BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Karoline von Günderrode

1780 - 1806

 

Gedichte und Phantasien

 

1804

 

Text:

Karoline von Günderrode

Gedichte und Phantasien von Tian

Hamburg und Frankfurt a. M.:

J. C. Hermannsche Buchhandlung, 1804

Faksimile: Google

 

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Darthtula nach Ossian

Timur

Don Juan

Die Manen

Wandel und Treue

Wunsch

Immortalita

Der Adept

Ein apokaliptisches Fragment

Mora

Musa

Die Erscheinung

Der Traurende und die Elfen

Die Bande der Liebe

Des Wandrers Niederfahrt

Mahomets Traum in der Wüste

Zilia an Edgar

Liebe

Ariadne auf Naxos

Der Franke in Egypten

 

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Timur.

 

Ermar hatte das Geschlecht von Parimor vom Thron gestoßen, Parimor selber, sein Weib und seine Freunde waren gefallen unter dem Schwerte des Ueberwinders, nur Timur sein einziger Sohn fiel lebend in Ermars Hände. Ungern unterwarf sich das Land dem Sieger, der die Burg des unglücklichen Parimor an der Nordküste der Insel bezog; und die höchste Gewalt mit seinem Bruder, dem wilden Konnar theilte.

Keiner von allen Freunden des gestürzten Königshauses wußte, wo Timur sei, und ob er lebe? nur die Prophetin wußte es, die verschwiegne Seherin, die in einer Höhle am Eingang der Erde wohnte, sie sah die kommenden Schicksale, die Tiefen der menschlichen Brust, und des unglücklichen Timurs Ketten. Einsam lebte die Prophetin und verrichtete geheimnißvolle Werke, und von allen Sterblichen wußte nur Thia, die schöne Tochter von Ermar, ihre Wohnung. Die Seherin liebte das Mädchen, sie lehrte sie mancherlei Geheimnisse, und enthüllte ihr oft die Begebenheiten der Zukunft.

Einst sprach die Prophetin zu der Tochter von Ermar: Mädchen! fürchte das Geschick deines Vaters, seine Unthat hat den Geist der Rache erweckt; sieh hierher! Und sie zeigte dem erschrocknen Mädchen in einem Spiegel ein tiefes Gefängniß der Burg, und in dem Gefängniß lag auf moderndem Stroh, ein Jüngling mit brennenden Augen, und dichten braunen Lokken; Thia konnte ihre Augen nicht sättigen an dem Anblick des Gefangnen, aber die Seherin sprach: Dies ist der König dieses Landes, er schmachtet in Ketten, und dein Vater trägt die Krone, die ihm gebührt.

Gedankenvoll eilte Thia zurück zu der väterlichen Burg, und suchte allenthalben nach einer Thüre, die zu Timurs Kerker führen möchte. Im Nord war die Burg von rauhen Felsen umgeben, die bis zum Meere hinabreichten, in diesen Felsen entdeckte Thia zwischen Gesträuch und Neßeln versteckt, ein Gitter, das eine dunkle Tiefe verschloß; dies Gitter hatte sie in dem Zauberspiegel gesehen, und jeden Morgen, ehe die Bewohner des Schlosses erwachten, und jeden Abend, wenn die milde Dämmerung die Thaten der Liebe in ihre Schleyer verbarg, gieng sie dahin, setzte sich trauernd neben das Gitter, und seufzte: Timur! Timur! und ihr war, als kämen liebe unsichtbare Arme aus dem Gitter herauf und hielten sie umschlungen, daß sie die Stelle nicht verlassen konnte, und es nicht achtete, daß der rauhe Nachtwind sie umwehte, und der Thau des Himmels sie benetzte.

Zwei Jahre hatte Timur in dem Kerker geschmachtet, schon waren der Rache wilde Gedanken bleich und ohnmächtig geworden, und die Träume von Erlösung und Befreiung waren verträumt; schon glaubte er sich von allen Menschen vergessen, als ihm däuchte, er höre mit süßer Stimme seinen Namen flüstern, und jeden Morgen und jeden Abend hörte er dieselbe Stimme: Timur! Timur! rufen, und wenn er auf seinem Lager schlummerte, däuchte ihm, ein Engel mit glänzenden Lokken und rosigten Wangen beuge sich über ihn her, drükke leise Küsse auf seine Lippen und seufze: Timur! Aber wenn er erwachte, vergingen die rosigten Wangen in Kerkernacht, die hellen Lokken erbleichten, die Küsse verglühten, doch die süße Stimme flüsterte fort; und er wußte nicht, ob der Traum wirklich, oder das wirklich Scheinende, Traum sey.

Tage und Wochen waren so vergangen, als das Mädchen zu Ermar sprach: Vater! der Mund der Prophetin verkündet dir Unheil und Verderben, wegen des Sohnes von Parimor, der unschuldig in deinen Ketten schmachtet, deine Ungerechtigkeit wird den Geist der Rache erwekken, fürchte ihn! Timurs Kraft ist gefesselt, erwiderte Ermar: Wo ist der Arm der sich der Rache leihe? Fürchte, sprach Thia, die Zukunft und der Seherin untrügliche Worte; ich habe Timur gesehen, ich liebe ihn, gib ihm die Freiheit, gieb ihn mir, feßle ihn durch ein heiliges Band an dich, oder fürchte auch deine Tochter. Aber Ermar blieb unerbittlich, bis sich die einzige Tochter ihm zu Füßen warf, und ihm schwur, den Geliebten zu seinem treuen Sohne und Freund zu machen, oder ihn zu verrathen, wenn er undankbar sey, und ihm den Dolch mitten in seinen Umarmungen in die Brust zu stoßen.

Timur lag in schweren Träumen, der Geist seines Vaters erschien ihm in blutige Grabtücher gehüllt, und sprach: Räche mich! die Zeit ist gekommen. Timur erwachte, aber immer hörte er noch die Worte, die Zeit ist gekommen! Er dachte noch darüber nach, als das Gitter sich öffnete; ein Krieger trat herein und hieß ihn folgen. Schweigend, voll seltsamer Empfindungen gieng Timur hinter seinem Führer her. Jetzt waren sie auf den Felsen angekommen, der Krieger entfernte sich, und Ermar kam dem Jüngling entgegen. Die Zeit ist gekommen, räche mich, flüsterte eine Stimme in Timurs Seele: eine unsichtbare Gewalt trieb ihn; ehe Ermar noch gesprochen hatte, ergriff ihn der Jüngling, und schleuderte ihn die Felsen hinab, daß sein Blut hinunter rauchte bis zur See.

Die Bewohner des Schlosses versammelten sich, sie erkannten den Sohn ihrer Könige, und nannten ihn freudig Herr, und Gebieter. Als es aber Nacht wurde, trat Thia zu ihm, und sprach: Ich habe dich geliebt, ich habe an der Thüre deines Kerkers gewacht, und deinen Namen der Nacht, und den Sternen vertraut; deine Freiheit ist mein Werk, aber du hast meinen Vater ermordet, du hast die schwere Blutschuld auf meine Seele gewälzt, darum hinweg von dir!

Und das Mädchen gieng, und kehrte nicht wieder. Da ward der König sehr traurig, die lärmende Jagd erfreute ihn nicht, und nicht der Becher, einsam stand er auf seinem Felsen, und sahe, und vernahm nichts als die Schrecken des nahenden Winters. Der Himmel war mit schweren Wolken bedeckt, eisigte Regen fielen herab, der Nordwind zerwühlte den Wald und trieb die falben Blätter in wilden Wirblen umher, die Brandung brauste an der Küste, und der krächzende Rabe unterredete sich mit dem Wiederhall. Monde vergingen so, und immer fielen kalte Regen und Schnee und der Himmel blieb dunkel wie die Seele von Timur; da versammelten sich die Freunde um ihn und sprachen: es ist nicht gut o König! daß du so einsam trauerst, komm! laß uns Thaten thun; Konnar herrscht noch jenseits der Berge mit eisernem Zepter über das Volk, komm! erobere dein Erbe, überwinde die Verräther! Der Jüngling gehorchte, er riß sich empor aus seinen Träumereien und stürzte sich in das Gewühl der Schlachten zu Thaten und Ruhm.

Ungewiß schwankte das Glück zwischen Konnar und Timur, Timur war tapfer, Konnar fest und klug. Eine Schlacht entschied für Konnar, Timur mußte sich zurückziehen in die Gebürge. Der Tag verfloß im Getümmel der Gefechte, in Angriff und Vertheidigung, aber wenn die Nacht hernieder sank, und den Kriegsgott in Schlummer einlullte, versammelten sich die Gefährten um Timur, und in den Schlüchten einsamer Gebürge, in der Nacht dichter Wälder, wo der spähende Feind sie nicht ahndete, errichteten sie ein lustiges Zelt, hundert Fackeln erleuchteten die Wildniß, der Freudenbecher gieng umher, eine süße Musik erscholl, begleitet von den Stimmen braunlokkigter Mädchen, und Timur schwelgte in Ruhm und Lust und Liebe, und seine Gefährten jauchzten in wilden Freuden.

Einst aber, da Timur allein war auf seinem Lager, und der Schlummer ihn floh, däuchte ihm, er höre das Geräusch leiser Tritte, und da er noch lauschte, fühlte er sich plötzlich umschlungen von zarten Armen, und heiße sehnsuchtsvolle Küsse bedeckten seine Lippen; als er aber morgens erwachte, war sein Lager verlassen. Drei Nächte hatte schon die unbekannte Geliebte des Königs Lager besucht, als sie aber zum viertenmale kam, schloß er sie in seine Arme und schwur sie nicht zu lassen, bis sie sich ihm entdeckt habe, damit er seinen Thron und seine Hoheit mit ihr theilen könne. «Laß mich nur noch diesmal ungekannt von dir», sprach das Mädchen, «wenn die Nacht wieder kehrt und die Sterne wieder glänzen, wird ein schwarzes Roß vor dir stehen, dem vertraue dich, es wird dich dahin tragen, wo dir alles offenbar wird.» Der König ließ das Mädchen von sich gehen. Da es aber Nacht wurde, fand er das Roß, ein sonderbarer Schauer durchlief sein Gebein, aber er schwang sich auf des Tieres Rücken, und es trug ihn durch unbekannte verworrne Pfade, durch Klüfte und Wälder, und blieb stehen vor einem prächtigen erleuchteten Palast. Die Thore öffneten sich, zwei Knaben traten heraus, hielten ihm den Zügel und führten ihn in einen Saal. Eine milde Dämmerung herrschte, denn nur ein Halbmond über einem Bekken, in das sich duftendes balsamisches Wasser stürzte, erleuchtete das Zimmer mit wechselndem Schimmer, bald glänzte der Mond in dunklem Purpur, dann in blassem Rosenroth, dann wieder blau wie der Bogen des Himmels, dann endlich wie der grüne Schmelz der Wiesen.

Staunend sah Timur eine Weile dem wechselnden Farbenspiel zu, da tat sich die Thüre auf und viel schöne Mädchen kamen herein in allerlei fremden und sonderbaren Trachten; ein Blumenkranz wand sich um die blonden Haare der Einen, ein zierlich weißes Kleid umfloß sie. Eine Andere hauchte Arabiens Balsam, des Morgenlands köstlicher Thau umgab in glänzenden Reihen die dunklen Lokken, und Gold gewürkt in persische Seide verhüllte die runden üppigen Glieder. Eine dritte in leichtem Silberflohr glich der Luft ätherischen Schönen, und das Holdeste aller Zonen schien versammelt um den Jüngling. Plötzlich glänzte das Wasser wie die Sonne und goß breite Lichtströme durch den Saal; eine Musik, wie Orgeltöne, ließ sich hören, eine liebliche Stimme begleitete die rauschenden Harmonien und schwebte über ihnen, wie eine leichte Frühlingsluft schwebt über dem brausenden Meer, aber die Töne wurden stärker und stärker, und verschlangen die Stimme in Wogen von Wohllaut. Die Mädchen umgaben den Jüngling, sprachen ihm freundlich zu, und jede sandte ihm heiße Blikke, als sei jede die Geliebte der Nacht gewesen. Forschend betrachtete sie der König, jede dünkte ihm hold und lieblich, aber sein Herz bewegte sich zu Keiner, sie ist nicht hier, die ich suche, sprach seine innerste Seele.

Jetzt rauschten zwei Flügelthüren auf, ein prächtiger Saal zeigte sich von vielen Fakkeln erleuchtet, die von den Marmorwänden widerstrahlten; in der Mitte stand eine Tafel. Man setzte sich, der Wein perlte im Gold, die Mädchen nippten mit Rosenlippen an den Bechern, und reichten sie dann dem König; aber Timurs Seele war traurig, er senkte den Blick, und all die Herrlichkeit, und all die Schönheit gieng verlohren an ihm. Da er aber die Augen aufschlug, sah er eine Gestalt an der Ekke des Saals ihn gegenüber, an eine Säule gelehnt stehen, sie war ganz schwarz und dicht verhüllt, und blieb immer unbeweglich. Timur betrachtete sie lange und oft, eine tiefe Sehnsucht zog ihn zu ihr; das Maal däuchte ihm unendlich lange, und es ward ihm erst wohl, als man sich erhob.

Die Mädchen verließen den Saal, aber jede sandte ihm noch einladende Blikke, er folgte Keiner, und sah sich endlich allein mit der schwarzen Gestalt, die Fackeln erloschen, nur ein einziges bleiches Licht durchdämmerte den Saal. Die schwarze Gestalt nahte sich ihm, und sprach: «Folge mir!» Er gehorchte; und sie führte ihn durch seltsame unterirdische Gänge, auf einen Fels. Der Mond glänzte eben im vollen Lichte, und Timur erkannte schaudernd den Fels und das Meer, in welches er Ermar hinabgeschleudert hatte. Seine Führerin schlug den Schleier zurück. Es was Thia. Geist meines Vaters! rief sie, laß dich dieses Opfer entsühnen. Sie schlang ihren Arm um den König, und stürzte sich mit ihm die Felsen hinunter, daß ihr Blut sich mischte, und hinab rauchte zur wogenden See.

 

 

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Die Manen.

Ein Fragment.

 

Schüler

Weiser Meister! ich war gestern in den Katakomben der Könige von Schweden. Tags zuvor hatte ich die Geschichte Gustav Adolphs gelesen, und ich nahte mich seinem Sarge mit einem äusserst sonderbaren und schmerzlichen Gefühl; sein Leben und seine Thaten gingen vor meinem Geiste vorüber, ich sah zugleich sein Leben und seinen Tod, seine große Thätigkeit und seine tiefe Ruhe, in der er schon dem zweiten Jahrhundert entgegen schlummert. Ich rief mir die dunkle grausenvolle Zeit zurück, in welcher er gelebt hat, und mein Gemüth glich einer Gruft, aus welcher die Schatten der Vergangenheit bleich und schwankend heraufsteigen. Ich weinte um seinen Tod mit heißen Tränen, als sei er heute erst gefallen. Dahin! Verloren! Vergangen! sagte ich mir selbst, sind das alle Früchte eines großen Lebens? Diese Gedanken, diese Gefühle überwältigten mich, ich mußte die Gruft verlassen, ich suchte Zerstreuung, ich suchte andere Schmerzen, aber der unterirdische trübe Geist verfolgt mich allenthalben, ich kann diese Wehmuth nicht los werden, sie legt sich wie ein Trauerflohr über meine Gegenwart; dies Zeitalter däucht mir schaal und leer, ein sehnsuchtsvoller Schmerz zieht mich gewaltig in die Vergangenheit. Dahin! Vergangen! ruft mein Geist. O möchte ich mit vergangen seyn! und diese schlechte Zeit nicht gesehen haben, in der die Vorwelt vergeht, an der ihre Größe verlohren ist.

 

Lehrer

Verlohren, junger Mensch? Es ist nichts verlohren und in keiner Rücksicht; nur unser Auge vermag die lange unendliche Kette von der Ursache zu allen Folgen nicht zu übersehen. Aber wenn du auch dieses nicht bedenken willst, so kannst du doch das nicht verlohren und dahin nennen, was dich selbst so stark bewegt und so mächtig auf dich wirkt. Schon lange kenne ich dich, und mich däucht, dein eignes Schicksal und die Gegenwart haben dich kaum so heftig bewegt als das Andenken dieses großen Königs. Lebt er nicht jetzt noch in dir? oder nennst du nur Leben, was im Fleisch und in dem Sichtbaren fortlebt? und ist dir das dahin und verlohren, was noch in Gedanken wirkt und da ist?

 

Schüler

Wenn dies ein Leben ist, so ist es doch nicht mehr als ein bleiches Schattenleben; denn ist die Erinnerung des Gewesenen, Wirklichen mehr als ihre bleichen Schatten dieser Wirklichkeit!

 

Lehrer

Die positive Gegenwart ist der kleinste und flüchtigste Punkt; indem du die Gegenwart gewahr wirst, ist sie schon vorüber, das Bewußtseyn des Genusses liegt immer in der Erinnerung. Das Vergangene kann in diesem Sinn nur betrachtet werden, ob es nun längst oder soeben vergangen, gleichviel.

 

Schüler

Es ist wahr. So lebt und wirkt aber ein großer Mensch nicht nach seiner Weise in mir fort, sondern nach meiner, nach der Art, wie ich ihn aufnehme, wie ich mich und ob ich mich seiner erinnern will.

 

Lehrer

Freilich lebt er nur fort in dir, in sofern du Sinn für ihn hast, in sofern deine Anlage dich fähig macht, ihn zu empfangen in deinem Innern, in sofern du etwas mit ihm Homogenes hast; das Fremdartige in dir tritt mit ihm in keine Verbindung, und er kann nicht auf es wirken; und nur mit dieser Einschränkung wirken alle Dinge. Das, wofür du keinen Sinn hast, geht für dich verlohren, wie die Farbenwelt dem Blinden.

 

Schüler

Hieraus folgt, daß nichts ganz verlohren geht, daß die Ursachen in ihren Folgen fortwirken (oder wie du dich ausdrückst, fortleben), daß sie aber nur auf dasjenige wirken können, das Empfänglichkeit oder Sinn für sie hat.

 

Meister

Ganz recht!

 

Schüler

Gut! die Welt und die Vernunft möge genug haben an diesem nicht verlohren seyn, an dieser Art fort zu leben, aber mir ist es nicht genug; eine tiefe Sehnsucht führt mich zurück in den Schoos der Vergangenheit, ich möchte einer unmittelbaren Verbindung mit den Manen der großen Vorzeit stehen.

 

Lehrer

Hältst du es denn für möglich?

 

Schüler

Ich hielt es für unmöglich, als noch kein Wunsch mich dahin zog, ja, ich hätte noch vor Kurzem jede Frage der Art für thöricht gehalten; heute wünsche ich schon, eine Verbindung mit der Geisterwelt möchte möglich seyn, ja mir dünkt, ich sey geneigt, sie glaublich zu finden.

 

Lehrer

Mir däucht, die Manen Gustav Adolphs haben deinem innern Auge zu einer glücklichen Geburt verholfen, und du scheinst mir reif, meine Meynung über diese Gegenstände zu vernehmen. So gewiß alle harmonischen Dinge in einer gewissen Verbindung stehen, sie mag nun sichtbar oder unsichtbar seyn, so gewiß stehen auch wir in einer Verbindung mit dem Theil der Geisterwelt, der mit uns harmonieret; ein ähnlicher oder gleicher Gedanke in verschiedenen Köpfen, auch wenn sie nie von einander wußten, ist im geistigen Sinne schon eine Verbindung. Der Tod eines Menschen, der in einer solchen Verbindung mit mir stehet, hebt diese Verbindung nicht auf. Der Tod ist ein chemischer Prozeß, eine Scheidung der Kräfte, aber kein Vernichter, er zerreißt das Band zwischen mir und ähnlichen Seelen nicht, das Fortschreiten des Einen und das Zurückbleiben des Andern aber kann wohl diese Gemeinschaft aufheben, wie ein Mensch, der in allem Vortreflichen fortgeschritten ist, mit seinem unwissenden und roh gebliebenen Jugendfreund nicht mehr harmonieren wird. Du wirst das Gesagte leicht ganz allgemein und ganz aufs Besondere anwenden können.

 

Schüler

Vollkommen! Du sagst, Harmonie der Kräfte ist Verbindung; der Tod hebt diese Verbindung nicht auf, indem er nur scheidet, nicht vernichtet.

 

Lehrer

Ich fügte noch hinzu: das Aufheben dessen, was eigentlich diese Harmonie ausmachte (z. B. Veränderung der Ansichten und Meynungen, wenn die Harmonie gerade darin bestand) müßte auch nothwendig diese Verbindung aufheben.

 

Schüler

Ich hab' es nicht aus der Acht gelassen.

 

Lehrer

Gut! Eine Verbindung mit Verstorbenen kann also statt haben, insofern sie nicht aufgehört haben, mit uns zu harmonieren?

 

Schüler

Zugegeben.

 

Lehrer

Es kommt nur darauf an, diese Verbindung gewahr zu werden. Blos geistige Kräfte können unsern äusseren Sinnen nicht offenbar werden; sie wirken nicht durch unsere Augen und Ohren auf uns, sondern durch das Organ, durch das allein eine Verbindung mit ihnen möglich ist, durch den innern Sinn, auf ihn wirken sie unmittelbar. Dieser innere Sinn, das tiefste und feinste Seelenorgan, ist bei fast allen Menschen gänzlich unentwickelt und nur dem Keim nach da; das Geräusch der Welt, das Getreibe der Geschäfte, die Gewohnheit, nur auf der Oberfläche und nur die Oberfläche zu betrachten, lassen es zu keiner Ausbildung, zu keinem deutlichen Bewußtseyn kommen, und so wird es nicht allgemein anerkannt, und was sich hier und da zu allen Zeiten in ihm offenbaret hat, hat immer so viele Zweifler und Schmäher gefunden; und bis jetzt ist sein Empfangen und Wirken in äußerst seltnen Menschen die seltenste Individualität. – Ich bin weit davon entfernt, so manchen lächerlichen Geisteserscheinungen und Gesichtern das Wort zu reden; aber ich kann es mir deutlich denken, daß der innere Sinn zu einem Grade afficirt werden kann, nach welchem die Erscheinung des Innern vor das körperliche Auge treten kann, wie gewöhnlich umgekehrt, die äussere Erscheinung vor das Auge des Geistes tritt. So brauche ich nicht alles Wunderbare durch Betrug oder Täuschung der Sinne zu erklären. Doch ich erinnere mich, man nennt in der Sprache der Welt diese Entwicklung des innern Sinns überspannte Einbildung.

Wem also der innere Sinn, das Auge des Geistes, aufgegangen ist, der sieht dem Andern unsichtbare, mit ihm verbundene Dinge. Aus diesem innern Sinn sind die Religionen hervorgegangen und so manche Apokalypsen der alten und neuen Zeit. Aus dieser Fähigkeit des innern Sinnes, Verbindungen, die andern Menschen (deren Geistesauge verschlossen ist) unsichtbar sind, wahrzunehmen, entsteht die Prophezeiung, denn sie ist nichts anders als die Gabe, die Verbindung der Gegenwart und Vergangenheit mit der Zukunft, den nothwendigen Zusammenhang der Ursachen und Wirkungen zu sehen. Prophezeiung ist Sinn für die Zukunft. Man kann die Wahrsagekunst nicht erlernen, der Sinn für sie ist geheimnißvoll, er entwickelt sich auf eine geheimnißvolle Art; er offenbart sich oft nur wie ein schneller Blitz, der dann von dunkler Nacht wieder begraben wird. Man kann Geister nicht durch Beschwörungen rufen, aber sie können sich dem Geiste offenbaren, das Empfängliche kann sie empfangen, dem innern Sinn können sie erscheinen.

Der Lehrer schwieg, und sein Zuhörer verließ ihn. Mancherlei Gedanken bewegten sein Inneres, und seine ganze Seele strebte, sich das Gehörte zum Eigenthum zu machen.

 

 

―――――

 

Wunsch

 

Ja Quitos Hand, hat meine Hand berühret

Und freundlich zu den Lippen sie geführet,

An meinem Busen hat sein Haupt geruht.

 

Da fühlt ich tief ein liebend fromm Ergeben.

5

Mußt ich dich überleben, schönes Leben?

Noch Zukunft haben, da du keine hast?

 

Im Zeitenstrome wirst du mir erbleichen,

Stürb ich mit dir, wie bei der Sonne Neigen

Die Farben all' in dunkler Nacht vergehen.

 

 

 

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Ein apokaliptisches Fragment

 

1.

Ich stand auf einem hohen Fels im Mittelmeer, und vor mir war der Ost, und hinter mir der West, und der Wind ruhte auf der See.

 

2.

Da sank der Sonne, und kaum war sie verhüllt im Niedergang, so stieg im Aufgang das das Morgenroth wieder empor, und Morgen, Mittag, Abend und Nacht, jagten sich, in schwindelnder Eile, um den Bogen des Himmels.

 

3.

Erstaunt sah ich sie sich drehen in wilden Kreisen; mein Puls floh nicht schneller, meine Gedanken bewegten sich nicht rascher, und die Zeit in mir gieng den gewohnten Gang, indes sie ausser mir, sich nach neuem Gesetz bewegte.

 

4.

Ich wollte mich hinstürzen in das Morgenroth, oder mich tauchen in die Schatten der Nacht, um mit in ihre Eile gezogen zu werden, und nicht so langsam zu leben; da ich sie aber immer betrachtete, ward ich sehr müde und entschlief.

 

5.

Da sah ich ein weites Meer vor mir, das von keinem Ufer umgeben war, weder im Ost noch Süd noch West, noch Nord; kein Windstoß bewegte die Wellen, aber die unermeßliche See bewegte sich doch in ihren Tiefen, wie von innern Gährungen bewegt.

 

6.

Und mancherlei Gestalten stiegen herauf, aus dem Schoos des tiefen Meeres, und Nebel stiegen empor und wurden Wolken, und die Wolken senkten sich, und berührten in zuckenden Blitzen die gebährenden Wogen.

 

7.

Und immer mannichfalterigere Gestalten entstiegen der Tiefe aber mich ergriffen Schwindel und eine sonderbare Bangigkeit, meine Gedanken wurden hie hin und dort hin getrieben, wie eine Fackel vom Sturmwind, bis meine Erinnerung erlosch.

 

8.

Da ich aber wieder erwachte, und von mir zu wissen anfieng, wußte ich nicht, wie lange ich geschlafen hatte, ob es Jahrhunderte oder Minuten waren; denn ob ich gleich dumpfe und verworrene Träume gehabt hatte, so war mir doch nichts begegnet, was mich an die Zeit erinnert hätte.

 

9.

Aber es war ein dunkles Gefühl in mir, als habe ich geruht im Schoose diese Meeres und sey ihm entstiegen, wie die andern Gestalten. Und ich schien mir ein Tropfen Thau, und bewegte mich lustig hin und wieder in der Luft, und freute mich, daß die Sonne sich in mir spiegle, und die Sterne mich beschauten.

 

10.

Ich ließ mich von den Lüften in raschen Zügen dahin tragen, ich gesellte mich zum Abendroth, und zu des Regenbogens siebenfarbigen Tropfen, ich reihte mich mit meinen Gespielen um den Mond wenn er sich bergen wollte, und begleitete seine Bahn.

 

11.

Die Vergangenheit war mir dahin! ich gehörte nur der Gegenwart. Aber eine Sehnsucht war in mir, die ihren Gegenstand nicht kannte, ich suchte immer, aber jedes Gefundene war nicht das Gesuchte, und sehnend trieb ich mich umher im Unendlichen.

 

12.

Einst ward ich gewahr, daß alle die Wesen, die aus dem Meere gestiegen waren, wieder zu ihm zurückkehrten, und sich in wechselnden Formen wieder erzeugten. Mich befremdete diese Erscheinung; denn ich hatte von keinem Ende gewußt. Da dachte ich, meine Sehnsucht sey auch, zurück zu kehren, zu der Quelle des Lebens.

 

13.

Und da ich dies dachte, und fast lebendiger fühlte, als all mein Bewußtseyn, ward plötzlich mein Gemüth wie mit betäubenden Nebeln umgeben. Aber sie schwanden bald, ich schien mir nicht mehr ich, und doch mehr als sonst ich, meine Gränzen konnte ich nicht mehr finden, mein Bewußtseyn hatte sie überschritten, es war größer, anders, und doch fühlte ich mich in ihm.

 

14.

Erlöset war ich von den engen Schranken meines Wesens, und kein einzler Tropfen mehr, ich war allem wiedergegeben, und alles gehörte mir an, ich dachte, und fühtle, wogte im Meer glänzte in der Sonne, kreiste mit den Sternen; ich fühlte mich in allem, und genos alles in mir.

15. Drum, wer Ohren hat zu hören, der höre! Es ist nicht zwei, nicht dreit, nicht tausende, es ist Eins und alles; es ist nicht Körper und Geist geschieden, daß das eine der Zeit, das andere der Ewigkeit angehöre, es ist Eins, gehört sich selbst, und ist Zeit und Ewigkeit zugleich, und sichtbar, und unsichtbar, bleibend im Wandel, ein unendliches Leben.

 

 

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Die Bande der Liebe

 

Ach! mein Geliebter ist todt, er wandelt im Lande der Schatten,

Sterne leuchten ihm nicht, ihm erglänzt kein Tag

Und ihm schweigt die Geschichte; das Schicksal der Zeiten

Gehet den mächtigen Gang, doch ihn erwecket es nicht;

5

Alles starb mit ihm, mir ist er doch nicht gestorben,

Denn ein ewiges Band eint mir noch immer den Freund.

Liebe heißet dies Band, das an den Tag mir geknüpft

Hat die erebische Nacht, Tod mit dem Leben vereint.

Ja, ich kenne ein Land, wo Todte zu Lebenden reden,

10

Wo sie, dem Orkus entflohn, wieder sich freuen des Lichts,

Wo, von Erinnerungen geweckt, sie auferstehn von den Todten,

Wo ein irdisches Licht glühet im Leichengewand.

Seliges Land der Träume! wo mit Lebendigen Todte

Wandeln, im Dämmerschein, freuen des Daseyns sich noch.

15

Dort, in dem glücklichen Land, begegnet mir wieder die Theure,

Freuet, der Liebe, sich meiner Umarmung noch;

Und ich hauche die Kraft der Jugend dann in den Schatten,

Daß ein lebendig Roth wieder die Wange ihm färbt,

Daß die erstarreten Pulse vom warmen Hauche sich regen,

20

Und der Liebe Gefühl wieder den Busen ihm hebt.

Darum frage nicht, Gespielin, was ich so bebe?

Warum das rosige Roth löscht ein ertödtendes Blaß?

Theil ich mein Leben doch mit unterirdischem Schatten,

Meiner Jugend Kraft schlürfen sie gierig mir aus.

 

 

 

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Des Wanderers Niederfahrt.

 

Wandrer

Dies ist, hat mich der Meister nicht betrogen,

Des Westes Meer, in dem der Nachtwind braußt.

Dies ist der Untergang, von Gold umzogen,

Und dies die Grotte, wo mein Führer haußt. –

 

5

Bist du es nicht, den Tag und Nacht geboren,

Des Scheitel freundlich Abendröthe küßt?

In dem sein Leben Hälios verlohren

Und dessen Gürtel schon die Nacht umfließt.

 

Herold der Nacht! bist du's, der zu ihr führet,

10

Der Sohn, den sie dem Sonnengott gebieret?

 

Führer

Ja, du bist an dessen Grotte,

Der dem starken Sonnengotte

In die Zügel fiel.

Der die Rosse westwärts lenket,

15

Daß sich hin der Wagen senket,

An des Tages Ziel.

 

Und es sendet mir noch Blicke,

Liebevoll der Gott zurücke,

Scheidend küßt er mich;

20

Und ich seh' es, weine Thränen,

Und ein süßes, stilles Sehnen

Färbet bleicher mich;

 

Bleicher, bis mich hat umschlungen,

Sie, aus der ich halb entsprungen,

25

Die verhüllte Nacht.

In ihre Tiefen führt mich ein Verlangen,

Mein Auge schauet noch der Sonne Pracht,

Doch tief im Tale hat sie mich umfangen,

Den Dämmerschein verschlingt schon Mitternacht.

 

Wandrer

30

O führe mich! du kennest wohl die Pfade

Ins alte Reich der dunklen Mitternacht;

Hinab will ich ans finstere Gestade,

Wo nie der Morgen, nie der Mittag lacht.

Entsagen will ich jenem Tagesschimmer,

35

Der ungern uns der Erde sich vermählt,

Geblendet hat mich trüg'risch nur der Flimmer,

Der Ird'sches nie zur Heimath sich erwählt.

Vergebens wollt' den Flüchtigen ich fassen,

Er kann doch nie vom steten Wandel lassen.

40

Drum führe mich zum Kreis der stillen Mächte,

In deren tiefem Schoos das Chaos schlief,

Eh, aus dem Dunkel ew'ger Mitternächte,

Der Lichtgeist es herauf zum Leben rief.

Dort, wo der Erde Schoos noch unbezwungen

45

In dunkle Schleier züchtig sich verhüllt,

Wo er, vom frechen Lichte nicht durchdrungen,

Noch nicht erzeugt dies schwankende Gebild,

Der Dinge Ordnung, dies Geschlecht der Erde!

Dem Schmerz und Irrsal ewig bleibt Gefährte.

 

Führer

50

Willst du die Götter befragen,

Die des Erdballs Stützen tragen,

Lieben der Erde Geschlecht.

Die in seliger Eintracht wohnen,

Ungeblendet von irdischen Sonnen,

55

Ewig streng und gerecht;

So komm, eh ich mein Leben ganz verhauchet,

Eh mich die Nacht in ihre Schatten tauchet.

 

Wandrer

Horch! es heulen laut die Winde

Und es engt sich das Gewinde

60

Meines Wegs durch Klüfte hin.

Die verschloß'nen Ströme brausen

Und ich seh mit kaltem Grausen,

Daß ich ohne Führer bin.

Ich sah ihn blässer, immer blässer werden,

65

Und es begrub die Nacht mir den Gefährten.

 

In Wasserfluthen hör ich Feuer zischen,

Seh, wie sich brausend Elemente mischen,

Wie, was die Ordnung trennet, sich vereint.

Ich seh, wie Ost und West sich hier umpfangen,

70

Der laue Süd spielt um Boreas Wangen,

Das Feindliche umarmet seinen Feind

Und reißt ihn fort in seinen starken Armen:

Das Kalte muß in Feuersgluth erwarmen.

 

Tiefer führen noch die Pfade

75

Mich hinab, zu dem Gestade,

Wo die Ruhe wohnt,

Wo des Lebens Farben bleichen,

Wo die Elemente schweigen

Und der Friede thront.

 

Erdgeister

80

Wer hieß herab dich in die Tiefe steigen

Und unterbrechen unser ewig Schweigen?

 

Wandrer

Der rege Trieb: die Wahrheit zu ergründen!

 

Erdgeister

So wolltest in der Nacht das Licht du finden?

 

Wandrer

Nicht jenes Licht, das auf der Erde gastet

85

Und trügerisch dem Forscher nur entflieht,

Nein, jenes Urseyn, das hier unten rastet

Und rein nur in der Lebensquelle glüht.

Die unvermischten Schätze wollt' ich heben,

Die nicht der Schein der Oberwelt berührt,

90

Die Urkraft, die, der Perle gleich, vom Leben

Des Daseyns Meer in seinen Tiefen führt,

Das Leben in dem Schoos des Lebens schauen,

Wie es sich kindlich an die Mutter schlingt,

In ihrer Werkstadt die Natur erschauen,

95

Sehn, wie die Schöpfung ihr am Busen liegt.

 

Erdgeister

So wiß! es ruht die ew'ge Lebensfülle

Gebunden hier noch in des Schlafes Hülle

Und lebt und regt sich kaum;

Sie hat nicht Lippen, um sich auszusprechen,

100

Noch kann sie nicht des Schweigens Siegel brechen,

Ihr Daseyn ist noch Traum;

Und wir, wir sorgen, daß noch Schlaf sie decke,

Daß sie nicht wache, eh die Zeit sie wecke.

 

Wandrer

O ihr! die in der Erde waltet,

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Der Dinge Tiefe habt gestaltet,

Enthüllt, enthüllt euch mir!

 

Erdgeister

Opfer nicht und Zauberworte

Dringen durch der Erde Pforte,

Erhörung ist nicht hier.

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Das Ungeborne ruhet hier verhüllet

Geheimnißvoll, bis seine Zeit erfüllet.

 

Wandrer

So nehmt mich auf, geheimnisvolle Mächte,

O wieget mich in tiefen Schlummer ein.

Verhüllet mich in eure Mitternächte,

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Ich trete freudig aus des Lebens Reihn.

Laßt wieder mich zum Mutterschoose sinken,

Vergessenheit und neues Daseyn trinken.

 

Erdgeister

Umsonst! an dir ist uns're Macht verlohren,

Zu spät! du bist dem Tage schon geboren;

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Geschieden aus dem Lebenselement.

Dem Werden können wir, und nicht dem Seyn gebieten

Und du bist schon vom Mutterschoos geschieden,

Durch dein Bewußtseyn schon vom Traum getrennt.

Doch schau hinab, in deiner Seele Gründen,

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Was du hier suchest, wirst du dorten finden,

Des Weltalls seh'nder Spiegel bist du nur.

Auch dort sind Mitternächte, die einst tagen,

Auch dort sind Kräfte, die vom Schlaf erwachen,

Auch dort ist eine Werkstatt der Natur.

 

 

Liebe

 

O reiche Armuth! Gebend, seliges Empfangen!

In Zagheit Muth! in Freiheit doch gefangen.

In Stummheit Sprache,

Schüchtern bei Tage

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Siegend mit zaghaftem Bangen.

 

Lebendiger Tod, im Einen sel'ges Leben

Schwelgend in Noth, im Widerstand ergeben,

Genießend schmachtend,

Nie satt betrachten

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Leben im Traum und doppelt Leben.

 

 

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Ariadne auf Naxos

 

Auf Naxos Felsen weint verlassen Minos Tochter.

Der Schönheit heisses Flehn erreicht der Götter Ohr.

Von seinem Thron herab senkt, Kronos Sohn, die Blitze,

Sie zur Unsterblichkeit in Wettern aufzuziehn.

 

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Poseidon, Lieb entbrannt, eröffnet schon die Arme,

Umschlingen will er sie, mit seiner Fluthen Nacht.

Soll zur Unsterblichkeit nun Minos Tochter steigen?

Soll sie, den Schatten gleich, zum dunklen Orkus gehen?

 

Ariadne zögert nicht, sie stürzt sich in die Fluthen:

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Betrogner Liebe Schmerz soll nicht unsterblich seyn!

Zum Götterloos hinauf mag sich der Gram nicht drängen,

Des Herzens Wunde hüllt sich gern in Gräbernacht.