Karl Simrock
1802 - 1876
Das Nibelungenlied
Erstes Abenteuer
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Wie Kriemhilden träumte.
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1 | Viel Wunderdinge melden | die Mären alter ZeitVon preiswerthen Helden, | von großer Kühnheit,Von Freud und Festlichkeiten, | von Weinen und von Klagen,Von kühner Recken Streiten | mögt ihr nun Wunder hören sagen. |
2 | Es wuchs in Burgunden | solch edel Mägdelein,Daß in allen Landen | nichts Schönres mochte sein.Kriemhild war sie geheißen, | und ward ein schönes Weib,Um die viel Degen musten | verlieren Leben und Leib. |
3 | Die Minnigliche lieben | brachte Keinem Scham;Um die viel Recken warben, | Niemand war ihr gram.Schön war ohne Maßen | die edle Maid zu schaun;Der Jungfrau höfsche Sitte | wär eine Zier allen Fraun. |
4 | Es pflegten sie drei Könige | edel und reich,Gunther und Gernot, | die Recken ohne Gleich,Und Geiselher der junge, | ein auserwählter Degen;Sie war ihre Schwester, | die Fürsten hatten sie zu pflegen. |
5 | Die Herren waren milde, | dazu von hohem Stamm,Unmaßen kühn nach Kräften, | die Recken lobesam.Nach den Burgunden | war ihr Land genannt;Sie schufen starke Wunder | noch seitdem in Etzels Land. |
6 | In Worms am Rheine wohnten | die Herrn in ihrer Kraft.Von ihren Landen diente | viel stolze RitterschaftMit rühmlichen Ehren | all ihres Lebens Zeit,Bis jämmerlich sie starben | durch zweier edeln Frauen Streit. |
7 | Ute hieß ihre Mutter, | die reiche Königin,Und Dankrat ihr Vater, | der ihnen zum GewinnDas Erbe ließ im Tode, | vordem ein starker Mann,Der auch in seiner Jugend | großer Ehren viel gewann. |
8 | Die drei Könge waren, | wie ich kund gethan,Stark und hohen Muthes; | ihnen waren unterthanAuch die besten Recken, | davon man hat gesagt,Von großer Kraft und Kühnheit, | in allen Streiten unverzagt. |
9 | Das war von Tronje Hagen, | und der Bruder sein,Dankwart der Schnelle, | von Metz Herr Ortewein,Die beiden Markgrafen | Gere und Eckewart,Volker von Alzei, | an allen Kräften wohlbewahrt, |
10 | Rumold der Küchenmeister, | ein theuerlicher Degen,Sindold und Hunold: | die Herren musten pflegenDes Hofes und der Ehren, | den Köngen unterthan.Noch hatten sie viel Recken, | die ich nicht alle nennen kann. |
11 | Dankwart war Marschall; | so war der Neffe seinTruchseß des Königs, | von Metz Herr Ortewein.Sindold war Schenke, | ein waidlicher Degen,Und Kämmerer Hunold: | sie konnten hoher Ehren pflegen. |
12 | Von des Hofes Ehre | von ihrer weiten Kraft,Von ihrer hohen Würdigkeit | und von der Ritterschaft,Wie sie die Herren übten | mit Freuden all ihr Leben,Davon weiß wahrlich Niemand | euch volle Kunde zu geben. |
13 | In ihren hohen Ehren | träumte Kriemhilden,Sie zög einen Falken, | stark-, schön- und wilden;Den griffen ihr zwei Aare, | daß sie es mochte sehn:Ihr konnt auf dieser Erde | größer Leid nicht geschehn. |
14 | Sie sagt' ihrer Mutter | den Traum, Frau Uten:Die wust ihn nicht zu deuten | als so der guten:«Der Falke, den du ziehest, | das ist ein edler Mann:Ihn wolle Gott behüten, | sonst ist es bald um ihn gethan.» |
15 | «Was sagt ihr mir vom Manne, | vielliebe Mutter mein?Ohne Reckenminne | will ich immer sein;So schön will ich verbleiben | bis an meinen Tod,Daß ich von Mannesminne | nie gewinnen möge Noth.» |
16 | «Verred es nicht so völlig,» | die Mutter sprach da so,«Sollst du je auf Erden | von Herzen werden froh,Das geschieht von Mannesminne: | du wirst ein schönes Weib,Will Gott dir noch vergönnen | eines guten Ritters Leib.» |
17 | «Die Rede laßt bleiben, | vielliebe Mutter mein.Es hat an manchen Weiben | gelehrt der Augenschein,Wie Liebe mit Leide | am Ende gerne lohnt;Ich will sie meiden beide, | so bleib ich sicher verschont!» |
18 | Kriemhild in ihrem Muthe | hielt sich von Minne frei.So lief noch der guten | manch lieber Tag vorbei,Daß sie Niemand wuste, | der ihr gefiel zum Mann,Bis sie doch mit Ehren | einen werthen Recken gewann. |
19 | Das war derselbe Falke, | den jener Traum ihr bot,Den ihr beschied die Mutter. | Ob seinem frühen TodDen nächsten Anverwandten | wie gab sie blutgen Lohn!Durch dieses Einen Sterben | starb noch mancher Mutter Sohn. |