BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Briefe

 

1796

Hölderlin an Friedrich Schiller

 

Hölderlin trifft Friedrich Schiller (1759 - 1805) zum ersten Mal 1793. Dieser vermittelt ihm die Stelle eine Hauslehrers bei der Familie von Kalb. 1794 veröffentlicht Schiller Hölderlins «Fragment von Hyperion» in seiner Zeitschrift «Neue Thalia», mehrere Besuche Hölderlins bei Schiller, wo er auch Goethe begegnet. Auf Vermittlung Schillers erscheint 1797 der «Hyperion» bei Cotta in Tübingen.

 

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 6, Briefe.

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1959

 

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Frankfurt, d. 20 Nov. 1796.

Verehrungswürdigster!

 

Es macht mich oft traurig, daß ich Ihnen nimmer, wie ich sonst wohl durfte, ein Wort aus meiner Seele sagen kann, aber Ihr gänzlich Verstummen gegen mich macht mich wirklich blöde, und ich muß immer wenigstens irgend eine Kleinigkeit vorschüzen können, wenn ich mich dazu bringen soll, meinen Nahmen Ihnen wieder zu nennen.

Diese Kleinigkeit ist dißmal die Bitte, daß Sie die unglüklichen Verse, die keinen Plaz finden konnten in Ihrem dißjährigen Allmanache, mir wieder zur Durchsicht geben möchten, denn das Manuscript, das ich Ihnen im August von Kassel aus zuschikte, war das einzige, das ich hatte.

Möchten Sie es doch nicht für verlorne Mühe halten, Ihr Urtheil bei­zusezen, denn auch hierinn kann ich alles leichter ertragen, als Ihr Stillschweigen.

Ich erinnere mich noch sehr gut jedes kleinsten Zeichens Ihrer Theilnahme an mir. Sie haben mir auch, da ich noch in Franken lebte, einmal ein paar Worte geschrieben, die ich immer wiederhohle, so oft ich verkannt bin.

Haben Sie Ihre Meinung von mir geändert? Haben Sie mich aufge­geben?

Verzeihen Sie mir diese Fragen. Eine Anhänglichkeit an Sie, gegen welche ich oft vergebens angieng, wenn sie Leidenschaft war, eine Anhänglichkeit, die noch immer mich nicht verlassen hat, nöthigt solche Fragen mir ab.

Ich würde mich darüber tadeln, wenn Sie nicht der einzige Mann wären, an den ich meine Freiheit so verloren habe.

Ich weiß, daß ich nicht ruhen werde, bis ich durch irgend etwas Errungenes und Gelungenes wieder einmal ein Zeichen Ihrer Zufrie­denheit erbeute.

Glauben Sie nicht, daß ich feire, wenn ich nicht von meinen Be­schäfftigungen spreche. Aber es ist schwer, gegen die Niederge­schlagenheit auszuhalten, die einem der Verlust einer Gewogenheit giebt, wie diejenige war, die ich besaß oder mir träumte.

Ich bin verlegen, scrupulös über jedes Wort, das ich Ihnen sage, und doch bin ich sonst so ziemlich, wenn ich andern Menschen gegenüber mich finde, über jugendliche Ängstlichkeit weg.

Sagen Sie mir ein freundlich Wort, und Sie sollen sehen, wie ich verwandelt bin.

Ihr wahrer Verehrer

Hölderlin.