Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1794
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Freundeswunsch
An Rosine St. –
Wenn vom Früling rund umschlungen,Von des Morgens Hauch umweht,Trunken nach ErinnerungenMeine wache Seele späht,Wenn, wie einst am fernen Heerde,Mir so süß die Sonne blinkt,Und ihr Stral ins Herz der Erde,Und der Erdenkinder dringt;
Wenn umdämmert von der Weide,Wo der Bach vorüber rinnt,Tief bewegt von Leid und FreudeMeine Seele träumt, und sinnt,Wenn im Haine Geister säuseln,Wenn im Mondenschimmer sichKaum die stillen Teiche kräuseln,Schau ich oft und grüße dich.
Edles Herz, du bist der SterneUnd der schönen Erde werth,Bist deß werth, so viel die ferneNahe Mutter dir bescheert.Sieh, mit deiner Liebe liebenSchöner die Erwählten nur;Denn du bist ihr treu geblieben,Deiner Mutter, der Natur!
Der Gesang der Haine schalleFroh, wie du, um deinen Pfad;Sanft bewegt vom Weste, walle,Wie dein friedlich Herz, die Saat.Deine liebste Blüthe regne,Wo du wandelst, auf die Flur,Wo dein Auge weilt, begegneDir das Lächeln der Natur.
Oft im stillen TannenhaineWebe dir ums AngesichtSeine zauberische reineGlorie das Abendlicht!Deines Herzens Sorge wiegeDrauf die Nacht in süße Ruh,Und die freie Seele fliegeLiebend den Gestirnen zu. |