Kaspar Hauser
1812 - 1833
Georg Friedrich Daumer:Enthüllungen über Kaspar Hauser
1859
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[329] |
VIII.Chronologische Uebersicht.
Es folgt nun schließlich eine chronologische Uebersicht der hervortretendsten und interessantesten Thatsachen und Umstände der Geschichte und Entwicklung Hauser's und der damit zusammenhängenden Dinge von seinem Erscheinen in Nürnberg an, so weit sie noch mit Sicherheit zu bestimmen sind.
1828
1829
1830
1831
1832
1833
1834 und 1835
Ich füge dieser Uebersicht eine Rechnung von der Hand meiner verstorbenen Mutter bei.Den 18. Juli kam Hauser zu uns. Die erste Woche genoß er nur Wasser und Brod, für 6 kr. täglich.“Dann aß er Mittags und Abends Suppe. Diese nebst Brod täglich 8 kr.“Dann Morgends Gesundheitschokolade. Diese nebst dem Uebrigen bis zum 16. August täglich 11 kr.“Vom 17.– 31. August Abends statt der Suppe ebenfalls Chokolade. Mit dem Uebrigen täglich 13 kr.“Vom 31. August bis zum 31. October des Morgens Chokolade mit Weißbrod, Abends mit schwarzem; Mittags Milch und andere Speisen, täglich 15 kr.“Für Wäsche wöchentlich 8 kr.“ u. s. w.Hieraus sieht man ohngefähr, was H., von dem man sagte, es werde mit ihm ein unziemlicher Aufwand gemacht, der Stadt für Kosten verursachte. Ich ließ mir nur die für ihn gemachten bestimmten Auslagen vergüten; von meinem Verhältnisse zu ihm irgend einen Gewinn ziehen wollte ich nicht; auch wurde mir durchaus kein Lohn dafür. Die anderen Lehrer Hauser's unterrichteten ihn [335] gleichfalls unentgeldlich. Viele Kleidungsstücke und andere Dinge wurden ihm geschenkt; die Pferde, die er ritt, wurden ihm umsonst überlassen; das Theater, wenn es ihm verstattet wurde, bezahlte Binder für ihn, wie ich das Alles noch ausführlich in meinen Papieren verzeichnet finde.Von ihm selbst ist ein Zettelchen vorhanden, wo es wörtlich und mit den Fehlern, die er damals noch machte, also heißt:Vom 9. Sept. Will ich eine ordung halten im lehrnen.Den 10. Sept. Zum ersten mein Brod. 5)Den 11. Sept. Zum ersten mal spaziren Geriten.“ Vielleicht wird diese merkwürdige Erscheinung, die in derselben Art nie wiederkehren dürfte, einst einer neuen Prüfung und Untersuchung, einer anderen, als die Herren Merker und Eschricht geliefert, unterworfen und von einem wahrhaft verständigen und wissenschaftlichen Standpunkte aus beleuchtet und dargestellt werden. Wenn die Cultur nicht völlig sinkt, die Wissenschaft nicht ganz verseichtet und verkommt, so wird sie ein so interessantes und instruktives Phänomen nicht fallen lassen und nicht dulden, daß man es durch bornirte Klügeleien und alberne Hypothesen [336] verfälsche. Dann wird alles Faktische willkommen sein, auch was so kleine und scheinbar geringfügige Notizen, wie obige, betrifft. Gerne würde ich es unter begünstigenden Umständen unternehmen, ein vollständiges und systematisches Gemälde dieser Erscheinung mit Benutzung aller noch vorhandenen Aufzeichnungen zu geben; ich zweifle jedoch, ob es dazu kommen wird. Und so nehme ich hiemit von diesem Gegenstande wahrscheinlich für immer Abschied, ihn noch schließlich angelegentlichst allen tiefer Denkenden und Forschenden zum Studium empfehlend.
―――――――― 1) Ohngefähr drei Wochen vorher war ich mit ihm bekannt geworden, und hatte ihn im Thurme zu unterrichten begonnen. 2) S. Mittheilungen“ II, S. 35. Ein Jahr darauf wiederholt sich diese Erscheinung, doch in gemindertem Grade. 3) S. Mittheilungen“ I. S. 45. II. S. 29. 4) Graf Stanhope nahm seinen Schützling am 1. Dec. 1831 mit sich hieher in unsere Stadt“ sagt Fuhrmann in seiner Trauerrede. Und weiterhin: Am 9. Dec. wurde er Herrn Lehrer Meyer und seiner würdigen Gattin übergeben.“ 5) Es ist die feiner gewürzte Brodart gemeint, die er während seiner Einsperrung genossen und in Nürnberg einmal zufällig wieder fand.
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Leipzig, Druck von Giesecke & Devrient. |