BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karl Marx

1818 - 1883

 

Das Kapital

Kritik der politischen Oekonomie

 

Vorwort

 

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2) Der Austauschprozeß der Waaren.

 

Die Waaren können nicht selbst zu Markte gehn und sich nicht selbst austauschen. Wir müssen uns also nach ihren Hütern umsehn, den Waarenbesitzern. Die Waaren sind Dinge und daher widerstandslos gegen den Menschen. Wenn sie nicht willig, kann er Gewalt brauchen, in andern Worten sie nehmen  32). Um diese Dinge als Waaren auf einander zu beziehn, müssen die Waarenhüter sich aufeinander als Personen beziehn, deren Willen ein Dasein in jenen Dingen hat, sodaß Jeder nur mit seinem Willen und dem Willen des andern, beide also nur mit ihrem gemeinschaftlichen Willen sich die fremde Waare aneignen, indem sie die eigne veräußern und die eigne veräußern, um sich die fremde anzueignen. Sie müssen sich daher wechselseitig als Privateigenthümer anerkennen. Dieß Rechtsverhältniß, dessen Form der Vertrag ist, ob nun legal entwickelt oder nicht, ist nur das Willensverhältniß, worin sich das ökonomische Verhältniß wiederspiegelt. Der Inhalt dieses Rechts- oder Willensverhältnisses ist durch das ökono­mische Verhältniß selbst gegeben 33). Die Personen beziehn sich hier nur auf einander, indem sie gewisse Sachen als Waaren auf einander beziehn. Alle Bestimmungen dieser Beziehung sind also in der [46] Bestimmung der Sache als Waare enthalten. Der eine Mensch existirt hier nur für den andern als Repräsentant von Waare und daher als Waarenbesitzer. Wir werden überhaupt im Fortgang der Ent­wicklung finden, daß die ökonomischen Charaktermasken der Personen nur die Personifikationen der ökonomischen Verhältnisse sind, als deren Träger sie sich gegenübertreten.

Was den Waarenbesitzer namentlich von der Waare unterscheidet, ist der Umstand, daß ihr der Gebrauchswerth jeder andern Waare nur als Erscheinungsform ihres eignen Werths gilt. Geborner Leveller und Cyniker steht sie daher stets auf dem Sprung mit jeder andern Waare, sei selbe auch ausgestattet mit mehr Unannehmlichkeiten als Maritorne, nicht nur die Seele, sondern den Leib zu wechseln. Diesen der Waare mangelnden Sinn für das Konkrete des Waarenkörpers ergänzt der Waarenbesitzer durch seine eignen fünf und mehr Sinne. Seine Waare hat für ihn keinen unmittelbaren Gebrauchswerth. Sonst führte er sie nicht zu Markt. Sie hat Gebrauchswerth für andre. Für ihn hat sie unmittelbar nur den Gebrauchswerth Träger von Tausch­werth und so Tauschmittel zu sein  34). Darum will er sie veräußern für Waare, deren Gebrauchswerth ihm Genüge thut. Alle Waaren sind Nicht-Gebrauchswerthe für ihre Besit­zer, Gebrauchswerthe für ihre Nicht-Besitzer. Sie müssen also allseitig die Hände wechseln. Aber dieser Händewechsel bildet ihren Austausch und ihr Austausch bezieht sie als Werthe auf einander und realisirt sie als Werthe. Die Waaren müssen sich daher als Werthe realisiren, bevor sie sich als Ge­brauchswerthe realisiren können.

Andrerseits müssen sie sich als Gebrauchswerthe bewäh­ren, bevor sie sich als Werthe realisiren können. Denn die auf [47] sie verausgabte menschliche Arbeit zählt nur, soweit sie in nützlicher Form verausgabt und zwar nützliche Arbeit für andre ist. Ob sie andern nützlich, ihr Produkt daher fremde Bedürfnisse befriedigt, kann aber nur ihr Austausch beweisen.

Jeder Waarenbesitzer will seine Waare nur veräußern gegen andre Waare, deren Gebrauchswerth sein Bedürfniß befriedigt. Sofern ist der Austausch für ihn nur individueller Prozeß. Andrerseits will er seine Waare als Werth realisiren, also in jeder ihm beliebigen andern Waare von demselben Werth, ob seine eigne Waare nun für den Besitzer der andern Waare Gebrauchswerth habe oder nicht. Sofern ist der Austausch für ihn allgemein gesellschaftlicher Prozeß. Aber derselbe Prozeß kann nicht gleichzeitig für alle Waarenbesitzer nur individuell und zugleich nur allgemein gesellschaftlich sein.

Sehn wir näher zu, so gilt jedem Waarenbesitzer jede fremde Waare als besondres Aequivalent seiner Waare, seine Waare daher als allgemeines Aequivalent aller andern Waaren. Da aber alle Waarenbesitzer dasselbe thun, ist keine Waare allgemeines Aequivalent und besitzen die Waaren daher auch keine allgemeine relative Werthform, worin sie sich als Werthe gleichsetzen und als Werthgrößen vergleichen. Sie stehn sich daher überhaupt nicht gegen­über als Waaren, sondern nur als Produkte oder Gebrauchswerthe.

In ihrer Verlegenheit denken unsre Waarenbesitzer wie Faust. Im Anfang war die That. Sie haben daher schon gehandelt, bevor sie gedacht haben. Die Gesetze der Waarennatur bethätigen sich im Naturinstinkt der Waarenbesitzer. Sie können ihre Waaren nur als Werthe und darum nur als Waaren auf einander beziehn, indem sie dieselben gegensätzlich auf irgend eine andre Waare als allgemeines Aequivalent beziehn. Das ergab die Analyse der Waare. Aber nur die gesellschaftliche That kann eine bestimmte Waare zum allgemeinen Aequivalent machen. Die gesellschaftliche Action aller andern Waaren schließt daher eine bestimmte Waare aus, worin sie allseitig ihre Werthe darstellen. Dadurch wird die Naturalform dieser Waare gesellschaftlich gültige Aequivalentform. Allgemeines Aequivalent zu sein wird durch den gesellschaftlichen Prozeß zur specifisch gesellschaftlichen Funktion der ausgeschlossenen Waare. So wird sie – Geld. „Illi unum consilium habent et virtutem [48] et potestatem suam bestiae tradunt. Et ne quis possit emere aut vendere, nisi qui habet characterem aut nomen bestiae, aut numerum nominis ejus.“ (Apocalypse.[17:13; 13:17])

Der Geldkrystall ist nothwendiges Produkt des Austausch­prozesses der Waaren. Der immanente Widerspruch der Waare als unmittelbarer Einheit von Gebrauchswerth und Tauschwerth, als Produkt nützlicher Privatarbeit, die ein nur vereinzeltes Glied eines naturwüchsigen Gesammtsystems der nützlichen Arbeiten oder der Theilung der Arbeit bildet, und als unmittelbar ge­sellschaftliche Materiatur abstrakter menschli­cher Arbeit – dieser Widerspruch ruht und rastet nicht, bis er sich zur Verdopplung der Waare in Waare und Geld gestaltet hat. In demselben Maße daher, worin sich die Verwandlung der Arbeitsprodukte in Waaren, vollzieht sich die Verwand­lung von Waare in Geld  35).

Der unmittelbare Produktenaustausch hat einerseits die Form des einfachen relativen Werthausdrucks und hat sie andrerseits noch nicht. Jene Form war: x Waare A = y Waare B. Die Form des unmittelbaren Produktenaustauschs ist: x Gebrauchsgegenstand A = y Gebrauchsgegenstand B  36). Die Dinge A und B sind hier nicht Waaren vor dem Austausch, sondern werden es erst durch denselben. Die erste Weise, worin ein Gebrauchsgegenstand der Möglichkeit nach Tauschwerth ist, ist sein Dasein als Nicht-Gebrauchswerth, als die unmittelbaren Bedürfnisse seines Besitzers überschießendes Quantum von Gebrauchswerth. Dinge sind an und für sich dem Menschen äußerlich und daher veräußerlich. Damit diese Veräußerung wechselseitig, brauchen Menschen nur stillschweigend als Privateigenthümer jener veräußerlichen [49] Dinge und eben dadurch als von einander unabhängige Personen einander gegenüberzutreten. Solch ein Verhältniß wechselseitiger Fremdheit existirt jedoch nicht für die Glieder eines naturwüchsigen Gemeinwesens, habe es nun die Form einer patriarchalischen Familie, einer altindischen Gemeinde, eines Inkastaates u. s. w. Der Waarenaustausch beginnt, wo die Gemeinwesen enden, an den Punkten ihres Contakts mit fremden Gemeinwesen oder Gliedern fremder Gemeinwesen. Sobald Dinge aber einmal im auswärtigen, werden sie auch rückschlagend im innern Gemeinleben zu Waaren. Ihr quantitatives Austauschverhältniß ist zunächst ganz zufällig. Austauschbar sind sie durch den Willensakt ihrer Besitzer sie wechselseitig zu veräußern. Sie erhalten daher die Form Austauschbarer, bevor sie als Werthe entwickelt sind. Indeß setzt sich das Bedürfniß für fremde Gebrauchsgegenstände allmälig fest. Die beständige Wiederholung des Austauschs macht ihn zu einem regelmäßigen gesellschaftlichen Prozeß. Im Laufe der Zeit muß daher wenigstens ein Theil der Arbeitsprodukte absichtlich zum Behuf des Austauschs producirt werden. Von diesem Augenblick befestigt sich einerseits die Scheidung zwischen der Nützlichkeit der Dinge für den unmittelbaren Bedarf und ihrer Nützlichkeit zum Austausch. Ihr Gebrauchswerth scheidet sich von ihrem Tauschwerthe. Andrerseits wird das quantitative Verhältniß, worin sie sich austauschen, von ihrer Produktion selbst abhängig. Die Gewohnheit fixirt sie als Werthgrößen.

Im unmittelbaren Produktenaustausch ist jede Waare unmittelbar Tauschmittel für ihren Besitzer, Aequivalent für ihren Nichtbesitzer, jedoch nur so weit sie Gebrauchswerth für ihn. Der Tauschartikel erhält also noch keine von seinem eignen Gebrauchswerth oder dem individuellen Bedürfniß der Austauscher unabhängige Werthform. Die Nothwendigkeit dieser Form entwickelt sich mit der wachsenden Anzahl und Mannigfaltigkeit der in den Austauschprozeß eintretenden Waaren. Die Aufgabe entspringt gleichzeitig mit den Mitteln ihrer Lösung. Ein Verkehr, welcher die Waarenbesitzer treibt, ihre eigenen Artikel mit verschiedenen andern Artikeln auszutauschen und daher zu vergleichen, findet niemals statt, ohne daß verschiedene Waaren von verschiedenen Waarenbesitzern innerhalb ihres Verkehrs mit einer und derselben dritten Waarenart ausgetauscht und als Werthe verglichen werden. Solche dritte Waare, indem sie Aequivalent für verschiedene andere Waaren wird, erhält [50] unmittelbar, wenn auch in engen Grenzen, allgemeine oder gesellschaftliche Aequivalentform. Diese allgemeine Aequivalentform entsteht und vergeht mit dem augenblicklichen gesellschaftlichen Contakt, der sie ins Leben rief. Abwechselnd und flüchtig kommt sie dieser und jener Waare zu. Mit der Entwicklung des Waarenaustauschs heftet sie sich aber ausschließlich fest an besondere Waarenarten, oder krystallisirt zur Geldform. An welcher Waarenart sie kleben bleibt, ist zunächst zufällig. Jedoch entscheiden im Großen und Ganzen zwei Umstände. Die Geldform heftet sich entweder an die wichtigsten Ein­tauschartikel aus der Fremde, welche in der That natur­wüchsige Erscheinungsformen des Tauschwerths der einheimischen Produkte sind. Oder an den Gebrauchsgegenstand, welcher das Hauptelement des einheimischen veräußerlichen Besitzthums bildet, wie Vieh z. B. Nomadenvölker entwickeln zuerst die Geldform, weil all ihr Hab und Gut sich in beweglicher, daher unmittelbar veräußerlicher Form befindet, und weil ihre Lebensweise sie beständig mit fremden Gemeinwesen in Contakt bringt, daher zum Produktenaustausch sollicitirt. Die Menschen haben oft den Menschen selbst in der Gestalt des Sklaven zum ursprünglichen Geldmaterial gemacht, aber niemals den Grund und Boden. Solche Idee konnte nur in bereits ausgebildeter bürgerlicher Gesellschaft aufkommen. Sie datirt vom letzten Drittheil des 17. Jahrhunderts und ihre Ausführung, auf nationalem Maßstab, wurde erst ein Jahrhundert später in der bürgerlichen Revolution der Franzosen versucht.

In demselben Verhältniß, worin der Waarenaustausch seine nur lokalen Bande sprengt, der Waarenwerth sich daher zur Materiatur menschlicher Arbeit überhaupt ausweitet, geht die Geld­form auf Waaren über, die von Natur zur gesellschaftlichen Funktion eines allgemeinen Aequivalents taugen, auf die edlen Metalle.

Daß nun, „obgleich Gold und Silber nicht von Natur Geld, Geld von Natur Gold und Silber ist“  37), zeigt die Congruenz ihrer Natureigenschaften mit seinen Funktionen  38). Bisher kennen wir aber nur [51] die eine Funktion des Geldes, als Erscheinungsform des Waarenwerths zu dienen oder als das Material, worin die Werthgrößen der Waaren sich gesellschaftlich ausdrücken. Adäquate Erscheinungsform von Werth oder Materiatur abstrakter und daher gleicher menschlicher Arbeit kann nur eine Materie sein, deren sämmtliche Exemplare dieselbe gleichförmige Qualität besitzen. Andrerseits, da der Unterschied der Werthgrößen rein quantitativ ist, verschiedne Quanta geronnener Arbeitszeit ausdrückt, muß die Geldwaare rein quantitativer Unterschiede fähig, also nach Willkühr theilbar und aus ihren Theilen wieder zusammensetzbar sein. Gold und Silber besitzen aber diese Eigenschaften von Natur.

Der Gebrauchswerth der Geldwaare verdoppelt sich. Neben ihrem besondern Gebrauchswerth als Waare, wie Gold z. B. zum Ausstopfen hohler Zähne, Rohmaterial von Luxusartikeln u. s. w. dient, erhält sie einen formalen Gebrauchswerth, der aus ihren specifischen gesellschaftlichen Funktionen entspringt.

Da alle andern Waaren nur besondere Aequivalente des Geldes, das Geld ihr allgemeines Aequivalent, verhalten sie sich als besondre Waaren zum Geld als der allgemeinen Waare  39).

Man hat gesehn, daß die Geldform nur der an einer Waare festhaftende Reflex der Beziehungen aller andern Waaren. Daß Geld Waare ist  40), ist also nur eine Entdeckung für den, der von seiner fertigen Gestalt ausgeht, um sie hinterher zu analysiren. Der Austauschprozeß giebt der Waare, die er in Geld verwandelt, nicht ihren Werth, [52] sondern ihre spezifische Werthform. Die Ver­wechslung beider Bestimmungen verleitete dazu, den Werth von Gold und Silber für imaginär zu halten 41). Weil Geld in bestimmten Funktionen durch bloße Zeichen seiner selbst ersetzt werden kann, entsprang der andere Irrthum, es sei ein bloßes Zeichen. Andrerseits lag darin die Ahnung, daß die Geldform des Dings ihm selbst äußerlich und bloße Erscheinungsform dahinter versteckter menschlicher Verhältnisse. In diesem Sinn wäre jede Waare ein Zeichen, weil als Werth nur sachliche Hülle der auf sie verausgabten mensch­lichen Arbeit 42). Indem man aber die gesellschaftlichen [53] Charaktere, welche Sachen oder die sachlichen Charaktere, welche ge­sellschaftliche Bestimmungen der Arbeit auf Grund­lage einer bestimmten Produktionsweise erhalten, für bloße Zeichen, erklärt man sie zugleich für willkührliches Reflexionsprodukt der Menschen. Es war dieß beliebte Aufklärungsmanier des 18. Jahr­hunderts, um den räthselhaften Gestalten menschlicher Verhältnisse, deren Entstehungsprozeß es noch nicht entziffern konnte, vorläufig wenigstens den Schein der Fremdheit abzustreifen.

Es ward vorhin bemerkt, daß die Aequivalentform einer Waare die quantitative Bestimmung ihrer Werthgröße nicht einschließt. Weiß man, daß Gold Geld, daher mit allen andern Waaren unmittelbar austauschbar ist, so weiß man deßwegen nicht, wie viel z. B. 10 Pfund Gold werth sind. Wie jede Waare kann das Geld seine eigne Werthgröße nur relativ in andern Waaren ausdrücken. Sein eigner Werth ist bestimmt durch die zu seiner Produktion erheischte Arbeitszeit und drückt sich in dem Quantum jeder andern Waare aus, worin gleichviel Arbeitszeit geronnen ist 43). Diese Festsetzung seiner relativen Werthgröße findet statt an seiner Produktionsquelle in unmittelbarem Tauschhandel. Sobald es als Geld in den Aus­tauschprozeß eintritt, ist sein Werth bereits gegeben. Wenn es schon in den letzten Decennien des 17. Jahrhunderts weit überschrittener Anfang der Geldanalyse, zu wissen, daß Geld Waare ist, so aber auch nur der Anfang. Die Schwierigkeit [54] liegt nicht darin zu begreifen, daß Geld Waare, sondern wie, warum, wodurch Waare Geld ist 44).

Wir sahen, wie schon in dem einfachsten Ausdruck des Tausch­werths: x Waare A = y Waare B, das Ding, worin die Werthgröße eines andern Dings dargestellt wird, seine Aequivalentform unabhängig von dieser Beziehung als gesellschaftliche Natureigenschaft zu besitzen scheint. Wir verfolgten die Befestigung dieses falschen Scheins. Er ist vollendet, sobald die allgemeine Aequivalentform mit der Naturalform einer besondern Waarenart verwachsen oder zur Geldform krystallisirt ist. Eine Waare scheint nicht erst Geld zu werden, weil die andern Waaren allseitig ihre Werthe in ihr darstellen, sondern sie scheinen umgekehrt allgemein ihre Werthe in ihr darzustellen, weil sie Geld ist. Die vermittelnde Bewegung verschwindet in ihrem eignen Resultat und läßt keine Spur zurück. Ohne ihr Zuthun finden die Waaren ihre eigne Werthgestalt fertig vor als einen außer und neben ihnen existirenden Waarenkörper. Diese Dinge, Gold und Silber, wie sie aus den Eingeweiden der Erde herauskommen, sind zugleich die unmittelbare Incarnation aller menschlichen Arbeit. Daher die Magie des Geldes. Das bloß atomistische Verhalten der Menschen in ihrem gesellschaftlichen Produktionsprozeß und daher die von ihrer Controle und ihrem bewußten individuellen Thun unabhängige, sachliche Gestalt ihrer eignen Produktionsverhältnisse [55] erscheinen zunächst darin, daß ihre Arbeitsprodukte allgemein die Waarenform annehmen. Das Räthsel des Geldfetischs ist daher nur das sichtbar gewordne, die Augen blendende Räthsel des Waarenfetischs selbst.

 

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32) Im 12. durch seine Frömmigkeit so berufenen Jahrhundert kommen unter diesen Waaren oft sehr zarte Dinge vor. So zählt ein französischer Dichter jener Zeit unter den Waaren, die sich auf dem Markt von Landit einfanden, neben Kleidungsstoffen, Schuhen, Leder, Ackergeräthen, Häuten u. s. w. auch „femmes folles de leur corps“ auf.  

33) Proudhon schöpft erst sein Ideal der Gerechtigkeit, der justice éternelle, aus den der Waarenproduktion entsprechenden Rechtsverhältnissen, wodurch, nebenbei bemerkt, auch der für alle Spießbürger so tröstliche Beweis geliefert wird, daß die Form der Waarenproduktion ebenso ewig ist als die Gerechtigkeit. Dann umgekehrt will er die wirkliche Waarenproduktion und das ihr entsprechende wirkliche Recht diesem Ideal gemäß ummodeln. Was würde man von einem Chemiker denken, der, statt die wirklichen Gesetze des Stoffwechsels zu studiren, und auf Basis derselben bestimmte Aufgaben zu lösen, den Stoffwechsel durch die „ewigen Ideen“ der „naturalité“ und der „affinité“ ummodeln wollte? Weiß man etwa mehr über den „Wucher“, wenn man sagt, er widerspreche der „justice éternelle“ und der „équité éternelle“ und der „mutualité éternelle“ und andern vérités éternelles“, als die Kirchenväter wußten, wenn sie sagten, er widerspreche der „grâce éternelle“, der „foi éternelle“, der „volonté éternelle de dieu“?  

34) „Denn zweifach ist der Gebrauch jeden Guts. – Der eine ist dem Ding als solchem eigen, der andere nicht, wie einer Sandale zur Beschuhung zu dienen und austauschbar zu sein. Beides sind Gebrauchswerthe der Sandale, denn auch wer die Sandale mit dem ihm Mangelnden, z. B. der Nahrung austauscht, benutzt die Sandale als Sandale. Aber nicht in ihrer natürlichen Gebrauchsweise. Denn sie ist nicht da des Austausches wegen.“ (Aristoteles, de Rep. l. l. c. 9.)  

35) Danach beurtheile man die Pfiffigkeit des kleinbürgerlichen Socialismus, der die Waarenproduktion verewigen und zugleich den „Gegensatz von Geld und Waare“, also das Geld selbst, denn es ist nur in diesem Gegensatze, abschaffen will. Ebensowohl könnte man den Papst abschaffen, und den Katholicismus bestehn lassen. Das Nähere hierüber sieh in meiner Schrift: „Zur Kritik der Pol. Oekonomie“ p. 61 sq.  

36) So lange noch nicht zwei verschiedene Gebrauchsgegenstände ausge­tauscht, sondern, wie wir das bei Wilden oft finden, eine chaotische Masse von Dingen als Aequivalent für ein Drittes angeboten wird, steht der unmittelbare Produktenaustausch selbst erst in seiner Vorhalle. 

37) Karl Marx l. c. p. 135. „I metalli … naturalmente mone­ta.“ (Galiani: „Della Moneta“ in Custodi's Sammlung Parte Moderna, t. III, p. 137.) 

38) Das Nähere darüber in meiner eben citirten Schrift, Abschnitt: „Die edlen Metalle“.  

39) „Il danaro è la merce universale.“ (Verri l. c. p. 16.)  

40) „Silver and gold themselves, which we may call by the general name of Bullion, are … commodities … rising and falling … value … Bullion then may be reckoned to be of higher value, where the smaller weight will purchase the greater quantity of the product or manufacture of the country etc.“ („A Discourse of the General Notions of Money, Trade, and Exchange, as they stand in relations to each other. By a Mer­chant. Lond. 1695“, p. 7.) „Silver and gold, coined or uncoined, tho' they are used for a measure of all other things, are no less a commodity than wine, oyl, tobacco, cloth or stuffs.“ („A Discourse concerning Trade, and that in particular of the East-Indies etc., London 1689“, p. 2.) „The stock and riches of the kingdom cannot properly be confined to money, nor ought gold and silver to be excluded from being merchandise.“ („The East India Trade a most Profitable Trade, London 1677“, p. 4.) 

41) „L'oro e l'argento hanno valore come metalli anteriori all' essere mone­ta.“ (Galiani l. c.) Locke sagt: „Die allgemeine Uebereinstimmung der Menschen legte dem Silber, wegen seiner Qualitäten, die es zum Geld geeignet machten, einen imaginären Werth bei.“ Dagegen Law: „Wie könnten ver­schiedene Nationen irgend einer Sache einen imaginären Werth geben … oder wie hätte sich dieser imaginäre Werth erhalten können?“ Wie wenig er selbst aber von der Sache verstand: „Das Silber tauschte sich aus nach dem Ge­brauchswerth, den es hatte, also nach seinem wirklichen Werth; durch seine Bestimmung als Geld erhielt es einen zuschüssigen Werth (une valeur additionnelle).“ (Jean Law: „Considérations sur le numé­raire et le commerce“ in E. Daire's Edit. der „Économistes Financiers du XVIII. siècle“ p. 469/470.)  

42) „L'argent en (des denrées) est le signe.“ (V. de Forbonnais: „Elémens du Commerce“. Nouv. Édit. Leyde 1766, t. II, p. 143.) „Comme signe il est attiré par les denrées.“ (l. c. p. 155.) „L'argent est un signe d'une chose et la représente.“ (Montesquieu: „Esprit des Lois“. Oeuvres Lond. 1769, t. III, p. 3.) „L'argent n'est pas simple signe, car il est lui-même richesse; il ne représente pas les valeurs, il les équivaut.“ (Le Trosne l. c. p. 910.) „Betrachtet man den Begriff des Werths, so wird die Sache selbst nur als ein Zeichen angesehn und sie gilt nicht als sie selber, sondern als was sie werth ist.“ (Hegel l. c. p. 103.) Lange vor den Oekonomen brachten die Juristen die Vorstellung von Geld als bloßem Zeichen und dem nur imaginären Werth der edlen Metalle in Schwung, im Sykophantendienst der königlichen Gewalt, deren Münzverfälschungsrecht sie das ganze Mittelalter hindurch auf die Traditionen des römischen Kaiserreichs und die Geldbegriffe der Pandekten stützten. „Qu'aucun puisse ni doive faire doute“, sagt ihr gelehriger Schüler, Philipp von Valois, in einem Dekret von 1346, „que à nous et à notre majesté royale n'appartienne seulement … le mestier, le fait, l'état, la provision et toute l'ordonnance des monnaies, de donner tel cours, et pour tel prix comme il nous plaît et bon nous semble.“ Es war römisches Rechtsdogma, daß der Kaiser den Geldwerth dekretirt. Es war ausdrücklich verboten, das Geld als Waare zu behandeln. „Pecunias vero nulli emere fas erit, nam in usu publico constitutas oportet non esse mercem.“ Gute Auseinandersetzung hierüber von G. F. Pagnini: „Saggio sopra il giusto pregio delle cose. 1751“, bei Custodi Parte Moderna, t. II. Namentlich im zweiten Theil der Schrift polemisirt Pagnini gegen die Herren Juristen.  

43) „If a man can bring to London an ounce of silver out of the earth in Peru, in the same time that he can produce a bushel of corn, then one is the natural price of the other; now if by reason of new and more easier mines a man can procure two ounces of silver as easily as he formerly did one, the corn will be as cheap at 10 shillings the bushel, as it was before at 5 shillings, caeteris paribus.“ William Petty: „A Treatise of Taxes and Contributions. Lond. 1667“, p. 31.  

44) Nachdem Herr Professor Roscher uns belehrt: „Die falschen Definitionen von Geld lassen sich in zwei Hauptgruppen theilen: solche, die es für mehr, und solche, die es für weniger halten als eine Waare,“ folgt ein kunterbunter Katalog von Schriften über das Geldwesen, wodurch auch nicht die entfernteste Einsicht in die wirkliche Geschichte der Theorie durchschimmert, und dann die Moral: „Zu leugnen ist übrigens nicht, daß die meisten neueren Nationalökonomen die Eigenthümlichkeiten, welche das Geld von andern Waaren unterscheiden (also doch mehr oder weniger als Waare?) nicht genug im Auge behalten haben … Insofern ist die halbmercantilistische Reaktion von Ganilh etc. nicht ganz unbegründet.“ (Wilhelm Roscher: „Die Grundlagen der Nationalökonomie. 3. Aufl. 1858“, p. 207-10.) Mehr – weniger – nicht genug – insofern – nicht ganz! Welche Begriffsbestimmungen! Und dergleichen eklektische Professoralfaselei tauft Herr Roscher bescheiden „die anatomisch-physiologische Methode“ der politischen Oekonomie! Eine Entdeckung ist ihm jedoch geschuldet, nämlich, daß Geld „eine angenehme Waare“ ist.