BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karoline von Günderrode

1780 - 1806

 

Aus dem Nachlaß

 

Text:

Karoline von Günderrode

Gesammelte Werke. Band 3,

Hrsg.: Leopold Hirschberg

Verlag O. Goldschmidt-Gabrielli, 1922

Faksimile: HathiTrust

 

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Buonaparte in Egypten

Vorzeit, und neue Zeit

Verschiedene Offenbarungen des Göttlichen

Hochroth

Der Knabe und das Vergißmeinnicht

Der Luftschiffer

Novalis

Ist Alles stumm und leer

Schicksal und Bestimmung

Liebst du das Dunkel

An Creuzer

 

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Buonaparte in Egypten

 

Aus dem Schoos der Nacht entwindet mühesam die Dämmerung sich,

Und der Dämmerung Gebilde löset einst des Tages Licht.

Endlich fliehet die Nacht! und herrlicher Morgen

Golden entsteigst du dem bläulichten Bette der Tiefe

5

Und erleuchtest das dunkle Land wo der Vorzeit

Erster Funke geglüht, wo Licht dem Dunkel entwunden.

Früh gelodert im Schutze der mystischen Schleier

Dann auf lange entfloh und ferne Zonen erleuchtet. -

Ewig weicht sie doch nicht vom heimischen Lande

10

Die Flamme, sie kehret mit hochaufloderndem Glanz hin.

Alle Bande der Knechtschaft löset die Freiheit,

Der Begeisterung Funke erwekt die Söhne Egyptens. -

Wer bewirkt die Erscheinung? Wer ruft der Vorwelt

Tage zurük? Er reiset Hüll und Ketten vom Bilde

15

Jener Isis, die der Vergangenheit Räthsel

Dasteht, ein Denkmal vergessener Weisheit der Urwelt?

Bonaparte ist's, Italiens Erobrer,

Frankreichs Liebling, die Säule der würdigeren Freiheit

Rufet er der Vorzeit Begeisterung zurüke

20

Zeiget dem erschlaften Jahrhunderte römische Kraft. -

Möge dem Helden das Werk gelingen Völker

Zu beglükken, möge der schöne Morgen der Freiheit

Sich entwinden der Dämmerung finsterem Schoose.

Möge der späte Enkel sich freuen der labenden

25

Der gereiften Frucht, die mit Todesgefahren

In dem schrecklichen Kampf mit finsterem Wahn, der Menge

Irrthum, der großen Härte, des Volks Verblendung

Blutige Thränen vergiesend die leidende Menschheit

Zitternd in dieses Jahrhundert Laufe gepflanzt.

 

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Vorzeit, und neue Zeit

 

Ein schmahler rauher Pfad schien sonst die Erde.

Und auf den Bergen glänzt der Himmel über ihr,

Ein Abgrund ihr zur Seite war die Hölle,

Und Pfade führten in den Himmel und zur Hölle.

 

5

Doch alles ist ganz anders jetzt geworden,

Der Himmel ist gestürzt, der Abgrund ausgefüllt,

Und mit Vernunft bedeckt, und sehr bequem zum gehen.

 

Des Glaubens Höhen sind nun demolieret.

Und auf der flachen Erde schreitet der Verstand,

10

Und misset alles aus, nach Klafter und nach Schuen.

 

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Verschiedene Offenbarungen des Göttlichen

 

Zum Menschen schwebte sonst der Geist des Herr hernieder,

Mit Menschen wandelt' er nach Menschensitte

Und er erhörte frommer Beter Bitte.

Zu Mose sprach der Geist, errette deine Brüder.

5

Propheten schauten ihn in seiner Himmel Pracht.

Zu Samuel sprach er in heil'ger Träume Nacht.

So hat im Alterthum sich Gott geoffenbahret,

Doch allen nicht, und wenig Auserwählten nur.

Denn fremd war Göttliches der menschlichen Natur,

10

Mit Christus stieg das Reich des Göttlichen hernieder,

Das Unsichtbare offenbahrt dem Menschen sich,

Dem Pilger öffnen nun des Himmels Thore sich.

Das unsichtbare Reich schließt sich uns nimmer wieder,

Denn durch der frommen Liebe heiliges Band

15

Knüpft Christus uns an jenes bessere Land.

 

―――――

 

Hochroth

 

Du innig Roth,

Bis an den Tod

Soll mein Lieb Dir gleichen,

Soll nimmer bleichen,

5

Bis an den Tod,

Du glühend Roth,

Soll sie Dir gleichen.

 

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Der Knabe und das Vergißmeinnicht

 

Der Knabe

 

O Blümelein Vergißmeinnicht!

Entzieh Dich meinem Auge nicht.

Ihr, Veilchen! Nelken! Rosen!

Auf euch verweilt der Sonne Licht,

5

Als wollt es mit euch kosen;

Doch wenn die Sonne tiefer sinkt,

Wenn Nacht die Farben all verschlingt,

Da reden süße Düfte

Von eurem stillen Leben mir

10

Und die vertrauten Lüfte

Die bringen eure Grüße mir.

Doch ach! Vergißmeinnicht, von Dir

Bringt nichts, bringt nichts mir Kunde.

Sag, Blümlein, lebst dem Aug' Du nur?

15

Flieht mit den Farben jede Spur

Mir hin von Deinem Leben?

Hast keine Stimm, die zu mir spricht

Wenn Schatten Dich umgeben?

 

Vergißmeinnicht

 

Die Stimme, ach Süßer! die hab ich nicht.

20

Doch trag ich den Namen Vergißmeinnicht,

Der, wenn ich auch schweige, dem Herzen spricht.

 

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Der Luftschiffer

 

Gefahren bin ich im schwankenden Kahne

Auf dem blaulichen Ozeane,

Der die leuchtenden Sterne umfließt,

Habe die himmlischen Mächte begrüßt.

5

War in ihrer Betrachtung versunken,

Habe den ewigen Äther getrunken,

Habe dem Irdischen ganz mich entwandt,

Droben die Schriften der Sterne erkannt

Und in ihrem Kreisen und Drehen

10

Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen,

Der gewaltig auch jeglichen Klang

Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang.

Aber ach! es ziehet mich hernieder,

Nebel überschleiert meinen Blick,

15

Und der Erde Grenzen seh ich wieder,

Wolken treiben mich zurück.

Wehe! das Gesetzt der Schwere

Es behauptet nur sein Recht,

Keiner darf sich ihm entziehen

20

Von dem irdischen Geschlecht.

 

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Novalis

 

Novalis, deinen heil'gen Seherblicken

Sind aufgeschlossen aller Welten Räume,

Dir offenbart sich weihend das Gemeine,

Du schaust es in prophetischem Entzücken.

 

5

Du siehst der Dinge zukunftsvolle Keime

Und zu des Weltalls ewigen Geschicken,

Die gern dem Aug' der Menschen sich entrücken,

Wirst du geführt durch ahndungsvolle Träume.

 

Du siehst das Recht, das Wahre, Schöne siegen,

10

Die Zeit sich selbst im Ewigen zernichten

Und Eros ruhend sich dem Weltall fügen;

 

So hat der Weltgeist liebend sich vertrauet

Und offenbart in Novalis Dichten,

Und wie Narziß in sich verliebt geschauet.

 

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Ist Alles stumm und leer

 

Ist Alles stumm und leer.

Nichts macht mir Freude mehr;

Düfte sie düften nicht,

Lüfte sie lüften nicht,

5

Mein Herz so schwer!

 

Ist Alles so öd und hin,

Bange mein Geist und Sinn,

Wollte, nicht weiß ich was

Jagt mich ohne Unterlaß

10

Wüßt ich wohin? -

 

Ein Bild von Meisterhand

Hat mir den Sinn gebannt

Seit ich das Holde sah

Ists fern und ewig nah

15

Mir anverwandt. -

 

Ein Klang im Herzen ruht,

Der noch erfüllt den Muth

Wie Flötenhauch ein Wort,

Tönet noch leise fort,

20

Stillt Thränenfluth.

 

Frühlinges Blumen treu,

Kommn zurück aufs Neu,

Nicht so der Liebe Glück

Ach es kommt nicht zurück

25

Schön doch nicht treu.

 

Kann Lieb so unlieb sein,

von mir so fern was mein? -

Kann Lust so schmerzlich sein

Untreu so herzlich sein? -

30

O Wonn' o Pein!

 

Phönix der Lieblichkeit

Dich trägt dein Fittig weit

Hin zu der Sonne Strahl -

Ach was ist dir zumal

35

Mein einsam Leid?

 

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Schicksal und Bestimmung

 

An Charlotte

 

Blumen flecht' ich scherzend nicht für dich zum Kranze,

Und mein Rhythmus weiht sich nicht zum leichten Tanze,

Von Bestimmung re' er ernste Worte dir.

 

Hoffend, wünschend, suchst du - doch vernimm die Lehre,

5

Wenn dem Herzen jeder Wunsch befriedigt wäre,

Ungestillet bleibt das Sehnen deiner Brust.

 

Keins von allen Gütern dieser weiten Erde,

Keines! dem nicht Schmerz und Reue sei Gefährte,

Ueberall verfolgt die Plagegöttin dich.

 

10

Freundschaft, Liebe winken freundlich aus der Ferne,

Wie am Horizonte hell die Brüder Sterne,

Doch das eherne Geschick verschont dich nicht.

 

Reißt dich fremde Schuld nicht von verbund'nen Herzen,

Ha! so fühlst du's spät, durch tief're Schmerzen,

15

Eigner Wahn zerriß der Erde schönstes Band.

 

Drum entsage willig auch dem liebsten Gute,

Daß dein oft getäuschtes Herz nicht schmerzlich blute.

Edlerm Streben spare deines Geistes Kraft.

 

Folge nur der Pflicht, ob sie am ödsten Strande

20

Einsam, ungeliebt und unbeweint dich bannte:

Deiner Götter Abkunft Siegel ist sie dir.

 

Tugend ist das Ziel, nach dem die Millionen

Geister, die den ungemess'nen Raum bewohnen,

Ringen zur Vollendung und zur Göttlichkeit.

 

25

Wie Planeten um die Sonn' in ew'gen Kreisen,

Eilen sie auf Millionen Weg' und Weisen

Hin zum Ideale der Vollkommenheit.

 

Blicke stolz hinauf zum herrlich hohen Ziele,

Dräng' ihm zu, und wankst du, irret auch dein Wille,

30

Deiner Würd' und Freiheit bleibst du dir bewußt.

 

Zwar im Kampfe wird noch deine Kraft ermüden,

Schwache Erdentugend gibt dem Geist nicht Frieden,

Dennoch deinem Ideale naht sie dich.

 

Laß denn immerhin die Göttin Schicksal walten,

35

Ob sich dunkle Wolken gegen dich auch ballten,

Groß und ruhig siehst du ihrem Gange zu.

 

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Liebst du das Dunkel

 

Mündliche Improvisation,

niedergeschrieben von Bettina Brentano

 

Liebst du das Dunkel

Tauigter Nächte?

Graut dir der Morgen,

Starrst du ins Spätrot,

5

Seufzest beim Mahle,

Stößest den Becher

Weg von den Lippen?

Liebst du nicht Jagdlust,

Reizet dich Ruhm nicht,

10

Schlachtgetümmel?

Welken die Blumen

Schneller am Busen,

Drängt sich das Blut dir

Pochend zum Herzen?

 

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An Creuzer

 

Seh' ich das Spätrot, o Freund, tiefer erröten im Westen,

Ernsthaft lächelnd, voll Wehmut lächelnd und traurig verglimmen,

O dann muß ich es fragen, warum es so trüb wird und dunkel;

Aber es schweiget und weint perlenden Tau auf mich nieder.