BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Georg Herwegh

1817 - 1875

 

Briefe

 

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An Ludwig Feuerbach.

 

Zürich, 3. September 1842

Hochverehrter!

Ich habe Lust, mir den Teufel auf den Hals zu hetzen, ein Journal zu gründen und bedrängten Seelen gegen die deutsche Censur ein Asyl darzubieten. Das Journal ist in höchster Instanz politisch, d. h. es geht von dem Princip der Einheit alles Wissens aus und besieht sich diese Einheit zunächst unter dem Gesichtspunkte der Politik, wissenschaft­lich, aber furchtlos und unverschämt sollen einmal die Consequenzen der neusten philosophischen und theologischen Forschungen gezogen und der Kampf gegen die Theologie und respect. deren Selbstmord zu Ende geführt werden. Wir wollen va banque! rufen und sehen, was der Ehrlichkeit noch möglich ist; wir begeben uns freiwillig jeder Art von Defensive, wir lassen uns revolutionär und irreligiös mit Vergnügen heißen und sprechen: à la bonne heure –, wir sind stolz darauf, es zu sein etc. Vor Allem – wir wollen die deutsche Censur umgehen und was draußen nicht gedruckt werden darf, soll hier gedruckt werden. Ein Verbot fürchten wir nicht – das Journal wird wöchentlich, auf Verlangen auch monatlich ausgegeben und kann somit durch den Buchhandel ver­sandt werden, so gut, wie meine Gedichte, die trotz dem Verbot abgingen wie frische Semmel. Auch ist hier die Anonymität gerechtfertigt und wer seinen Namen nicht unter seinem Artikel figurieren lassen will, dem bürge ich für dessen Verschweigung mit meinem Worte.

Die neue Poesie soll ebenfalls ihren Heerd in unserem Blatte finden und Anordnungen deswegen sind bereits von mir getroffen.

Die Tagespolitik wird ihrem Kalenderzuschnitt entnommen und in wöchentlichen oder monatlichen. Uebersichten verarbeitet, nebenbei auch ein siebenjähriger Krieg gegen unsere Journalistik geführt.

Das Blatt heißt der Deutsche Bote, unter welchem Titel bereits ein speziell mit Schweizerinteressen sich beschäftigendes Journal existiert, dessen Redaktion ich mit Oktober übernehme, dessen Plan aber mit meiner Uebernahme ein ganz veränderter wird, wie Sie sehen. Die Schweiz kommt in den Winkel, d.h. so weit sie nicht, wie im September 39, sich mit der praktischen Durchführung deutscher Interessen und Ideen beschäftigt; sie macht hie und da solche praktische carrikirte Versuche, wo wir in der Theorie stecken bleiben. Detail-Kritik ist natürlich nicht ausgeschlossen, nur darf sie nicht vom Zufall abhängig gemacht werden, d.h. es ist immer ein Plan vorhanden, wornach dies oder jenes besprochen werden muß. Der Prospect wird noch in diesem Monat als selbstständiger Aufsatz in den Deutschen Jahrbüchern erscheinen. Freund Ruge hält es für passend.

Nun aber bedarf ich reichlicher Unterstützung und da ich Nichts suche, als die Wahrheit und bei Gott nur ihr dienen will, so glaube ich keine Fehlbitte zu thun, wenn ich mich vor Allen an Sie um Beiträge aus Ihrer Feder wende.

Was Sie mir auch senden mögen, soll mir immer willkommen sein. Darf ich hoffen, daß Sie mich in ein Paar Zeilen mit einer festen Zusage für die nächste Zeit erfreuen, überhaupt Ihre Meinung über das ganze Unternehmen, zu dem ich nun freilich unwandelbar fest entschlossen bin, mittheilen? Ja?

Die Verlagshandlung bietet für den schon gedruckten Mittel-Oktavbogen 4 Louisd'or. Haben Sie hierüber andere Wünsche, so eröff­nen Sie uns dieselben sans gêne . . .

Mit Liebe und Verehrung

der Ihrige

Georg Herwegh

 

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An den König von Preussen.

 

Königsberg, im December 1842.

Majestät!

Wir wollen ehrliche Feinde sein, lauteten die Worte, die Preußens König jüngst an mich gerichtet; und diese Worte geben mir ein Recht, ja legen mir die Verpflichtung auf, offen und unumwunden, wie ich einst mein Vertrauen auf Ew. Maj. ausgesprochen, nun auch meine Klage, meine bittere Klage vor Ihren Thron zu bringen, ohne eine Devotion zu heucheln, die ich nicht kenne, oder Gefühle, die ich nicht empfinde und nie empfinden werde. Wir wollen ehrliche Feinde sein – und an demselben Tage, da Ew. Maj. diese Worte auszusprechen geruhten, gefällt es einem hohen Ministerium, den Buchhändlern den Debit eines von mir erst zu redigirenden Journals, von dem unter meiner Redaction noch keine Sylbe erschienen ist, und dessen Debit vor zwei Monaten, ehe diese Uebernahme der Redaction durch mich bekannt gewesen, erlaubt worden war, lediglich meines Namens wegen zu verbieten. Daß dieser mein Name auch bei Ew. Maj. einen so schlimmen Klang habe, kann und darf ich nicht glauben, nach Dem, was Sie vor wenigen Tagen an mich geäußert. Ohne Zweifel haben Ew. Maj. von diesem Verfahren gar keine Kunde, und der Zweck dieses Briefes ist auch nur, diese einfache Thatsache zu Ihrer Kenntniß zu bringen, damit Ew. Maj. weiter beschließen mögen, was Rechtens ist. Ich bitte nicht um Zurücknahme des Verbots, denn ich weiß, daß mein beschränkter Unterthanen­verstand, mein Bewußtsein einer neuen Zeit, auf ewig widersprechen muß dem alternden Bewußtsein und dem Regiment der meisten deutschen Minister, denen ich das Recht der Opposition gern einräumen möchte, wenn sie überhaupt nur Notiz nehmen möchten von Dem, was um sie her vorgeht, aber vorgeht in den Tiefen der Menschheit, statt sich mit ein Bischen Schaum und Wind zu zanken, die auf der Oberfläche spielen. Wenn diese Minister in dem Widerspruche gegen sie auch zuweilen die Elemente einer neuen Religion zu entdecken, nicht blos Polissonnerie und Frivolität zu wittern im Stande wären, kurz; wenn diese Minister außer dem Zufall ihrer Geburt und ihrer oft schätzenswerthen administrativen und polizeilichen Talente auch das Talent und den guten Willen besäßen, sich auf einen ehrlichen Kampf mit ihren Feinden einzulassen, statt dieselben erst vornehm zu ignoriren, dann, ohne sie zu kennen, brutal zu behandeln, und so Fürst und Volk zu täuschen, wenn sie von einer Beruhigung der Gemüther reden, die in der That und Wahrheit nicht vorhanden ist und durch äußere Maßregeln nun und nimmer erzwungen werden kann.

Noch gibt es Menschen, die durch nichts zu schrecken sind (und ich rechne mich zu ihnen), Menschen, die sich die Seele ausschreien werden, bis Recht und Gerechtigkeit auf der Welt; um so getroster, da selbst die Feinde des Fortschritts nicht mehr den Muth besitzen, Gewalt zu gebrauchen, weil sie wohl einsehen, wie gefährlich das Mär­thyrerthum ist, und wie für Einen Mann, den zu unterdrücken ihnen gelingt, zwanzig Geharnischte auf einmal aus dem Boden springen. Ich bitte nicht um Zurücknahme des Verbots, so schmerzlich es auch ist, das Kind seiner Muse schon im Mutterleibe bedroht zu sehen, und als Individuum mit einem ganzen Staatsprincip in ewiger Collision zu leben; ich bitte nicht um Zurücknahme dieses Verbots, denn ich bin kein Schriftsteller von Profession, suche keinerlei materielle Vortheile durch Das zu erreichen, was ich sage, weil ich es sagen  m u ß. Aber auch für die materiellen Vortheile und die Verbreitung des Journals ist durch ein Verbot nicht hinlänglich gesorgt. Verbotene Bücher fliegen recht eigentlich durch die Luft, und was das Volk lesen will, liest es allen Verboten zum Trotz. Ew. Maj. Minister haben vor fünf Vierteljahren meine Gedichte verboten, und ich bin so glücklich, im Augenblicke die fünfte Auflage derselben veranstalten zu können. Ew. Maj. Minister haben die Beschlagnahme als gefährlich erschienener Bücher verordnet, und ich habe mich auf meiner ganzen Reise davon überzeugt: diese Bücher sind in Jedermanns Händen. Ich bitte nicht um Zurücknahme des Verbots, denn ich darf um nichts bitten in einem Lande, das ich verlassen will. Ich bin nach der Nothwendigkeit meiner Natur Republikaner und vielleicht schon in diesem Augenblicke Bürger einer Republik. Ich kann, ohne mich selbst muthwillig zu immerwährender Heuchelei zu verdammen, nicht länger in Staaten leben, woselbst die Censur aufgehört hat eine Wahrheit zu sein; was ja die täglich stattfindenden Confiscationen bereits censirter Bücher beweisen. Aber es hat mein Herz gedrängt, an Ew. Maj. noch ein letztes ehrliches, wenn auch leidenschaftliches, Wort zu richten, ein Wort, was nur die Diener der Fürsten, nicht die Fürsten selbst anklagen soll, ein Wort unter vier Augen, das aber doch nicht blos mein Wort, sondern das vieler Tausende, ein Wort, das ich mit dem ganzen heiligen Eifer und Vertrauen meiner Seele vor Ew. Maj. gesprochen, und das Ew. Maj. danach würdigen und schätzen werden.

In tiefster Ehrfurcht

Ew. Maj. ergebenster

Georg Herwegh.

 

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An Arnold Ruge.

 

11. Februar 43.

Mein lieber Freund!

Ich habe mich tagtäglich mit der jämmerlichsten Misère herum­zuschlagen, daß ich zu keinem vernünftigen Worte an Sie gelangen kann. Was ich Ihnen sagen könnte, wäre doch Alles nur halb, u. so laß ich's lieber ganz bleiben. Der arme ungeborne Deutsche Bote ist in den Augen unserer Septembristen schon zu einem solch colossalen Ungethüm herangewachsen, daß der Regierungsrat in seiner Herzensangst vom Auslande Noten über den Hals zu bekommen, nach 2tägiger Sitzung einstimmig beschlossen, mich aus Zürich auszuweisen, ob ich das Schweizer Bürgerrecht erhalte oder nicht. Seitens der Buchhandlung wurde heute remonstrirt, da mir der Beschluß noch nicht eröffnet ist. Die Remonstration wird wenig helfen. Gott weiß, wo mich der Teufel nun hinführt. Zunächst will ich heiraten u. dann eine Reise nach dem Süden machen, vorher natürlich den Deutschen Boten u. zwar als Vierteljahrschrift hinauswerfen. Schicken Sie daher, was Sie nur immer Passendes für denselben haben. Wollen Sie sich nicht selbst über das Verbot der D. J. recht con amore u. rücksichtslos auslassen? Das müßte freilich bald geschehen, Feuerbach hat mir vor längerer Zeit Xenien gegen die Theologen zugesagt, dieselben mir aber bis dato noch nicht gesandt. Sie wissen wohl, wo F. sich gegenwärtig aufhält; ich vermute ganz in Ihrer Nähe. Erinnern Sie ihn dran. Es ist mir viel daran gelegen, Sie ins erste Heft zu bekommen. Trommeln Sie überhaupt Etwas zusammen, daß aus dem Kerl, dem D. B., weil man ihn einmal für so gefährlich hält, auch in der That 'was wird. Sie sind nun schon dabei compromittirt u. ihr Name spukt tägl. in unseren Zeitungen.

Auch Strauß hat ein Duzend Xenien gegen einige Lieblings­bestrebungen der Könige von Preussen und Baiern gesandt; eines gegen den König von Baiern ist die Krone von allem. – Emma hat Berlin herzlich satt, u. hat sich schon so gefreut, Sie hier bei uns zu sehen. Nun ist's nicht hier, ist's dort wo in der Schweiz. Bis ich die tausend Tracasserien wieder vom Leibe habe, die mir meine ganze Zeit verbittern, werde ich kein vernünftiger Mann u. bleibe zu Allem untauglich. Ist's nicht möglich, etwas Drauf u. Dreinschlagendes über den jüngsten sächsischen Landtag zu erhalten? Vergessen Sie nicht die schönen Tage von Leipzig. Ich grüße Sie u. Ihre Damen herzlich, u. wollte, Sie wären bei uns.

Ihr

Herwegh.

Z[ürich]. 11. Febr.

 

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An Karl Marx in Köln.

 

Zürich, 17. Februar 1843.

Verehrtester Freund!

Das Beiliegende wird Ihnen genügend den Grund meines langen Stillschweigens klar machen, überhaupt die ganze Antwort auf Ihren vorletzten Brief enthalten. Mit Zürich ist es vor der Hand Nichts; wo ich selbst hinziehe, weiß ich nicht; zunächst allerdings nur zwei Meilen von hier. Ihre Briefe addressiren Sie nach wie vor nach Zürich. Sobald ich geheiratet, will ich eine Reise nach dem südlichen Frankreich und Spanien mit meiner Frau antreten. Für den Deutschen Boten nehme ich Ihre thätigste Mitwirkung in Anspruch; er erscheint unter allen Umständen, und es soll mir lieb sein, wenn Sie mir aus Ihrer Feder schon für das 1. Vierteljahr Beiträge senden; natürlich so schnell Sie können. Stellen Sie doch einige rücksichtslose, censurwidrige Betrachtungen über das Verbot der Deutsch. J. und der Rhein. Zeit. an; es läßt sich so viel daran anknüpfen. – Das Beiliegende ist ohne Commentar verständlich und den Schweizern, vor allem dem Liberalismus, der nur noch das Privilegium hat, Alles, was charakterlos ist, in seine Reihen aufzunehmen, muß tüchtig aufgetrumpft werden. Die Imbecillität unserer Politiker zeigte sich eminent darin, daß sie die Petitionen gar nicht begriffen, die eben behaupteten, daß die Regierung ihre Competenz überschritten.

Schicken Sie für den Deutschen Boten, was Ihnen nur immer auf der Seele brennt, bis ich etwas Bestimmteres für Sie ausfindig. Als Honorar kann Ihnen die Verlagshandlung 40 f für einen Oktavbogen bieten.

Ich hatte mich schon so gefreut, Sie diesen Sommer mit Ihrer Braut bei uns zu sehen. Auch das ist zu Wasser geworden. Von allen Seiten gehetzt – nun, das ist auch gut, man bekommt dadurch wenigstens das Gefühl, daß man existirt.

Der Ihrige

G. Herwegh.