BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Dorothea Schlegel

1763 - 1839

 

Die Geschichte des Zauberers Merlin

 

1804

 

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Drey und zwanzigstes Kapitel.

 

Des andern Morgens war in der ganzen Stadt von nichts anderm die Rede; endlich kam das Gerücht dieser Flucht auch bis zum Könige. Dieser gerieth in den heftigsten Zorn, als er vernahm, daß der Herzog, ohne Urlaub zu nehmen, fortgezogen sey, mehr aber kränkte es ihm noch, daß er die Dame Yguerne mit fort genommen. Er ließ seine Rathsherren zusammenrufen, und stellte ihnen das Unrecht des Herzogs vor, daß er ihn so plötzlich, ohne [178] Ursache und ohne Urlaub zu nehmen, auf eine schimpfliche Weise verlassen habe, da er ihm stets so freundlich war, ihn auch mit schönen Geschenken an Kleinodien so geehrt habe. Die Rathsherren erstaunten ganz über dieß Betragen des Herzogs, es dünkte ihnen ganz thöricht zu seyn, und gar nicht zu entschuldigen; sie wußten aber die wahre Ursache nicht von seinem Weggehen; weil nun der König ihm vor allen andern Ehre und Freundschaft erzeigt habe, so glaubten sie, er könne ein Vergehen um desto weniger wieder gut machen, und es sey ein Verbrechen der beleidigten Majestät.

Sie beschlossen und riethen dem Könige, daß er zwey Botschafter nach Tintayol senden müsse, und daß er dem Herzog durch diese sagen lasse, daß er dem Könige Genugthuung geben müsse für die Beleidigung, welche er ihm zugefügt, indem er ohne des Königs Einwilligung, und ohne Urlaub von ihm zu nehmen, den Hof verlassen habe. Der König verlange also, daß er sogleich eben so wieder an den Hof zurückkehre, so wie er ihn verlassen, [179] um des Königs Gnade zu erflehen. Der König war dieß auch sogleich zufrieden und sandte zwey tapfere Ritter als Gesandte nach Tintayol.

 

Der König sandte zwey tapfere Ritter als Gesandte nach Tintayol

 

Als diese vor den Herzog kamen und er ihren Auftrag vom Könige vernommen hatte, und hörte, daß er seine Gemahlin wieder mit sich an den Hof bringen solle, weil der Befehl so war, daß er eben so wieder dahin zurück kommen müsse, wie er hinweggeritten; so gerieth er in großen Zorn, und sprach zu den Abgesandten: mit nichten werde ich wieder an seinen Hof gehen, denn er hat sich so sehr an mir und an den Meinigen vergangen, daß ich ihn nicht mehr lieben und ihm nicht fürder gehorsam seyn kann. Mehrsage ich euch jetzt nicht. Da die Abgesandten keine andre Antwort als diese vom Herzoge erlangen konnten, zogen sie wieder ab und ritten nach Kardueil. Der Herzog aber ließ alle seine Ritter und die weisen Räthe seines Landes zusammenberufen, und erzählte ihnen nun, welche Verrätherey der König an ihm begangen, und wie übel er ihm mitgespielt; darum, setzte er hinzu, ritt ich [180] plötzlich, und ohne Urlaub von ihm zu nehmen, von Kardueil weg: jetzt aber hatte er mir die Botschaft wissen lassen, daß ich des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig sey, und deshalb wieder an seinen Hof kommen müsse, um ihn um Verzeihung desfalls zu bitten, eben so müßte ich wieder kommen, so wie ich den Hof verlassen; das heißt aber, nicht ohne meine Gemahlin Yguerne dürfe ich kommen. – Ihr habt wohl gethan, sagten seine Ritter und Räthe, daß ihr solches nicht gethan, denn es ist eure Pflicht, daß ihr eure Ehre in Obacht nehmet. Uebel hat der König gethan, solchen Verrath an seinem Lehnsmann zu verüben. – Nun, antwortete der Herzog, so ersuche ich und bitte euch, um meiner Ehre und der eurigen willen, daß ihr mir euern Beystand gewährt und mir Hülfe leiht gegen den König, wenn dieser Krieg und Streit mit mir anfängt; daß ihr mein Land mir beschützen helft, und in allen Dingen mir zu Hülfe kommt. Die Ritter und Räthe versprachen ihm und schwuren, daß sie ihm helfen und dienen [181] würden, sollte es auch ihr Leben kosten; wofür der Herzog ihnen sehr dankte.

Nachdem der König den Bericht der zurückkehrenden Botschafter vernommen, gerieth er sehr in Zorn, und bot alle seine Barone und Fürsten auf, ihn an dem Herzog von Tintayol rächen zu helfen, und sie sagten ihm alle ihre Hülfe zu. Vorher ließ er, als im rechtmäßigen Kriege, dem Herzog den Frieden aufsagen und ihm verkündigen, daß wo er nicht dem Könige ehrenhafte Genugthuung thäte, er sich nach vierzig Tagen in Bereitschaft zu halten habe, sich zu vertheidigen, weil der König ihm in vollen Waffen zusprechen würde. Als der Herzog dieses Aufgebot vernommen, antwortete er den Boten, daß er sich wo möglich zu vertheidigen gedächte; ließ darauf auch seine Ritter und Kriegsmänner entbieten, und sie zur Vertheidigung des Landes bereiten. Ich besitze nur zwey feste Schlösser, sagte er seinen Rittern, die im Stande sind, gegen den König zu halten, diese beiden soll er aber sicher nicht erhalten, so lange ich lebe. Meine Gemahlin soll [182] hier zu Tintayol bleiben, nebst zehn der tapfersten und kühnsten Ritter zu ihrer Beschützung, welche die Burg wohl zu vertheidigen im Stande sind; ich aber will mit den übrigen nach dem andern Schlosse ziehen.

 

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