Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1811
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 2, Gedichte nach 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1953
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Die Zufriedenheit
Wenn aus dem Leben kann ein Mensch sich finden,Und das begreifen, wie das Leben sich empfindet,So ist es gut; wer aus Gefahr sich windet,Ist wie ein Mensch, der kommt aus Sturm' und Winden.
Doch besser ists, die Schönheit auch zu kennen,Einrichtung, die Erhabenheit des ganzen Lebens,Wenn Freude kommt aus Mühe des Bestrebens,Und wie die Güter all' in dieser Zeit sich nennen.
Der Baum, der grünt, die Gipfel von Gezweigen,Die Blumen, die des Stammes Rind' umgeben,Sind aus der göttlichen Natur, sie sind ein Leben,Weil über dieses sich des Himmels Lüfte neigen.
Wenn aber mich neugier'ge Menschen fragen,Was dieses sei, sich für Empfindung wagen,Was die Bestimmung sei, das Höchste, das Gewinnen,So sag' ich, das ist es, das Leben, wie das Sinnen.
Wen die Natur gewöhnlich, ruhig machet,Er mahnet mich, den Menschen froh zu leben,Warum? die Klarheit ist's, vor der auch Weise beben,Die Freudigkeit ist schön, wenn alles scherzt und lachet.
Der Männer Ernst, der Sieg und die Gefahren,Sie kommen aus Gebildetheit, und aus Gewahren,Es geb' ein Ziel; das Hohe von den BestenErkennt sich an dem Seyn, und schönen Überresten.
Sie selber aber sind, wie Auserwählte,Von ihnen ist das Neue, das Erzählte,Die Wirklichkeit der Thaten geht nicht unter,Wie Sterne glänzen, giebts ein Leben groß und munter.
Das Leben ist aus Thaten und verwegen,Ein hohes Ziel, gehaltener's Bewegen,Der Gang und Schritt, doch Seeligkeit aus TugendUnd großer Ernst, und dennoch lautre Jugend.
Die Reu, und die Vergangenheit in diesem LebenSind ein verschiednes Seyn, die Eine glüketZu Ruhm und Ruh', und allem, was entrüket,Zu hohen Regionen, die gegeben;
Die Andre führt zu Quaal, und bittern SchmerzenWenn Menschen untergehn, die mit dem Leben scherzen,Und das Gebild' und Antliz sich verwandeltVon Einem, der nicht gut und schön gehandelt.
Die Sichtbarkeit lebendiger Gestalt, das WährenIn dieser Zeit, wie Menschen sich ernähren,Ist fast ein Zwist, der lebet der Empfindung,Der andre strebt nach Mühen und Erfindung. |