Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1785
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 1, Gedichte bis 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1946
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Die Nacht
Seyd gegrüßt, ihr zufluchtsvolle Schatten,Ihr Fluren, die ihr einsam um mich ruht;Du stiller Mond, du hörst, nicht wie Verläumder lauren,Mein Herz, entzükt von deinem Perlenglanz.
Aus der Welt, wo tolle Thoren spotten,Um leere Schattenbilder sich bemühn,Flieht der zu euch, der nicht das schimmernde Getümmel,Der eitlen Welt, nein! nur die Tugend liebt.
Nur bei dir empfindt auch hier die Seele;Wie göttlich sie dereinst wird seyn,Die Freude, deren falschem Schein so viel AltäreSo viele Opfer hier gewiedmet sind.
Weit hinauf, weit über euch, ihr Sterne,Geht sie entzükt mit heilgem Seraphsflug;Sieht über euch herab mit göttlich heilgem Blike,Auf ihre Erd, da wo sie schlummernd ruht. ...
Goldner Schlaf, nur dessen Herz zufriedenWohlthätger Tugend wahre Freude kennt,Nur der fühlt dich. -. Hier stellst du dürfftig schwache ArmeDie seine Hülfe suchen vor ihn hin.
Schnell fühlt er des armen Bruders Leiden;Der arme weint, er weinet auch mit ihm;Schon Trost genug! Doch spricht er, gab Gott seine GabenNur mir? nein auch für andre lebe ich. -.
Nicht von Stolz, noch Eitelkeit getrieben,Kleidt er den nakten dann, und sättigt den,Dem blasse Hungersnoth sein schwach Gerippe zählet;Und himmlisch wird sein fühlend Herz entzükt.
So ruht er, allein des Lasters SclavenQuält des Gewissens bange Donnerstimm,Und Todesangst wälzt sie auf ihren weichen LagernWo Wollust selber sich die Ruthe hält. |