BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Heinrich von Kleist

1777 - 1811

[247]

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63tes Blatt    Den 12ten December 1810.

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Ueber das Marionettentheater.

 

Als ich den Winter 1801 in M... zubrachte, traf ich daselbst eines Abends, in einem öffentlichen Garten, den Hrn. C. an, der seit Kurzem, in dieser Stadt, als erster Tänzer der Oper, angestellt war, und bei dem Publico außerordentliches Glück machte.

Ich sagte ihm, daß ich erstaunt gewesen wäre, ihn schon mehrere Mal in einem Marionettentheater zu finden, das auf dem Markte zusammengezimmert worden war, und den Pöbel, durch kleine dramatische Burlesken, mit Gesang und Tanz durchwebt, belustigte.

Er versicherte mir, daß ihm die Pantomimik dieser Puppen viel Vergnügen machte, und ließ nicht undeutlich merken, daß ein Tänzer, der sich ausbilden wolle, mancherlei von ihnen lernen könne.

Da diese Aeußerung mir, durch die Art, wie er sie vorbrachte, mehr, als ein bloßer Einfall schien, so ließ ich mich bei ihm nieder, um ihn über die Gründe, auf die er eine so sonderbare Behauptung stützen könne, näher zu vernehmen.

Er fragte mich, ob ich nicht, in der That, einige Bewegungen der Puppen, besonders der kleineren, im Tanz sehr gratiös gefunden hatte.

Diesen Umstand konnt' ich nicht läugnen. Eine Gruppe von vier Bauern, die nach einem raschen Tact die Ronde tanzte, hätte von Tenier nicht hübscher gemahlt werden können.

[248] Ich erkundigte mich nach dem Mechanismus dieser Figuren, und wie es möglich wäre, die einzelnen Glieder derselben und ihre Puncte, ohne Myriaden von Fäden an den Fingern zu haben, so zu regieren, als es der Rhythmus der Bewegungen, oder der Tanz, erfordere?

Er antwortete, daß ich mir nicht vorstellen müsse, als ob jedes Glied einzeln, während der verschiedenen Momente des Tanzes, von dem Maschinisten gestellt und gezogen würde.

Jede Bewegung, sagte er, hätte einen Schwerpunct; es wäre genug, diesen, in dem Innern der Figur, zu regieren; die Glieder, welche nichts als Pendel wären, folgten, ohne irgend ein Zuthun, auf eine mechanische Weise von selbst.

Er setzte hinzu, daß diese Bewegung sehr einfach wäre; daß jedesmal, wenn der Schwerpunct in einer graden Linie bewegt wird, die Glieder schon Courven beschrieben; und daß oft, auf eine bloß zufällige Weise erschüttert, das Ganze schon in eine Art von rhythmische Bewegung käme, die dem Tanz ähnlich wäre.

Diese Bemerkung schien mir zuerst einiges Licht über das Vergnügen zu werfen, das er in dem Theater der Marionetten zu finden vorgegeben hatte. Inzwischen ahndete ich bei Weitem die Folgerungen noch nicht, die er späterhin daraus ziehen würde.

Ich fragte ihn, ob er glaubte, daß der Maschinist, der diese Puppen regierte, selbst ein Tänzer sein, oder wenigstens einen Begriff vom Schönen im Tanz haben müsse?

Er erwiederte, daß wenn ein Geschäft, von seiner mechanischen Seite, leicht sei, daraus noch nicht folge, daß es ganz ohne Empfindung betrieben werden könne.

[249] Die Linie, die der Schwerpunct zu beschreiben hat, wäre zwar sehr einfach, und, wie er glaube, in den meisten Fällen, gerad. In Fällen, wo sie krumm sei, scheine das Gesetz ihrer Krümmung wenigstens von der ersten oder höchstens zweiten Ordnung; und auch in diesem letzten Fall nur elyptisch, welche Form der Bewegung den Spitzen des menschlichen Körpers (wegen der Gelenke) überhaupt die natürliche sei, und also dem Maschinisten keine große Kunst koste, zu verzeichnen.

Dagegen wäre diese Linie wieder, von einer andern Seite, etwas sehr Geheimnißvolles. Denn sie wäre nichts anders, als der Weg der Seele des Tänzers; und er zweifle, daß sie anders gefunden werden könne, als dadurch, daß sich der Maschinist in den Schwerpunct der Marionette versetzt, d. h. mit andern Worten, tanzt.

Ich erwiderte, daß man mir das Geschäfft desselben als etwas ziemlich Geistloses vorgestellt hätte: etwa was das Drehen einer Kurbel sei, die eine Leyer spielt.

Keineswegs, antwortete er. Vielmehr verhalten sich die Bewegungen seiner Finger zur Bewegung der daran befestigten Puppen ziemlich künstlich, etwa wie Zahlen zu ihren Logarithmen oder die Asymptote zur Hyperbel.

Inzwischen glaube er, daß auch dieser letzte Bruch von Geist, von dem er gesprochen, aus den Marionetten entfernt werden, daß ihr Tanz gänzlich ins Reich mechanischer Kräfte hinübergespielt, und vermittelst einer Kurbel, so wie ich es mir gedacht, hervorgebracht werden könne.

 

(Die Fortsetzung folgt.)

 

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Litterarische Bemerkung.

 

Die Leser und Käufer der Grundsätze der rationalen Landwirthschaft von Thär, eines so theuren und dabey vom Publicum so auffallend begünstigten Buchs, hat es billig befremden müssen, daß man die, bei der Lektüre des eben erschienenen dritten Theils unentbehrlichen, und, bei einem so großen Gewinnst, als dieses Buch abwirft, wenig kostspieligen Kupferabbildungen der Ackerwerkzeuge, nicht dem Buche hinzugefügt, sondern, es für gut gefunden hat, die Anschaffung des absondert erschienenen Thärschen Kupferwerks, den Lesern zur Pflicht zu machen. Dürfte wohl ein Autor wie dieser, der doch der Dauer seiner Arbeiten gewiß zu sein scheint, gleich bei ihrer ersten Erscheinung so ängstlich auf den Gewinn, der ihm gebührt und nicht entgehen kann, gerichtet sein? –

v. S.

[Friedrich Karl v. Savigny ?]

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Bülletin der öffentlichen Blätter.

 

Symptome des gelben Fiebers haben sich zwar an der Südküste von Spanien, zumal in dem Hospital von Carthagena gezeigt, jedoch ist zweien Tagesbefehlen der Herzöge von Bellune und Dalmatien zufolge, der Verdacht, als sei diese Krankheit von Ceuta und Oran herüber-gekommen völlig unbegründet, und ist das am 24ten Sept. verordnete Embargo der Afrikanischen Schiffe aufgehoben worden.     (L. v. B.)

Der Canal zwischen Emden und Aurich, der von der Französischen Regierung projektirt worden, wird die Holländischen Canäle mit der Elbe, also Frankreich mit der Ostsee in eine innländische Communication setzen, also de[m] Handel und dem Krieg eine ganz neue Straße eröfnen.      (L. v. B.)

 

[Kleist]