BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Schatzkästlein

des rheinischen Hausfreundes

 

4.

 

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Erstes Rechnungs-Exempel.

 

Man sollte nicht glauben, daß ein Mensch, der auf leichtfertigen Wegen sein Glück sucht, mit lauter Gewinnen immer verlieren, und zuletzt um Habe und Vermögen dabey kommen kann. Aber die Sache hat Grund. Man erzählt, daß ein Mensch, der sich, lieber im Müßiggang durch schlechte Mittel, als durch Fleiß und Arbeit ernähren wollte, einen Bund mit dem bösen Geist gemacht habe. Der Mann wohnte an einem Wasser, und der Böse versprach ihm, alles baare Geld, das er im Hause habe, zu verdoppeln, wenn er damit über die Brücke gehe, und verlange nichts dafür, als daß er ein 24 Kreutzer Stück davon ins Wasser werfe, wenn er wieder über die Brücke zurückgehe, und das dürfe er wiederholen, seinetwegen so oft er wolle. Der Einfältige [11] schlägt mit Freuden ein, sucht alles baare Geld im Hause zusammen, macht die erste Probe, und diesmal scheint der schwarze Feind ehrlich zu seyn, denn er hält Wort, und der andere natürlicher Weise auch.

Wie oft und lange mag nun der Glückliche seinen Gang über die Brücke hin und her wiederholen? So lange es gut thut, so lange er etwas hinüber zu tragen hat, dreymal in allem. Denn als er zum dritten mal mit seiner verdoppelten Baarschaft zurückkehrte: und das drittemal den ausbedungenen Brücken-Zoll ins Wasser warf; so hatte der böse Feind sein Geld alles rein und baar bis auf den letzten rothen Heller, und der arme Betrogene gieng leer nach Haus, und hatte nichts mehr in den Strom zu geben, wenn er über die Brücke gieng, als Thränen um seine letzte verlohrne Baarschaft. – Wer rechnen kann, wirds bald heraus haben, wie viel der Betrogene zum erstenmal Geld über den Strom zu tragen hatte, und daß alles natürlich zugieng. Und mancher, den die Erfahrung auch schon klug gemacht hat, wird denken: Accurat so gehts! die Auflösung wird bald nachfolgen.