Wilhelm Schröder
1808 - 1878
De Swienegel als Wettrenner
1835
Hochdeutsche Fassungvon Walter Schmidkunz
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Der Swienegel als Wettrenner
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Diese Geschichte ist lügenhaft zu erzählen, Jungens, aber wahr ist sie doch! Denn mein Großvater, von dem ich sie habe, pflegte immer, wenn er sie erzählte, zu sagen: «Wahr muß sie doch sein, mein Sohn, sonst kann man sie ja nicht erzählen!»Die Geschichte hat sich aber so zugetragen.
Es war an einem Sonntagmorgen zur Herbstzeit, gerade als der Buchweizen blühte. Die Sonne war hell aufgegangen am Himmel, der Morgenwind ging warm über die Stoppeln, die Lerchen sangen in der Luft, die Bienen summten im Buchweizen, und die Leute gingen in ihrem Sonntagsstaat zur Kirche, und alle Kreatur war vergnügt, und der Swienegel auch.
Der Swienegel aber stand vor seiner Tür, hatte die Arme untergeschlagen, guckte dabei in den Morgenwind hinaus, und trällerte ein kleines Liedchen vor sich hin, so gut und so schlecht als nun eben am lieben Sonntagmorgen ein Swienegel zu singen pflegt. Während er nun noch so halb leise vor sich hinsang, fiel ihm auf einmal ein, er könnte auch wohl, während seine Frau die Kinder wusch und anzog, ein bißchen ins Feld spazieren und mal nachsehen, wie seine Steckrüben stünden. Die Steckrüben waren nämlich die nächsten bei seinem Hause, und er pflegte mit seiner Familie davon zu essen, darum sah er sie als die seinigen an.Gesagt, getan. Der Swienegel machte die Haustür hinter sich und schlug den Weg nach dem Felde ein. Er war noch nicht sehr weit vom Hause, und wollte gerade um den Schlehenbusch, der da vor dem Felde stand, nach dem Steckrübenacker hinüberschwenken, als ihn der Hase bemerkt, der in ähnlichen Geschäften ausgegangen war, nämlich um seinen Kohl zu besehen. Als der Swienegel den Hasen erblickte, bot er ihm einen freundlichen «Guten Morgen». Der Hase aber, der in seiner Art ein vornehmer Herr war und grausam hochmütig dabei, antwortet nichts auf des Swienegels Gruß, sondern sagte zum Swienegel, wobei er eine gewaltig höhnische Miene annahm: «Wie kommt es denn, daß Du hier schon an so frühem Morgen im Feld herumläufst?»
«Ich geh spazieren!» sagt der Swienegel.«Spazieren?» lachte der Hase. «mir dünkt Du könntest Deine Beine auch wohl zu besseren Dingen gebrauchen!»Diese Antwort verdroß den Swienegel ungeheuer, denn alles konnt er vertragen, aber auf seine Beine ließ er nichts kommen, eben weil sie von Natur schief waren.«Du bildest Dir wohl ein», sagte nun der Swienegel zum Hasen, «daß Du mit Deinen Beinen mehr ausrichten kannst?»«Das denk ich», sagte der Hase.«Das kommt auf einen Versuch an», meinte der Swienegel, «ich setz dagegen, wenn wir die Wette laufen, ich lauf Dir davon!»«Das ist zum Lachen, Du mit Deinen schiefen Beinen?» sagte der Hase, «aber meinetwegen mag es sein, wenn Du so übergroße Lust hast. Was gilt die Wette?»«Einen goldenen Louisdor und eine Flasche Branntwein!» sagte der Swienegel.«Angenommen», sprach der Hase, «schlag ein, und dann kann es gleich losgehen.»«Nein, so große Eile hat es nicht!» meint der Swienegel, «ich bin noch ganz nüchtern; erst will ich nach Hause gehen und ein bißchen frühstücken; in einer halben Stunde bin ich wieder hier auf dem Platz.»Damit ging der Swienegel, denn der Hase war es zufrieden.Unterwegs dachte der Swienegel bei sich: «Der Hase verläßt sich auf seine langen Beine, aber ich will ihn wohl kriegen; er ist zwar ein vornehmer Herr, aber doch eben ein dummer Kerl - und bezahlen soll er doch!»Als nun der Swienegel zu Hause ankam, sprach er zu seiner Frau: «Frau, zieh dich schnell an, Du mußt mit mir nach dem Feld hinaus!»«Was gibt es denn?» sagte seine Frau.«Ich habe mit dem Hasen um einen goldenen Louisdor und eine Flasche Branntwein gewettet; ich will mit ihm um die Wette laufen, und da sollst Du mit dabei sein!»
«O mein Gott, Mann!» fing nun dem Swienegel seine Frau an zu schreien, «bist Du nicht klug, hast Du denn ganz den Verstand verloren? Wie kannst Du mit dem Hasen um die Wette laufen wollen?!»
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