Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1789
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Die Unsterblichkeit der Seele
Da steh' ich auf dem Hügel, und schau' umher,Wie alles auflebt, alles empor sich dehnt,Und Hain und Flur, und Thal, und HügelJauchzet im herrlichen Morgenstrale.
O diese Nacht – da bebtet ihr, Schöpfungen!Da wekten nahe Donner die Schlummernde,Da schrekten im Gefilde grauseZakigte Blize die stille Schatten.
Jezt jauchzt die Erde, feiert im PerlenschmukDen Sieg des Tages über das Graun der Nacht –Doch freut sich meine Seele schönerDenn sie besiegt der Vernichtung Grauen.
Denn – o ihr Himmel! Adams Geschlechte sinds,Die diese Erd' im niedrigen Schooße trägt –O betet an, Geschlechte Adams!Jauchzet mit Engeln, Geschlechte Adams!
O ihr seid schön, ihr herrliche Schöpfungen!Geschmükt mit Perlen blizet das Blumenfeld;Doch schöner ist des Menschen Seele,Wenn sie von euch sich zu Gott erhebet.
O, dich zu denken, die du aus Gottes HandErhaben über tausend Geschöpfe giengst,In deiner Klarheit dich zu denken,Wenn du zu Gott dich erhebst, o Seele!
Ha! diese Eiche – streket die stolze nichtIhr Haupt empor, als stünde sie ewig so?Und drohte nicht Jehovas Donner,Niederzuschmettern die stolze Eiche?
Ha! diese Felsen – bliken die stolze nichtHinab ins Thal, als blieben sie ewig so?Jahrhunderte – und an der StelleMalmet der Wandrer zu Staub das Sandkorn.
Und meine Seele – wo ist dein Stachel, Todt?O beugt euch, Felsen! neiget euch ehrfurchtsvoll,Ihr stolze Eichen! – hörts und beugt euch!Ewig ist, ewig des Menschen Seele.
Mit grausem Zischen brauset der Sturm daher,Ich komme, spricht er, und das Gehölze krachtUnd Türme wanken, Städte sinken,Länder zerschmettern, wenn ich ergrimme.
Doch – wandelt nicht in Schweigen der Winde Dräun?Macht nicht ein Tag die brausende atemlos?Ein Tag, ein Tag, an dem ein andrerSturm der verwesten Gebeine sammelt.
Zum Himmel schäumt und wooget der OzeanIn seinem Grimm, der Sonnen und Monde HeerHerab aus ihren Höh'n die stolzeNiederzureißen in seine Tiefen.
Was bist du Erde? hadert der Ozean,Was bist du? strek' ich nicht, wie die FittigeAufs Reh der Adler, meine ArmeÜber die Schwächliche aus? – Was bist du,
Wenn nicht zur Sonne seegnend mein Hauch sich hebt,Zu tränken dich mit Reegen und Morgenthau?Und wann er sich erhebt zu nahn inMitternachtswolken, zu nah'n mit Donnern;
Ha! bebst du nicht, gebrechliche? bebst du nicht? –Und doch! vor jenem Tage verkriechet sichDas Meer, und seiner Woogen keineTönt in die Jubel der Auferstehung.
Wie herrlich, Sonne! wandelst du nicht daher!Dein Kommen und dein Scheiden ist WiederscheinVom Tron des Ewigen; wie götlichBlikst du herab auf die Menschenkinder.
Der Wilde gaft mit zitternden Wimpern dichO Heldin an, von heiligen AhndungenDurchbebt, verhüllt er schnell sein Haupt undNennet dich Gott, und erbaut dir Tempel.
Und doch, o Sonne! endet dereinst dein Lauf,Verlischt an jenem Tage dein hehres Licht.Doch wirbelt sie an jenem TageRauchend die Himmel hindurch, und schmettert.
O du Entzüken meiner Unsterblichkeit!O kehre du Entzüken! du stärkest mich!Daß ich nicht sinke, in dem Graun derGroßen Vernichtungen nicht versinke.
Wenn all diß anhebt – fühle dich ganz, o Mensch!Da wirst du jauchzen, wo ist dein Stachel, Todt?Dann ewig ist sie – tönt es nach ihrHarfen des Himmels, des Menschen Seele.
O Seele! jezt schon bist du so wundervoll!Wer denkt dich aus? daß wann du zu Gott dich nahstErhabne, mir im Auge blinketDeine Erhabenheit – daß du, Seele!
Wann auf die Flur das irrdische Auge blikt,So süß, so himmlisch dann dich in mir erhebst –Wer sah, was Geist an Körper bindt, werLauschte die Sprache der Seele mit den
Verwesungen? – O Seele schon jezt bist duSo groß, so himmlisch, wann du von ErdentandUnd Menschendruk entlediget inGroßen Momenten zu deinem Urstof
Empor dich schwingst. Wie Schimmer Eloas HauptUmschwebt der Umkreis deiner Gedanken dichWie Edens goldne Ströme, reihenDeine Betrachtungen sich zusammen.
Und o! wie wirds einst werden, wann ErdentandUnd Menschendruk auf ewig verschwunden ist,Wann ich an Gottes – Gottes TroneBin, und die Klarheit des Höchsten schaue.
Und weg ihr Zweifel! quälendes Seelengift!Hinweg! der Seele Jubel ist Ewigkeit! –Und ist ers nicht, so mag noch heuteTodt und Verderben des Lebens große
Geseze niedertrümmern; so mag der SohnIn seinem Elend Vater und MutterherzDurchbohren; mag ums Brodt die ArmuthTempel bestehlen; so mag das Mitlaid
Zu Tigern fliehn, zu Schlangen Gerechtigkeit,Und Kannibalenrache des Kindes BrustEntflammen, und Banditentrug imHimmelsgewande der Unschuld wohnen.
Doch nein! der Seele Jubel ist Ewigkeit!Jehova sprachs! ihr Jubel ist Ewigkeit!Sein Wort ist ewig, wie sein Nahme,Ewig ist, ewig des Menschen Seele.
So singt ihr nach, ihr Menschengeschlechte! nachMyriaden Seelen singet den Jubel nach –Ich glaube meinem Gott, und schau' inHimmelsentzükungen meine Größe. |