Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Dreizehntes Abenteuer
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Wie sie zum Hofgelage fuhren.
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802 | All ihr Bemühen | laßen wir nun seinUnd sagen, wie Frau Kriemhild | und ihre MägdeleinHin zum Rheine fuhren | von Nibelungenland.Niemals trugen Rosse | so viel herrlich Gewand. |
803 | Viel Saumschreine wurden | versendet auf den Wegen.Da ritt mit seinen Freunden | Siegfried der DegenUnd die Königstochter | in hoher Freuden Wahn;Da war es ihnen Allen | zu großem Leide gethan. |
804 | Sie ließen in der Heimat | Siegfrieds KindeleinUnd Kriemhildens bleiben; | das muste wohl so sein.Aus ihrer Hofreise | erwuchs ihm viel Beschwer:Seinen Vater, seine Mutter | ersah das Kindlein nimmermehr. |
805 | Mit ihnen ritt von dannen | Siegmund der König hehr.Hätt er ahnen können, | wie es ihm nachherBeim Hofgelag ergienge, | er hätt es nicht gesehn:Ihm konnt an lieben Freunden | größer Leid nicht geschehn. |
806 | Vorausgesandte Boten | verhießen sie bei Zeit.Entgegen ritten ihnen | in herrlichem GeleitVon Utens Freunden viele | und König Gunthers Lehn.Der Wirth ließ großen Eifer | für die lieben Gäste sehn. |
807 | Er gieng zu Brunhilden, | wo er sie sitzen fand:«Wie empfieng euch meine Schwester, da ihr kamet in dieß Land?So will ich, daß ihr Siegfrieds | Gemahl empfangen sollt.»«Das thu ich», sprach sie, «gerne: ich bin ihr billiglich hold.» |
808 | Da sprach der mächtige König: | «Sie kommen morgen fruh; |Wollt ihr sie empfangen, | so greift nur bald dazu,Daß sie uns in der Veste | nicht überraschen hie:Mir sind so liebe Gäste | nicht oft gekommen wie sie.» |
809 | Ihre Mägdelein und Frauen | ließ sie da zur HandGute Kleider suchen, | die besten, die man fand,Die ihr Ingesinde | vor Gästen mochte tragen.Das thaten sie doch gerne: | das mag man für Wahrheit sagen. |
810 | Sie zu empfangen eilten | auch Die in Gunthers Lehn;All seine Recken | hieß er mit sich gehn.Da ritt die Königstochter | hinweg in stolzem Zug.Die lieben Gäste grüßte | sie alle freudig genug. |
811 | Mit wie hohen Ehren | da empfieng man sie!Sie dauchte, daß Frau Kriemhild | Brunhilden nieSo wohl empfangen habe | in Burgundenland.Allen, die es sahen, | war hohe Wonne bekannt. |
812 | Nun war auch Siegfried kommen | mit seiner Leute Heer.Da sah man die Helden | sich wenden hin und herIm Feld allenthalben | mit ungezählten Scharen.Vor Staub und Drängen konnte | sich da Niemand bewahren. |
813 | Als der Wirth des Landes | Siegfrieden sahUnd Siegmund den König, | wie gütlich sprach er da:«Nun seid mir hochwillkommen | und all den Freunden mein;Wir wollen hohen Muthes | ob eurer Hofreise sein.» |
814 | «Nun lohn euch Gott,» sprach Siegmund, | der ehrbegierge Mann.«Seit mein Sohn Siegfried | euch zum Freund gewann,Rieth mir all mein Sinnen, | wie ich euch möchte sehn.»Da sprach König Gunther: | «Nun freut mich, daß es geschehn.» |
815 | Siegfried ward empfangen, | wie man das wohl gesollt,Mit viel großen Ehren; | ein Jeder ward ihm hold.Des half mit Rittersitten | Gernot und Geiselher;Man bot es lieben Gästen | so gütlich wohl nimmermehr. |
816 | Nun konnten sich einander | die Königinnen schaun.Da sah man Sättel leeren | und viel der schönen FraunVon der Helden Händen | gehoben auf das Gras:Wer gerne Frauen diente, | wie selten der da müßig saß! |
817 | Da giengen zu einander | die Frauen minniglich.Darüber höchlich freuten | viel der Ritter sich,Daß der Beiden Grüßen | so minniglich ergieng.Man sah da manchen Recken, | der Frauendienste begieng. |
818 | Das herrliche Gesinde | nahm sich bei der Hand;Züchtiglich sich neigen | man allerorten fandUnd minniglich sich küssen | viel Frauen wohlgethan.Das sahen gerne Gunthers und | Siegfrieds Mannen mit an. |
819 | Sie säumten da nicht länger | und ritten nach der Stadt. |Der Wirth seinen Gästen | zu erweisen hat,Daß man sie gerne sähe | in der Burgunden Land.Manches schöne Kampfspiel | man vor den Jungfrauen fand. |
820 | Da ließ von Tronje Hagen | und auch Ortewein,Wie sie gewaltig waren, | wohl offenkundig sein.Was sie gebieten mochten, | das ward alsbald gethan.Man sah die lieben Gäste | viel Dienst von ihnen empfahn. |
821 | Man hörte Schilde hallen | vor der Veste ThorVon Stichen und von Stößen. | Lange hielt davorDer Wirth mit seinen Gästen, | bis alle waren drin,In mancher Kurzweil giengen | ihnen schnell die Stunden hin. |
822 | Vor den weiten Gästesaal | sie nun in Freuden ritten.Viel kunstvolle Decken, | reich und wohlgeschnitten,Sah man von den Sätteln | den Frauen wohlgethanAllenthalben hangen; | da kamen Diener heran. |
823 | Zu Gemache wiesen | sie die Gäste da.Hin und wieder blicken | man Brunhilden sahNach Kriemhild der Frauen; | schön war sie genug:Den Glanz noch vor dem Golde | ihre hehre Farbe trug. |
824 | Da vernahm man allenthalben | zu Worms in der StadtDen Jubel des Gesindes. | König Gunther batDankwart, seinen Marschall, | es wohl zu verpflegen:Da ließ er die Gäste | in gute Herbergen legen. |
825 | Draußen und darinnen | beköstigte man sie:So wohl gewartet wurde | fremder Gäste nie.Was Einer wünschen mochte, | das war ihm gern gewährt:So reich war der König, | es blieb Keinem was verwehrt. |
826 | Man dient' ihnen freundlich | und ohn allen Haß.Der König zu Tische | mit seinen Gästen saß;Siegfrieden ließ man sitzen, | wie er sonst gethan.Mit ihm gieng zu Tische | gar mancher waidliche Mann. |
827 | Zwölfhundert Recken | setzten sich dahinMit ihm an der Tafel. | Brunhild die KöniginGedachte, wie ein Dienstmann | nicht reicher möge sein.Noch war sie ihm günstig, | sie ließ ihn gerne gedeihn. |
828 | Es war an einem Abend, | da so der König saß,Viel reiche Kleider wurden | da vom Weine naß,Als die Schenken sollten | zu den Tischen gehn:Da sah man volle Dienste | mit großem Fleiße geschehn. |
829 | Wie bei Hofgelagen | Sitte mochte sein,Ließ man zur Ruh geleiten | Fraun und Mägdelein.Von wannen wer gekommen, | der Wirth ihm Sorge trug;In gütlichen Ehren | gab man Allen genug. |
830 | Die Nacht war zu Ende, | sich hob des Tages Schein,Aus den Saumschreinen | mancher EdelsteinErglänzt' auf gutem Kleide; | das schuf der Frauen Hand.Aus der Lade suchten sie | manches herrliche Gewand. |
831 | Eh es noch völlig tagte, | kamen vor den SaalRitter viel und Knechte: | da hob sich wieder SchallVor einer Frühmesse, | die man dem König sang.So ritten junge Helden, | der König sagt' ihnen Dank. |
832 | Da klangen die Posaunen | von manchem kräftgen Stoß;Von Flöten und Drommeten | ward der Schall so groß,Worms die weite Veste | gab lauten Widerhall.Auf die Rosse sprangen | die kühnen Helden überall. |
833 | Da hob sich in dem Lande | ein hohes RitterspielVon manchem guten Recken: | man fand ihrer viel,Deren junge Herzen | füllte froher Muth.Unter Schilden sah man | manchen zieren Ritter gut. |
834 | Da ließen in den Fenstern | die herrlichen FraunUnd viel der schönen Maide | sich im Schmucke schaun.Sie sahen kurzweilen | manchen kühnen Mann:Der Wirth mit seinen Freunden | zu reiten selber begann. |
835 | So vertrieben sie die Weile, | die dauchte sie nicht lang.Da lud zu dem Dome | mancher Glocke Klang:Den Frauen kamen Rosse, | da ritten sie hindann;Den edeln Königinnen | folgte mancher kühne Mann. |
836 | Sie stiegen vor dem Münster | nieder auf das Gras.Noch hegte zu den Gästen | Brunhild keinen Haß.Sie giengen unter Krone | in das Münster weit.Bald schied sich diese Liebe: | das wirkte grimmiger Neid. |
837 | Als die Messe war gesungen, | sah man sie weiter ziehnUnter hohen Ehren. | Sie giengen heiter hinZu des Königs Tischen. | Ihre Freude nicht erlagBei diesen Lustbarkeiten | bis gegen den eilften Tag. |
838 | Die Königin gedachte: | «Ich wills nicht länger tragen.Wie ich es fügen möge, | Kriemhild muß mir sagen,Warum uns so lange | den Zins versaß ihr Mann:Der ist doch unser Eigen: | der Frag ich nicht entrathen kann.» |
839 | So harrte sie der Stunde, | bis es der Teufel rieth,Daß sie das Hofgelage | und die Lust mit Leide schied.Was ihr lag am Herzen, | zu Lichte must es kommen:Drum ward in manchen Landen | durch sie viel Jammer vernommen. |