BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Emma Herwegh

1817 - 1904

 

Zur Geschichte der deutschen

demokratischen Legion aus Paris

 

1849

 

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[Marsch der einzelnen Colonnen der Legion

von Paris nach Straßburg.]

 

Als die zweite Colonne Paris verließ, war die Theilnahme unter dem Volke so groß, daß es nur eines Winkes vom Präsidenten bedurft hätte, und die ganze garde mobile – ohnedies längst des ewigen Aufwacheziehens müde – wäre mitgezogen.

Als man diesem Wunsch in keiner Weise entgegen kam, lief die kleine Armee wenigstens bis Vincennes mit, machte dort noch schnell eine Collekte, fraternisirte mit den deutschen Brüdern, und schied unter dem Ruf: Vive la République universelle! Vive l'Allemagne!

Die übrigen Colonnen machten sich jetzt auch marschfertig, und folgten den beiden ersten schnell nach.

Der Leser wird mir die Details, die Disciplin betreffend, um so be­reitwilliger erlassen, da sie zur Entwickelung der Geschichte durchaus unwesentlich sind, und die renseignemens, die ich ihm zu geben vermöchte, jedenfalls sehr mangelhaft ausfallen würden.

Nachdem Alles gehörig eingeleitet, und die Marschrouten auch für die später Nachkommenden besorgt waren, reiste Herwegh [19] dem die politische Leitung der Expedition oblag, ebenfalls nach Straßburg ab. Ich begleitete ihn. –

Gleich nach seiner Ankunft erließ er folgende Proklamation, welche Jeden über die wahren Intentionen der Legion vollkommen unterrichten konnte und sollte:

 

 

Die Pariser deutsche demokratische Legion.

An unsere deutschen Mitkämpfer aus Frankreich und der Schweiz

und an das deutsche Volk.

Die Pariser deutsche demokratische Legion ist an den Ufern des Rheins angekommen; sie hat hier deutsche Freiheits-Legionen aus andern Städten Frankreichs und der Schweiz gefunden, alle gekommen, um für die Freiheit des deutschen Volkes zu fechten.

Ehe wir vereint zur ersten entscheidenden That schreiten, sei ein offenes Wort an unsere Freunde und Mitkämpfer und an das ganze deutsche Volk gesprochen.

Wir sind keine Freischaaren!

Wir sind deutsche Demokraten, wollen Alles für das Volk, Alles durch das Volk! – Wir wollen die deutsche Republik mit dem Völker verbindenden Wahlspruche: Freiheit! Gleichheit! Bruderliebe!

Wir sind keine Freischaaren.

Wir sind ein wohlgerüstetes Hülfskorps im Dienste des deutschen Volkes, bereit für Deutschlands Freiheit und Größe zu fechten bis auf den letzten Mann, gegen innere und äußere Feinde.

Kampfgerüstet stehen wir am Rheine, und doch treibt uns nicht blinde, ungestüme Kampfeslust, – wir wünschen, daß unsere Mission eine friedliche sein könne, daß der Sieg ohne Blut, die Freiheit ohne Menschenopfer errungen werden möge.

Frei von persönlichem Ehrgeize werden wir uns freuen, wenn das deutsche Volk ohne uns seine vollständige Freiheit erringt, und diese unwiderruflich begründet, aber drei mal glücklich werden wir sein, wenn es uns vergönnt ist, an der Seite unserer Brüder in Deutschland für die Freiheit zu fechten und deren Sieg mit zu begründen.

Deutsche Brüder in der Heimath! Eure Brüder aus der Fremde, aus der Verbannung, nahen, empfangt sie als Freunde! Wir gedachten niemals als Feinde auf deutschen Boden zu treten, niemals Euch die Freiheit aufzudringen, [20] niemals Euren freien Willen zu beschränken, noch Euer Eigenthum anzutasten.

Wir sind Eure Freunde und Bundesgenossen. Wir kämpfen nur Eure Kämpfe, wollen nur Euren Sieg, mag dieser nun auf friedlichem Wege oder mit dem Schwerte erfochten werden.

Die Armeen der Fürsten umgeben Euch von allen Seiten; schätzt Euch glücklich, daß auch eine Armee der Freiheit in Eurer Nähe steht.

Sobald Ihr fte ruft, wird sie über den Rhein in Eure Mitte eilen und Eure Reihen verstärken; sie wird mit Ordnung und Mannszucht mit Begeisterung und Freiheitsliebe den letzten entscheidenden Kampf für die Geschicke Deutschlands fechten helfen.

Wir erklären Euch aber auch zugleich, daß wir ungerufen nicht kom­men, daß es ferne von uns liegt, gewaltsam in Deutschland einzu­dringen, und daß, falls Ihr unglücklicher Weise Deutschland für die vollständigste Staatsform der Freiheit: die Republik, noch nicht reif wähnt, wir weit entfernt sind, Euch unsere Ueberzeugung aufzu­dringen, oder Euch zu zwingen, freie Republikaner zu werden, wenn Ihr Unterthanen bleiben wollt. Darum aber bleiben wir Republikaner mit Leib und Seele, und werden einzeln, jeder in seinem Kreise die großen Grundsätze und Lehren der Revolution von 1848 mit Wort und That verbreiten. In diesem Falle aber befürchtet nur die propagan­distische Gewalt unserer Grundsätze, aber nicht unserer Waffen.

Wir werden dann dem neu erwachenden Polen zu Hilfe eilen, gegen Rußland kämpfen oder für Schleswig-Holsteins deutsche Rechte in den Kampf ziehen; – als Freiheitsarmee des deutschen Volkes werden wir an der Weichsel oder an der Ostsee stets nur für Deutschlands Größe, Freiheit und Sicherheit fechten.

Dieß ist unser Glaubensbekenntniß, dieß unser offener fester Wille; Niemand wird uns davon abbringen, – und eher würden wir unsere Waffen zerbrechen und in die Verbannung zurückkehren, ehe wir uns bewegen lassen würden, sie gegen unsere deutschen Brüder zu richten und die Schrecken der Zerstörung über unser geliebtes Vaterland zu bringen.

Alles für das deutsche Volk! mit dem deutschen Volke! gegen dessen Feinde und Unterdrücker. [21]

Gruß und Bruderschaft!

Im Namen der deutschen demokratischen Legion von Paris,

Das Comite,

Georg Herwegh.

Straßburg, den 15. April 1848.