Johann Peter Hebel
1760 - 1826
Biblische GeschichtenFür die Jugend bearbeitet
I. Theil
|
|
____________________________________________________
|
|
11.Esau und Jakob.
Die Erzväter jener Zeit waren keiner weltlichen Herrschaft unterworfen. Sie standen nur unter Gottes Gewalt. Sie selbst aber übten eine freie und obrigkeitliche Herrschaft aus über ihre Kinder, über ihre Verwandten, wenn diese nicht mächtig genug waren, sich von ihnen zu trennen, und über alle ihre Knechte. Sie standen auch unter keiner geistlichen Gewalt, jeder war selbst Priester in seinem Hause, und trug das schöne Amt, Mittler zu seyn zwischen Gott und seinem Hause.Der erstgeborne Sohn aber hatte große Rechte und Vorzüge vor seinen Brüdern, und erbte nach des Vaters Tode die Herrschaft und die Priesterwürde, wenn nichts anders dazwischen kam. Solch ein Fürst und Priester seines Hanses war Abraham, und nach ihm sein Sohn Isaak. Aber in Isaaks Nachkommenschaft kam etwas anders dazwischen.Isaak hatte von seiner Ehefrau, der Rebecca, zwei Söhne, den Esau und Jakob. Esau der Erstgeborne war von mannhafter, kräftiger Natur, ein Mensch, der das Freie liebte, leichtsinnig, aber gutmüthig. So hatte ihn der Vater gern. Jakob aber war ein stilles Büblein, das gerne daheim saß, und mit häuslichen Geschäften sich verthat. Das gefiel der Mutter wohl. Jakob meinte es nicht gut mit seinem Bruder, weil Esau als der Erstgeborne große Vorrechte hatte. –O Eigennutz und Mißgunst, wie könnt ihr das Herz eines Menschen verderben! –Eines Tags kam Esau müde vom Felde heim, Jakob aber saß daheim und kochte sich ein Gemüse, ein Linsengericht. Esau sagt: «Laß mich auch essen von dieser Speise, denn ich bin müde.» Jakob sagt: «Wenn du mir heute deine Erstgeburt verkaufst.» Esau erwiederte: «Sterben muß ich doch; was hilft mir denn die Erstgeburt!» – Also verachtete der Leichtsinnige seine Rechte und sagte sie mit einem Eid seinem Bruder zu. Darauf gab ihm Jakob ein Stücklein Brod und das Linsengericht, und er aß und trank, und stund auf und gieng davon.Es war dieses kein guter Handel zwischen Brüdern ohne Vorwissen des Vaters. Esau hat nicht wohl gethan, daß er seine Rechte verachtete. Rechte, die Gott ertheilt, soll der Mensch nicht verachten. Auch ist es ihm noch lange nachher gar übel ausgelegt worden. Aber was soll man zu der Denkungsart des Jakobs sagen, der den Leichtsinn und die Gutherzigkeit seines Bruders also mißbrauchen konnte? So etwas kann nicht ohne schlimme Folgen bleiben. |