Heinrich von Kleist
1777 - 1811
Der zerbrochne Krug,ein Lustspiel
Scene: Die Gerichtsstube
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Variant.
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen, (ohne Adam. – Sie bewegen sich Alle in denVordergrund der Bühne).
Ruprecht.Ei, Evchen!Wie hab' ich heute schändlich dich beleidigt! | |
1910 | Ei, Gott's Blitz, alle Wetter, und wie gestern!Ei, du mein goldnes Mädchen, Herzens=Braut!Wirst du dein Lebtag mir vergeben können?Eve.Geh, laß mich sein.Ruprecht.Ei, ich verfluchter Schlingel!Könnt' ich die Hände brauchen, mich zu prügeln. |
1915 | Nimm, weißt du was? hör: thu mir den Gefallen,Dein Pätschchen, hol's der Henker, nimm's und ball's,Und schlage tüchtig Eins mir hinters Ohr.Willst du's mir thun? Mein Seel, ich bin nicht ruhig. |
[146] | Eve.Du hör'st. Ich will nichts von dir wissen.Ruprecht.Ei, solch ein Tölpel! |
1920 | Der Lebrecht denk' ich, Schaafsgesicht, und geh.Mich beim Dorfrichter ehrlich zu beklagen,Und er, vor dem ich klage, ist es selbst:Den Hals noch judicirt er mir in's Eisen.Walter.Wenn sich die Jungfer gestern gleich der Mutter |
1925 | Eröffnet hätte züchtiglich, so hätteSie dem Gerichte Schand' erspart, und sichZweideut'ge Meinungen von ihrer Ehre.Ruprecht.Sie schämte sich. Verzeiht ihr, gnäd'ger Herr!Es war ihr Richter doch, sie mußt' ihn schonen. – |
1930 | Komm nur jetzt fort zu Haus'. Es wird sich finden.Eve.Ja, schämen!Ruprecht.Gut. So war's was Anderes.Behalts für dich, was brauchen wir's zu wissen.Du wirst's schon auf der Flieder=Bank mir Eins,Wenn von dem Thurm die Vesper geht, erzählen. |
1935 | Komm, sei nur gut. |
[147] | Walter.Was wir's zu wissen brauchen?So denk' ich nicht. Wenn Jungfer Eve will,Daß wir an ihre Unschuld glauben sollen:So wird sie, wie der Krug zerbrochen worden,Umständlich nach den Hergang uns berichten. |
1940 | Ein Wort keck hingeworfen, macht den RichterIn meinem Aug' der Sünd' noch gar nicht schuldig.Ruprecht.Nun denn, so faß' ein Herz! Du bist ja schuldlos.Sag's, was er dir gewollt, der Pferdefuß.Sieh, hätt' ein Pferd bei dir den Krug zertrümmert, |
1945 | Ich wär' so eifersüchtig just, als jetzt.Eve.Was hilft's, daß ich jetzt schuldlos mich erzähle?Unglücklich sind wir beid' auf immerdar.Ruprecht.Unglücklich, wir?Walter.Warum ihr unglücklich?Ruprecht.Was gilt's, da ist die Conscription im Spiele.Eve (wirft sich Waltern zu Füßen). |
1950 | Herr, wenn ihr jetzt nicht helft, sind wir verloren!Walter.Wenn ich nicht –? |
[148] | Ruprecht.Ewiger Gott!Walter.Steh auf, mein Kind.Eve.Nicht eher, Herr, als bis ihr eure Züge,Die menschlichen, die euch vom Antlitz strahlen,Wahr macht durch eine That der Menschlichkeit.Walter. |
1955 | Mein liebenswerthes Kind! Wenn du mir deineUnschuldigen bewährst, wie ich nicht zweifle,Bewähr' ich auch dir meine menschlichen.Steh auf!Eve.Ja, Herr, das werd ich.Walter.Gut. So sprich.Eve.Ihr wißt, daß ein Edict jüngst ist erschienen, |
1960 | Das von je hundert Söhnen jeden OrtsZehn für dies Frühjahr zu den Waffen ruft,Der rüstigsten. Denn der HispanierVersöhnt sich mit dem Niederländer nicht,Und die Tyrannenruthe will er wieder |
1965 | Sich, die zerbrochene, zusammenbinden.Kriegshaufen sieht man ziehn auf allen Wegen, |
[149] | Die Flotten rings, die er uns zugesendet,Von unsrer Staaten Küsten abzuhalten,Und die Miliz steht auf, die Thor' inzwischen |
1970 | In den verlaßnen Städten zu besetzen.Walter.So ist es.Eve.Ja, so heißt's, ich weiß.Walter.Nun? Weiter?Eve.Wir eben sitzen, Mutter, Vater, RuprechtUnd ich, an dem Camin, und halten Rath,Ob Pfingsten sich, ob Pfingsten übers Jahr, |
1975 | Die Hochzeit feiern soll: als plötzlich jetztDie Commission, die die Rekruten aushebt,In's Zimmer tritt, und Ruprecht aufnotirt,Und unsern frohen Streit mit schneidendemMachtspruch, just da er sich zu Pfingsten neigte, |
1980 | Für, Gott weiß, welches Pfingstfest nun? – entscheidet.Walter.Mein Kind –Eve.Gut, gut.Walter.Das allgemeine Loos. |
[150] | Eve.Ich weiß.Walter.Dem kann sich Ruprecht gar nicht weigern.Ruprecht.Ich denk' auch nicht daran.Eve.Er denkt nicht dran,Gestrenger Herr, und Gott behüte mich, |
1985 | Daß ich in seiner Sinnesart ihn störte.Wohl uns, daß wir was Heil'ges, jeglicher,Wir freien Niederländer, in der Brust,Des Streites werth bewahren: so gebe jeder dennDie Brust auch her, es zu vertheidigen. |
1990 | Müßt' er dem Feind' im Treffen selbst begegnen,Ich spräche noch, zieh hin, und Gott mit dir:Was werd' ich jetzt ihn weigern, da er nurDie Wälle, die geebneten, in Utrecht,Vor Knaben soll, und ihren Spielen schützen. |
1995 | Inzwischen, lieber Herr, ihr zürnt mir nicht –Wenn ich die Mai'n in unserm Garten ringsDem Pfingstfest röthlich seh' entgegen knospen,So kann ich mich der Thränen nicht enthalten:Denk' ich doch sonst, und thue, wie ich soll.Walter. |
2000 | Verhüt' auch Gott, daß ich darum dir zürne.Sprich weiter. |
[151] | Eve.Nun schickt die Mutter gesternMich in gleichgültigem Geschäft in's Amt,Zum Richter Adam. Und da ich in das Zimmer trete,«Gott grüß dich, Evchen! Ei, warum so traurig?» |
2005 | Spricht er. «Das Köpfchen hängt dir ja wie'n Maienglöckchen!Ich glaubte fast, du weißt, daß es dir steht.Der Ruprecht! Gelt? Der Ruprecht!» – Je nun freilich,Der Ruprecht, sag' ich; wenn der Mensch was liebt,Muß er schon auch auf Erden etwas leiden. |
2010 | Drauf er: «du armes Ding! Hm! Was wohl gäbst du,Wenn ich den Ruprecht dir von der Miliz befreite?»Und ich: wenn ihr den Ruprecht mir befreitet?Ei nun, dafür mögt' ich euch schon was geben.Wie fingt ihr das wohl an? – «Du Närrchen, sagt er, |
2015 | Der Physikus, der kann, und ich kann schreiben,Verborgne Leibesschäden sieht man nicht,Und bringt der Ruprecht ein Attest darüberZur Commission, so giebt die ihm den Abschied:Das ist ein Handel, wie um eine Semmel.» – |
2020 | So, sag ich. – «Ja» – So, so! Nun, laßt's nur sein,Herr Dorfrichter, sprech' ich. Daß Gott der HerrGerad' den Ruprecht mir zur Lust erschaffen,Mag ich nicht vor der Commission verläugnen. |
[152] | Des Herzens innerliche Schäden sieht er, |
2025 | Und ihn irrt kein Attest vom Physikus.Walter.Recht! Brav!Eve.«Gut,» spricht er. «Wie du willst. So magEr seiner Wege gehn. Doch was ich sagen wollte –Die hundert Gulden, die er kürzlich erbte,Laßt du dir doch, bevor er geht, verschreiben?» – |
2030 | Die hundert Gulden, frag' ich? Ei, warum?Was hat's mir für Gefahr auch mit den Gulden?Wird er denn weiter, als nach Utrecht gehn? –«Ob er dir weiter als nach Utrecht geht?Ja, du gerechter Gott, spricht er, was weiß ich, |
2035 | Wohin der jetzo geht. Folgt er einmal der TrommelDie Trommel folgt dem Fähndrich, der dem Hauptmann,Der Hauptmann folgt dem Obersten, der folgtDem General, und der folgt den vereinten Staaten wieder,Und die vereinten Staaten, hol's der Henker, |
2040 | Die ziehen in Gedanken weit herum.Die lassen trommeln, daß die Felle platzen.»Walter.Der Schändliche.Eve.Bewahr mich Gott, sprech' ich,Ihr habt, als ihr den Ruprecht aufnotirt, |
[153] | Ja die Bestimmung deutlich ihm verkündigt. |
2045 | «Ja! Die Bestimmung!» spricht er: «Speck für Mäuse!Wenn sie die Landmiliz in Utrecht haben,So klappt die Falle hinten schnappend zu.Laß du die hundert Gulden dir verschreiben.» –Ist das gewiß, frag' ich, Herr Richter Adam? |
2050 | Will man zum Kriegsdienst förmlich sie gebrauchen?«Ob man zum Kriegsdienst sie gebrauchen will?» –«Willst du Geheimniß, unverbrüchliches,Mir angeloben gegen jedermann?»Ei, Herr Gott, sprech' ich, was auch giebt's, Herr Richter! |
2055 | Was sieht er so bedenklich? Sag' er's heraus.Walter.Nun? Nun? Was wird das werden?Eve.Was das wird werden?Herr, jetzo sagt er mir, was ihr wohl wißt,Daß die Miliz sich einschifft nach Batavia,Den eingebornen Kön'gen dort, von Bantam, |
2060 | Von Java, Jakatra, was weiß ich? RaubZum Heil der Haager Krämer abzujagen.Walter.Was? nach Batavia?Ruprecht.Ich, nach Asien? |
[154] | Walter.Davon weiß ich kein Wort.Eve.Gestrenger Herr,Ich weiß, ihr seid verbunden, so zu reden.Walter. |
2065 | Auf meine Pflicht!Eve.Gut, gut. Auf eure Pflicht.Und die ist, uns, was wahr ist, zu verbergen.Walter.Du hörst's. Wenn ich –Eve.Ich sah den Brief, verzeiht, den ihrAus Utrecht an die Aemter habt erlassen.Walter.Welch einen Brief?Eve.Den Brief, Herr, die geheime |
2070 | Instruction, die Landmiliz betreffend,Und ihre Stellung aus den Dörfern rings.Walter.Den hast du?Eve.Herr, den sah ich. |
[155] | Walter.Und darinn?Eve.Stand, daß die Landmiliz, im Wahn, sie seiZum innern Friedensdienste nur bestimmt, |
2075 | Soll hingehalten werden bis zum März:Im März dann schiffe sie nach Asien ein.Walter.Das in dem Brief selbst hättest du gelesen?Eve.Ich nicht. Ich las es nicht. Ich kann nicht lesen.Doch er, der Richter, las den Brief mir vor.Walter. |
2080 | So. Er, der Richter.Eve.Ja. Und Wort vor Wort.Walter.Gut, gut. Nun weiter.Eve.Gott im Himmel, ruf' ich,Das junge Volk, das blüh'nde, nach Batavia!Das Eiland, das entsetzliche, wovonJedweden Schiffes Mannschaft, das ihm naht, |
2085 | Die eine Hälfte stets die andere begräbt.Das ist ja keine offen ehrlicheConscription, das ist Betrug, Herr Richter, |
[156] | Gestohlen ist dem Land' die schöne Jugend,Um Pfeffer und Muskaten einzuhandeln. |
2090 | List gegen List jetzt, schaff' er das AttestFür Ruprecht mir, und alles geb ich ihmZum Dank, was er nur redlich fordern kann.Walter.Das machtest du nicht gut.Eve.List gegen List.Walter.Drauf er?Eve.«Das wird sich finden,» spricht er, «Evchen, |
2095 | Vom Dank nachher, jetzt gilt es das Attest.Wann soll der Ruprecht gehn?» – In diesen Tagen.«Gut,» spricht er, «gut. Es trifft sich eben günstig.Denn heut noch kommt der Physikus in's Amt;Da kann ich gleich mein Heil mit ihm versuchen. |
2100 | Wie lange bleibt der Garten bei dir offen?»Bei mir der Garten, frag' ich? – «Ja, der Garten.»Bis gegen Zehn, sag' ich. Warum, Herr Richter?«Vielleicht kann ich den Schein dir heut noch bringen.» –Er mir den Schein! Ei, wohin denkt er auch? |
2105 | Ich werd' den Schein mir morgen früh schon holen. –«Auch gut,» spricht er. «Gleichviel. So holst du ihn.Glock halb auf neun früh Morgens bin ich auf.» |
[157] | Walter.Nun?Eve.Nun – geh' ich zur Mutter heim, und harre,Den Kummer, den verschwiegnen, in der Brust, |
2110 | In meiner Klause, durch den Tag, und harre,Bis zehn zu Nacht auf Ruprecht, der nicht kömmt.Und geh verstimmt Glock zehn die Trepp' hinab,Die Gartenthür zu schließen, und erblicke,Da ich sie öffn', im Dunkel fernhin wen, |
2115 | Der schleichend von den Linden her mir naht.Und sage: Ruprecht! – «Evchen,» heisert es. –Wer ist da? frag ich. – «St! Wer wird es sein?» –Ist er's, Herr Richter? – «Ja, der alte Adam» –Ruprecht.Gott's Blitz!Eve.Er selbst –Ruprecht.Gott's Donnerwetter!Eve.Ist's, |
2120 | Und kommt, und scherzt, und kneipt mir in die Backen,Und fragt, ob Mutter schon zu Bette sei.Ruprecht.Seht, den Hallunken! |
[158] | Eve.Drauf ich: Ei, was Herr Richter,Was will er auch so spät zu Nacht bei mir?«Je, Närrchen,» spricht er – Dreist heraus, sag' ich; |
2125 | Was hat er hier Glock zehn bei mir zu suchen?«Was ich Glock zehn bei dir zu suchen habe?» – –Ich sag', laß er die Hand mir weg! Was will er? –«Ich glaube wohl, du bist verrückt,» spricht er.«Warst du nicht heut Glock eilf im Amt bei mir, |
2130 | Und wolltest ein Attest für Ruprecht haben?»Ob ich? – Nun ja. – «Nun gut. Das bring ich dir.»Ich sagt's ihm ja, daß ich's mir holen wollte. –«Bei meiner Treu! Die ist nicht recht gescheut.Ich muß Glock fünf Uhr morgen früh verreisen, |
2135 | Und ungewiß, wann ich zurücke kehre,Liefr' ich den Schein noch heut ihr in die Hände;Und sie, nichts fehlt, sie zeigt die Thüre mir;Sie will den Schein sich morgen bei mir holen.» –Wenn er verreisen will Glock fünf Uhr morgen – |
2140 | Davon ja wußt' er heut noch nichts Glock eilf?«Ich sag's,» spricht er, «die ist nicht recht bei Troste.Glock zwölf bekam ich heut die Ordre erst.» –Das ist was Anderes, das wußt' ich nicht.«Du hörst es ja,» spricht er. – Gut, gut, Herr Richter. |
2145 | So dank' ich herzlich ihm für seine Mühe.Verzeih er mir. Wo hat er das Attest? |
[159] | Walter.Wißt ihr was von der Ordre?Licht.Nicht ein Wort.Vielmehr bekam er kürzlich noch die Ordre,Sich nicht von seinem Amte zu entfernen. |
2150 | Auch habt ihr heut zu Haus' ihn angetroffen.Walter.Nun?Eve.Wenn er log, ihr Herrn, konnt ich's nicht prüfen.Ich mußte seinem Wort vertraun.Walter.Ganz recht.Du konntest es nicht prüfen. Weiter nur.Wo ist der Schein, sprachst du?Eve.«Hier,» sagt er, «Evchen;» |
2155 | Und zieht ihn vor. «Doch höre,» fährt er fort,«Du mußt, so wahr ich lebe, mir vorherNoch sagen, wie der Ruprecht zubenams't?Heißt er nicht Ruprecht Gimpel?» – Wer? Der Ruprecht?«Ja. Oder Simpel? Simpel oder Gimpel.» |
2160 | Ach, Gimpel! Simpel! Tümpel heißt der Ruprecht.«Gott's Blitz, ja,» spricht er; «Tümpel! Ruprecht Tümpel! |
[160] | Hab ich, Gott tödt mich, mit dem WetternamenAuf meiner Zunge nicht Versteck gespielt!» –Ich sag', Herr Richter Adam, weiß er nicht –? |
2165 | «Der Teufel soll mich holen, nein!» spricht er. –Steht denn der Nam' hier im Attest noch nicht?«Ob er in dem Attest –?» – Ja, hier im Scheine.«Ich weiß nicht, wie du heute bist,» spricht er.«Du hörst's, ich sucht' und fand ihn nicht, als ich |
2170 | Heut Nachmittag bei mir den Schein hier mitDem Physikus zusammen fabricirte.»Das ist ja aber dann kein Schein, sprech' ich.Das ist, nehm er's mir übel nicht, ein Wisch, das!Ich brauch' ein ordentlich Attest, Herr Richter. – |
2175 | «Die ist, mein Seel, heut,» spricht er, «ganz von Sinnen.Der Schein ist fertig, ge= und unterschrieben,Datirt, besiegelt auch, und in der MitteEin Platz, so groß just, wie ein Tümpel, offen;Den füll ich jetzt mit Dinte aus, so ist's |
2180 | Ein Schein, nach allen Regeln, wie du brauchst.» –Doch ich: wo will er in der Nacht, Herr Richter,Hier unterm Birnbaum auch den Platz erfüllen? –«Gott's Menschenkind auch, unvernünftiges!»Spricht er; «du hast ja in der Kammer Licht, |
2185 | Und Dint und Feder führ' ich in der Tasche.Fort! Zwei Minuten braucht's, so ist's geschehn. |
[161] | Ruprecht.Ei, solch ein blitz=verfluchter Kerl!Walter.Und darauf gingst du mit ihm in die Kammer?Eve.Ich sag: Herr Dorfrichter, was das auch für |
2190 | Anstalten sind! Ich werde jetzt mit ihm,Da Mutter schläft, in meine Kammer gehn.Daraus wird nichts, das konnt' er sich wohl denken.«Gut,» spricht er, «wie du willst. Ich bins zufrieden.So bleibt die Sach' bis auf ein andermal. |
2195 | In Tagner drei bis acht bin ich zurück.» –Herr Gott, sag' ich, er in acht Tagen erst!Und in drei Tagen geht der Ruprecht schon –Walter.Nun, Evchen, kurz –Eve.Kurz, gnäd'ger Herr –Walter.Du gingst –Eve.Ich ging. Ich führt' ihn in die Kammer ein.Frau Marthe. |
2200 | Ei, Eve! Eve!Eve.Zürnt nicht! |
[162] | Walter.Nun jetzt – weiter?Eve.Da wir jetzt in der Stube sind – zehnmalVerwünscht' ich's schon, eh wir sie noch erreicht –Und ich die Thür behutsam zugedrückt,Legt er Attest und Dint' und Feder auf den Tisch, |
2205 | Und rückt den Stuhl herbei sich, wie zum Schreiben.Ich denke, setzen wird er sich: doch er,Er geht und schiebt den Riegel vor die Thüre,Und räuspert sich, und lüftet sich die Weste,Und nimmt sich die Perücke förmlich ab, |
2210 | Und hängt, weil der Perückenstock ihm fehlt,Sie auf den Krug dort, den zum Scheuern ichBei mir aufs Wandgesimse hingestellt.Und da ich frag', was dies auch mir bedeute?Läßt er am Tisch jetzt auf den Stuhl sich nieder, |
2215 | Und faßt mich so, bei beiden Händen, seht,Und sieht mich an.Frau Marthe.Und sieht –?Ruprecht.Und sieht dich an –?Eve.Zwei abgemessene Minuten starr mich an. |
[163] | Frau Marthe.Und spricht –?Ruprecht.Spricht nichts –?Eve.Er, Niederträcht'ger, sag' ich,Da er jetzt spricht; was denkt er auch von mir? |
2220 | Und stoß' ihm, vor die Brust daß er euch taumelt –Und: Jesus Christus! ruf ich: Ruprecht kömmt! –Denn an der Tür ihn draußen hör' ich donnern.Ruprecht.Ei, sieh! da kam ich recht.Eve.«Verflucht!» spricht er,«Ich bin verrathen!» – und springt, den Schein ergreifend, |
2225 | Und Dint' und Feder, zu dem Fenster hin.«Du!» sagt er jetzt, «sei klug!» – und öffnet es.«Den Schein holst du dir morgen bei mir ab.Sagst du ein Wort, so nehm' ich ihn, und reiß' ihn,Und mit ihm deines Lebens Glück, entzwei.»Ruprecht. |
2230 | Die Bestie!Eve.Und tappt sich auf die Hütsche,Und auf den Stuhl, und steigt aufs Fensterbrett, |
[164] | Und untersucht, ob er wohl springen mag.Und wendet sich, und beugt sich zum Gesimse,Wo die Perück' hängt, die er noch vergaß. |
2235 | Und greift und reißt vom Kruge sie, und reißtVon dem Gesims den Krug herab:Der stürzt; er springt; und Ruprecht kracht ins Zimmer.Ruprecht.Gott's Schlag und Wetter!Eve.Jetzt will, ich jetzt will reden,Gott der Allwissende bezeugt es mir! |
2240 | Doch dieser – schnaubend fliegt er euch durch's Zimmer,Und stößt –Ruprecht.Verflucht!Eve.Mir vor die Brust –Ruprecht.Mein Evchen!Eve.Ich taumle sinnlos nach dem Bette hin.Veit.Verdammter Hitzkopf, du!Eve.Jetzt steh' ich noch, Goldgrün, wie Flammen rings, umspielt es mich, |
[165] | Und wank', und halt» am Bette mich; da stürztDer von dem Fenster schmetternd schon herab;Ich denk', er steht im Leben nicht mehr auf.Ich ruf': Heiland der Welt! und spring' und neigeMich über ihn, und nehm' ihn in die Arme, |
2250 | Und sage: Ruprecht! Lieber Mensch! Was fehlt dir?Doch er –Ruprecht.Fluch mir!Eve.Er wüthet –Ruprecht.Traf ich dich?Eve.Ich weiche mit Entsetzen aus.Frau Marthe.Der Grobian!Ruprecht.Daß mir der Fuß erlahmte!Frau Marthe.Nach ihr zu stoßen!Eve.Jetzt erscheint die Mutter, |
2255 | Und stutzt, und hebt die Lamp' und fällt ergrimmt,Da sie den Krug in Scherben sieht, den RuprechtAls den unzweifelhaften Thäter an. |
[166] | Er, wuthvoll steht er, sprachlos da, will sichVertheidigen: doch Nachbar Ralf fällt ihn, |
2260 | Vom Schein getäuscht, und Nachtbar Hinz ihn an,Und Muhme Sus' und Lies' und Frau Brigitte,Die das Geräusch zusammt herbeigezogen,Sie Alle, taub, sie schmähen ihn und schimpfen,Und sehen großen Auges auf mich ein, |
2265 | Da er mit Flüchen, schäumenden, betheuert,Daß nicht er, daß ein Andrer das Geschirr,Der eben nur entwichen sei, zerschlagen.Ruprecht.Verwünscht! Daß ich nicht schwieg! Ein Anderer!Mein liebes Evchen!Eve.Die Mutter stellt sich vor mich, |
2270 | Blaß, ihre Lippe zuckt, sie stemmt die Arme.«Ists,» fragt sie, «ists ein Anderer gewesen?»Und: Joseph, sag' ich, und Maria, Mutter;Was denkt ihr auch? – «Und was noch fragt ihr sie,»Schreit Muhme Sus' und Liese: «Ruprecht war's!» |
2275 | Und alle schrein: «der Schändliche! Der Lügner!»Und ich – ich schwieg, ihr Herrn; ich log, ich weiß,Doch log ich anders nicht, ich schwör's, als schweigend.Ruprecht.Mein Seel, sie sprach kein Wort, das muß ich sagen. |
[167] | Frau Marthe.Sie sprach nicht, nein, sie nickte mit dem Kopf bloß, |
2280 | Wenn man sie, obs der Ruprecht war, befragte.Ruprecht.Ja, nicken. Gut.Eve.Ich nickte? Mutter!Ruprecht.Nicht?Auch gut.Eve.Wann hätt' ich –?Frau Marthe.Nun? Du hättest nicht,Als Muhme Suse vor dir stand, und fragte:Nicht, Evchen, Ruprecht war es? ja genickt?Eve. |
2285 | Wie? Mutter? Wirklich? Nickf ich? Seht –Ruprecht.Beim Schnauben,Beim Schnauben, Evchen! Laß die Sache gut sein.Du hieltst das Tuch, und schneutztest heftig drein;Mein Seel, es schien, als ob du'n bissel nicktest.Eve (verwirrt).Es muß unmerklich nur gewesen sein. |
[168] | Frau Marthe. |
2290 | Es war zum Merken just genug.Walter.Zum Schluß jetzt –?Eve.Nun war auch heut am Morgen noch mein ersterGedanke, Ruprecht alles zu vertraun.Denn weiß er nur der Lüge wahren Grund,Was gilt's, denk ich, so lügt er selbst noch mit, |
2295 | Und sagt, nun ja, den irdnen Krug zerschlug ich,Und dann so kriegt' ich auch wohl noch den Schein.Doch Mutter, da ich in das Zimmer trete,Die hält den Krug schon wieder, und befiehlt,Sogleich zum Vater Tümpel ihr zu folgen; |
2300 | Dort fordert sie den Ruprecht vor Gericht.Vergebens, daß ich um Gehör ihn bitte,Wenn ich ihm nah, so schmäht und schimpft er mich,Und wendet sich, und will nichts von mir wissen.Ruprecht.Vergieb mir.Walter.Nun laß dir sagen, liebes Kind, |
2305 | Wie zu so viel, stets tadelnswerthen, Schritten –– Ich sage tadelnswerth, wenn sie auch gleichVerzeihlich sind – dich ein gemeiner, grober Betrug verführt. |
[169] | Eve.So? Wirklich?Walter.Die MilizWird nach Batavia nicht eingeschifft: |
2310 | Sie bleibt, bleibt in der That bei uns, in Holland.Eve.Gut, gut, gut. Denn der Richter log; nicht wahr?So oft: und also log er gestern mir.Der Brief, den ich gesehen, war verfälscht;Er las mir's aus dem Stegreif nur so vor.Walter. |
2315 | Ja, ich versichr' es dich.Eve.O gnäd'ger Herr! –O Gott! Wie könnt ihr mir das thun? O sagt –Walter.Herr Schreiber Licht! Wie lautete der Brief?Ihr müßt ihn kennen.Licht.Ganz unverfänglich.Wie's überall bekannt ist. Die Miliz |
2320 | Bleibt in dem Land, 's ist eine Landmiliz.Eve.O Ruprecht! O mein Leben! Nun ist's aus. |
[170] | Ruprecht.Evchen! Hast du dich wohl auch überzeugt?Besinne dich!Eve.Ob ich –? Du wirst's erfahren.Ruprecht.Stand's wirklich so –?Eve.Du hörst es, Alles, Alles; |
2325 | Auch dies, daß sie uns täuschen sollen, Freund.Walter.Wenn ich mein Wort dir gebe –Eve.O gnäd'ger Herr!Ruprecht.Wahr ist's, es war das erstemal wohl nicht –Eve.Schweig! S' ist umsonst –Walter.Das erstemal wär's nicht?Ruprecht.Vor sieben Jahren soll was Aehnliches |
2330 | Im Land geschehen sein –Walter.Wenn die RegierungIhn hinterginge, war's das erstemal. |
[171] | So oft sie Truppen noch nach Asien schickte,Hat sie's den Truppen noch gewagt zu sagen.Er geht –Eve.Du gehst. Komm.Walter.Wo er hinbeordert; |
2335 | In Utrecht wird er merken, daß er bleibt.Eve.Du gehst nach Utrecht. Komm. Da wirst du's merken.Komm, folg'. Es sind die letzten Abschiedsstunden,Die die Regierung uns zum Weinen läßt;Die wird der Herr uns nicht verbittern wollen.Walter. |
2340 | Sieh da! So arm dein Busen an Vertrauen?Eve.O Gott! Gott! Daß ich jetzt nicht schwieg.Walter.Dir glaubt' ich Wort vor Wort, was du mir sagtest;Ich fürchte fast, daß ich mich übereilt.Eve.Ich glaub' euch ja, ihr hört's, so wie ihr's meint. |
2345 | Komm fort.Walter.Bleib. Mein Versprechen will ich lösen. |
[172] | Du hast mir deines Angesichtes ZügeBewährt, ich will die meinen dir bewähren;Müßt ich auf andere Art dir den BeweisAuch führen, als du mir. Nimm diesen Beutel.Eve. |
2350 | Ich soll –Walter.Den Beutel hier mit zwanzig Gulden!Mit so viel Geld kaufst du den Ruprecht los.Eve.Wie? Damit – ?Walter.Ja, befreist du ganz vom Dienst ihn.Doch so. Schifft die Miliz nach Asien ein,So ist der Beutel ein Geschenk, ist dein. |
2355 | Bleibt sie im Land', wie ich's vorher dir sagte,So trägst du deines bösen Mißtrauns Strafe,Und zahlst, wie billig, Beutel, samt Intressen,Vom Hundert vier, terminlich mir zurück.Eve.Wie, gnäd'ger Herr? Wenn die –Walter.Die Sach ist klar.Eve. |
2360 | Wenn die Miliz nach Asien sich einschifft, |
[173] | So ist der Beutel ein Geschenk, ist mein.Bleibt sie im Land, wie ihrs vorher mir sagtet,So soll ich bösen Mißtrauns Straf' erdulden,Und Beutel, samt, wie billig, Interessen –(sie sieht Ruprecht an).Ruprecht. |
2365 | Pfui! S' ist nicht wahr! Es ist kein wahres Wort!Walter.Was ist nicht wahr?Eve.Da nehmt ihn! Nehmt ihn! Nehmt ihn!Walter.Wie?Eve.Nehmt, ich bitt' euch, gnäd'ger Herr, nehmt, nehmt ihn!Walter.Den Beutel?Eve.O Herr Gott!Walter.Das Geld? Warum das?Vollwichtig neugeprägte Gulden sind's. |
2370 | Sieh her, das Antlitz hier des Spanierkönigs:Meinst du, daß dich der König wird betrügen? |
[174] | Eve.O lieber, guter, edler Herr, verzeiht mir.– O der verwünschte Richter!Ruprecht.Ei, der Schurke!Walter.So glaubst du jetzt, daß ich dir Wahrheit gab?Eve. |
2375 | Ob ihr mir Wahrheit gabt? O scharfgeprägte,Und Gottes leuchtend Antlitz drauf. O Himmel!Daß ich nicht solche Münze mehr erkenne!Walter.Hör', jetzt geb' ich dir einen Kuß. Darf ich?Ruprecht.Und einen tüchtigen. So. Das ist brav.Walter. |
2380 | Du also gehst nach Utrecht?Ruprecht.Nach Utrecht geh' ich,Und steh ein Jahrlang auf den Wällen Schildwach,Und wenn ich das gethan, u. s. w. . . . . . . ist Eve mein! |