BIBLIOTHECA AUGUSTANA

 

Johann Gottlieb Fichte

1762 - 1814

 

Reden an die deutsche Nation

 

1807/08

 

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Siebente Rede.

 

Noch tiefere Erfassung der Ursprünglichkeit

und Deutschheit eines Volkes.

 

Es sind in den vorigen Reden angegeben und in der Geschichte nachgewiesen die Grundzüge der Deutschen als eines Urvolkes, und als eines solchen, das das Recht hat, sich das Volk schlechtweg, im Gegensatze mit anderen von ihm abgerissenen Stämmen zu nennen, wie denn auch das Wort Deutsch in seiner eigentlichen Wortbedeutung das soeben Gesagte bezeichnet. Es ist zweckmässig, dass wir bei diesem Gegenstande noch eine Stunde verweilen, und uns auf den möglichen Einwurf einlassen, dass, wenn dies deutsche Eigenthümlichkeit sey, man werde bekennen müssen, dass dermalen unter den Deutschen selber wenig Deutsches mehr übrig sey. Indem auch wir diese Erscheinung keinesweges läugnen können, sondern sie vielmehr anzuerkennen und in ihren einzelnen Theilen sie zu übersehen gedenken, wollen wir mit einer Erklärung derselben anheben.

Das war im Ganzen das Verhältniss des Urvolkes der neuen Welt zum Fortgange der Bildung dieser Welt, dass das erstere durch unvollständige und auf der Oberfläche verbleibende Bestrebungen des Auslandes erst angeregt werde zu tieferen, aus seiner eigenen Mitte herauszuentwickelnden Schöpfungen. Da von der Anregung bis zur Schöpfung es ohne Zweifel seine Zeit dauert, so ist klar, dass ein solches Verhältniss Zeiträume herbeiführen werde, in welchem das Urvolk fast ganz mit dem Auslande verflossen, und demselben gleich erscheinen müsse, weil es nemlich gerade im Zustande des blossen Angeregtseyns sich befindet, und die dabei beabsichtigte Schöpfung noch nicht zum Durchbruche gekommen ist. In einem solchen Zeitraume befindet sich nun gerade jetzt Deutschland in Absicht der grossen Mehrzahl seiner gebildeten Bewohner, und daher rühren die durch das ganze innere Wesen und Leben dieser Mehrzahl verflossenen Erscheinungen der Ausländerei. Die Philosophie, als freies, von allen Fesseln des Glaubens an fremdes Ansehen erledigtes Denken, sey es, wodurch dermalen das Ausland sein Mutterland anrege, haben wir in der vorigen Rede ersehen. Wo es nun von dieser Anregung aus nicht zur neuen Schöpfung gekommen, welches, da die letzte von der grossen Mehrzahl unvernommen geblieben, bei äusserst wenigen der Fall ist: da gestaltet sich theils noch jene schon früher bezeichnete Philosophie des Auslandes selber zu anderen und anderen Formen; theils bemächtiget sich der Geist derselben auch der übrigen, an die Philosophie zunächst grenzenden Wissenschaften, und sieht an dieselben aus seinem Gesichtspuncte; endlich, da der Deutsche seinen Ernst und sein unmittelbares Eingreifen in das Leben doch niemals ablegen kann, so fliesst diese Philosophie ein auf die öffentliche Lebensweise und auf die Grundsätze und Regeln derselben. Wir werden dies Stück für Stück darthun.

Zuvörderst und vor allen Dingen: der Mensch bildet seine wissenschaftliche Ansicht nicht etwa mit Freiheit und Willkür, so oder so, sondern sie wird ihm gebildet durch sein Leben, und ist eigentlich die zur Anschauung gewordene innere und übrigens ihm unbekannte Wurzel seines Lebens selbst. Was du so recht innerlich eigentlich bist, das tritt heraus vor dein äusseres Auge, und du vermöchtest niemals etwas anderes zu sehen. Solltest du anders sehen, so müsstest du erst anders werden. Nun ist das innere Wesen des Auslandes, oder der Nichtursprünglichkeit, der Glaube an irgend ein Letztes, Festes, umveränderlich Stehendes, an eine Grenze, diesseits welcher zwar das freie Leben sein Spiel treibe, welche selbst aber es niemals zu durchbrechen, und durch sich flüssig zu machen und sich in dieselbe zu verflössen vermöge. Diese undurchdringliche Grenze tritt ihm darum irgendwo nothwendig auch vor die Augen, und es kann nicht anders denken oder glauben, ausser unter Voraussetzung einer solchen, wenn nicht sein ganzes Wesen umgewandelt, und sein Herz ihm aus dem Leibe gerissen werden soll. Es glaubt nothwendig an den Tod, als das Ursprüngliche und Letzte, den Grundquell aller Dinge, und mit ihnen des Lebens.

Wir haben hier nur zunächst anzugeben, wie dieser Grundglaube des Auslandes unter den Deutschen dermalen sich ausspreche.

Er spricht sich aus zuvörderst in der eigentlichen Philosophie. Die dermalige deutsche Philosophie, inwiefern dieselbe hier der Erwähnung werth ist, will Gündlichkeit und wissenschaftliche Form, ohnerachtet sie dieselbe nicht zu erschwingen vermag, sie will Einheit, auch nicht ohne früheren Vorgang des Auslandes, sie will Realität und Wesen – nicht blosse Erscheinung, sondern eine in der Erscheinung erscheinende Grundlage dieser Erscheinung, und hat in allen diesen Stücken recht, und übertrifft sehr weit die herrschenden Philosophien des dermaligen auswärtigen Auslandes, indem sie in der Ausländerei weit gründlicher und folgebeständiger ist, denn jenes. Diese der blossen Erscheinung unterzulegende Grundlage ist ihnen nun, wie sie sie auch etwa noch fehlerhafter weiterbestimmen mögen, immer ein festes Seyn, das da ist, was es eben ist, und nichts weiter, in sich gefesselt und an sein eigenes Wesen gebunden; und so tritt denn der Tod und die Entfremdung von der Ursprünglichkeit, die in ihnen selbst sind, auch heraus vor ihre Augen. Weil sie selbst nicht zum Leben schlechtweg, aus sich selber heraus, sich aufzuschwingen vermögen, sondern für freien Aufflug stets eines Trägers und einer Stütze bedürfen, darum kommen sie auch mit ihrem Denken, als dem Abbilde ihres Lebens, nicht über diesen Träger hinaus: das, was nicht Etwas ist, ist ihnen nothwendig Nichts, weil zwischen jenem in sich verwachsenen Seyn und dem Nichts ihr Auge nichts weiter sieht, da ihr Leben da nichts weiter hat Ihr Gefühl, worauf auch allein sie sich berufen können, erscheint ihnen als untrüglich; und so jemand diesen Träger nicht zugiebt, so sind sie weit entfernt von der Voraussetzung, dass er mit dem Leben allein sich begnüge, sondern sie glauben, dass es ihm nur an Scharfsinn fehle, den Träger, der ohne Zweifel auch ihn trage, zu bemerken, und dass er der Fähigkeit, sich zu ihren hohen Ansichten aufzuschwingen, ermangele. Es ist darum vergeblich und unmöglich, sie zu belehren; machen müsste man sie, und anders machen, wenn man könnte. In diesem Theile ist nun die dermalige deutsche Philosophie nicht deutsch, sondern Ausländerei.

Die wahre, in sich selbst zu Ende gekommene und über die Erscheinung hinweg wahrhaft zum Kerne derselben durchgedrungene Philosophie hingegen geht aus von dem Einen, reinen, göttlichen Leben, – als Leben schlechtweg, welches es auch in alle Ewigkeit, und darin immer Eines bleibt, nicht aber als von diesem oder jenem Leben; und sie sieht, wie lediglich in der Erscheinung dieses Leben unendlich fort sich schliesse und wiederum öffne, und erst diesem Gesetze zufolge es zu einem Seyn und zu einem Etwas überhaupt komme. Ihr entsteht das Seyn, was jene sich vorausgeben lässt. Und so ist denn diese Philosophie recht eigentlich nur deutsch, d. i. ursprünglich; und umgekehrt, so jemand nur ein wahrer Deutscher würde, so würde er nicht anders denn also philosophiren können.

Jenes, obwohl bei der Mehrzahl der deutsch Philosophirenden herrschende, dennoch nicht eigentlich deutsche Denksystem greift, ob es nun mit Bewusstseyn als eigentliches philosophisches Lehrgebäude aufgestellt sey, oder ob es nur unbewusst unserem übrigen Denken zum Grunde liege, – es greift, sage ich, ein in die übrigen wissenschaftlichen Ansichten der Zeit; wie denn dies ein Hauptbestreben unserer durch das Ausland angeregten Zeit ist, den wissenschaftlichen Stoff nicht mehr bloss, wie wohl unsere Vorfahren thaten, in das Gedächtniss zu fassen, sondern denselben auch selbstdenkend und philosophirend zu bearbeiten In Absicht des Bestrebens überhaupt hat die Zeit recht; wenn sie, aber, wie dies zu erwarten ist, in der Ausführung dieses Philosophirens von der todtgläubigen Philosophie des Auslandes ausgeht, wird sie unrecht haben. Wir wollen hier nur auf die unserem ganzen Vorhaben am nächsten liegenden Wissenschaften einen Blick werfen, und die in ihnen verbreiteten ausländischen Begriffe und Ansichten aufsuchen.

Dass die Errichtung und Regierung der Staaten als eine freie Kunst angesehen werde, die ihre festen Regeln habe, darin hat ohne Zweifel das Ausland, es selbst nach dem Muster des Alterthums, uns zum Vorgänger gedient. Worein wird nun ein solches Ausland, das schon an dem Elemente seines Denkens und Wollens, seiner Sprache, einen festen, geschlossenen und todten Träger hat, und alle, die ihm hierin folgen, diese Staatskunst setzen? Ohne Zweifel in die Kunst, eine gleichfalls feste und todte Ordnung der Dinge zu finden, aus welchem Tode das lebendige Regen der Gesellschaft hervorgehe, und also hervorgehe, wie sie es beabsichtigt: alles Leben in der Gesellschaft zu einem grossen und künstlichen Druck- und Räderwerke zusammenzufügen, in welchem jedes Einzelne durch das Ganze immerfort genöthigt werde, dem Ganzen zu dienen; ein Rechenexempel zu lösen aus endlichen und benannten Grössen zu einer nennbaren Summe, aus der Voraussetzung, jeder wolle sein Wohl, zu dem Zwecke eben dadurch jeden wider seinen Dank und Willen zu zwingen, das allgemeine Wohl zu befördern. Das Ausland hat vielfältig diesen Grundsatz ausgesprochen, und Kunstwerke jener gesellschaftlichen Maschinenkunst geliefert; das Mutterland hat die Lehre angenommen, und die Anwendung derselben zu Hervorbringung gesellschaftlicher Maschinen weiter bearbeitet, auch hier, wie immer, umfassender, tiefer, wahrer, seine Muster bei weitem übertreffend. Solche Staatskünstler wissen, falls es etwa mit dem bisherigen Gange der Gesellschaft stockt, dies nicht anders zu erklären, als dass etwa eines der Räder derselben ausgelaufen seyn möge, und kennen kein anderes Heilungsmittel denn dies die schadhaften Räder herauszuheben und neue einzusetzen. Je eingewurzelter jemand in diese mechanische Ansicht der Gesellschaft ist, jemehr er es versteht, diesen Mechanismus zu vereinfachen, indem er alle Theile der Maschine so gleich als möglich macht, und alle als gleichmässigen Stoff behandelt, für einen desto grösseren Staatskünstler gilt er, mit Recht in dieser unserer Zeit; – denn mit den unentschieden schwankenden, und gar keiner festen Ansicht fähigen ist man noch übler daran.

Diese Ansieht der Staatskunst prägt durch ihre eiserne Folgegemässheit und durch einen Anschein von Erhabenheit, der auf sie fällt, Achtung ein; auch leistet sie, besonders, wo alles nach monarchischer und immer reiner werdender monarchischer Verfassung drängt, bis auf einen gewissen Punct gute Dienste. Angekommen aber bei diesem Puncte, springt ihre Ohnmacht in die Augen. Ich will nemlich annehmen, dass ihr eurer Maschine die von euch beabsichtigte Vollkommenheit durchaus verschafft hättet, und dass in ihr jedwedes niedere Glied unausbleiblich und unwiderstehlich gezwungen werde durch ein höheres, zum Zwingen gezwungenes Glied, und sofort bis an den Gipfel; wodurch wird denn nun euer letztes Glied, von dem aller in der Maschine vorhandene Zwang ausgeht, zu seinem Zwingen gezwungen? Ihr sollt schlechthin allen Widerstand, der aus der Reibung der Stoffe gegen jene letzte Triebfeder entstehen könnte, überwunden, und ihr eine Kraft gegeben haben, gegen welche alle andere Kraft in nichts verschwinde, was allein ihr auch durch Mechanismus könnt, und sollt also die allerkräftigste monarchische Verfassung erschaffen haben; wie wollt ihr denn nun diese Triebfeder selbst in Bewegung bringen, und sie zwingen, ohne Ausnahme das Rechte zu sehen und zu wollen? Wie wollt ihr denn in euer, zwar richtig berechnetes und gefügtes, aber stillstehendes Räderwerk das ewig Bewegliche einsetzen? Soll etwa, wie ihr dies auch zuweilen in eurer Verlegenheit äussert, das ganze Werk selbst zurückwirken und seine erste Triebfeder anregen? Entweder geschieht dies durch eine selbst aus der Anregung der Triebfeder stammende Kraft, oder es geschieht durch eine solche Kraft, die nicht aus ihr stammt, sondern die in dem Ganzen selbst, unabhängig von der Triebfeder, stattfindet; und ein Drittes ist nicht möglich. Nehmet ihr das erste an, so befindet ihr euch in einem alles Denken und allen Mechanismus aufhebenden Cirkel; das ganze Werk kann die Triebfeder zwingen, nur, inwiefern es selbst von jener gezwungen ist, sie zu zwingen, also, inwiefern die Triebfeder, nur mittelbar, sich selbst zwingt; zwingt sie aber sich selbst nicht, welchem Mangel wir ja eben abhelfen wollten, so erfolgt überhaupt keine Bewegung. Nehmt ihr das zweite an, so bekennt ihr, dass der Ursprung aller Bewegung in eurem Werke von einer in eurer Berechnung und Anordnung Bar nicht eingetretenen und durch euren Mechanismus gar nicht gebundenen Kraft ausgehe, die ohne Zweifel, ohne euer Zuthun, nach ihren eigenen euch unbekannten Gesetzen wirkt, wie sie kann. In jedem der beiden Fälle müsst ihr euch als Stümper und ohnmächtige Prahler bekennen.

Dies hat man denn auch gefühlt, und in diesem Lehrgebäude, das, auf seinen Zwang rechnend, um die übrigen Bürger unbesorgt seyn kann, wenigstens den Fürsten, von welchem alle gesellschaftliche Bewegung ausgeht, durch allerlei gute Lehre und Unterweisung erziehen wollen. Aber, wie will man sich denn versichern, dass man auf eine der Erziehung zum Fürsten überhaupt fähige Natur treffen werde; oder, falls man auch dieses Glück hätte, dass dieser, den kein Mensch nöthigen kann, gefällig und geneigt seyn werde, Zucht annehmen zu wollen?

Eine solche Ansicht der Staatskunst ist nun, ob sie auf ausländischem oder deutschem Boden angetroffen werde, immer Ausländerei. Es ist jedoch hierbei zur Ehre deutschen Geblütes und Gemüthes anzumerken, dass, so gute Künstler wir auch in der blossen Lehre dieser Zwangsberechnungen seyn mochten, wir dennoch, wenn es zur Ausübung kam, durch das dunkle Gefühl, es müsse nicht also seyn, gar sehr gehemmt wurden, und in diesem Stücke gegen das Ausland zurückblieben. Sollten wir also auch genöthigt werden, die uns zugedachte Wohlthat fremder Formen und Gesetze anzunehmen: so wollen wir uns dabei wenigstens nicht über die Gebühr schämen, als ob unser Witz unfähig gewesen wäre, diese Höhen der Gesetzgebung auch zu erschwingen. Da, wenn wir bloss die Feder in der Hand haben, wir auch hierin keiner Nation nachstehen, so möchten für das Leben wir wohl gefühlt haben, dass auch dies noch nicht das Rechte sey, und so lieber das Alte haben stehen lassen wollen, bis das Vollkommene an uns käme, anstatt bloss die alte Mode mit einer neuen, ebenso hinfälligen Mode zu vertauschen.

Anders die ächt deutsche Staatskunst Auch sie will Festigkeit, Sicherheit und Unabhängigkeit von der blinden und schwankenden Natur, und ist hierin mit dem Auslande ganz einverstanden. Nur will sie nicht, wie diese, ein festes und gewisses Ding, als das erste, durch welches der Geist, als das zweite Glied, erst gewiss gemacht werde, sondern sie will gleich von vornherein, und als das allererste und einige Glied, einen festen und gewissen Geist. Dieser ist für sie die aus sich selbst lebende und ewig bewegliche Triebfeder, die das Leben der Gesellschaft ordnen und fortbewegen wird. Sie begreift, dass sie diesen Geist nicht durch Strafreden an die schon verwahrloste Erwachsenheit, sondern nur durch Erziehung des noch unverdorbenen Jugendalters hervorbringen könne; und zwar will sie mit dieser Erziehung sich nicht, wie das Ausland, an die schroffe Spitze, den Fürsten, sondern sie will sich mit derselben an die breite Fläche, an die Nation wenden, indem ja ohne Zweifel auch der Fürst zu dieser gehören wird. So wie der Staat an den Personen seiner erwachsenen Bürger die fortgesetzte Erziehung des Menschengeschlechtes ist, so müsse, meint diese Staatskunst, der künftige Bürger selbst erst zur Empfänglichkeit jener höheren Erziehung herauferzogen werden. Hierdurch wird nun diese deutsche und allerneueste Staatskunst wiederum die allerälteste; denn auch diese bei den Griechen gründete das Bürgerthum auf die Erziehung, und bildete Bürger, wie die folgenden Zeitalter sie nicht wieder gesehen haben. In der Form dasselbe, in dem Gehalte mit nicht engherzigem und ausschliessendem, sondern allgemeinem und weltbürgerlichem Geiste, wird hinführo der Deutsche thun.

Derselbe Geist des Auslandes herrscht bei der grossen Mehrzahl der Unsrigen, auch in ihrer Ansicht des gesammten Lebens eines Menschengeschlechtes, und der Geschichte, als dem Bilde jenes Lebens. Eine Nation, die eine geschlossene und erstorbene Grundlage ihrer Sprache hat, kann es, wie wir zu einer anderen Zeit gezeigt haben, in allen Redekünsten nur bis zu einer gewissen, von jener Grundlage verstatteten Stufe der Ausbildung bringen, und sie wird ein goldenes Zeitalter erleben. Ohne die grösste Bescheidenheit und Selbstverläugnung kann eine solche Nation von dem ganzen Geschlechte nicht füglich höher denken, denn sie selbst sich kennt; sie muss daher voraussetzen, dass es auch für dieses ein letztes, höchstes und niemals zu übertreffendes Ziel der Ausbildung geben werde. So wie das Thiergeschlecht der Biber oder Bienen noch jetzt also baut, wie es vor Jahrtausenden gebaut hat, und in diesem langen Zeitraume in der Kunst keine Fortschritte gemacht hat, eben so wird es nach diesen sich mit dem Thiergeschlechte, Mensch genannt, in allen Zweigen seiner Ausbildung verhalten. Diese Zweige, Triebe und Fähigkeiten werden sich erschöpfend übersehen, ja vielleicht an ein paar Gliedmaassen sogar dem Auge darlegen lassen, und die höchste Entwickelung einer jeden wird angegeben werden können. Vielleicht wird das Menschengeschlecht darin noch weit übler daran seyn, als das Biber- oder Bienengeschlecht, dass das letztere, wie es zwar nichts zulernt, dennoch auch in seiner Kunst nicht zurückkommt, der Mensch aber, wenn er auch einmal den Gipfel erreichte, wiederum zurückgeschleudert wird, und nun Jahrhunderte oder Tausende sich anstrengen mag, um wiederum in den Punct hineinzugerathen, in welchem man ihn lieber gleich hätte lassen sollen. Dergleichen Scheitelpuncte seiner Bildung und goldene Zeitalter wird, diesen zufolge, das Menschengeschlecht ohne Zweifel auch schon erreicht haben; diese in der Geschichte aufzusuchen, und nach ihnen alle Bestrebungen der Menschheit zu beurtheilen und auf sie sie zurückzuführen, wird ihr eifrigstes Bestreben seyn. Nach ihnen ist die Geschichte längst fertig, und ist schon mehrmals fertig gewesen; nach ihnen geschieht nichts Neues unter der Sonne, denn sie haben unter und über der Sonne den Quell des ewigen Fortlebens ausgetilgt, und lassen nur den immer wiederkehrenden Tod sich wiederholen und mehreremale setzen.

Es ist bekannt, dass diese Philosophie der Geschichte vom Auslande aus an uns gekommen ist, wiewohl sie dermalen auch in diesem verhallet und fast ausschliessend deutsches Eigenthum geworden ist. Aus dieser tieferen Verwandtschaft erfolgt es denn auch, dass diese unsere Geschichtsphilosophie die Bestrebungen des Auslandes, – welches, wenn es auch diese Ansicht der Geschichte nicht mehr häufig ausspricht, noch mehr thut, indem es in derselben handelt, und abermals ein goldenes Zeitalter verfertigt, – so durch und durch zu verstehen und ihnen sogar weissagend den ferneren Weg vorzuzeichnen, und sie so aufrichtig zu bewundern vermag, wie es der deutschdenkende nicht eben also von sich rühmen kann. Wie könnte er auch? Goldene Zeitalter in jeder Rücksicht sind ihm eine Beschränktheit der Erstorbenheit. Das Gold möge zwar das edelste seyn im Schoosse der erstorbenen Erde, meint er, aber des lebendigen Geistes Stoff sey jenseits der Sonne, und jenseits aller Sonnen, und sey ihre Quelle. Ihm wickelt sich die Geschichte, und mit ihr das Menschengeschlecht, nicht ab nach dem verborgenen und wunderlichen Gesetze eines Kreistanzes, sondern nach ihm macht der eigentliche und rechte Mensch sie selbst, nicht etwa nur wiederholend das schon Dagewesene, sondern in die Zeit hineinerschaffend das durchaus Neue. Er erwartet darum niemals blosse Wiederholung, und wenn sie doch erfolgen sollte, Wort für Wort, wie es im alten Buche steht, so bewundert er wenigstens nicht.

Auf ähnliche Weise nun verbreitet der ertödtende Geist des Auslandes, ohne unser deutliches Bewusstseyn, sich über unsere übrigen wissenschaftlichen Ansichten, von denen es hinreichen möge, die angeführten Beispiele beigebracht zu haben; und zwar erfolgt dies deswegen also, weil wir gerade jetzt die vom Auslande früher erhaltenen Anregungen nach unserer Weise bearbeiten, und durch einen solchen Mittelzustand hindurchgehen. Weil dies zur Sache gehörte, habe ich diese Beispiele beigebracht; nebenbei auch noch darum, damit niemand glaube, durch Folgesätze aus den angeführten Grundsätzen den hier geäusserten Behauptungen widersprechen zu können. Weit entfernt, dass etwa jene Grundsätze uns unbekannt geblieben wären, oder dass wir zu der Höhe derselben uns nicht aufzuschwingen vermocht hätten, kennen wir sie vielmehr recht gut, und dürften vielleicht, wenn wir überflüssige Zeit hätten, fähig seyn, dieselben in ihrer ganzen Folgemässigkeit rückwärts und vorwärts zu entwickeln; wir werfen sie nur eben gleich vonvornherein weg, und so auch alles, was aus ihnen folgt, dessen mehreres ist in unserem hergebrachten Denken, als der oberflächliche Beobachter leicht glauben dürfte.

Wie in unsre wissenschaftliche Ansicht, eben so fliesst dieser Geist des Auslandes auch ein in unser gewöhnliches Leben und die Regeln desselben; damit aber dieses klar und das vorhergehende noch klarer werde, ist es nöthig, zuvörderst das Wesen des ursprünglichen Lebens oder der Freiheit mit tieferem Blicke zu durchdringen.

Die Freiheit, im Sinne des unentschiedenen Schwankens zwischen mehreren gleich Möglichen genommen, ist nicht Leben, sondern nur Vorhof und Eingang zu wirklichem Leben. Endlich muss es doch einmal aus diesem Schwanken heraus zum Entschlusse und zum Handeln kommen, und erst jetzt beginnt das Leben.

Nun erscheint unmittelbar und auf den ersten Blick jedweder Willensentschluss als Erstes, keinesweges als Zweites und Folge aus einem Ersten, als seinem Grunde – als schlechthin durch sich daseyend, und so daseyend, wie er es ist; welche Bedeutung, als die einzig mögliche verständige, des Worts Freiheit wir festsetzen wollen. Aber es sind, in Absicht auf den innern Gehalt eines solchen Willensentschlusses, zwei Fälle möglich: entweder nemlich erscheint in ihm nur die Erscheinung abgetrennt vom Wesen, und ohne dass das Wesen auf irgend eine Weise in ihrem Erscheinen eintrete, oder das Wesen tritt selbst erscheinend ein in dieser Erscheinung eines Willensentschlusses; und zwar ist hiebei sogleich mit anzumerken, dass das Wesen nur in einem Willensentschlusse, und durchaus in nichts Anderem, zur Erscheinung werden kann, wiewohl umgekehrt es Willensentschlüsse geben kann, in denen keinesweges das Wesen, sondern nur die blosse Erscheinung heraustritt. Wir reden zunächst von dem letzten Falle.

Die blosse Erscheinung, bloss als solche, ist durch ihre Abtrennung und durch ihren Gegensatz mit dem Wesen, so dann dadurch, dass sie fähig ist, selbst auch zu erscheinen und sich darzustellen, unabänderlich bestimmt, und sie ist darum nothwendig also, wie sie eben ist und ausfällt. Ist daher, wie wir voraussetzen, irgend ein gegebener Willensentschluss in seinem Inhalte blosse Erscheinung, so ist er insofern in der That nicht frei, erstes und ursprüngliches, sondern er ist nothwendig, und ein zweites, aus einem höhern ersten, dem Gesetze der Erscheinung überhaupt, also wie es ist, hervorgehendes Glied. Da nun, wie auch hier mehrmals erinnert worden, das Denken des Menschen denselben also vor ihn selber hinstellt, wie er wirklich ist, und immerfort der treue Abdruck und Spiegel seines Innern bleibt: so kann ein solcher Willensentschluss, obwohl er auf den ersten Blick, da er ja ein Willensentschluss ist, als frei erscheint, dennoch dem wiederholten und tiefern Denken keinesweges also erscheinen, sondern er muss in diesem als nothwendig gedacht werden, wie er es denn wirklich und in der That ist. Für solche, deren Willen sich noch in keinen höhern Kreis aufgeschwungen hat, als in den, dass an ihnen ein Wille bloss erscheine, ist der Glaube an Freiheit allerdings Wahn und Täuschung eines flüchtigen und auf der Oberfläche behangen bleibenden Anschauens; im Denken allein, das ihnen allenthalben nur die Fessel der strengen Nothwendigkeit zeigt, ist für sie Wahrheit.

Das erste Grundgesetz der Erscheinung, schlechthin als solcher (den Grund anzugeben unterlassen wir um so füglicher, da es anderwärts zur Genüge geschehen ist), ist dieses, dass sie zerfalle in ein Mannigfaltiges, das in einer gewissen Rücksicht ein Unendliches, in einer gewissen andern Rücksicht ein geschlossenes Ganzes ist, in welchem geschlossenen Ganzen des Mannigfaltigen jedes einzelne bestimmt ist durch alle übrige, und wiederum alle übrige bestimmt sind durch dieses einzelne. Falls daher in dem Willensenischlusse des Einzelnen nichts weiter herausbricht in die Erscheinung, als die Erscheinbarkeit, Darstellbarkeit und Sichtbarkeit überhaupt, die in der That die Sichtbarkeit von nichts ist: so ist der Inhalt eines solchen Willensentschlusses bestimmt durch das geschlossene Ganze aller möglichen Willensentschlüsse dieses und aller möglichen übrigen einzelnen Willen, und er enthält nichts weiter, und kann nichts weiter enthalten, denn dasjenige, was nach Abziehung aller jener möglichen Willensentschlüsse zu wollen übrig bleibt. Es ist darum in der That in ihm nichts selbstständiges, ursprüngliches und eigenes, sondern er ist die blosse Folge, als zweites, aus dem allgemeinen Zusammenhange der ganzen Erscheinung in ihren einzelnen Theilen, wie er denn dafür auch stets von allen, die auf dieser Stufe der Bildung sich befanden, dabei aber gründlich dachten, erkannt worden, und diese ihre Erkenntniss auch mit denselben Worten, deren wir uns soeben bedienten, ausgesprochen worden ist: alles dieses aber darum, weil in ihnen nicht das Wesen, sondern nur die blosse Erscheinung eintritt in die Erscheinung.

Wo dagegen das Wesen selber unmittelbar und gleichsam in eigner Person, keinesweges durch einen Stellvertreter, eintritt in der Erscheinung eines Willensentschlusses, da ist zwar alles das oben erwähnte, aus der Erscheinung, als einem geschlossenen Ganzen erfolgende, gleichfalls vorhanden, denn die Erscheinung erscheint ja auch hier; aber eine solche Erscheinung geht in diesem Bestandtheile nicht auf und ist durch denselben nicht erschöpft, sondern es findet sich in ihr noch ein Mehreres, ein anderer, aus jenem Zusammenhange nicht zu erklärender, sondern nach Abzug des erklärbaren übrigbleibender Bestandtheil. Jener erste Bestandtheil findet auch hier statt, sagte ich; jenes Mehr wird sichtbar, und vermittelst dieser seiner Sichtbarkeit, keinesweges vermittelst seines innern Wesens, tritt es unter das Gesetz und die Bedingungen der Ersichtlichkeit überhaupt; aber es ist noch mehr denn dieses aus irgend einem Gesetze hervorgehendes, und darum nothwendiges und zweites, und es ist in Absicht dieses Mehr durch sich selbst, was es ist, ein wahrhaftig erstes, ursprüngliches und freies, und da es dieses ist, erscheint es auch also dem tiefsten und in sich selber zu Ende gekommenen Denken. Das höchste Gesetz der Ersichtlichkeit ist wie gesagt dies, dass das Erscheinende sich spalte in ein unendliches Mannigfaltiges. Jenes Mehr wird sichtbar, jedesmal als mehr denn das nun und eben jetzt aus dem Zusammenhange der Erscheinung hervorgehende, und so ins unendliche fort; und so erscheint denn dieses Mehr selber als ein unendliches. Aber es ist ja sonnenklar, dass es diese Unendlichkeit nur dadurch erhält, dass es jedesmal sichtbar und denkbar und zu entdecken ist, allein durch seinen Gegensatz mit dem ins unendliche fort aus dem Zusammenhange Erfolgenden, und durch sein Mehrseyn denn dies. Abgesehen aber von diesem Bedürfnisse des Denkens desselben ist es ja dieses Mehr, denn alles ins unendliche fort sich darstellen mögende Unendliche, von Anbeginn in reiner Einfachheit und Unveränderlichkeit, und es wird in aller Unendlichkeit nicht mehr, denn dieses Mehr, noch wird es minder; und nur seine Ersichtlichkeit, als mehr denn das Unendliche, – und auf andere Weise kann es in seiner höchsten Reinheit nicht sichtbar werden, – erschafft das Unendliche, und alles, was in ihm zu erscheinen scheint. Wo nun dieses Mehr wirklich als ein solches ersichtliches Mehr eintritt, – aber es vermag nur in einem Wollen einzutreten, – da tritt das Wesen selbst? das allein ist und allein zu seyn vermag, und das da ist von sich und durch sich, das göttliche Wesen, ein in die Erscheinung, und macht sich selbst unmittelbar sichtbar; und daselbst ist eben darum wahre Ursprünglichkeit und Freiheit, und so wird denn auch an sie geglaubt.

Und so findet denn auf die allgemeine Frage, ob der Mensch frei sey oder nicht, keine allgemeine Antwort statt; denn eben weil der Mensch frei ist, in niederm Sinne: weil er bei unentschiedenem Schwanken und Wanken anhebt, kann er frei seyn, oder auch nicht frei, im höhern Sinne des Worts. In der Wirklichkeit ist die Weise, wie jemand diese Frage beantwortet, der klare Spiegel seines wahren inwendigen Seyns. Wer in der That nicht mehr ist, als ein Glied in der Kette der Erscheinungen, der kann wohl einen Augenblick sich frei wähnen, aber seinem strengern Denken hält dieser Wahn nicht Stand; wie er aber sich selbst findet, eben also denkt er nothwendig sein ganzes Geschlecht. Wessen Leben dagegen ergriffen ist von dem wahrhaftigen, und Leben unmittelbar aus Gott geworden ist, der ist frei, und glaubt an Freiheit in sich und andern.

Wer an ein festes, beharrliches und todtes Seyn glaubt, der glaubt nur darum daran, weil er in sich selbst todt ist; und, nachdem er einmal todt ist, kann er nicht anders, denn also glauben, sobald er nur in sich selbst klar wird. Er selbst und seine ganze Gattung von Anbeginn bis ans Ende wird ihm ein zweites, und eine nothwendige Folge aus irgend einem vorauszusetzenden ersten Gliede. Diese Voraussetzung ist sein wirkliches, keinesweges ein bloss gedachtes Denken, sein wahrer Sinn, der Punct, wo sein Denken unmittelbar selbst Leben ist; und ist so die Quelle alles seines übrigen Denkens und Beurtheilens seines Geschlechts, in seiner Vergangenheit, der Geschichte, seiner Zukunft, den Erwartungen von ihm, und seiner Gegenwart, im wirklichen Leben an ihm selber und andern.

Wir haben diesen Glauben an den Tod, im Gegensatze mit einem ursprünglich lebendigen Volke, Ausländerei genannt. Diese Ausländerei wird somit, wenn sie einmal unter den Deutschen ist, sich auch im wirklichen Leben derselben zeigen: als ruhige Ergebung in die nun einmal unabänderliche Nothwendigkeit ihres Seyns, als Aufgeben aller Verbesserung unsrer selbst oder andrer durch Freiheit, als Geneigtheit, sich selbst und alle so zu verbrauchen, wie sie sind, und aus ihrem Seyn den möglichst grössten Vortheil für uns selbst zu ziehen; kurz, als das in allen Lebensregungen immerfort sich abspiegelnde Bekenntniss des Glaubens an die allgemeine und gleichmässige Sündhaftigkeit aller, den ich an einem andern Orte hinlänglich geschildert habe, *) welche Schilderung selbst nachzulesen, auch zu beurtheilen, inwiefern dieselbe auf die Gegenwart passe, ich Ihnen überlasse. Diese Denk- und Handelsweise entsteht der inwendigen Erstorbenheit, wie oft erinnert worden, nur dadurch, dass sie über sich selbst klar wird, dagegen sie, so lange sie im Dunkeln bleibt, den Glauben an Freiheit, der an sich wahr und nur in Anwendung auf ihr dermaliges Seyn Wahn ist, beibehält. Es erhellet hier deutlich der Nachtheil der Klarheit bei innerer Schlechtigkeit. So lange diese Schlechtigkeit dunkel bleibt, wird sie durch die fortdauernde Anforderung an Freiheit immerfort beunruhigt, gestachelt und getrieben, und bietet den Versuchen sie zu verbessern einen Angriffspunct dar. Die Klarheit aber vollendet sie, und rundet sie in sich selbst ab; sie fügt ihr die freudige Ergebung, die Ruhe eines guten Gewissens, das Wohlgefallen an sich selber hinzu; es geschieht ihnen, wie sie glauben, sie sind von nun an in der That unverbesserlich, und höchstens, um bei den Besseren den unbarmherzigen Abscheu gegen das Schlechte, oder die Ergebung in den Willen Gottes rege zu erhalten, und ausserdem zu keinem Dinge in der Welt nütze.

Und so trete denn endlich in seiner vollendeten Klarheit heraus, was wir in unsrer bisherigen Schilderung unter Deutschen verstanden haben. Der eigentliche Unterscheidungsgrund liegt darin: ob man an ein absolut Erstes und Ursprüngliches im Menschen selber, an Freiheit, an unendliche Verbesserlichkeit, an ewiges Fortschreiten unsers Geschlechts glaube, oder ob man an alles dieses nicht glaube, ja wohl deutlich einzusehen und zu begreifen vermeine, dass das Gegentheil von diesem allen stattfinde. Alle, die entweder selbst, schöpferisch und hervorbringend das Neue, leben, oder die, falls ihnen dies nicht zu Theil geworden wäre, das Nichtige wenigstens entschieden fallen lassen und aufmerkend dastehen, ob irgendwo der Fluss ursprünglichen Lebens sie ergreifen werde, oder die, falls sie auch nicht so weit wären, die Freiheit wenigstens ahnen, und sie nicht hassen, oder vor ihr erschrecken, sondern sie lieben: alle diese sind ursprüngliche Menschen, sie sind, wenn sie als ein Volk betrachtet werden, ein Urvolk, das Volk schlechtweg, Deutsche. Alle, die sich darein ergeben ein zweites zu seyn und Abgestammtes, und die deutlich sich also kennen und begreifen, sind es in der That, und werden es immer mehr durch diesen ihren Glauben sie sind ein Anhang zum Leben, das vor ihnen, oder neben ihnen, aus eignem Triebe sich regle, ein vom Felsen zurücktönender Nachhall einer schon verstummten Stimme; sie sind, als Volk betrachtet, ausserhalb des Urvolks, und für dasselbe Fremde und Ausländer. In der Nation, die bis auf diesen Tag sich das Volk schlechtweg oder Deutsche nennt, ist in der neuen Zeit wenigstens bis jetzt Ursprüngliches an den Tag hervorgebrochen, und Schöpferkraft des Neuen hat sich gezeigt; jetzt wird endlich dieser Nation durch eine in sich selbst klar gewordene Philosophie der Spiegel vorgehalten, in welchem sie mit klarem Begriffe erkenne, was sie bisher ohne deutliches Bewusstseyn durch die Natur ward, und wozu sie von derselben bestimmt ist; und es wird ihr der Antrag gemacht, nach diesem klaren Begriffe und mit besonnener und freier Kunst, vollendet und ganz, sich selbst zu dem zu machen, was sie seyn soll, den Bund zu erneuern, und ihren Kreis zu schliessen. Der Grundsatz, nach dem sie diesen zu schliessen hat, ist ihr vorgelegt; was an Geistigkeit und Freiheit dieser Geistigkeit glaubt, und die ewige Fortbildung dieser Geistigkeit durch Freiheit will, das, wo es auch geboren sey und in welcher Sprache es rede, ist unsers Geschlechts, es gehört uns an und es wird sich zu uns thun. Was an Stillstand, Rückgang und Cirkeltanz glaubt, oder gar eine todte Natur an das Ruder der Weltregierung setzt, dieses, wo auch es geboren sey und welche Sprache es rede, ist undeutsch und fremd für uns, und es ist zu wünschen, dass es je eher je lieber sich gänzlich von uns abtrenne.

Und so trete denn bei dieser Gelegenheit, gestützt auf das oben über die Freiheit Gesagte, endlich auch einmal vernehmlich heraus, und wer noch Ohren hat zu hören, der höre, was diejenige Philosophie, die mit gutem Fuge sich die deutsche nennt, eigentlich wolle, und worin sie jeder ausländischen und todtgläubigen Philosophie mit ernster und unerbittlicher Strenge sich entgegensetze; und zwar trete dieses heraus keinesweges darum, damit auch das Todte es verstehe, was unmöglich ist, sondern damit es diesem schwerer werde, ihr die Worte zu verdrehen, und sich das Ansehen zu geben, als ob es selbst eben auch ohngefähr dasselbe wolle und im Grunde meine. Diese deutsche Philosophie erhebt sich wirklich und durch die That ihres Denkens, keinesweges prahlt sie es bloss, zufolge einer dunklen Ahnung, dass es so seyn müsse, ohne es jedoch bewerkstelligen zu können, – sie erhebt sich zu dem unwandelbaren «Mehr denn alle Unendlichkeit,» und findet allein in diesem das wahrhafte Seyn. Zeit und Ewigkeit und Unendlichkeit erblickt sie in ihrer Entstehung aus dem Erscheinen und Sichtbarwerden jenes Einen, das an sich schlechthin unsichtbar ist, und nur in dieser seiner Unsichtbarkeit erfasst, richtig erfasst wird. Schon die Unendlichkeit ist nach dieser Philosophie nichts an sich, und es kommt ihr durchaus kein wahrhaftes Seyn zu: sie ist lediglich das Mittel, woran das Einzige, das da ist, und das nur in seiner Unsichtbarkeit ist, sichtbar wird, und woraus ihm ein Bild, ein Schemen und Schatten seiner selbst, im Umkreise der Bildlichkeit erbaut wird. Alles, was innerhalb dieser Unendlichkeit der Bilder Welt noch weiter sichtbar werden mag, ist nun vollends ein Nichts des Nichts, ein Schatten des Schattens, und lediglich das Mittel, woran jenes erste Nichts der Unendlichkeit und der Zeit selber sichtbar werde, und dem Gedanken der Auflug zu dem unbildlichen und unsichtbaren Seyn sich eröffne.

Innerhalb dieses einzig möglichen Bildes der Unendlichkeit tritt nun das Unsichtbare unmittelbar heraus nur als freies und ursprüngliches Leben des Sehens, oder als Willensentschluss eines vernünftigen Wesens; und kann durchaus nicht anders heraustreten und erscheinen. Alles als nicht geistiges Leben erscheinende beharrliche Daseyn ist nur ein aus dem Sehen hingeworfener, vielfach durch das Nichts vermittelter, leerer Schatten, im Gegensatze mit welchem, und durch dessen Erkenntniss als vielfach vermitteltes Nichts, das Sehen selbst sich eben erheben soll zum Erkennen seines eignen Nichts, und zur Anerkennung des Unsichtbaren, als des einzigen Wahren.

In diesen Schatten von den Schatten der Schatten bleibt nun jene todtgläubige Seynsphilosophie, die wohl gar Naturphilosophie wird, die erstorbenste von allen Philosophien, behangen, und fürchtet und betet an ihr eigenes Geschöpf.

Dieses Beharren nun ist der Ausdruck ihres wahren Lebens und ihrer Liebe, und in diesem ist dieser Philosophie zu glauben. Wenn sie aber noch weiter sagt, dass dieses von ihr als wirklich seyendes vorausgesetzte Seyn und das Absolute Eins sey und ebendasselbe, so ist ihr hierin, so vielmal sie es auch betheuern mag, und wenn sie auch manchen Eidschwur hinzufügte, nicht zu glauben; sie weiss dies nicht, sondern sie sagt es nur auf gutes Glück hin, einer andern Philosophie, der sie dies nicht abzustreiten wagt, es nachbetend. Sollte sie es wissen, so müsste sie nicht von der Zweiheit, die sie durch jenen Machtspruch nur aufhebt, und dennoch stehen lässt, als einer unbezweifelten Thatsache ausgehen, sondern sie müsste von der Einheit ausgehen, und aus dieser die Zweiheit, und mit ihr alle Mannigfaltigkeit, verständlich und einleuchtend abzuleiten vermögen. Hierzu bedarf es aber des Denkens, der durchgeführten und mit sich selbst zu Ende gekommenen Reflexion. Die Kunst dieses Denkens hat sie theils nicht gelernt und ist derselben überhaupt unfähig, sie vermag nur zu schwärmen, theils ist sie diesem Denken feind und mag es gar nicht versuchen, weil sie dadurch in der geliebten Täuschung gestört werden würde.

Dies ist es nun, worin unsere Philosophie sich jener Philosophie ernstlich entgegensetzt, und dies haben wir bei dieser Veranlassung einmal so vernehmlich als möglich aussprechen und bezeugen wollen.

 

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*) M. s. die Anweisung zum seligen Leben, 11. Vorlesung.