Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1794
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Griechenland
An St.
Hätt' ich dich im Schatten der Platanen,Wo durch Blumen der Cephissus rann,Wo die Jünglinge sich Ruhm ersannen,Wo die Herzen Sokrates gewann,Wo Aspasia durch Myrthen wallte,Wo der brüderlichen Freude RufAus der lärmenden Agora schallte,Wo mein Plato Paradiese schuf,
Wo den Frühling Festgesänge würzten,Wo die Ströme der BegeisterungVon Minervens heil'gem Berge stürzten –Der Beschüzerin zur Huldigung –Wo in tausend süßen Dichterstunden,Wie ein Göttertraum, das Alter schwand,Hätt' ich da, Geliebter! dich gefunden,Wie vor Jahren dieses Herz dich fand;
Ach! wie anders hätt' ich dich umschlungen! –Marathons Heroën sängst du mir,Und die schönste der BegeisterungenLächelte vom trunknen Auge dir,Deine Brust verjüngten Siegsgefühle,Deinen Geist, vom Lorbeerzweig umspielt,Drükte nicht des Lebens stumpfe Schwüle,Die so karg der Hauch der Freude kühlt.
Ist der Stern der Liebe dir verschwunden?Und der Jugend holdes Rosenlicht?Ach! umtanzt von Hellas goldnen Stunden,Fühltest du die Flucht der Jahre nicht,Ewig, wie der Vesta Flamme, glühteMuth und Liebe dort in jeder Brust,Wie die Frucht der Hesperiden, blühteEwig dort der Jugend stolze Lust.
Ach! es hätt' in jenen bessern TagenNicht umsonst so brüderlich und grosFür das Volk dein liebend Herz geschlagen,Dem so gern der Freude Zähre floß! –Harre nun! sie kömmt gewiß die Stunde,Die das Göttliche vom Kerker trennt –Stirb! du suchst auf diesem Erdenrunde,Edler Geist! umsonst dein Element.
Attika, die Heldin, ist gefallen;Wo die alten Göttersöhne ruhn,Im Ruin der schönen MarmorhallenSteht der Kranich einsam trauernd nun;Lächelnd kehrt der holde Frühling nieder,Doch er findet seine Brüder nieIn Ilissus heilgem Thale wieder –Unter Schutt und Dornen schlummern sie.
Mich verlangt ins ferne Land hinüberNach Alcäus und Anakreon,Und ich schlief' im engen Hause lieber,Bei den Heiligen in Marathon;Ach! es sei die lezte meiner Thränen,Die dem lieben Griechenlande rann,Laßt, o Parzen, laßt die Scheere tönen,Denn mein Herz gehört den Todten an! |