BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Friedrich Hölderlin

1770 - 1843

 

Gedichte

in chronologischer Folge

 

1790

 

Textgrundlage:

Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800

Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946

 

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Lied der Freundschaft

 

Erste Fassung

 

Frei, wie Götter an dem Mahle,

Singen wir um die Pokale

Wo der edle Trank erglüht,

Voll von Schauern, ernst und stille,

In des Dunkels heil'ger Hülle

Singen wir der Freundschaft Lied.

 

Schwebt herab aus külen Lüften,

Schwebet aus den Schlummergrüften,

Helden der Vergangenheit!

Kommt in unsern Krais hernieder,

Staunt und sprecht: da ist sie wieder

Unsre deutsche Herzlichkeit.

 

Singe von ihr Jubellieder

Von der Wonne deutscher Brüder,

Chronos! in dem ew'gen Lauf;

Singe, Sohn der Afterzeiten!

Sing': Elysens Herrlichkeiten

Wog ein deutscher Handschlag auf.

 

Ha! der hohen Götterstunden!

Wann der Edle sich gefunden,

Der für unser Herz gehört;

So begeisternd zu den Höhen,

Die um uns, wie Riesen, stehen!

So des deutschen Jünglings werth!

 

Froher schlägt das Herz, und freier!

Reichet zu des Bundes Feier

Uns der Freund den Becher dar;

Ohne Freuden, ohne Leben

Erndtet' er Lyäus Reben

Als er ohne Freunde war.

 

Stärke, wenn Verläumder schreien

Warheit, wenn Despoten dräuen

Männermuth im Misgeschik,

Duldung, wenn die Schwachen sinken,

Liebe, Duldung, Wärme trinken

Freunde von des Freundes Blik.

 

Sanfter atmen Frülingslüfte,

Süßer sind der Linde Düfte,

Küliger der Eichenhain,

Wenn bekränzt mit jungen Rosen

Freunde bei den Bechern kosen

Freunde sich des Abends freu'n.

 

Brüder! laßt die Thoren sinnen,

Wie sie Fürstengunst gewinnen,

Häufig mögen Gut und Gold;

Lächelnd kans der Edle missen,

Sich geliebt, geliebt zu wissen

Diß ist seiner Thaten Sold.

 

Schmettert aus der trauten Halle

Auch die Auserwälten alle

In die Ferne das Geschik,

Wandelt er mit Schmerz beladen

Nun auf freundelosen Pfaden

Schwarzen Gram im bangen Blik;

 

Wankt er, wenn sich Wolken türmen,

Wankt er nun in Winterstürmen

Ohne Leiter, ohne Stab;

Lauscht er abgeblaicht und düster

Bangem Mitternachtsgeflüster

Ahndungsvoll am frischen Grab;

 

O da kehren all' die Stunden,

So in Freundesarm verschwunden,

Unter Schwüren, wahr, und warm,

All' umfaßt mit sanftem Sehnen

Seine Seele, süße Tränen

Schaffen Ruhe nach dem Harm.

 

Rauscht ihm dann des Todes Flügel;

Schläft er ruhig unter'm Hügel,

Wo sein Bund den Kranz ihm flicht;

In die Loken seiner Brüder

Säuselt noch sein Geist hernieder,

Lispelt leis: Vergeßt mich nicht!