B  I  B  L  I  O  T  H  E  C  A    A  U  G  U  S  T  A  N  A
           
  Karl Marx
1818 - 1883
     
   


B u c h   d e r   L i e b e .
Z w e i t e r   T h e i l.


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[...]
 
Der Lampe Licht.

Als ich müd' und hingesunken
     Auf das Lager schlummernd fiel,
Tief in Ahnungsgluth ertrunken,
     In dem Herzen krankes Spiel;

Lispelt leise noch die Lippe
     Meiner kleinen Lampe zu:
«Schaust ja, wie ein Geistgerippe,
     Bring' die arme Seel' zur Ruh!»

Und mit einem leisen Hauche,
     Löscht' ich schnell die Flamme aus,
Sie entstieg in dünnem Rauche,
     In der Nächte dunkles Haus.

Ach! da neidet ich ihr Leben,
     Leuchtend war sie ausgeglüht,
Leben hat ihr Tod gegeben,
     War in Traumes Reich versprüht.

Wolltest Du mit leisem Wehen
     Löschen meiner Seele Brand,
Dürft' ich dann hinübergehen
     In der Träume heilig Land!

Nicht, wo Dunkel sich ergiessen,
     Nein, wo Deine Sonne strahlt,
Deine Himmel, zarte Riesen,
     Spiegelnd voll Dein Auge mahlt.

Ach! da wollt' ich ewig träumen,
     Und Du selber wärst der Traum,
Perlen sollten mich umsäumen,
     Eingefaßt im Himmelsraum.

Voller würd' mein Busen klingen,
     Hehrer stürmt' mein Herz hinan,
Und im Kämpfen und im Ringen
     Wär' das Schönste bald gethan.

 
Empfindungen.
(auch in den Gedichten 1835/36)

Nimmer kann ich ruhig treiben,
     Was die Seele stark erfaßt,
Nimmer still behaglich bleiben,
     Und ich stürme ohne Rast.

And're mögen nur sich freuen,
     Wenn's so recht zufrieden geht,
Mögen Glückwunsch sich erneuen,
     Beten nur ihr Dankgebet.

Mich umwogt ein ewig Drängen,
     Ew'ges Brausen, ew'ge Gluth,
Kann sich nicht in's Leben zwängen,
     Will nicht ziehn in glatter Fluth.

Himmel such' ich zu erfassen,
     Und die Welt in mich zu ziehn,
Und in Lieben und in Hassen
     Möcht' ich bebend weitersprühn.

Alles möcht' ich mir erringen,
     Jede schönste Göttergunst,
Und in Wissen wagend dringen,
     Und erfassen Sang und Kunst;

Welten selber stark zerstören,
     Weil ich keine schaffen kann,
Weil sie meinem Ruf nicht hören,
     Stummgekreist im Zauberbann.

Ach! die todten, stummen gaffen
     Uns're Thaten höhnend an,
Wir zerfalln und unser Schaffen,
     Und sie wandeln ihre Bahn.

Doch ich möcht' ihr Loos nicht tauschen,
     Von der Fluth dahingejagt,
Ewig fort im Nichts zu rauschen,
     Pracht, die stets sich selbst beklagt.

Denn die Mauern und die Hallen,
     Alles stürzt im raschen Lauf,
Kaum sind sie im Nichts zerfallen,
     Und ein neues Reich steigt auf.

Und so schwankt es durch die Jahre,
     Von dem Nichts bis zu dem All,
Von der Wiege bis zur Bahre,
     Ew'ges Steigen, ew'ger Fall.

Und so treiben tief die Geister,
     Bis sie selbst sich aufgezehrt,
Bis sie ihren Herrn und Meister
     Selber schonungslos verheert.

Darum laßt den Kreis durcheilen,
     Den ein Gott uns herrschend zog,
Laßt uns Lust und Leiden theilen,
     Wie die Schicksalswage wog.

Darum laßt uns alles wagen,
     Nimmer rasten, nimmer ruhn;
Nur nicht dumpf so gar nichts sagen,
     Und so gar nichts woll'n und thun.

Nur nicht brütend hingegangen,
     Aengstlich in dem niedern Joch,
Denn das Sehnen und Verlangen,
     Und die That, sie blieb uns doch.

 
Abendstunde.

Die Lampe brennt so stille,
     Und wirft mir milden Schein,
Sie scheint mit mir zu klagen,
     Als kennt' sie meine Pein.

Sie sieht mich stets so einsam,
     In meine Brust versenkt,
Wenn tiefe Geistgestalten
     Die Phantasie erdenkt.

Sie scheinet selbst zu ahnen,
     Daß ihr armflackernd Licht
Vor einer Gluth versinket,
     Die aus dem Busen bricht.

Doch ach! die Gluth, sie ruhet,
     Nicht in sich selber mehr,
Es sind nur schwache Strahlen
     Aus Deiner Seele Meer.

 
Klage.

So muß ich nichtig ringen
     Im heissen Seelenstreit,
Zu Dir hinanzudringen,
     Von Fesseln kühn befreit.

Mir wird kein Liebeszeigen,
     Kein einzig, gütig Wort,
Und Deine Lippen schweigen,
     Und meine Gluth brennt fort.

Bis sie im Nichts verrauchet,
     So unbefriedigt leer,
Bis ich den Geist verhauchet,
     Der einst so Liebehehr.

Und meiner Seele Zweige,
     Sie streben nichtig auf,
In luft'gem Aetherreiche
     Zu enden ihren Lauf.

Vergebens will ich saugen,
     Von oben Licht und Gluth;
Du wendest weg die Augen,
     Und mir entsinkt der Muth.

[...]