Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1797
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
|
|
______________________________________________________________________________
|
|
Der Jüngling an die klugen Rathgeber
Ich sollte ruhn? Ich soll die Liebe zwingen,Die feurigfroh nach hoher Schöne strebt?Ich soll mein Schwanenlied am Grabe singen,Wo ihr so gern lebendig uns begräbt?O schonet mein! Allmächtig fortgezogen,Muß immerhin des Lebens frische FluthMit Ungedult im engen Bette woogen,Bis sie im heimatlichen Meere ruht.
Des Weins Gewächs verschmäht die kühlen Thale,Hesperiens beglükter Garten bringtDie goldnen Früchte nur im heißen Strale,Der, wie ein Pfeil, ins Herz der Erde dringt.Was sänftiget ihr dann, wenn in den KettenDer ehrnen Zeit die Seele mir entbrennt,Was immer ihr mir, den nur die Kämpfe retten,Ihr Weichlinge! mein glühend Element?
Das Leben ist zum Tode nicht erkoren,Zum Schlafe nicht der Gott, der uns entflammt,Zum Joch' ist nicht der Herrliche geboren,Der Genius, der aus dem Aether stammt;Er kommt herab; er taucht sich, wie zum Bade,In des Jahrhunderts Strom und glüklich raubtAuf eine Zeit den Schwimmer die Najade,Doch hebt er heitrer bald sein leuchtend Haupt.
Darum laßt die Lust, das Große zu verderben,Und geht und sprecht von eurem Glüke nicht!Pflanzt keinen Cedernbaum in eure Scherben!Nimmt keinen Geist in eure Söldnerspflicht!Versucht es nicht, das Sonnenroß zu lähmen!Laßt immerhin den Sternen ihre Bahn!Und mir, mir rathet nicht, mich zu bequemen,Und macht mich nicht den Knechten unterthan.
Und könnt ihr ja das Schöne nicht ertragen,So führt den Krieg mit offner Kraft und That!Sonst ward der Schwärmer doch ans Kreuz geschlagen,Jezt mordet ihn der sanfte kluge Rath;Wie manchen habt ihr herrlich zubereitetFürs Reich der Noth! wie oft auf euern SandDen hoffnungsfrohen Steuermann verleitetAuf kühner Fahrt in's warme Morgenland!
Umsonst! mich hält die dürre Zeit vergebens,Und mein Jahrhundert ist mir Züchtigung;Ich sehne mich in's grüne Feld des LebensUnd in den Himmel der Begeisterung;Begrabt sie nur, ihr Todten, eure Todten,Und preist das Menschenwerk und scheltet nur!Doch reift in mir, so wie mein Herz geboten,Die schöne, die lebendige Natur. |