Friedrich Hölderlin
1770 - 1843
Gedichtein chronologischer Folge
1801
Textgrundlage:Friedrich Hölderlin, Sämtliche Werke, Bd. 2, Gedichte nach 1800Hrsg. von Friedrich Beißner, Stuttgart: Cotta, 1953
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Brod und Wein
1
Rings um ruhet die Stadt; still wird die erleuchtete Gasse,Und, mit Fakeln geschmükt, rauschen die Wagen hinweg.Satt gehn heim von Freuden des Tags zu ruhen die Menschen,Und Gewinn und Verlust wäget ein sinniges HauptWohlzufrieden zu Haus; leer steht von Trauben und Blumen,Und von Werken der Hand ruht der geschäfftige Markt.Aber das Saitenspiel tönt fern aus Gärten; vieleicht, daßDort ein Liebendes spielt oder ein einsamer MannFerner Freunde gedenkt und der Jugendzeit; und die BrunnenImmerquillend und frisch rauschen an duftendem Beet.Still in dämmriger Luft ertönen geläutete Gloken,Und der Stunden gedenk rufet ein Wächter die Zahl.Jezt auch kommet ein Wehn und regt die Gipfel des Hains auf,Sieh! und das Schattenbild unserer Erde, der MondKommet geheim nun auch; die Schwärmerische, die Nacht kommt,Voll mit Sternen und wohl wenig bekümmert um uns,Glänzt die Erstaunende dort, die Fremdlingin unter den MenschenÜber Gebirgeshöhn traurig und prächtig herauf.
2
Wunderbar ist die Gunst der Hocherhabnen und niemandWeiß von wannen und was einem geschiehet von ihr.So bewegt sie die Welt und die hoffende Seele der Menschen,Selbst kein Weiser versteht, was sie bereitet, denn soWill es der oberste Gott, der sehr dich liebet, und darumIst noch lieber, wie sie, dir der besonnene Tag.Aber zuweilen liebt auch klares Auge den SchattenUnd versuchet zu Lust, eh' es die Noth ist, den Schlaf,Oder es blikt auch gern ein treuer Mann in die Nacht hin,Ja, es ziemet sich ihr Kränze zu weihn und Gesang,Weil den Irrenden sie geheiliget ist und den Todten,Selber aber besteht, ewig, in freiestem Geist.Aber sie muß uns auch,daß in der zaudernden Weile,Daß im Finstern für uns einiges Haltbare sei,Uns die Vergessenheit und das Heiligtrunkene gönnen,Gönnen das strömende Wort, das, wie die Liebenden, sei,Schlummerlos und vollern Pokal und kühneres Leben,Heilig Gedächtniß auch, wachend zu bleiben bei Nacht.
3
Auch verbergen umsonst das Herz im Busen, umsonst nurHalten den Muth noch wir, Meister und Knaben, denn werMöcht' es hindern und wer möcht' uns die Freude verbieten?Göttliches Feuer auch treibet, bei Tag und bei Nacht,Aufzubrechen. So komm! daß wir das Offene schauen,Daß ein Eigenes wir suchen, so weit es auch ist.Fest bleibt Eins; es sei um Mittag oder es geheBis in die Mitternacht, immer bestehet ein Maas,Allen gemein, doch jeglichem auch ist eignes beschieden,Dahin gehet und kommt jeder, wohin er es kann.Drum! und spotten des Spotts mag gern frohlokkender Wahnsinn,Wenn er in heiliger Nacht plözlich die Sänger ergreift.Drum an den Isthmos komm! dorthin, wo das offene Meer rauschtAm Parnaß und der Schnee delphische Felsen umglänzt,Dort ins Land des Olymps, dort auf die Höhe Cithärons,Unter die Fichten dort, unter die Trauben, von woThebe drunten und Ismenos rauscht im Lande des Kadmos,Dorther kommt und zurük deutet der kommende Gott.
4
Seeliges Griechenland! du Haus der Himmlischen alle,Also ist wahr, was einst wir in der Jugend gehört?Festlicher Saal! der Boden ist Meer! und Tische die Berge,Wahrlich zu einzigem Brauche vor Alters gebaut!Aber die Thronen, wo? die Tempel, und wo die Gefäße,Wo mit Nectar gefüllt, Göttern zu Lust der Gesang?Wo, wo leuchten sie denn, die fernhintreffenden Sprüche?Delphi schlummert und wo tönet das große Geschik?Wo ist das schnelle? wo brichts, allgegenwärtigen Glüks vollDonnernd aus heiterer Luft über die Augen herein?Vater Aether! so riefs und flog von Zunge zu ZungeTausendfach, es ertrug keiner das Leben allein;Ausgetheilet erfreut solch Gut und getauschet, mit Fremden,Wirds ein Jubel, es wächst schlafend des Wortes GewaltVater! heiter! und hallt, so weit es gehet, das uraltZeichen, von Eltern geerbt, treffend und schaffend hinab.Denn so kehren die Himmlischen ein, tiefschütternd gelangt soAus den Schatten herab unter die Menschen ihr Tag.
5
Unempfunden kommen sie erst, es streben entgegenIhnen die Kinder, zu hell kommet, zu blendend das Glük,Und es scheut sie der Mensch, kaum weiß zu sagen ein Halbgott,Wer mit Nahmen sie sind, die mit den Gaaben ihm nahn.Aber der Muth von ihnen ist groß, es füllen das Herz ihmIhre Freuden und kaum weiß er zu brauchen das Gut,Schafft, verschwendet und fast ward ihm Unheiliges heilig,Das er mit seegnender Hand thörig und gütig berührt.Möglichst dulden die Himmlischen diß; dann aber in WahrheitKommen sie selbst und gewohnt werden die Menschen des GlüksUnd des Tags und zu schaun die Offenbaren, das AntlizDerer, welche, schon längst Eines und Alles genannt,Tief die verschwiegene Brust mit freier Genüge gefüllet,Und zuerst und allein alles Verlangen beglükt;So ist der Mensch; wenn da ist das Gut, und es sorget mit GaabenSelber ein Gott für ihn, kennet und sieht er es nicht.Tragen muß er, zuvor; nun aber nennt er sein Liebstes,Nun, nun müssen dafür Worte, wie Blumen, entstehn.
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Und nun denkt er zu ehren in Ernst die seeligen Götter,Wirklich und wahrhaft muß alles verkünden ihr Lob.Nichts darf schauen das Licht, was nicht den Hohen gefället,Vor den Aether gebührt müßigversuchendes nicht.Drum in der Gegenwart der Himmlischen würdig zu stehen,Richten in herrlichen Ordnungen Völker sich aufUntereinander und baun die schönen Tempel und StädteVest und edel, sie gehn über Gestaden empor -Aber wo sind sie? wo blühn die Bekannten, die Kronen des Festes?Thebe welkt und Athen; rauschen die Waffen nicht mehrIn Olympia, nicht die goldnen Wagen des Kampfspiels,Und bekränzen sich denn nimmer die Schiffe Korinths?Warum schweigen auch sie, die alten heilgen Theater?Warum freuet sich denn nicht der geweihete Tanz?Warum zeichnet, wie sonst, die Stirne des Mannes ein Gott nicht,Drükt den Stempel, wie sonst, nicht dem Getroffenen auf?Oder er kam auch selbst und nahm des Menschen Gestalt anUnd vollendet' und schloß tröstend das himmlische Fest.
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Aber Freund! wir kommen zu spät. Zwar leben die Götter,Aber über dem Haupt droben in anderer Welt.Endlos wirken sie da und scheinens wenig zu achten,Ob wir leben, so sehr schonen die Himmlischen uns.Denn nicht immer vermag ein schwaches Gefäß sie zu fassen,Nur zu Zeiten erträgt göttliche Fülle der Mensch.Traum von ihnen ist drauf das Leben. Aber das IrrsaalHilft, wie Schlummer und stark machet die Noth und die Nacht,Biß daß Helden genug in der ehernen Wiege gewachsen,Herzen an Kraft, wie sonst, ähnlich den Himmlischen sind.Donnernd kommen sie drauf. Indessen dünket mir öftersBesser zu schlafen, wie so ohne Genossen zu seyn,So zu harren und was zu thun indeß und zu sagen,Weiß ich nicht und wozu Dichter in dürftiger Zeit?Aber sie sind, sagst du, wie des Weingotts heilige Priester,Welche von Lande zu Land zogen in heiliger Nacht.
8
Nemlich, als vor einiger Zeit, uns dünket sie lange,Aufwärts stiegen sie all, welche das Leben beglükt,Als der Vater gewandt sein Angesicht von den Menschen,Und das Trauern mit Recht über der Erde begann,Als erschienen zu lezt ein stiller Genius, himmlischTröstend, welcher des Tags Ende verkündet' und schwand,Ließ zum Zeichen, daß einst er da gewesen und wiederKäme, der himmlische Chor einige Gaaben zurük,Derer menschlich, wie sonst, wir uns zu freuen vermöchten,Denn zur Freude, mit Geist, wurde das Größre zu großUnter den Menschen und noch, noch fehlen die Starken zu höchstenFreuden, aber es lebt stille noch einiger Dank.Brod ist der Erde Frucht, doch ists vom Lichte geseegnet,Und vom donnernden Gott kommet die Freude des Weins.Darum denken wir auch dabei der Himmlischen, die sonstDa gewesen und die kehren in richtiger Zeit,Darum singen sie auch mit Ernst die Sänger den WeingottUnd nicht eitel erdacht tönet dem Alten das Lob.
9
Ja! sie sagen mit Recht, er söhne den Tag mit der Nacht aus,Führe des Himmels Gestirn ewig hinunter, hinauf,Allzeit froh, wie das Laub der immergrünenden Fichte,Das er liebt, und der Kranz, den er von Epheu gewählt,Weil er bleibet und selbst die Spur der entflohenen GötterGötterlosen hinab unter das Finstere bringt.Was der Alten Gesang von Kindern Gottes geweissagt,Siehe! wir sind es, wir; Frucht von Hesperien ists!Wunderbar und genau ists als an Menschen erfüllet,Glaube, wer es geprüft! aber so vieles geschieht,Keines wirket, denn wir sind herzlos, Schatten, bis unserVater Aether erkannt jeden und allen gehört.Aber indessen kommt als Fakelschwinger des HöchstenSohn, der Syrier, unter die Schatten herab.Seelige Weise sehns; ein Lächeln aus der gefangnenSeele leuchtet, dem Licht thauet ihr Auge noch auf.Sanfter träumet und schläft in Armen der Erde der Titan,Selbst der neidische, selbst Cerberus trinket und schläft. |