August von Platen
1796 - 1835
Die AbbassidenEin Gedicht in neun Gesängen
1930
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Achter Gesang.
Welch ein Anblick ward dem guten Assad,Als er rund umher den Blick versandte!Seinen Bruder sieht zum Thor er einziehn,Doch gefesselt, einem Sklaven ähnlich; | |
5 | Ihn bewacht ein bärtiger Söldnerhaufen,Einem Führer folgend, roh von Ansehn.Schehriars Erzeugter war's, und ebenBracht' er heim zur Magierstadt den Assur,Triumphirend, freudigen Ganges. Wütend |
10 | Stürzt sich Assad auf den Führer, reißt ihmPfeilgeschwind den Säbel aus der Scheide,Und im Nu sinkt schwergetroffen BehramDurch das eigene Schwert, entseelt zur Erde.Seine Mannen aber dringen, Jeder |
15 | Mit entblößter Waffe gegen AssadVor; ein Paar nur hütet seinen Bruder,Der in Ketten dieses blutige Schauspiel,Ueberrascht von Schmerz und Freude, müßigSich entfalten sieht, und keine Hülfe |
20 | Dem verleihn kann, der so sehr bedarf sie,Den er liebt, wie seines Wesens Hälfte:Allzugroß ist, ruft er aus, der SchergenUebermacht, geliebter Bruder! Fliehe,Rette dich, vielleicht vermagst dereinst du |
25 | Mich zu retten, den die schnöden MagierAusersehn zum Menschenopfer. Fliehe!
Lange kämpft mit jenem Haufen Assad,Sieben streckt er nieder; aber endlichUebermannt ihn ihre Zahl, ein neuer |
30 | Schwarm gesellt sich aus der Stadt zu ihnen.Jetzt gedenkt er, statt des schartigen SäbelsSeiner Füße Schnelligkeit zu prüfen.Nah' am Thore zog ein schmaler BergpfadSteil empor sich, diesen wählt der Jüngling: |
35 | Jene folgen, wie dem Wild die Hunde.Durch die Schergen ward indessen AssurNach der Stadt geführt in jenen Kerker,Den er einst verlassen, als die MagierIhn zum Opfer auf der Feuerinsel |
40 | Ausersehn. Mit einem Strahl von HoffnungSteigt er niederwärts die lange Treppe,Wissend, daß der Bruder seines SchicksalsHärte kennt. Es flüchtete Dieser keuchendDurch unwegsam rauhe, steinige Pfade, |
45 | Auf den Fersen stets die Knechte Behrams.Plötzlich sieht er einen Steg, geleitetUeber'n Bach, der durch die waldige BergschluchtHell und stahlgrün sich ergoß und rauschend.Allzuhastig will der Sohn des Harun |
50 | Ueberspringen jene schmale Brücke;Doch er strauchelt, und ein eiliger FehltrittStürzt hinunter ihn; es führt der Bach ihnRasch hinweg mit angeschwollnen Wassern.Als die Häscher ihn hinabgestürzt sehn, |
55 | Jubeln laut sie auf, der Vordere ruft esSeinem Hintermann, und alle kehrenNach der Stadt zurück, gestillt die Rache.Doch das Schicksal wollte nicht den frühenUntergang des mutigen Abbassiden. |
60 | Lang besinnungslos im WellenstrudelFortgewälzt, erwacht zuletzt der Jüngling,Und genes't von seinem Traum. Was sieht erAls das Aug' er halb im Taumel aufschlägt?Nicht das Waldgebirg erkennt er wieder, |
65 | Das er kaum verlassen, nein – verwundertSicht er mitten in einem großen Saal sich,Alterthümlich ausgeschmückt. Das RätselLöst sich endlich. Eine BadehalleWar's, geziert mit einem Marmorbecken: |
70 | In das Becken goß von außenher sichJener Bach durch eine Maueröffnung,Stets mit frischer Flut die schöne MuschelFüllend, während durch die Gegenwand erWieder plätschernd und gediegen abfloß.
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75 | Kaum gewahrte dieß Mohadi's Enkel,Als sich aufthut eine Thür des Saales;Auf die Schwelle tritt ein halb verschleiertBlühend Weib von königlichem Wuchse.Wär's Melinda, denkt im Geist der Jüngling, |
80 | Die vielleicht in ihren Feenpallast michHergezaubert? Nicht Melinda war es,Nein – es war die schöne Diwisade!Ihres Gatten Angesicht mit einemLauten Ach erkennet Abdorrachman's |
85 | Holde Tochter, ihr entgegen stürzt sichAthemlos und freudetrunken Assad.
Als des Willkomms erster Drang gestillt war,Ruft die Fürstin ihren Frau'n und Wächtern,Deren Schweigen Gold verbürgt; die Tafel |
90 | Wird bereitet im Gemach, GewänderLäßt sie reichen, ja, mit eignen HändenSchmückt sie selbst den langentbehrten Liebling.Füllt dem Freund den langentbehrten Becher.Welch ein Zauber, ruft der Abbasside, |
95 | Hat sich hier begeben? Welches WunderFührt hieher dich, vielgeliebte Gattin?Ihm erwiedert Diwisade: WelchesWunder, Assad, muß zuerst ich fragen,Führte dich hieher? Du weilst in einem |
100 | Festen Schlosse Schehriars, wohin michJener Mörder meines Stamms verbannte.
Nun erzählt ihr auch der Sohn des HarunSeiner Abenteuer lange Kette:Doch, beschließt er, selbst an deinem Busen |
105 | Darf ich jetzt nicht ruh'n, o Diwisade!Denn vor Allem gilt es, meinen BruderAus den Klau'n des Wüterichs zu retten.
Angstbekümmert (dieß versetzt die Holde)Lass ich ziehn dich; doch entgegenstellen |
110 | Darf ich nichts, du folgst dem reinsten Triebe!Hör' indessen meinen Rat! Die Schätze,Die du aus dem Thal der DiamantenMitgeführt, erheben dich zum reichstenMann der Erde. Dir gelingen möcht' es, |
115 | Schnell ein Heer zu werben, um die HerrschaftSchehriars im Waffendrang zu stürzen;Doch bedenke, daß indessen AssurLeicht ein Opfer fallen kann dem Wütrich'Lieber schlage drum des Friedens Weg ein . |
120 | Um zu bluten auf der FeuerinselWard erlesen dein gefangener Bruder;Doch den König hat er nie beleidigt,Keinen Groll hegt gegen ihn der König.Wenn du Diesem, wär' es nur ein Drittheil |
125 | Deiner Diamanten beutst, so wird erStatt des Lösegelds ein solches KleinodGern empfangen für den Abbassiden.
So die Fürstin. Ihr gehorcht der Jüngling;Dieser Weg erscheint auch ihm der klügste. |
130 | Unbekannt war's Diwisaden, wie esUnbekannt geblieben war dem Assad,Daß der Führer jenes Zugs am Stadtthor,Den im Kampf er niederstreckte, BehramWar gewesen, Schehriars Erzeugter, |
135 | Ja, der eigene Nebenbuhler Assads.
Drauf in Kaufmannstracht am nächsten MorgenEilt der Jüngling nach der Stadt. In kurzerTage Frist gelingt bei Schehriar ihmOffener Zutritt. Sich zur Erde beugend, |
140 | Reicht er fünf der größten DiamantenAls Geschenke dar dem gierigen Herrscher.Solch unschätzbar hohen Schatz betrachtendStaunet lange Schehriar: O Fremdling,Spricht er endlich, jede königliche |
145 | Gnade sei für dieß Geschenk gewährt dir!Ihm erwiedert Assad: Nichts erbitt' ich,Nichts, als Eines deiner Sklaven Freiheit,Eines Jünglings, der dem FeuerdiensteWard bestimmt zum Opfer. Drauf der König: |
150 | Nichts, fürwahr, für solchen Schatz erflehst du!Nimm der Sklaven Wen du willst, es findenMeine Priester leicht ein neues Opfer;Ja, gefällt dir's, nimm die Knaben alle,Die zur Zeit in meinem Kerker schmachten, |
155 | Wär' es selbst der kaum zurückgeführteSohn des Harun Alraschid in Bagdad!
Dieß gesagt, entläßt er ihn. Mit frohemSchlag des Herzens eilt von dannen Assad;Aber, auf der Schwelle schon, gewahrt ihn |
160 | Jener Schergen Einer, die dem BehramNach dem Schiff gefolgt; in's Auge faßt erScharf den Jüngling, starret immer wiederIhm in's Aug' und ruft zuletzt, die Thür ihmWeigernd, gegen Schehriar die Worte: |
165 | Dieß, o Herr, ist deines Sohnes Mörder!
Racheschnaubend springt empor der König,Seines Hofs Trabanten übergibt er,Wut im Blick, den edlen Abbassiden.Diese schleppen ihn gefesselt mit sich |
170 | In's Gefängniß. Finstere Plane brütetSchehriar und überlegt Vergeltung.
Doch wir wenden nach Amin zurück uns,Welcher weit indeß umhergepilgert,Stets umsonst der schönen Heliodora |
175 | Spur verfolgend und die Spur des Räubers.Endlich langt er an im Lande Kaschmir:Dort, gesellend einem Wandersmann sich,Kündet dieser ihm verbürgte Sage:Eine Jungfrau sei im Reich erschienen, |
180 | Wundervoll, auf einem Flügelpferde.Sie begrüßt, empfangen habe KaschmirsGreiser Sultan; doch in Lieb' entzündet,Seine Hand geboten ihr und Krone;Doch sie habe stets sich ihm geweigert. |
185 | Ja, sie sei zuletzt in tiefe Schwermut,Die dem Wahnsinn ähnlich war, versunken,Sei's Verstellung oder wahre Krankheit.Seine klügsten Aerzte habe KaschmirsGreiser Sultan aufgefordert, keinem |
190 | Sei gelungen jenes Uebels Heilung.Hohe Preise habe dann der SultanDem gesetzt, durch dessen Kunst der JungfrauGram genese. Dieß erzählt dem PrinzenJener Pilger. Mächtig fühlt Amin sich |
195 | Aufgeregt im Geist; er eilt zur Hauptstadt.Sinnend, wie er seine HeliodoraMög' erlösen aus tyrannischer Willkür,Schwillt das bange Herz so sorgenvoll ihm:Gleich dem Dichter, der ein hohes Werk sich |
200 | Ausgedacht in seinem Geist, und welchem,Bis vollendet er's in That und Worten,Füllt erhabene Bangigkeit die Seele.
Vor den Sultan läßt der AbbassideSich geleiten, dann gebückt beginnt er: |
205 | Ein arabischer Arzt, gewaltiger Herrscher!Steht vor dir; ich hörte dein erlauchtesAufgebot, und biete meine Kenntniß,Meine Dienste gern dir an. Zur FürstinFühre mich, und sei gewiß der Heilung! |
210 | Gnädig neigt sich ihm der greise Sultan,Dann befiehlt er seinen Sklaven, ZutrittIhm zu gönnen bei der edlen Jungfrau.Aber ehe noch Amin zu ihr eilt,Sendet erst er einen Brief, erflehend |
215 | Ihr Vertrau'n vor Allem, baldige RettungIhr verheißend und zugleich betheurend,Bei'm Verrat des tückischen Mohren jedesFernen Antheils frei zu sein und schuldlos.Drauf begleiten ihn zur holden Fürstin |
220 | Jene Sklaven, die sich rasch entfernen.Welch ein Wiedersehn, o Heliodora,Ruft er aus, ich wähnte dich zu retten,Ach, und stürzte tief dich in's Verderben!Land und Länder hab' ich durchgewandert, |
225 | Deinen Aufenthalt umsonst erforschend.Doch getrost! Mit kluger List gedenk' ichDich zu entreißen dieser Haft und ewigBleib' ich dein und deinem Dienst gewidmet!
Ihm versetzt die schöne Heliodora: |
230 | Wohl erscheinst du mir ein guter Engel,Sohn des Harun Alraschid, und KeinemMöcht' ich williger danken meine Freiheit.Doch Gefangenschaft und bittere LeidenFührten manches Bild an mir vorüber, |
235 | Dessen streng Gepräge tiefer Ernst ist.Dein gedacht' ich; was ich dachte, laß esOhne Hehl mich, ohne Scheu verkünden!Alles trennt uns! Nicht der Menschen UrtheilIst's allein und nicht die Form des Betens, |
240 | Nein, des Geistes innere, tiefste Hoffnung.Soll ich auch des Vaterlands erwähnen,Soll erwähnen, wie das Schwert MuhammedsStets verderblich war dem Stamm der Meinen?Ja, wie Harun einst in frühster Jugend |
245 | Schon bekriegt die Kaiserin Irene?Doch du fühlst es selbst, daß unsre TrennungUnabweisbar ist, Amin, und ewig!Nicht Besitz ist Alles, auch EntsagenSchwellt das Herz mit einem edlen Hochmut. |
250 | Rasch von hinnen flieht der Tag des Menschen,Eine kurze Spanne; dem vergeht er,Der geschwelgt in eitler Lust, wie Jenem,Der entsagt. Der Tod erwartet Alle. –Auf des Libanons erhabnem Gipfel |
255 | Liegt ein Kloster, das für heilige Jungfrau'nEinst ein Cäsar Griechenlands gegründet.Wenn, o Freund, es dir gelingt, aus dieserHaft zu führen mich, so leite dorthinMeinen Gang! Dieß bittet Heliodora.
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260 | Ihr versetzt Amin: Ich ehre jedesWort von dir wie ein Gebot des Himmels.Nicht geringer will ich scheinen, als esDein Vertrau'n erheischt, und jede Zähre,Die an meiner Wimper hängt, verläugn' ich. |
265 | Was von dir mich scheidet (mich bekennenLaß es offen), nicht begründet fühl' ich'sDurch die wahre Wesenheit der Dinge;Aber Formen schmieden solche KettenOft zusammen, daß des Menschen Vorwitz |
270 | Ungestraft sie nicht zerreißt. – Vor AllemWerde meine Sorge, dich zu retten!
So enteilt er. Tiefe Qual im Busen,Doch Besonnenheit in seine SeeleDurch des Geistes Kraft erzwingend, tritt er |
275 | Vor den Sultan: Nicht ein leiblich Uebel,Hebt er an, o Herr, bedrängt die Jungfrau,Nein – Bezaubrung ist es, die sie peinigt.Jener Flügelrappe, der sie hertrug,Ist das Werkstück eines Hexenmeisters: |
280 | Durch das Pferd nur kann es uns gelingen,Sie vom Bann zu lösen, der sie fesselt.Laß in deinen Hof sogleich den RappenFühren, laß besteigen ihn die Jungfrau;Dann versprech' ich, durch Magie den Zauber |
285 | Ueberwindend aufzulösen. – SchleunigLäßt das Pferd in's Freie ziehn der Sultan,Heliodora wird herbeigerufen,Und es hebt Amin sie auf den Sattel.Nun vergönne, ruft er aus, o Sultan, |
290 | Daß ich meine Wunderkunst erprobe,Magische Räucherung beschwörend streue!
Augenblicklich auf ein Kohlenbecken,Das er hält in Händen, wirft er Weihrauch;Rings umgeht er so das Pferd, und als es |
295 | Völlig unsichtbar verhüllt in Dampf war,Springt er auf die Gruppe, gibt das Zeichen,Und es fliegt in alle Höhn der Rappe.Offenen Mundes starrt der greise Sultan;Aber Jene waren längst verschwunden.
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300 | Erst am Libanon und zwischen alteCedernhaine, wo das FrauenklosterFriedlich ragte, senkt den Gaul der Jüngling.Nach dem Vorhof führt er Heliodoren,Klopft, und fleht die Pförtnerin, des Klosters |
305 | Abbatissin ihm hervorzurufen.Zwar erschrickt die Nonne vor dem hohenSaracenen; doch gehorcht sie. Wartet,Hebt sie an, in diesem Hof indessen;Wann die Vesper ausgesungen, werd' ich |
310 | Euern Wunsch der Abbatissin melden.
Dieß gesagt, enteilt die Nonne. BebendSteht Amin und bebend Heliodora,Ganz die Seele voll vom Schmerz des Abschieds.Eine Kette nimmt vom Hals die Jungfrau, |
315 | Die ein Goldschmied aus Byzanz mit edlem,Reichen Bildwerk schön verziert, und dieseReicht sie dar dem würdigen Freunde, schweigend,Keines Wortes mächtig; Jener flicht sie,Feuchten Blicks, um seinen prächtigen Turban. |
320 | Dann beginnt er: Nicht ein blos Geschenk seiDiese Kette, nein – sie werd' ein Pfand mir!Wenn in Bagdad meiner Väter Sitz ichEinst besteige, mahne mich an meineSchönste Pflicht dieß Unterpfand; ich führe |
325 | Dich zurück auf deinen Thron, entsagendJedem Lohn, du gabst den Lohn voraus mir!Ja, und wenn du diese stille FreistattLieber solltest, als Byzanz, bewohnen,Deines Rechtes seist du nicht verlustig, |
330 | Nicht als Flüchtige sollst du hier genannt sein! –Nun zum letzten Mal, o Heliodora,Lebe wohl! – So spricht Mohadi's Enkel.
Lebe wohl, versetzte Heliodora.Seine dargebotene Hand mit leisem |
335 | Druck berührend, trat sie scheidend rückwärts.Auf der Schwelle stand der AbbatissinStrenge Form; sie winkte. Beide FrauenWaren bald verschwunden. Auf den RappenSteigt Amin, und jener schwingt empor sich. |