BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

1805

Die Mutter an Hölderlin

 

Dieser Brief der Mutter ging nach Homburg, wo Hölderlin 1804 durch Vermittlung seines Freundes Sinclair eine Stelle als Hessen-Homburger Hofbibliothekar gefunden hatte. Bei «Frau von Proek» handelt es sich um Sinclairs Mutter.

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 7,1. Briefe an Hölderlin.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Kohlhammer, 1968

 

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[Nürtingen, den 29. Oktober 1805.]

 

Allerliebster Sohn!

 

ob ich schon nicht so glücklich Bin auf mein wiederholtes Bitten auch einige Linien von dir mein Lieber zu erhalten, so kan ich es doch nicht unterlaßen, dich manchmahl von unserer fortdauerenden Liebe, u. Andencken zu versichern. Wie sehr würde es mich freüen und erheitern, wan du mir nur auch wieder einmahl schreiben woltest, daß du die L. Deinige noch liebst, u. an uns denckest. Vieleicht habe ich dir ohne mein Wissen, u. Willen Veranlasung gegeben, daß du empfindlich gegen mich bist, u. so bitter entgelten läsest, seye nur so gut, u. melde es mir. ich will es zu verbesern suchen. Oder wan Dir etwas an deinem Weiszeüg oder Kleidungsstücke abgehen solte, so schreibe es mir oder bitte deinen Hausherrn daß Er mir schreibt. Es freut mich herzlich daß du, wie mir die gnädige Frau von Bröck schreibt, einen so gutdenckenden Hausherrn hast, der dich so Liebreich behandle. Du mein Lieber wirst es auch zu schäzen wißen, u. danckbar vor die besondere Gewogenheit und Vorsorge die dein Edler Freund, u. Gönner HE. von Sincklär so viel an dir thut. wie auch desen Gnädige Frau Mutter, u. die Persohnen die Dich verpflegen.

Besonders aber bitte ich dich herzlich daß du die Pflichten gegen unsern l. Gott u. Vatter im Himel nicht versäumest, wir können auf dieser Erde keine grösere Glückseligkeit erlangen, als wan wir bey unserem l. Gott in gnaden stehen. Nach diesem wollen wir mit allem ernst streben, daß wir dort ein ander wieder finden wo keine Trennung mehr sein wird.

Ich sende Dir anbey ein Wämesle u. 4 Paar strümpf u. 1 paar Handschu als einen Beweis meiner Liebe u. Andencken. Ich bitte dich aber daß du die Wollene Strümpfe auch trägst. Zum Preis unsers guthen Gottes kan ich dir melden daß wir bisher, auch dein l. Bruder u. schwägerin in Zwiefalten vor Kriegsnoth u. unruhen verschont geblieben, u. ich dancke es auch dem L. Gott daß es in Homburg so viel ich weiß zu keinen Kriegerischen Auftritten kam. Der l. Gott seye uns u. unserm Vatterland gnädig u. gebe uns, u. allen Menschen wieder den süsen Frieden.

Nebst unserm allerseitigen herzlichen Gruß u. Bitte daß du mich auch wieder mit etwas erfreüst u. bald schreibst, schliese ich mit der Versicherung daß ich unveräntert verharre

Deine

getreüe M. Gockin.

Nürting.

d. 29 octobr. 1805.