Heinrich von Kleist
1777 - 1811
Der zerbrochne Krug,ein Lustspiel
Scene: Die Gerichtsstube
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Vierter Auftritt.
Der Gerichtsrath Walter (tritt auf). Die Vorigen.
Walter. | |
285 | Gott grüß euch, Richter Adam.Adam.Ei willkommen!Willkommen, gnäd'ger Herr, in unserm Huisum!Wer konnte, du gerechter Gott, wer konnteSo freudigen Besuches sich gewärt'gen.Kein Traum, der heute früh Glock achte noch |
290 | Zu solchem Glücke sich versteigen durfte.Walter.Ich komm ein wenig schnell, ich weiß; und mußAuf dieser Reis', in unsrer Staaten Dienst,Zufrieden sein, wenn meine Wirthe michMit wohlgemeintem Abschiedsgruß entlassen. |
295 | Inzwischen ich, was meinen Gruß betrifft,Ich mein's von Herzen gut, schon wenn ich komme.Das Obertribunal in Utrecht willDie Rechtspfleg' auf dem platten Land verbessern,Die mangelhaft von mancher Seite scheint, |
300 | Und strenge Weisung hat der Mißbrauch zu erwarten.Doch mein Geschäft auf dieser Reis' ist nochEin strenges nicht, sehn soll ich bloß, nicht strafen,Und find ich gleich nicht Alles, wie es soll,Ich freue mich, wenn es erträglich ist.Adam. |
305 | Fürwahr, so edle Denkart muß man loben.Ew. Gnaden werden hie und da, nicht zweifl' ich,Den alten Brauch im Recht zu tadeln wissen;Und wenn er in den Niederlanden gleichSeit Kaiser Karl dem fünften schon besteht: |
310 | Was läßt sich in Gedanken nicht erfinden?Die Welt, sagt unser Sprichwort, wird stets klüger,Und Alles lies't, ich weiß, den Puffendorff; |
[30] | Doch Huisum ist ein kleiner Theil der Welt,Auf den nicht mehr, nicht minder, als sein Theil nur |
315 | Kann von der allgemeinen Klugheit kommen.Klärt die Justiz in Huisum gütigst auf,Und überzeugt euch, gnäd'ger Herr, ihr habtIhr noch sobald den Rücken nicht gekehrt,Als sie auch völlig euch befried'gen wird; |
320 | Doch fändet ihr sie heut im Amte schonWie ihr sie wünscht, mein Seel, so wär's ein Wunder,Da sie nur dunkel weiß noch, was ihr wollt.Walter.Es fehlt an Vorschriften, ganz recht. VielmehrEs sind zu viel, man wird sie sichten müssen.Adam. |
325 | Ja, durch ein großes Sieb. Viel Spreu! Viel Spreu!Walter.Das ist dort der Herr Schreiber?Licht.Der Schreiber Licht,Zu Eurer hohen Gnaden Diensten. PfingstenNeun Jahre, daß ich im Justizamt bin.Adam (bringt einen Stuhl).Setzt euch.Walter.Laßt sein.Adam.Ihr kommt von Holla schon.Walter. |
300 | Zwei kleine Meilen – Woher wißt ihr das?Adam.Woher? Ew. Gnaden Diener –Licht.Ein Bauer sagt' es,Der eben jetzt von Holla eingetroffen.Walter.Ein Bauer?Adam.Aufzuwarten.Walter.– Ja! Es trug sichDort ein unangenehmer Vorfall zu, |
335 | Der mir die heitre Laune störte,Die in Geschäften uns begleiten soll. –Ihr werdet davon unterrichtet sein?Adam.Wär's wahr, gestrenger Herr? Der Richter Pfaul,Weil er Arrest in seinem Haus' empfing, |
340 | Verzweiflung hätt' den Thoren überrascht,Er hing sich auf?Walter.Und machte Uebel ärger. |
[32] | Was nur Unordnung schien, Verworrenheit,Nimmt jetzt den Schein an der Veruntreuung,Die das Gesetz, ihr wißt's, nicht mehr verschont. – |
345 | Wie viele Kassen habt ihr?Adam.Fünf, zu dienen.Walter.Wie, fünf! Ich stand im Wahn – Gefüllte Kassen?Ich stand im Wahn, daß ihr nur vier –Adam.Verzeiht!Mit der Rhein=Inundations=Collecten=Kasse?Walter.Mit der Inundations=Collecten=Kasse! |
350 | Doch jetzo ist der Rhein nicht inundirt,Und die Collecten gehn mithin nicht ein.– Sagt doch, ihr habt ja wohl Gerichtstag heut?Adam.Ob wir –?Walter.Was?Licht.Ja, den ersten in der Woche.Walter.Und jene Schaar von Leuten, die ich draußen |
355 | Auf eurem Flure sah, sind das –? |
[33] | Adam.Das werden –Licht.Die Kläger sind's, die sich bereits versammeln.Walter.Gut. Dieser Umstand ist mir lieb, ihr Herren.Laßt diese Leute, wenn's beliebt, erscheinen.Ich wohne dem Gerichtsgang bei; ich sehe |
360 | Wie er in eurem Huisum üblich ist.Wir nehmen die Registratur, die Kassen,Nachher, wenn diese Sache abgethan.Adam.Wie ihr befehlt. – Der Büttel! He! Hanfriede! |