Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1791
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Melodie
An Lyda
Lyda, siehe! zauberisch umwundenHält das All der Liebe Schöpferhand,Erd' und Himmel wandeln treu verbunden,Laut und Seele knüpft der Liebe Band.Lüftchen säuseln, Donner rollen nieder –Staune, Liebe! staun' und freue dich!Seelen finden sich im Donner wieder,Seelen kennen in dem Lüftchen sich.
Am Gesträuche lullt in LiebesträumeSüße Trunkenheit das Mädchen ein,Haucht der Früling durch die Blüthenbäume,Summen Abendsang die Käferlein;Helden springen von der Schlummerstätte,Grüßt sie brüderlich der Nachtorkan;Hinzuschmettern die TyrannenketteWallen sie die traute Schrekenbahn.
Wo der Todtenkranz am Grabe flüstert,Wo der Wurm in schwarzen Wunden nagt,Wo, vom grauen Felsenstrauch umdüstert,Durch die Haide hin der Rabe klagt;Wo die Lerch' im Thale froher Lieder,Plätschernd die Forell' im Bache tanzt;Tönt die Seele Sympathieen wieder,Von der Liebe Zauber eingepflanzt.
Wo des Geiers Schrei des Raubs sich freuet,Wo der Aar dem Felsennest entbraust,Wo Gemäuer ächzend niederdräuet,Wo der Wintersturm in Trümmern saust,Wo die Wooge, vom Orkan bezwungen,Wieder auf zum schwarzen Himmel tost,Trinkt das Riesenherz Begeisterungen,Von den Schmeicheltönen liebgekost.
Felsen zwingt zu trauten MitgefühlenTausendstimmiger Naturgesang,Aber süßer tönt von SaitenspielenAllgewaltiger ihr Zauberklang;Rascher pocht im angestammten Triebe,Bang und süße, wie der jungen Braut,Jeder Aderschlag, in trunkner LiebeFind't das Herz den brüderlichen Laut.
Aus des Jammerers erstarrtem BlikeLoket Labetränen Flötenton,Im Gedränge schwarzer MißgeschikeSchafft die Schlachttrommete Siegeslohn,Wie der Stürme Macht im Rosenstrauche,Reißt dahin der Saiten Ungestümm,Kosend huldiget dem LiebeshaucheSanfter Melodie der Rache Grimm.
Reizender erglüht der Wangen Rose,Flammenathem haucht der Purpurmund,Hingebannt bei lispelndem GekoseSchwört die Liebe den Vermählungsbund;Niegesung'ne königliche LiederSprossen in des Sängers Brust empor,Stolzer schwebt des Hochgesangs Gefieder,Rührt der Töne Reigentanz das Ohr;
Wie sie langsam erst am Hügel wallen,Majestätisch dann wie Siegersgang,Hochgehoben zu der Freude Hallen,Liebe singen und Triumphgesang;Dann durch Labyrinthe hingetragenFürder schleichen in dem Todesthal,Bis die Nachtgefilde schöner tagen,Bis Entzükung jauchzt am Göttermahl.
Ha! und wann mir in des Sanges TönenNäher meiner Liebe Seele schwebt,Hingegossen in EntzükungstränenNäher ihr des Sängers Seele bebt,Wähn' ich nicht vom Körper losgebundenHinzujauchzen in der Geister Land? –Lyda! Lyda! zauberisch umwundenHält das All der Liebe Schöpferhand. |