BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Allemannische Gedichte

Für Freunde ländlicher Natur und Sitten

 

1803

 

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[174]

Die Vergänglichkeit.

 

(Gespräch auf der Straße nach Basel zwischen

Steinen und Brombach, in der Nacht.)

 

Der Bub seit zum Aetti:

 

Fast allmol, Aetti, wenn mer's Röttler Schloß

so vor den Auge stoht, se denki dra,

öbs üsem Hus echt au emol so goht.

Stohts denn nit dört, so schuderig, wie der Tod

im Basler Todtetanz? Es gruset mer,

wie länger aßi 's bschau. Und üser Hus,

es sizt io wie ne Chilchli uffem Berg,

und d' Fenster glitzeren, es isch e Staat.

Schwetz, Aetti, gohts em echterst au no so?

I mein emol, es chönn schier gar nit si.

 

 

[179]

Der Aetti seit:

 

Du gute Burst, 's cha frili sy, was meinsch?

's chunnt alles iung und neu, und alles schlicht

im Alter zu, und alles nimmt en End,

und nüt stoht still. Hörsch nit, wie 's Wasser ruuscht,

und siehsch am Himmel obe Stern an Stern?

Me meint, von alle rühr sie kein, und doch

ruckt alles witers, alles chunnt und goht.

 

Je, 's isch nit anderst, lueg mi a, wie d' witt.

De bisch no iung; närsch, ich bin au so gsi,

iezt würd's mer anderst, 's Alter, 's Alter chunnt,

und woni gang, go Gresgen oder Wies,

in Feld und Wald, go Basel oder heim,

's isch einerley, i gang im Chilchhof zu, –

briegg, alder nit! – und biß de bisch wien ich,

e gstandene Ma, se bini nümme do,

und d' Schof und Geiße weide uf mi'm Grab.

[180]

Jo wegerli, und 's Hus wird alt und wüst;

der Rege wäscht der's wüster alli Nacht,

und d' Sunne bleicht der's schwärzer alli Tag,

und im Vertäfer popperet der Wurm.

Es regnet no dur d' Bühne ab, es pfift

der Wind dur d' Chlimse. Drüber thuesch du au

no d' Auge zu; es chömme Chindes-Chind,

und pletze dra. Z'lezt fuults im Fundement,

und 's hilft nüt me. Und wemme nootno gar

zweytusig zehlt, isch alles zsemme gkeit.

Und endli sinkt 's ganz Dörfli in si Grab.

Wo d' Chilche stoht, wo 's Vogts und 's Here Hus,

goht mit der Zit der Pflug –

 

Der Bub seit:

 

Nei, was de seisch!

 

 

Der Aetti seit:

 

Je, 's isch nit anderst, lueg mi a, wie d' witt!

[181]

Isch Basel nit e schöni tolli Stadt?

's sin Hüser drinn, 's isch mengi Chilche nit

so groß, und Chilche, 's sin in mengem Dorf

nit so viel Hüser. 's isch e Volchspiel, 's wohnt

e Richthum drinn, und menge brave Her,

und menge, woni gchennt ha, lit scho lang

im Chrütz-Gang hinterm Münster-Platz und schloft.

's isch eithue, Chind, es schlacht e mol e Stund,

goht Basel au ins Grab, und streckt no do

und dört e Glied zum Boden us, e Joch,

en alte Thurn, e Giebel-Wand; es wachst

do Holder druf, do Büechli, Tanne dört,

und Moos und Farn, und Reiger sitze druf –

's isch schad derfür! – und sin bis dörthi d' Lüt

so närsch wie jez, so göhn au Gspenster um,

der Sulger, wo die arme Bettel-Lüt

[182]

vergelstert het, der Lippi Läppeli,

und was weis ich, wer meh. Was stoßisch mi?

 

 

Der Bub seit:

 

Schwetz lisli, Aetti, bis mer über d' Bruck

do sin, und do an Berg und Wald verbey!

Dört obe iagt e wilde Jäger, weisch?

Und lueg, do niden in de Hürste seig

gwiß 's Eyer-Meidli g'lege, halber ful,

's isch Johr und Tag. Hörsch, wie der Laubi schnuft?

 

 

Der Aetti seit:

 

Er het der Pfnüsel! Seig doch nit so närsch!

Hüst, Laubi, Merz! – und loß die Todte go,

's sin Nare-Posse! – Je, was hani gseit?

Vo Basel, aß es au e mol verfallt. –

Und goht in langer Zit e Wanders-Ma

[183]

ne halbi Stund, e Stund wit dra verbey,

se luegt er dure, lit ke Nebel druf,

und seit sim Camerad, wo mittem goht:

«Lueg, dört isch Basel gstande! Selle Thurn

isch d' Peters-Chilche gsi, 's isch schad derfür!»

 

 

Der Bub seit:

 

Nei, Aetti, ischs der Ernst, es cha nit sy?

 

 

Der Aetti seit:

 

Je, 's isch nit anderst, lueg mi a, wie d' witt,

und mit der Zit verbrennt die ganzi Welt.

Es goht e Wächter us um Mitternacht,

e fremde Ma, me weiß nit, wer er isch,

er funklet, wie ne Stern, und rüeft: «Wacht auf!

Wacht auf, es kommt der Tag! – Drob röthet si

der Himmel, und es dundert überal,

[184]

z' erst heimli, alsgmach lut, wie sellemol

wo Anno Sechsenünzgi der Franzos

so uding gschoße het. Der Bode wankt,

aß d' Chilch-Thürn guge; d' Glocke schlagen a,

und lüte selber Bet-Zit wit und breit,

und alles betet. Drüber chunnt der Tag;

o, bhütis Gott, me brucht ke Sunn derzu,

der Himmel stoht im Blitz, und d' Welt im Glast.

Druf gschieht no viel, i ha iez nit der Zit;

und endli zündets a, und brennt und brennt,

wo Boden isch, und niemes löscht: es glumst

zlezt selber ab. Wie meinsch, siehts us derno?

 

 

Der Bub seit:

 

O Aetti, sag mer nüt me! Zwor wie gohts

de Lüte denn, wenn alles brennt und brennt?

 

 

[185]

Der Aetti seit:

 

Närsch, d' Lüt sin nümme do, wenns brennt, sie sin –

wo sin sie? Seig du frumm, und halt di wohl,

geb, wo de bisch, und bhalt di Gwisse rein!

Siehsch nit, wie d' Luft mit schöne Sterne prangt!

's isch iede Stern verglichlige ne Dorf,

und witer oben isch e schöni Stadt,

me sieht si nit vo do, und haltsch di gut,

se chunnsch in so ne Stern, und 's isch der wohl,

und findsch der Aetti dört, wenns Gottswill isch,

und 's Chüngi selig, d' Mutter. Oebbe fahrsch

au d' Milchstroß uf in die verborgeni Stadt,

und wenn de sitwärts abe luegsch, was siehsch?

e Röttler Schloß! Der Belche stoht verchohlt,

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der Blauen au, as wie zwee alti Thürn,

und zwische drinn isch alles use brennt,

bis tief in Boden abe. D' Wiese het

ke Wasser meh, 's isch alles öd und schwarz

und todtestill, so wit me luegt – das siehsch,

und seisch di'm Cammerad, wo mitder goht:

«Lueg, dört isch d' Erde gsi, und selle Berg

het Belche gheiße! Nit gar wiit dervo

isch Wisleth gsi; dört hani au scho glebt,

und Stiere g'wettet, Holz go Basel gführt,

und brochet, Matte g'raust, und Liecht-Spöh' gmacht,

und gvätterlet, biß an mi selig End,

und möcht iez nümme hi.» – Hüst Laubi, Merz!