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Theodor Fontane
Mathilde Möhring
 


 






 




F o n t a n e s  A r b e i t s n o t i z e n
u n d  T e x t v a r i a n t e n





Erste Seite des Originalmanuskripts


[Notiz am Ende des Manuskripts]
[Arbeitsnotizen und Entwürfe zu einzelnen Kapiteln]

 
[Notiz am Ende des Manuskripts]

     Im wesentlichen ist alles in Ordnung. auch das ist gut, daß Thilde schließlich - namentlich unmittelbar nach dem Tode Hugos - etwas von ihrer Prosa verliert und vorübergehend unter einen stillen Einfluß des Toten und seines milden Wesens kommt.

     Nur einzelne Punkte sind zu ordnen.

     1.
Thilde muß noch bei Lebzeiten des Vaters in gute Schulen gekommen sein und schon damals die Absicht gehabt haben, Erzieherin
[darüber: Lehrerin] zu werden.

     2.
Es muß von einem Sparkassenbuch gleich zu Anfang (als Thilde anfängt Geld auszugeben) die Rede sein.

     3.
Von Hugos Mutter und Schwester muß ein klein bißchen mehr die Rede sein, auch muß man erfahren, daß bei ihm ein Restchen von Vermögen oder sonst eine Geldhülfe da ist.

     4.
Ich muß durch Friedlaender erfahren, welche juristischen Einpaukebücher es gibt oder gab.

     5.
Unter Möhrings, zwei Treppen hoch, darf kein Rechnungsrat wohnen, weil schon Schultze einer is[t]; es muß ein Rentier sein, der früher ein Graupengeschäft besessen hatte.

     6.
Zur Hochzeit müssen auch die Verwandten erscheinen, die zu Weihnacht oder Silvester bei der Verlobung waren.

     7.
Die Möbel werden zum Teil in Woldenstein gemacht, aber zum Teil auch aus einem Berliner Ausstattungs- oder Möbelgeschäft genommen, auf Abschlagszahlung. Aus dem Auktionsertrag wird nun diese Schuldsumme bezahlt. Das ist nötig hervorzuheben, weil Möhrings Vermögensverhältnisse bis zuletzt immer nur einen unsichren Eindruck machen müssen, auch das halbjährige Gehalt geht drauf in Schuldenbezahlen, so daß sie nichts haben als die Witwen-Pension, also etwa 400 Taler. Dadurch wird es auch nötig, daß Thilde noch wieder zuerwirbt.

     8.
Wichtig ist noch folgendes: Thilde lehnt es im letzten Kapitel ab, wieder ihren Mädchennamen anzunehmen, und diese Szene muß bleiben. Im Schlußabschnitt aber (s. letzte Seite) muß es gleich zu Anfang heißen: Alles, was sie gesagt, war ihr Ernst [darüber: ernst]. Als aber das Examen immer näher rückte, bekehrte sie sich doch zu der Ansicht der Alten und sagte: «Ja, der Mädchenname is doch besser - es soll ganz wieder werden, wie es war. Ich werde noch einmal als Witwe hingehn, aber dann werde ich es alles weglassen und meine Vergangenheit wieder aufnehmen, als wäre es nicht gewesen.»

 
[Arbeitsnotizen und Entwürfe
zu einzelnen Kapiteln]


[Zum 1. Kapitel:]

     Gleich zu Anfang muß durch Thilde gesagt werden: ja, er sieht forsch genug aus und hat den Vollbart, aber er ist foosch. Es sitzt ihm irgendwo. Manche haben solche Brust und ist doch alles spack und foosch.

[Zum 4. Kapitel:]

     Und dann weiterhin, als Rybinski zuerst auftritt und fragt: «Na, wie war es denn in Oginsk [sic!]?» und er die Geschichte von der Stiefelkiste erzählt, da muß doch angedeutet werden, daß er zunächst noch ein paar tausend Taler hat, die er nun bis zum Examen ausgeben kann. Nur so erklärt sich eine gewisse Forscheté während der Weihnachtswoche.

[Zum 6. Kapitel:]

     Gut. Nur den Schluß (mit der Runtschen) im Dialog weiter ausführen. Aber nur etwa 1 Blatt, alles ganz kurz.

     «. . . da finden Sie allemal eine.»

     «Na, wenn's erlaubt is, denn nehm ich sie mir solange.»

     «Ja, Frau Runtschen, und dann noch eins: . . .»

     Noch etwas fortsetzen (ganz kurz) und dann:

     «Und dann, Runtschen, die schwarze Klappe da dürfen Sie nich länger als 8 Tage tragen, ich werde jeden Sonnabend eine neue anschaffen. Ihr Schaden soll es nicht sein.»

[Zum 7. Kapitel:]

     Enthält alles. Nur das Angedeutete mehr ausführen. Aber nicht lang.

[Zum 8. Kapitel:]

     Enthält nur die Überschriften. Alles ausführen, besonders die Bewirtung und Verlobung am Weihnachtsabend.

     Frau Leutnant Petermann. Gleich als zuerst von ihr die Rede ist, muß gesagt werden, daß ihr Mann 1849 in Baden gefallen war.

     Genesung. Etwa Mitte Dezember. Erster Ausgang. Weihnacht. Verlobung. Rybinski und Braut zugegen. Und ein Vetter von Hugo, Verwandter von Karoline Pichler. Die Runtschen u. ihre verheiratete Tochter.

[Zum 9. Kapitel:]

     Enthält auch alles. Nur ausführen. Namentlich das Gespräch, das die Runtschen, referierend, mit der Leutnant Petermann führt. Spaziergänge in der Weihnachtswoche kurz. Silvester auch kurz, weil sonst das Weihnachtsfest mit der Verlobung entwertet wird.

     Der andre Morgen. Die Runtschen erstattet Bericht bei Frau Leutnant Petermann. Ihr Mann war schon 1849 in Baden gefallen. Dies ist eine Hauptsache. Hugo und Mathilde gehen aus und besuchen Weihnachtslokale. Am Silvester wurde gegossen.

[Zum 10. Kapitel:]

     Halb fertig. Erst Zwiegespräch zwischen Thilde und Hugo. Dann Zwiegespräch zwischen Thilde und ihrer Mutter.

     Schöner Wintermorgen: er [gestrichen: geht] macht einen Frühspaziergang, glücklich, gehoben. Als er zurückkommt, Thilde, wohlgekleidet, empfängt ihn. Er macht Vorschläge für den Abend. Szene, Gespräch. Er ist mit allem einverstanden.

     Es ist fraglich, ob hier gleich noch (in diesem Kapitel) das Gespräch zwischen Thilde u. der Alten folgen muß oder zu Beginn des nächsten.

[Früherer Entwurf]

     Wieder Spaziergänge. Mittags bei Möhrings. Die Alte schläft. Zwiegespräch zwischen Hugo u. Mathilde. «Ja wie denkst du dir nun eigentlich das Leben?» Sie tritt ganz dezidiert auf. Programm. Er willigt ein. Dann 3 Sterne. Nun Schilderung, wie sie's anfängt. Abends liest sie ihm was vor. Bei Tage Repetitorium. Er lernte schlecht; es langweilte ihn. Aber sie zwang es doch. [Gestrichen: Zwiegespräch mit der Mutter über ihn.] Am 24. März war Examen. Er kam grade noch so durch.

     Am Abend sahen sie Rybinski als Tellheim, seine sogenannte Braut als Franziska. Hugo war deprimiert. Er blieb es auch u. ging bald in sein Zimmer. Da stellte er seine Betrachtungen an. «Ja, das war ein Leben. Was war er? Referendar. Knapp zu. Nur noch so grade durchgeschlüpft. Und nu das zweite Examen. Assessor? Ja, wie sollte das werden.»

     Als sie zu Hause waren, hatte Mathilde ein Zwiegespräch mit der Mutter. Sie schildert ihn in seiner Unbedeutendheit. «Wir hatten schon mal so einen. Solche, die immer ins Theater gehn und immer denken, ‹ach, ich möchte auch mal›, und immer Zeichen machen und was beischreiben, wenn sie lesen, und abends das Licht verbrennen und morgens nich rauskönnen, ach Mutter, die kenn ich. damit is nich viel los. Und mit Hugo'n is auch nich viel los.»

     «Aber, Thilde, warum hast du dich denn mit ihm so gehabt? Warum hast du ihn denn auf die Chaiselongue gepackt und wolltest sie ihm auch noch rüberstellen - na, daraus wurde dann nichts, ja, warum hast du dich denn mit ihm eingelassen?»

     «Eingelassen, Mutter?»

     «Na, ich mein ja bloß eingelassen. Eingelassen is es doch am Ende auch.»

     «Nein, Mutter eingelassen, das wäre schlimm, schlimm. wenn ich meine Achtung nicht mehr hätte. Nein, Mutter, so is es nicht. Nich rühr an. Und daß ich mich mit ihm verlobt habe, das ist etwas andres. Das war aus [gestrichen Mitleid und] gutem Herzen. Denn er braucht einen, der ihn immer stößt und tritt. Und du sollst mal sehn, ich zwing es auch doch noch.»

     «Ja, Thilde, du bist doch kein Professor. Oder glaubst du, daß du ihm nun alles auch noch eintrichterst?»

     «I bewahre. Nu geht es nicht mehr weiter, er hat nich viel Platz' und soviel, wie's ging [korrigiert aus: wie rinn ging], soviel is drin. Und in 3 Tagen ist die Hälfte schon wieder rausgefalln.»

     «Aber was soll denn mit euch werden. Und wir leben doch nu so forsch, als ob wir's hätten. Ach Thilde, wo soll es denn herkommen. Wir sind doch bloß kleine Leute.»

     «Nein, Mutter, wir sind nicht kleine Leute Ein Buchhalter ist ein Beamter, und du mußt doch denken, es war ein Exportgeschäft bis nach Java. Das is wo der Kaffee herkommt.»

     «Ja, ja . . .»

     «Die Runtschen is kleine Leute, aber nicht wir, und wir wohnen in einem anständigen Hause und bezahlen unsre Miete und sind Wohlgeboren . . .»

     «Aber davon können wir doch nicht leben.»

     «Sollst du auch nicht, Mutter. Ich werde schon sorgen, daß er etwas wird. Das Geld liegt auf der Straße, sagen die Leute. Man muß nur Augen haben und sehen, wo's liegt und was das Richtige ist für den [ursprünglich: Aber für den Richtigen liegt es überall]. Außerdem ist er ein hübscher Mensch und sieht beinah aus wie 'n Apostel. Ich bring ihn schon an. Und ich will nicht Thilde heißen, wenn wir nicht zu Johanni Hochzeit haben.»

     «Gott, Gott, wenn es man wahr ist.»

[Zum 11. Kapitel:]

     Enthält alles. Nur ausführen.

     Er macht das Examen. Szenen unmittelbar darauf. Thilde läßt ihn ganz in Ruh. Zeitungsdurchsichten. Findet. Er erhält die Stelle.

[Früherer Entwurf zur Examensfeier]

     Hugo schrieb Briefe nach Haus, auch Rybinski ließ er es wissen. Als er gegen 7 wieder hinüberging, fand er einen Tisch arrangiert. Thilde hatte aus dem großen Restaurant in der Friedrichsstraße das alles herbeigeschafft, auch eine Flasche Rheinwein.

     Hugo wurde seiner belegten Stimmung entrissen, und ein Gefühl ergriff ihn, doch vielleicht in allem das Rechte getroffen zu haben; es waren gute, liebe, ordentliche Menschen, alles andre war ja nur Schein, Plattiertheit, hier war wirkliches Metall. Über dies Wort mußte er doch inmitten seiner Betrachtungen lächeln. Er reichte Thilden die Hand, wie wenn er sagen wollte: «Wir verstehn uns», und dann hielt er einen kleinen Toast, in dem er sinnig die alte Möhring und den Examinator verband und Ähnlichkeiten zwischen ihnen hervorhob und dann beide leben ließ.

     Nach Tisch brachte Thilde einen ganz starken Kaffee. «Thilde», sagte die Alte, «der geht aber zu sehr ins Blut; ich kriege dann immer solch Jucken, oder eigentlich is es wie kleine Stiche.» - «Na laß nur, Mutter, wenn es dir nur schmeckt.» - «Ja, schmecken tut es mir.» Dann mußte sich Hugo in die Sofaecke setzen, die Mutter in den Großvaterstuhl, und dann mußt er ganz genau erzählen, wie's gewesen war, und zuletzt kamen sie auf alte Zeiten, und Hugo erzählte von seinen Kindertagen in Owinsk und welch forsches Leben damals sein Vater geführt hätte, Rechtsanwalt und Burgemeister und Apotheker, die lebten immer am besten und hätten das meiste Geld.

     Thilde hörte zu, nahm sich allerhand Gutes daraus und machte Pläne. Hugo selbst war in eine weiche Stimmung gekommen und sagte, «das sei doch noch ein Leben gewesen». Und dabei sah er Thilden immer nach den Augen, weil er sehn wollte, wie das auf sie wirke. Sie saß ziemlich nachdenklich dabei, was ihn zu bedrucken anfing. Er war ja nun erst Referendarius. Referendar, nun ja, das war ja ganz gut. Aber nu blieb noch der Assessor. Und wenn er daran dachte, daß das nu wieder losgehen solle und daß die zweite Weghälfte doch viel steiniger sei, dann wurd ihm angst. - So kam es, daß er am Tage seines Sieges zuletzt in einer Stimmung war, als ob er eine Niederlage erlitten hätte. - So ging er zu Ruh, und mit einem gesteigerten Angstgefühl wachte er auf.

     Aber es kam anders. Thilde dachte gar nicht daran, ihn weiter zu quälen. (Dies nun ausführen.)

[Entwurf zu Mathildes
Stellensuche in der Zeitung]


     [. . .] ganz wie einen Herrn und vermied alles, was ihn deprimieren und ihm sein bißchen Selbstvertraun rauben könnte. In der Hausordnung [?] war das Nächste eine neue Ausgabe, sie traf Anstalten, Zeitungen ins Haus zu kriegen, und weil sie den Spediteur kannte, kriegte sie jeden Tag 3 Zeitungen, die sie nach einer Stunde wieder abliefern mußte: die Vossische, die Kreuz-Zeitung und die Posensche Zeitung. Die letztre wählte sie aus einem Ahnungsvermögen heraus, und gleich als sie die erste Nummer sah, sagte sie: «Da find ich es.» Ihre Hoffnung wurde aber auf eine harte Probe gestellt, denn schon waren die ersten Zeitungen [?] da und noch immer nichts gefunden. Da mit einem Male verklärte sich ihr Blick. Sie fand: «Unsre Stadt sucht einen Burgemeister. Es ist nötig, daß er Jura studiert hat und innerhalb der Jurisprudenz steht. Dienstwohnung und Holz aus unsrer Stadtforst und ein Gehalt von 2400 Mark. Allenstein. Der Magistrat u. die Stadtverordneten.» Zwiegespräch (ganz kurz) mit Hugo. Er schreibt. Wird akzeptiert. Er präsentierte sich, machte einen guten Eindruck, und am 24. Juni war die Hochzeit. Nur klein, aber doch im Englischen Hause.

[Zum 16. Kapitel]

     Ankunft, [nicht entzifferbares Wort]. Krimstecher. [nicht entzifferbares Wort] die eine Reise nach der Sächsischen Schweiz machen will. Betrachtungen von Schulze und der Petermann etc.

     Oben Zwiegespräch zwischen der Alten und Thilde.

     Sie geht in Hugos Zimmer, setzt sich ans Fenster. Betrachtungen. «Als ich auf den Marktplatz sah, dachte ich an hier, hier denke ich an den Marktplatz. Viel is hier nich u. viel war da nich. Aber der Marktplatz war doch besser, man war doch was, man zählte doch mit. Hier is nun nichts. Und nu die gute alte Frau. Aber ich darf nicht zu viel sagen; eigentlich bin ich ebenso, denke auch immer, ob's reicht, ob man auskommt, bloß die Zeit ist anders und das bißchen Schule.»

[Zum 17. Kapitel]

[Früherer Entwurf
zum Schluß]


     Das war kurz vor Beginn der Schule. Später kam man selten drauf zurück, nur an den Gedächtnistagen sprachen sie von Hugo. Sonst ging Thilde ganz in ihrem neuen Beruf auf, und das tut sie noch.
 
 
 
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