BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Biblische Geschichten

Für die Jugend bearbeitet

 

II. Theil

 

____________________________________________________

 

 

 

19.

Die Schicksale Johannes des Täufers.

 

Aber warum kommt Johannes der Täufer so lange nicht mehr zum Vorschein? Johannes der Täufer kommt nicht mehr zum Vorschein. Herodes der König fand ein unerlaubtes Wohlgefallen an Herodias, der Ehefrau seines leiblichen Bruders Philippus, und verehelichte sich mit ihr, als Philippus, ihr rechtmäßiger Eheherr, noch lebte. Da trat zu ihm Johannes, der fromme und unerschrockene Mann, und sprach zu ihm mit wenigen, aber schweren Worten: «Es ist nicht Recht, daß du sie hast.» Wegen dieser Rede ließ Herodes den frommen Johannes binden und in das Gefängniß legen, auf Anstiften seiner Frau. Denn es ist ein schweres Wort, «was du thust, ist nicht recht,» wer es hören muß, und wen es angeht, und wer nichts darauf antworten kann.

Als aber Johannes im Gefängniß die Werke Christi hörte, sandte er zwei von seinen Jüngern zu ihm, und ließ ihn fragen: «bist du, der da kommen soll, oder sollen wir eines andern warten?» Die Jünger Johannes kamen zu rechter Zeit, nachdem Jesus viele Kranke geheilt und den Jüngling von Nain von den Todten auferweckt, und viele bekümmerte Gemüther mit dem Troste des Evangeliums erquickt hatte. Jesus antwortete ihnen auf ihre Frage nicht Ja, und nicht Nein. Ja und Nein sind leichte Wörtlein, sie gehen geschwind vom Munde. Jesus sprach zu ihnen vor allem Volk, das dabei stand: «Gehet hin und saget dem Johannes wieder, was ihr sehet und höret. Die Blinden sehen, die Lahmen gehen, die Aussätzigen werden rein, die Tauben hören, die Todten stehen auf, und den Armen wird das Evangelium gepredigt.» Das ist eine Antwort, gegen welche sich nichts sagen läßt.

Diese Botschaft brachten dem Johannes seine Jünger, daß er sich daran ausrichtete bis zu seinem Tod, Denn die rachsüchtige Königin war mit der Gefangennehmung des Johannes noch nicht zufrieden. Sie wartete nur auf eine Gelegenheit, ihn tödten zu lassen. Die Gelegenheit kam bald. Herodes begieng seinen Jahrstag und gab vielen Vornehmen aus Galiläa ein großes Gastgebot. Die Tochter der Herodias tanzte vor ihnen und gefiel dem König wohl. Der König sprach zu ihr: «Bitte von mir, was du willst! Ich will es dir geben.» Dieses war ein gefährliches Wort, und Herodes bestätigte es ihr noch vor allen Anwesenden mit einem leichtfertigen Eid. Die Tochter fragte ihre Mutter: «Was soll ich begehren?» Die Mutter, kurz besonnen, antwortete ihr: «Das Haupt Johannes des Täufers.» Wie die Mutter, so die Tochter. Sie kam zu dem König zurück: «So will ich, daß du mir gebest also gleich auf einer Schüssel das Haupt Johannes des Täufers! Auf eine solche Bitte war Herodes nicht gefaßt. Aber aus Scheu vor den Anwesenden, daß er ein König seyn, und sein Wort nicht halten sollte, schickte er in das Gefängniß, und ließ den frommen Täufer enthaupten, die Tochter empfieng sein blutiges Haupt, wie sie begehrt hatte, und brachte es auf einer Schüssel ihrer Mutter. Es war dem König mehr daran gelegen, vor leichtfertigen Menschen gerecht zu erscheinen, als vor Gott.

Eines solchen Todes starb Johannes, der Jugendgenosse Jesu, und Vorbote des Reichs Gottes, durch die Schwachheit eines Königs und durch die Rachsucht eines ehrlosen Weibes. Zu solchen Gräuelthaten kann ein Herz gebracht werden, das die Scheu vor Gott ausgezogen, und sich der Sünde und Leichtfertigkeit ergeben hat. In welchem Herzen eine Sünde herrscht, in demselben finden auch die andern ihre Einkehr.

Als Johannes enthauptet war, begruben seine Jünger den entseelten Leichnam ihres theuern Lehrers, daß ihm keine Verunehrung widerführe, und kamen hernach zu Jesu und klagten ihm ihr Leid.