BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Peter Hebel

1760 - 1826

 

Allemannische Gedichte

Für Freunde ländlicher Natur und Sitten

 

1803

 

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[101]

Der Käfer.

 

Der Chäfer fliegt der Jilge zu,

es sizt e schönen Engel dört;

er wirthet gwis mit Blumesaft,

und 's chostet nit vil, hani ghört.

 

Der Engel seit: «Was wär der lieb?» –

«Ne Schöpli Alte hätti gern!»

Der Engel seit: «Sel cha nit sy,

sie hen en alle trunke fern.» –

 

«Se schenk e Schöpli Neuen i!» –

«Do hesch eis!» het der Engel gseit.

Der Chäfer trinkt, und 's schmekt em wohl,

er frogt: «Was isch mi Schuldigkeit?»

 

[102]

Der Engel seit: «He, 's chostet nüt!

Doch richtsch mer gern e Gfallen us,

weisch was, se nimm das Blumemehl,

und tragmers dört ins Nochbers Hus!»

 

«Er het zwor selber, was er brucht,

doch freut's en, und er schickt mer au

mengmol e Hämpfeli Blumemehl,

mengmol e Tröpfli Morgethau.»

 

Der Chäfer seit: «Jo frili, io!»

«Vergelt's Gott, wenn de z'friede bisch.»

Druf treit er 's Mehl ins Nochbers Hus,

wo wieder so en Engel isch.

 

Er seit: «I chumm vom Nochber her,

Gott grüeß di, und er schickt der do,

au Blumemehl!» Der Engel seit:

«De hättsch nit chönne iuster cho.»

 

[103]

Er ladet ab; der Engel schenkt

e Schöpli gute Neuen i.

Er seit: «Chumm trink eis, wenn de magsch!»

Der Chäfer seit: «Sel cha scho sy!»

 

Druf fliegt er zu si'm Schätzli heim,

's wohnt in der nöchste Haselhurst.

Es balgt und seit: «Wo blibsch so lang?»

Er seit: «Was chani für mi Durst?»

 

Jez stoht er uf, er nimmts in Arm,

er chüßts, und isch bym Schätzli froh.

Druf leit er si ins Todtebett,

und seit zum Schätzli: «Chumm bal no!»

 

Gell Sepli, 's dunkt di ordeli!

De hesch au so ne lustig Bluet.

Je, so ne Lebe, liebe Fründ,

es isch wohl für e Thierli guet.