lieber Freunde | ihm vor den Augen todt!Er selbst war kaum geborgen | vor seiner Feinde Schar.Er saß in großen Aengsten: | was half ihm, daß er König war? |
2088 | Kriemhild die reiche | rief Dietrichen an:«Hilf mir mit dem Leben, | edler Held, hindann,Bei aller Fürsten Tugend | aus Amelungenland:Denn erreicht mich Hagen, | hab ich den Tod an der Hand.» |
2089 | «Wie soll ich euch helfen,» | sprach da Dietrich,«Edle Königstochter? | ich sorge selbst um mich.Es sind so sehr im Zorne | Die Gunthern unterthan,Daß ich zu dieser Stunde | Niemand Frieden schaffen kann.» |
2090 | «Nicht also, Herr Dietrich, | edler Degen gut:Laß uns heut erscheinen | deinen tugendreichen MuthUnd hilf mir von hinnen, | oder ich bleibe todt.Bring mich und den König | aus dieser angstvollen Noth.» |
2091 | «Ich will es versuchen, | ob euch zu helfen ist,Jedoch sah ich wahrlich | nicht in langer FristIn so bitterm Zorne | manchen Ritter gut:Ich seh ja durch die Helme | von Hieben springen das Blut.» |
2092 | Mit Kraft begann zu rufen | der Ritter auserkorn,Daß seine Stimme hallte | wie ein BüffelhornUnd daß die weite Veste | von seiner Kraft erscholl.Dietrichens Stärke | die war gewaltig und voll. |
2093 | Da hörte König Gunther | rufen diesen MannIn dem harten Sturme. | Zu horchen hub er an:«Dietrichens Stimme | ist in mein Ohr gekommen,Ihm haben unsre Degen | wohl der Seinen wen benommen. |
2094 | «Ich seh ihn auf dem Tische | winken mit der Hand.Ihr Vettern und Freunde | von Burgundenland,Haltet ein mit Streiten: | laßt hören erst und sehn,Was hier Dietrichen | von meinen Mannen sei geschehn.» |
2095 | Als so der König Gunther | bat und auch gebot,Da senkten sie die Schwerter | in des Streites Noth.Das war Gewalt bewiesen, | daß Niemand da mehr schlug.Er fragte den von Berne | um die Märe schnell genug. |
2096 | Er sprach: «Viel edler Dietrich, | was ist euch geschehnHier von meinen Freunden? | Ihr sollt mich willig sehn:Zur Sühne und zur Buße | bin ich euch bereit.Was euch Jemand thäte, | das war mir inniglich leid.» |
2097 | Da sprach der edle Dietrich: | «Mir ist nichts geschehn!Laßt mich aus dem Hause | mit euerm Frieden gehnVon diesem harten Streite | mit dem Gesinde mein.Dafür will ich euch Degen | stäts zu Dienst beflißen sein.» |
2098 | «Was müßt ihr also flehen?» | sprach da Wolfhart,«Es hält der Fiedelspieler | die Thür nicht so verwahrt,Wir erschließen sie so mächtig, | daß man ins Freie kann.»«Nun schweig,» sprach da Dietrich, | «du hast den Teufel gethan.» |
2099 | Da sprach der König Gunther: | «Das sei euch freigestellt:Führt aus dem Hause, | so viel euch gefällt,Ohne meine Feinde: | die sollen hier bestehn.Von ihnen ist mir Leides | bei den Heunen viel geschehn.» |
2100 | Als das der Berner hörte, | mit einem Arm umschloßEr die edle Königin; | ihre Angst war groß;Da führt er an dem andern | Etzeln aus dem Haus.Auch folgten Dietrichen | sechshundert Degen hinaus. |
2101 | Da begann der Markgraf, | der edle Rüdiger:«Soll aber aus dem Hause | noch kommen Jemand mehr,Der euch doch gerne diente, | so macht es mir kund:So walte stäter Friede | in getreuer Freunde Bund.» |
2102 | Antwort seinem Schwäher | gab Geiselher zuhand:«Frieden und Sühne | sei euch von uns bekannt;Ihr haltet stäte Treu, | ihr und euer Lehn,Ihr sollt mit euren Freunden | ohne Sorgen hinnen gehn.» |
2103 | Als Rüdiger der Markgraf | räumte Etzels Saal,Fünfhundert oder drüber | folgten ihm zumal.Das ward von den Helden | aus Treue gethan,Wodurch König Gunther | bald großen Schaden gewann. |
2104 | Da sah ein Heunenrecken | König Etzeln gehnNeben Dietrichen: | des wollt er Frommen sehn.Dem gab der Fiedelspieler | einen solchen Schlag,Daß ihm gleich am Boden | das Haupt vor Etzels Füßen lag. |
2105 | Als der Wirth des Landes | kam vor des Hauses Thor,Da wandt er sich und blickte | zu Volkern empor:«O weh mir dieser Gäste: | wie ist das grimme Noth,Daß alle meine Recken | vor ihnen finden den Tod!» |
2106 | «Ach weh des Hofgelages!» | sprach der König hehr:«Da drinnen ficht Einer, | der heißt Volker,Wie ein wilder Eber | und ist ein Fiedelmann;Ich dank es meinem Heile, | daß ich dem Teufel entrann. |
2107 | «Seine Weisen lauten übel, | sein Bogenstrich ist roth; |Mir schlagen seine Töne | manchen Helden todt.Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt | derselbe Fiedelmann,Daß ich in meinem Leben | so leiden Gast nicht gewann.» |
2108 | Zur Herberge giengen | die beiden Recken hehr,Dietrich von Berne | und Markgraf Rüdiger.Sie selber wollten gerne | des Streits entledigt seinUnd geboten auch den Degen, | daß sie den Kampf sollten scheun. |
2109 | Und hätten sich die Gäste | versehn der Leiden,Die ihnen werden sollten | noch von den Beiden,Sie wären aus dem Hause | so leicht nicht gekommen,Eh sie eine Strafe | von den Kühnen hätten genommen. |
2110 | Sie hatten, die sie wollten, | entlaßen aus dem Saal:Da hob sich innerhalben | ein furchtbarer Schall.Die Gäste rächten bitter | ihr Leid und ihre Schmach.Volker der kühne, | hei, was der Helme zerbrach! |
2111 | Sich kehrte zu dem Schalle | Gunther der König hehr:«Hört ihr die Töne, Hagen, | die dorten VolkerMit den Heunen fiedelt, | wenn wer zur Thüre trat?Es ist ein rother Anstrich, | den er am Fiedelbogen hat.» |
2112 | «Es reut mich ohne Maßen,» | sprach Hagen entgegen,«Daß ich je mich scheiden | mußte von dem Degen.Ich war sein Geselle, | er der Geselle mein,Und kehren wir je wieder heim, | wir wollens noch in Treuen sein. |
2113 | «Nun schau, hehrer König, | Volker ist dir hold:Wie will er verdienen | dein Silber und dein Gold!Sein Fiedelbogen schneidet | durch den harten Stahl,Er wirft von den Helmen | die hellen Zierden zu Thal. |
2114 | «Ich sah nie Fiedelspieler | noch so herrlich stehn,Als diesen Tag von Volker | dem Degen ist geschehn.Seine Weisen hallen | durch Helm und Schildesrand:Gute Rosse soll er reiten | und tragen herrlich Gewand.» |
2115 | So viel der Heunendegen | auch waren in dem Saal,Nicht Einer blieb am Leben | von ihnen allzumal.Da war der Schall beschwichtigt, | als Niemand blieb zum Streit.Die kühnen Recken legten | da ihre Schwerter beiseit. |